Aktualitäten aus Berufsstand und KWP neues Aktienrecht 725 OR
Martin Nay BDO AG
Fachbereichspräsident WP EXPERTsuisse
Agenda
Nationale und internationale Regulierungsentwicklungen im Überblick
Internationale Regierungsagenda
Schweizer Politagenda
Einfluss des Opting-Outs auf die Firmenkonkurse
COVID-19-Bürgschaftskredite
COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetz
COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht
Neues Aktienrecht – Artikel 725 OR
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Nationale und internationale
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Internationale Regierungsagenda
Global - International Federation of Accountants
Audit of Less Complex Entities (LCE) – IAASB untersucht aktuell die Implikationen einer allfälligen Etablierung eines LCE-Standards als Alternative neben den ISA
ISQM 1 und ISQM 2 – von der Qualitätssicherung hin zum umfassenden Qualitätsmanagement – Standards wurden vom IAASB verabschiedet. Inkraftsetzung wird am 15.
Dezember 2022 sein.
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Nationale und internationale
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Internationale Regierungsagenda
Grossbritannien
Entwicklungen in Grossbritannien könnten Rückwirkungen auf EU-Audit Policy haben.
Nach den Vorkommnissen bei Carillion und BHS wurden diverse Untersuchungen durchgeführt:
nature of audit (Brydon Review)
regulation of the audit industry (Kingman Review)
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Internationale Regierungsagenda
EU
Vor dem Hintergrund des Wirecard-Skandals haben Grüne und Liberale auf europäischer Ebene gemeinsam neue Regeln für Wirtschaftsprüfer im Econ-Ausschuss (Pendant zur Wirtschafts- und Abgabekommission CH) gefordert.
Es geht um angebliche Themen wie Überprüfung der Aufsicht, Fehlanreize, regulatorisches Umfeld,
oligopolistische Marktstruktur.
Stakeholder fragen sich im Fall von Wirecard….
Warum sieht der Prüfer nicht, dass 1.9 Mia. in der Kasse fehlen?
Wie kann es sein, dass ein fehlerhafter Abschluss als gesetzeskonform testiert wird?
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Nationale und internationale
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Internationale Regierungsagenda
Bilanzskandale – schwindendes Vertrauen
Medienberichte über spektakuläre Betrugsfälle und
Insolvenzen stellen das von Wirtschaftsprüfern geschaffene Vertrauen immer wieder in Frage bzw. schüren Misstrauen in die Arbeit der Wirtschaftsprüfer.
Es ist schwierig in solchen Situationen
Rechtfertigungsgründe zu finden, auch wenn die Gründe der Verfehlungen vielschichtig und unterschiedlich sind.
Das Vertrauen in die Wirtschafsprüfung ist nach jedem Skandal zutiefst erschüttert.
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Nationale und internationale
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Internationale Regierungsagenda
Bilanzskandale – Unternehmensversagen ist nicht Prüfversagen
Selbst wenn auch andere Akteure in dieser Situation Verantwortung zu tragen hätten, schnell werden die Verfehlungen der Revisionsstelle angeprangert.
Dabei ist es wichtig, dass man diese Einzelfälle genau analysiert und die entsprechenden Lehren daraus zieht.
Unternehmensversagen, d.h. Versagen in der internen Kontrolle und in der Unternehmensführung, bedeutet nicht zugleich Revisionsversagen.
Die Aufgabe der Revisionsstelle besteht in der Prüfung des Jahresabschlusses; die Abschlussprüfung stellt keine umfassende Compliance- oder gar
Geschäftsführungsprüfung dar.
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Nationale und internationale
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Internationale Regierungsagenda
Bilanzskandale – das Problem der deliktischen Handlungen
Gerade in Fällen von Betrug und deliktischen Handlungen wird es für die Revisionsstelle schwierig, solche
Machenschaften aufzudecken
Die Prüfung basiert auf Stichproben unter Anwendung einer
Wesentlichkeitsgrenze. Die Wirtschaftsprüfung ist keine
forensische Angelegenheit!
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Internationale Regierungsagenda
Bilanzskandale - Einzelfälle
Bei den weltweiten Bilanzskandalen handelt es sich um Einzelfälle.
Es macht aus wirtschaftlicher Sicht auch wenig Sinn, nun von sämtlichen Unternehmen eine Vollprüfung oder ein Fraud-Audit zu verlangen. - Das will niemand!
Gemessen an der Gesamtzahl der weltweit durchgeführten Audits ist die Anzahl der Bilanzskandale nach wie vor gering.
Ohne diese Kleinreden zu wollen, sollten wir aufgrund dieser wenigen negativen Fälle nicht über das Ziel hinausschiessen und einfach vermehrt nach mehr Regulierungsmassnahmen streben.
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Nationale und internationale
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Schweizer Politagenda – Relevante Themen der Prüfungsbranche
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Nationale und internationale
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Einfluss des Opting-Outs auf die Firmenkonkurse Im Handelsregister eingetragene Firmen
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Nationale und internationale
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Einfluss des Opting-Outs auf die Firmenkonkurse
Entwicklung der Konkurse in den letzten rund 45 Jahren
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Einfluss des Opting-Outs auf die Firmenkonkurse Halbierung der Revisionsmandate seit 2008
13 Opting‐out
wird möglich
Quelle: Wirtschaftsprüfertagung l © Prof. R. Eberle | 04.07.2019
Nationale und internationale
Regulierungsentwicklungen im Überblick
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Einfluss des Opting-Outs auf die Firmenkonkurse Zahlen und Fakten am Beispiel der GmbHs (per 31.12.2018)
197‘858
aktive GmbHs
+135%
seit 31.12.2005
87%
mit Kapital von 20k
96.7%
Opting‐out
~ 1.5
Gesellschafter im Durchschnitt
90%
mind. 1 Gesellschafter
in der GL
9%
mind. 1 jur.
Person als Gesellschafter
71%
im Einzel‐
oder Familienbesitz
Quelle: Swiss Audit Monitor, Dr. Daniel Bättig | 25. Juni 2020
Nationale und internationale
Regulierungsentwicklungen im Überblick
Einfluss des Opting-Outs auf die Firmenkonkurse Das Problem der fehlenden überwachenden Kontrollen
Quelle: Neue HSG‐Studie zu Revisionsstelle und Konkurs/Bonitätsrisiko, Raoul Egeli / Prof. Dr. Heiko Bergmann, | 25. Juni 2020 15
Covid-19-Bürgschaftskredite
COVID 19 - Solidarbürgschaftsverordnung
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Ziel
Der Bund will:
Massenentlassungen verhindern;
Lohnfortzahlung bei unverschuldetem Fernbleiben vom Arbeitsplatz gewährleisten; und
verhindern, dass an sich gesunde Unternehmen und Selbstständigerwerbende infolge Corona-bedingter Liquiditätsengpässe in den Konkurs getrieben werden.
> >
COVID-19-Bürgschaftskredite
Verwendungszweck
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Beschränkungen während der Laufzeit des Kredites
Keine Ausschüttung von Dividenden und Tantiemen, keine Rückzahlung von Kapitaleinlagen.
Verboten sind auch die geldwerten Leistungen/ verdeckten Ausschüttungen
Leistungen von Aktionären und nahestehenden Dritten können aber normal abgegolten werden.
Gewährung von Darlehen
Darlehen an nahestehenden Personen, Aktionäre und Dritte sind verboten.
Die Einräumung normaler Zahlungsfristen bei Lieferung und
Leistungen (Debitoren) sind zulässig.
COVID-19-Bürgschaftskredite
Verwendungszweck
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Unzulässige Verwendung
Neue Investitionen in das Anlagevermögen
Keine Expansionsfinanzierung durch Covid-19- Kredite
Ersatzinvestitionen und Kreditoren aus bereits erworbenem Anlagevermögen können bezahlt werden
Unterhalt gilt nicht als Investition
Übertrag der aufgenommenen Mittel auf ausländische Gesellschaften
Keine Darlehen oder Eigenkapitalfinanzierung für ausländische Tochtergesellschaften, Beteiligungen oder Dritte
Fällige Kreditoren können aber auch an ausländische Gläubiger bezahlt werden
ICOVID-19-Bürgschaftskredite
Verwendungszweck
Beschränkungen während der Laufzeit des Kredites
Rückzahlung von Darlehen
Unzulässig sind Rückzahlungen von Darlehen Dritter und von gruppeninternen Darlehen.
fällige Amortisationen sind statthaft.
Zulässig sind auch die Zahlungen von Kreditoren aus Lieferungen
und Leistungen sowie von Zinsen auf Darlehen.
Rechnungslegung
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Wirkung
Eine in der Sondersession der Eidg. Räte angenommene Motion beauftragt den Bundesrat im Rahmen der Überführung der Notrechtsbestimmungen in ordentliche Gesetzgebung dafür zu sorgen, dass die Notkredite über die gesamte Dauer der Solidarbürgschaft nicht als Fremdkapital im Kontext von Art. 725 OR behandelt werden.
Vgl. Art. 24 der
Solidarbürgschaftsverordnung
Mit Sinn und Zweck der
Solidarbürgschaftsverordnung nicht vereinbar, wenn durch COVID-19-Kredite eine «implizite» Eigenkapitalstärkung erfolgt, die Gesellschaft dann aber durch Sachdividenden oder etwa
Dividendenausschüttungen mittels Buchung auf dem Aktionärs-Kontokorrent das Eigenkapital schwächen dürfte.
Motion der FK-S (20.3156) - Kredite nicht als Fremdkapital berücksichtigen.
Kapitalverlust und Ueberschuldung
Der Verordnungsgeber hat erkannt, dass aus wegbrechenden Umsatzerlösen bei fortlaufenden (Fix-)Kosten zudem (bilanziell sichtbare) Vermögensverluste entstehen und Überschuldungssituationen auftreten können.
Daher wurde im Zusammenhang mit den COVID-19-Krediten verordnungsrechtlich geregelt, dass
entsprechende Kredite bis zu Fr.
500'000 für die Berechnung von Kapitalverlust (Art. 725 Abs. 1 OR) und Überschuldung (Art. 725 Abs. 2 OR) bis zum 31. März 2022 nicht als Fremdkapital berücksichtigt werden.
In der Rechnungslegung bleiben die Covid- 19-Kredite aber Fremdkapital und auch im Fall eines Konkurses sind sie als
Fremdkapital zu berücksichtigen.
COVID-19-Bürgschaftskredite
Anzahl gewährte Kredite – Stand 23.09.2020
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# Ø Betrag in
CHF Total CHF
Covid-19-
Kreditvereinbarungen 135’259 102'000 13’900 Mio.
Covid-19-Kredit-Plus 1'130 2’700’000 3’008 Mio.
Total 136’389 16’908 Mio.
Ein Grossteil der gesprochenen Kredite wurde nicht in Anspruch genommen.
Von den zur Verfügung stehenden CHF 40 Mrd. sind Kreditanträge von rund CHF 16,9 Mrd. gestellt worden (Stand 23. September 2020).
Das Programm lief Ende Juli 2020 aus.
COVID-19-Bürgschaftskredite
Inanspruchnahme von Krediten nach Unternehmensgrösse – Stand 26.08.2020
23
> >
COVID-19-Bürgschaftskredite
Die von den Bürgschaftsorganisationen geführten Statistiken zu potenziellen und effektiven Missbrauchsfällen umfassen folgende Meldungen:
Quelle:
https://covid19 .easygov.swiss/
fuer-medien/
Kreditverluste – Stand 21.08.2020
Im Vergleich –
zurückbezahlte Überbrückungs- kredite
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Wirkung
Bürgschaftsverluste im Rahmen der COVID-19-
Überbrückungskredite.
Es handelt sich um COVID-19- Kredite, bei welchen die Bank die Bürgschaft in Anspruch
genommen und die Forderung gegenüber dem Kreditnehmer den Bürgschaftsorganisationen übergeben hat.
# Ø Betrag in
CHF Total CHF 384 74’964 28’561’306
Stand 28.10.2020
# Total CHF
2’896 575’795’104
COVID-19-Bürgschaftskredite
Kritische Würdigung
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Würdigung
Massnahme (Volkswirtschaftlich) sicher sinnvoll, da Liquidität im Umlauf bleibt;
aber aus Sicht der Unternehmungen:
Liquiditätszuschuss reduziert den Leidensdruck zur Sanierung.
Geldschwemme löst Probleme nicht; bloss aufschiebend
Vielfach haben bereits angeschlagene Unternehmen den COVID-Kredit beansprucht.
Nach Aufbrauchen der Kredite ist der Schaden umso grösser.
Restriktionen machen teilweise handlungsunfähig.
Leistet der Bund Anstiftung zu Konkursverschleppung?
COVID-19-Bürgschaftskredite
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FAZIT
Ziel der Covid-Kredite war es, den Schweizer Unternehmen rasch und unkompliziert Überbrückungshilfe in der Krisenzeit zu leisten.
Die Anforderungen an die Vergabekriterien wurden bewusst tief gehalten, damit Unternehmen schnell zu Liquidität gelangen.
Mit den Krediten sollen primär die fixen Kosten, wie Lohnkosten bis zum Eintreffen der Kurzarbeitsentschädigungen sowie Mieten und übrige laufende Betriebskosten gedeckt werden.
Ohne die Überbrückungshilfe wäre ein grosser Teil der für die Schweizer Wirtschaft wichtigen KMU in ihrer Existenz gefährdet gewesen.
Was kommt nun mit der Corona-Härtefallregelung?
Die Zielsetzung wurde erreicht und fand auch im Ausland Anerkennung
Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetz
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Vorentwurf eines Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes
Übernahme von Notrechtsbestimmungen in ordentliches Recht hat auch Auswirkungen auf die Revisionsstellen.
Ziel ist es aufzuzeigen, welche Verpflichtungen der Revisionsstelle auferlegt werden sollen und bei welchen Unternehmen die beabsichtigten Massnahmen wohl kaum greifen werden.
Expertsuisse hat zum Vorentwurf des Bundesgesetzes Stellung genommen.
Das Parlament wird in der Wintersession 2020 den Entwurf und die Botschaft verabschieden.
Über die Kontrolle der zweckkonformen Verwendung der Kredite wird nun diskutiert, auch inwieweit die Revisionsstelle im Rahmen der Abschlussprüfung Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen
hat.
COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetz
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Vorentwurf eines Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes Quellen
SR 951.261, Verordnung zur Gewährung von Krediten und Solidarbürgschaften in Folge des Coronavirus(COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung), vom 25. März 2020 (Stand am 20. April 2020).
Bundesgesetz (Vorentwurf) über Kredite mit Solidarbürgschaft infolge des Coronavirus (Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetz, Covid-19-SBüG).
Erläuternder Bericht zum Vorentwurf des Bundesgesetzes über Kredite mit
Solidarbürgschaft infolge des Coronavirus (Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetz), vom 1. Juli 2020.
Stellungnahme von Expertsuisse vom 17. Juli 2020 an das Eidgenössische Finanzdepartement EFD, Bern
Botschaft zum Bundesgesetz über Kredite mit Solidarbürgschaft infolge des Coronavirus vom 18.09.2020
Weitere Publikationen
COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung und COVID-19 Insolvenzrecht, EXPERTfocus 9 ¦ 2020, Dr. Thorsten Kleibold
Vorentwurf eines COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetzes, EXPERTfocus 9¦2020, Martin Nay
COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetz
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Grundsätzlich positive Haltung zum Gesetzesentwurf
Die Überführung der als Notverordnung erlassenen Covid-19-
Solidarbürgschaftsverordnung in ordentliches Recht ist zu begrüssen, insbesondere auch die Vorschläge zur Verhinderung, Bekämpfung und Verfolgung von Missbrauch.
Bei der Beantragung der Kredite wird ein Missbrauchspotenzial u.a. in folgenden Bereichen gesehen
Missbrauchspotential
Angabe zu hoher Umsatzerlöse;
Verschweigen, dass sich das Unternehmen im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuches in einem Konkurs- oder Nachlassverfahren bzw. in Liquidation befand;
Mehrfachanträge von Covid-Krediten durch dasselbe Unternehmen bei unterschiedlichen Kreditgebern.
COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetz
Grundsätzlich positive Haltung zum Gesetzesentwurf
Nach erfolgter Kreditverwendung besteht das Missbrauchspotenzial primär in der nicht zweckkonformen Mittelverwendung, indem Liquidität für nicht betriebsnotwendige Ausgaben abfliesst.
Entsprechend sind in der Covid-19-Solidarbürgschaftsverordnung u.a.die Ausschüttung von Dividenden sowie bestimmte Darlehensgewährungen und -rückzahlungen nach Art. 6 Abs. 3 der Covid-19-
Solidarbürgschaftsverordnung verboten.
Zur Eindämmung von Missbräuchen wurden bereits in der Covid-19-
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Erschwerte Missbrauchsbekämpfung aufgrund fehlender Revisionspflicht
Gleichwohl sollen nach der Kreditgewährung Missbrauchsfälle gezielt aufgedeckt und verfolgt werden.
Der Gesetzesentwurf soll dafür die längerfristigen Grundlagen zur Missbrauchsbekämpfung schaffen.
Nebst Massnahmen, die von Kreditgebern, Bürgschaftsorganisationen und der EFK wahrzunehmen sind, sollen auch der Revisionsstelle Handlungs- und
Meldepflichten auferlegt werden.
Stellt die Revisionsstelle des Kreditnehmers im Rahmen der eingeschränkten oder ordentlichen Prüfung der Jahres- oder Konzernrechnung eine Verletzung des Verwendungsverbots fest, so setzt sie ihm eine angemessene Frist zur Herstellung des ordnungsgemässen Zustands.
Wird dieser nicht innerhalb der gesetzten Frist hergestellt, so muss die
Revisionsstelle neu die zuständige Bürgschaftsorganisation informieren (Art. 24 VE-Covid-19-SBüG).
COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetz
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Erschwerte Missbrauchsbekämpfung aufgrund fehlender Revisionspflicht
Da über 80% der Covid-19-Kredite an Kleinunternehmen mit weniger als zehn Vollzeitmitarbeitenden vergeben wurden, d.h. an Unternehmen, die aufgrund der grosszügigen Opting-out-Regelung im OR über keine Revisionsstelle verfügen oder die aufgrund ihrer Rechtsform ohnehin keiner Revisionspflicht unterstehen, greifen die vorgeschlagenen Regelungen in der überwiegenden Anzahl der Fälle nicht.
Expertsuisse hat daher bereits vor längerem ein Konzept für eine sog. «Covid-19- Kreditverwendungsprüfung» erarbeitet, welches auf sämtliche Unternehmen anwendbar wäre.
Bereits mit einem geringen Kostenaufwand, gemessen an den gesprochenen Notkreditsummen, könnte mit einer Spezialprüfung zur Einhaltung der Kreditbestimmungen Sicherheit erlangt werden.
Somit würden in der Konsequenz auch sämtliche Unternehmen gleichbehandelt
und zwar ungeachtet, ob sie einer Revisionspflicht unterliegen oder nicht.
COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetz
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Die Aufgaben der Revisionsstelle werden im Vorentwurf zum Bundesgesetz zu weit gefasst
Bereits im geltenden Recht hat die Revisionsstelle die Aufgabe, den Antrag über die Gewinnverwendung zu beurteilen. Die Revisionsstellen haben daher ohnehin bereits ein Augenmerk auf die sich aus der Covid-19-
Solidarbürgschaftsverordnung ergebenen Ausschüttungssperren zu richten.
Im erläuternden Bericht zum Vorentwurf des Covid-19-SBüG steht, dass die unter Art. 2 Abs. 2 BST a.-d. fallenden Sachverhalte, wie:
a. Ausschüttungssperre,
b. Gewährung von Aktivdarlehen an Aktionäre, c. Rückführung von Gruppendarlehen
d. und Übertragung von Mitteln an verbundene Gruppengesellschaften ausserhalb der Schweiz
…in den meisten Fällen im Rahmen der ordentlichen und eingeschränkten Revision direkt oder indirekt analysiert werden.
Aber ist die Aussage in dieser Form korrekt?
COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetz
Die Aufgaben der Revisionsstelle werden im Vorentwurf zum Bundesgesetz zu weit gefasst
Die Revisionsstelle müsse keine zusätzlichen Prüfhandlungen vornehmen, die über diejenigen hinausgehen, die gemäss Selbstregulierung zu tätigen sind.
Naturgemäss können diese zwischen ordentlicher und eingeschränkter Revision differieren.
Zu beachten ist aber, dass Art. 2 Abs. 2 nebst der Prüfung der
Ausschüttungssperre (a.), die im Rahmen der Gewinnverwendung (Art. 728a
Abs. 1 Ziff. 2 OR und Art. 729a Abs. 1 Ziff. 2 OR) bei der ordentlichen wie
auch bei der eingeschränkten Revision auf Gesetzeskonformität geprüft wird,
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Die Aufgaben der Revisionsstelle werden im Vorentwurf zum Bundesgesetz zu weit gefasst
Es stellt sich des Weiteren bei der eingeschränkten Revision die Frage, ob die Einhaltung der Kreditbedingungen den Rahmen einer eingeschränkten Prüfung nicht sprengt.
gemäss Schweizer Standard zur Eingeschränkten Revision (SER) besteht keine Pflicht, nach Gesetzesverstössen ausserhalb der Rechnungslegung zu suchen (vgl. Ziff. 1.5 Umfang einer eingeschränkten Revision).
Ebenso ist die nicht minder wichtige Frage, ob ein Kreditnehmer aufgrund der Kreditvergabekriterien anspruchsberechtigt war und einen Covid-19-Kredit zu Recht erhalten hat, weder Gegenstand der Abschlussprüfung noch vorliegend Gegenstand von Art. 24 VE-Covid-19-SBüG.
Mit dem vorliegenden Art. 24 kann die mit dem Gesetzesentwurf angestrebte Missbrauchsbekämpfung daher nur partiell erfolgen.
COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetz
Gesetzliche Abschlussprüfung vs. COVID-19- Kreditverwendungsprüfung
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COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetz
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Gesetzliche Abschlussprüfung vs. COVID-19-Kreditverwendungsprüfung Bisheriger Entwurf zum Bundesgesetz über die Solidarbürgschaft
Art. 24 Aufgaben der Revisionsstelle
Stellt die Revisionsstelle der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers im Rahmen der eingeschränkten oder ordentlichen Prüfung der Jahresrechnung eine Verletzung einer Vorgabe nach Artikel 2 Absatz 2 fest, so setzt sie ihr oder ihm eine angemessene Frist zur Herstellung des ordnungsgemässen Zustands. Wird dieser nicht innerhalb der gesetzten Frist hergestellt, so muss die Revisionsstelle die zuständige Bürgschaftsorganisation informieren.
Neuer Vorschlag EXPERTsuisse für Art 24 des Bundesgesetzes über die Solidarbürgschaft
Art. 24 Kreditverwendungsprüfung
Die Bürgschaftsorganisation kann im eigenen Ermessen bei Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern eine Überprüfung der Kreditverwendung durchführen lassen. Hierzu beauftragt die Bürgschaftsorganisation einen zugelassenen Revisor mit einer Covid- 19-Kreditverwendungsprüfung, bei der die Einhaltung der Vorgaben nach Artikel 2 Absatz 2 geprüft werden. Der Prüfer berichtet an die Bürgschaftsorganisation und an die Kreditnehmerin oder den Kreditnehmer hinsichtlich des Prüfungsergebnisses.
COVID-19-Solidarbürgschaftsgesetz
Gesetzliche Abschlussprüfung vs. COVID-19-Kreditverwendungsprüfung Haftung – die neuste Entwicklung aufgrund der Botschaft
Art. 22 sieht die persönliche, solidarische Haftung der Mitglieder des obersten
Verwaltungs- oder Leitungsorgans sowie aller mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen vor.
Das entspricht grundsätzlich Artikel 18a der Covid-19-Solidarbürgschaftsverordnung.
Der Vorentwurf zum Solidarbürgschaftsgesetz enthielt in Art. 23 noch einen sehr umfassenden Begriff des Organs, indem geschrieben stand, dass die Organe sowie alle mit der Geschäftsführung oder der Liquidation der Kreditnehmerin oder des
Kreditnehmers befassten Personen gegenüber den Gläubigerinnen und Gläubigern des Unternehmens, der Kreditgeberin, der Bürgschaftsorganisation und dem Bund persönlich und solidarisch für den Schaden verantwortlich sind.
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FAZIT
Was die Aufgaben und Verantwortung der Revisionsstelle im Zusammenhang mit den Missbrauchsbestimmungen betrifft, so geht die Erwartungshaltung des Gesetzgebers teilweise weiter als es unsere Berufsvorgaben vorsehen.
Inwieweit solche Prüfungen im Rahmen der Abschlussprüfung einer ordentlichen und eingeschränkten Revision abzudecken sind, wird kontrovers diskutiert.
Ungleichlange Spiesse für Unternehmen, die einen Covid-Kredit in Anspruch genommen haben, sofern diese vom Opting-out profitieren.
Das neue Bundesgesetz in der vorgeschlagenen Form wird in jedem Fall zu weitergehenden Prüfungshandlungen bei den Unternehmen führen, die einen Covid-Kredit in Anspruch genommen haben.
• Die Vorgesehene «Covid-19-Kreditverwendungsprüfung» geht besser auf die besondere Situation und speziellen Bedingungen der Covid-Kredite ein.
• Aus Risikosicht ist sich zu überlegen, ob die Prüfung einer missbräuchlichen Kreditverwendung nicht auch im Rahmen der ordentlichen und
gegebenenfalls eingeschränkten Revision zu prüfen ist, sofern keine spezifische Kreditverwendungsprüfung durchgeführt wird.
Covid-19-Verordnung insolvenzrecht
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COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht
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Ausgangslage
Im weiteren Verlauf der COVID-19-Pandemie akzentuierte sich die Situation und aus der anfänglichen Liquiditätskrise wurde vielfach zunehmend eine Ertragskrise mit entsprechender Beeinträchtigung des Bilanzbilds.
diese Phase dauert an
Per Notrecht wurde deshalb geregelt, dass eine allfällige
Bilanzdeponierung bei Überschuldung unter gewissen Voraussetzungen vorübergehend unterbleiben darf («OR-725-Moratorium»).
COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht
«OR-725-MORATORIUM» - VERZICHT AUF DIE ÜBERSCHULDUNGSANZEIGE
In der COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht wurde geregelt, dass der Verwaltungsrat von der Pflicht zur Überschuldungsanzeige befreit.
Voraussetzungen:
Gesellschaft war am 31. Dezember 2019 nicht überschuldet.
Es besteht zugleich die Aussicht, dass die Überschuldung bis am 31.
Dezember 2020 behoben werden kann.
Der Verwaltungsrat muss seinen Entscheid, auf die Bilanzdeponierung zu
verzichten, schriftlich begründen und dokumentieren (Prognosepflicht des
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«OR-725-MORATORIUM» - VERZICHT AUF DIE ÜBERSCHULDUNGSANZEIGE
Für die Revisionsstelle stellt sich in diesem Notrechtsregime die folgende Frage:
Welche Auswirkungen hat die Pflicht des Verwaltungsrats (Begründung und Dokumentation, wonach Aussicht besteht, dass die Überschuldung bis am 31. Dezember 2020 behoben werden kann) auf allfällige Prüfungs- und Handlungspflichten?
Bei der Beantwortung dieser Frage sind die nachfolgend aufgeführten zwei Grundkonstellationen zu unterscheiden…
1 Welche Prüfungs- und Handlungspflichten ergeben sich für die
Revisionsstelle hinsichtlich der vom Verwaltungsrat verlangten Begründung und Dokumentation gem. Art. 1 Abs. 2 der COVID-19-
Insolvenzverordnung, wonach Aussicht besteht, dass die Überschuldung bis am 31. Dezember 2020 behoben werden kann?
Prüfung der Jahresrechnung abgeschlossen.
Revisionsstelle hat keine Pflicht zur laufenden Überwachung der finanziellen
Lage eines Unternehmens [PS 290 Bst. U].
OR 725-Moratorium greift.
Prüfung der Jahresrechnung oder eines unterjährigen (Zwischen-)
Abschlusses läuft derzeit noch.
Beurteilung der Begründung und Dokumentation des VR im Rahmen der
Going concern-Prüfung [PS 570 / SER, Anhang G].
Einschätzung des VR kann nachvollzogen werden.
Es bestehen erhebliche Meinungsverschiedenheiten mit
dem VR.
1)Ggf. Auswirkungen auf den Revisionsbericht [PS 570, Tz. 18
ff. / SER, S. 119]
1)Ggf. Auswirkungen auf den Revisionsbericht [PS 570, Tz. 21
und A25 / HWP ER, S. 248]
2)Anzeigepflichten nach OR 725 Abs. 2 und die Vorgaben von PS 290, Bst. HH ff. gelten weiter.
V.1 V.2
2)OR 725-Moratorium greift.
COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht
«OR-725-MORATORIUM» - VERZICHT AUF DIE ÜBERSCHULDUNGSANZEIGE
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COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht
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NEUSTE ENTWICKLUNG
Es bestanden grössere Bedenken von Beginn an bei den Regelungen zum «OR-725-Moratorium».
Regelungen werden als fundamentaler Eingriff in das gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutzregime gewertet.
Befristung der Massnahmen (Behebung der Überschuldung bis zum 31. Dezember 2020) wird als zu kurz empfunden.
Der Bundesrat wird die vorübergehenden Massnahmen zur Verhinderung von coronabedingten Konkursen nicht verlängern (Sitzung vom 14. Oktober 2020).
Gleichzeitig setzt der Bundesrat die vom Parlament im Rahmen der Aktienrechtsrevision beschlossene Verlängerung der Nachlassstundung bereits auf den 20. Oktober 2020 in Kraft.
Somit wird die COVID-19 Verordnung über das Insolvenzrecht nicht verlängert.
COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht
FAZIT UND AUSBLICK - Was heisst das für die Wirtschaftsprüfung?
Die Ausserkraftsetzung zur Überschuldungsanzeige läuft noch bis zum 19. Oktober 2020 (OR 725-Moratorium). Danach können sich Gesellschaften bei Feststellung einer Überschuldung nicht mehr auf das Moratorium berufen.
Gesellschaften, die sich bisher auf das Moratorium berufen haben und weiterhin überschuldet sind, können dieses noch bis Ende Jahr in Anspruch nehmen (sofern Aussicht auf Besserung der Situation besteht).
Für Gesellschaften, die noch bis zum 19. Oktober 2020 eine Covid-
Stundung beantragt haben, gilt die Stundung für maximal 3 Monate,
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FAZIT UND AUSBLICK - Was heisst das für die Wirtschaftsprüfung?
Hingegen kann neu eine provisorische Nachlassstundung bis zu acht Monaten beantragt werden (bisher vier Monate).
Motion Ettlin (20.3418) fordert Verlängerung der befristeten Entbindung von der Pflicht zur Überschuldungsanzeige bis 31.
Dezember 2021. Diese Motion ist noch nicht vom Tisch.
Für uns wird es daher interessant sein, die weitere Entwicklung im Rahmen der parlamentarischen Beratungen im Dezember 2020 zur Überführung der Notrechtsbestimmungen in ein COVID-19-Gesetz zu verfolgen.
Die neuste Entwicklung wird grosse Auswirkungen auf die laufende Prüfungssaison haben!
Neues Aktienrecht – Artikel 725 OR
Einführung
Mit der Verabschiedung der parlamentarischen
Aktienrechtsrevision am 19. Juni 2020 hat die Schweiz nach langjähriger Diskussion ein modernisiertes Aktienrecht erhalten, welches den veränderten gesellschaftlichen Bedürfnissen sowie den technologischen Entwicklungen gerecht werden kann.
Die Mehrheit der neuen Bestimmungen wird voraussichtlich Anfang 2022 in Kraft treten.
Die Geschlechterrichtwerte sowie die Transparenzregeln im Rohstoffsektor treten bereits auf den 1. Januar 2021 in Kraft.
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Neues Aktienrecht – Artikel 725 OR
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Geltendes Recht Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht)
Schlussabstimmungstext vom 18. Juni 2020 Übereinstimmung mit dem geltenden Recht, wo nicht anders vermerkt
Art. 670
II. Bewertung. Aufwertung
1Ist die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven infolge eines Bilanzverlustes nicht mehr gedeckt, so dürfen zur Beseitigung der Unterbilanz Grundstücke oder Beteiligungen, deren wirklicher Wert über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gestiegen ist, bis höchstens zu diesem Wert aufgewertet werden. Der Aufwertungsbetrag ist gesondert als Aufwertungsreserve auszuweisen.
2Die Aufwertung ist nur zulässig, wenn ein zugelassener Revisor zuhanden der
Generalversammlung schriftlich bestätigt, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten sind.
Art. 725c
4. Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen
1Zur Behebung eines Kapitalverlusts nach Artikel 725a oder einer Überschuldung nach Artikel 725b dürfen Grundstücke und Beteiligungen, deren wirklicher Wert über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gestiegen ist, bis höchstens zu diesem Wert aufgewertet werden. Der Aufwertungsbetrag ist unter der gesetzlichen Gewinnreserve gesondert als Aufwertungsreserve auszuweisen.
2Die Aufwertung ist nur zulässig, wenn die Revisionsstelle oder, wenn eine solche fehlt, ein zugelassener Revisor schriftlich bestätigt, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten sind.
3Die Aufwertungsreserve kann nur durch Umwandlung in Aktien- oder Partizipationskapital sowie durch Wertberichtigung oder Veräusserung der aufgewerteten Aktiven aufgelöst werden.
Geltendes Recht Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht)
Schlussabstimmungstext vom 18. Juni 2020 Übereinstimmung mit dem geltenden Recht, wo nicht anders vermerkt
Art. 725
VIII. Drohende Zahlungsunfähigkeit, Kapitalverlust und Überschuldung.
1. Drohende Zahlungsunfähigkeit
1Der Verwaltungsrat überwacht die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft.
2Droht die Gesellschaft zahlungsunfähig zu werden, so
Neues Aktienrecht – Artikel 725 OR
53
Geltendes Recht Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht)
Schlussabstimmungstext vom 18. Juni 2020 Übereinstimmung mit dem geltenden Recht, wo nicht anders vermerkt
Art. 725
VII. Kapitalverlust [und Überschuldung]
1. Anzeigepflichten
Art. 725a 2. Kapitalverlust
1Zeigt die letzte Jahresbilanz, dass die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt ist, so beruft der Verwaltungsrat unverzüglich eine Generalversammlung ein und beantragt ihr Sanierungsmassnahmen.
1Zeigt die letzte Jahresrechnung, dass die Aktiven abzüglich der Verbindlichkeiten die Hälfte der Summe aus Aktienkapital, nicht an die Aktionäre
zurückzahlbarer gesetzlicher Kapitalreserve und gesetzlicher Gewinnreserve nicht mehr decken, so ergreift der Verwaltungsrat Massnahmen zur Beseitigung des Kapitalverlusts. Er trifft, soweit erforderlich, weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft oder beantragt der Generalversammlung solche, soweit sie in deren Zuständigkeit fallen.
2[…]
3[…]
Neues Aktienrecht – Artikel 725 OR
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Geltendes Recht Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht)
Schlussabstimmungstext vom 18. Juni 2020 Übereinstimmung mit dem geltenden Recht, wo nicht anders vermerkt
Art. 725a
2. Eröffnung oder Aufschub des Konkurses
1Der Richter eröffnet auf die Benachrichtigung hin den Konkurs. Er kann ihn auf Antrag des Verwaltungsrates
oder eines Gläubigers aufschieben, falls Aussicht auf Sanierung besteht; in diesem Falle trifft er Massnahmen zur Erhaltung des Vermögens.
2Der Richter kann einen Sachwalter bestellen und entweder dem Verwaltungsrat die
Verfügungsbefugnis entziehen oder dessen Beschlüsse von der Zustimmung des Sachwalters abhängig machen. Er umschreibt die Aufgaben des Sachwalters.
2Hat die Gesellschaft keine Revisionsstelle, so muss die letzte Jahresrechnung vor ihrer Genehmigung durch die Generalversammlung überdies einer eingeschränkten Revision durch einen zugelassenen Revisor unterzogen werden. Der Verwaltungsrat ernennt den zugelassenen Revisor.
3Der Konkursaufschub muss nur veröffentlicht werden, wenn dies zum Schutze Dritter erforderlich ist.
3Die Revisionspflicht nach Absatz 2 entfällt, wenn der Verwaltungsrat ein Gesuch um Nachlassstundung einreicht.
4Der Verwaltungsrat und die Revisionsstelle oder der zugelassene Revisor handeln mit der gebotenen Eile.
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Art. 725
VII. [Kapitalverlust und] Überschuldung 1. Anzeigepflichten
1[…]
2Wenn begründete Besorgnis einer Überschuldung besteht, muss eine Zwischenbilanz erstellt und diese einem zugelassenen Revisor zur Prüfung vorgelegt werden. Ergibt sich aus der Zwischenbilanz, dass die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger weder zu Fortführung noch zu Veräusserungswerten gedeckt sind, so hat der Verwaltungsrat den Richter zu benachrichtigen, sofern nicht Gesellschaftsgläubiger im Ausmass dieser Unterdeckung im Rang hinter alle anderen Gesellschaftsgläubiger zurücktreten.
Art. 725b 3. Überschuldung
1 Besteht begründete Besorgnis, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind, so erstellt der
Verwaltungsrat unverzüglich je einen Zwischenabschluss zu Fortführungswerten und Veräusserungswerten. Auf den Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten kann verzichtet werden, wenn die Annahme der Fortführung gegeben ist und der Zwischenabschluss zu Fortführungswerten keine Überschuldung aufweist. Ist die Annahme der Fortführung nicht gegeben, so genügt ein Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten.
2Der Verwaltungsrat lässt die Zwischenabschlüsse durch die Revisionsstelle oder, wenn eine solche fehlt, durch einen zugelassenen Revisor prüfen; er ernennt den zugelassenen Revisor.
Neues Aktienrecht – Artikel 725 OR
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Schlussabstimmungstext vom 18. Juni 2020 Übereinstimmung mit dem geltenden Recht, wo nicht anders vermerkt
Art. 725
VII. [Kapitalverlust und] Überschuldung 1. Anzeigepflichten
1[…]
2Wenn begründete Besorgnis einer Überschuldung besteht, muss eine Zwischenbilanz erstellt und diese einem zugelassenen Revisor zur Prüfung vorgelegt werden. Ergibt sich aus der Zwischenbilanz, dass die
Art. 725b 3. Überschuldung
3Ist die Gesellschaft gemäss den beiden
Zwischenabschlüssen überschuldet, so benachrichtigt der Verwaltungsrat das Gericht. Dieses eröffnet den Konkurs oder verfährt nach Artikel 173a des Bundesgesetzes vom 11. April 188911 über Schuldbetreibung und Konkurs.
4Die Benachrichtigung des Gerichts kann unterbleiben:
1. wenn Gesellschaftsgläubiger im Ausmass der
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Schlussabstimmungstext vom 18. Juni 2020 Übereinstimmung mit dem geltenden Recht, wo nicht anders vermerkt
Art. 725
VII. [Kapitalverlust und] Überschuldung 1. Anzeigepflichten
1[…]
3Verfügt die Gesellschaft über keine Revisionsstelle, so obliegen dem zugelassenen Revisor die
Anzeigepflichten der
eingeschränkt prüfenden Revisionsstelle.
Art. 725b 3. Überschuldung
5Verfügt die Gesellschaft über keine Revisionsstelle, so obliegen dem zugelassenen Revisor die Anzeigepflichten der eingeschränkt prüfenden Revisionsstelle.
6Der Verwaltungsrat und die Revisionsstelle oder der zugelassene Revisor handeln mit der gebotenen Eile.
Neues Aktienrecht – Artikel 725 OR Einführende Betrachtung
Der Vorentwurf der Aktienrechtsrevision sah in Art. 725 VE OR noch vor, dass die Revisionsstelle explizite Prüf- und Anzeigepflichten in Bezug auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit hat.
Im neuen, vom Parlament beschlossenen Aktienrecht, wird die drohenden Zahlungsfähigkeit in Art. 725 OR nun aber wie folgt geregelt:
Es bestehen somit keine direkten Prüf- und Anzeigepflichten der Revisionsstelle mehr in Bezug auf die drohende Zahlungsunfähigkeit des Prüfungskunden.
Bei einer begründeten Besorgnis einer Überschuldung wird aber nach wie vor ein Zwischenabschluss zu Fortführungs- und zu Veräusserungswerten erstellt werden müssen.
Die Revisionsstelle hat wie bis anhin die Fortführungsfähigkeit zu prüfen, womit auch die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit in der Betrachtung wieder ins Spiel kommt.
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Art. 725 revidiertes Aktienrecht ‐ Drohende Zahlungsunfähigkeit
1Der Verwaltungsrat überwacht die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft.
2Droht die Gesellschaft zahlungsunfähig zu werden, so ergreift der Verwaltungsrat Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit. Er trifft, soweit erforderlich, weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft oder beantragt der Generalversammlung solche, soweit sie in deren Zuständigkeit fallen. Er reicht nötigenfalls ein Gesuch um Nachlassstundung ein.
3Der Verwaltungsrat handelt mit der gebotenen Eile.
Neues Aktienrecht – Artikel 725 OR
Kapitalverlust und Aufwertungsmöglichkeiten
Zur Behebung eines Kapitalverlusts oder einer Überschuldung ist wie heute eine Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen bis zu deren wirklichen Wert möglich.
Dies ist aber nicht in Art. 670 sondern in Art. 725c OR geregelt
Die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen muss – analog heute - durch die Revisionsstelle oder einen zugelassenen Revisor schriftlich bestätigt werden.
Neu wird in Abs. 3 von Art. 725c OR klargestellt, dass die Aufwertungsreserve nur wie folgt aufgelöst werden kann:
durch Umwandlung in Aktien- oder Partizipationskapital
durch Wertberichtigung oder Veräusserung der aufgewerteten Aktiven
Die Bestimmungen zur drohenden Zahlungsunfähigkeit, zur Überschuldung sowie zur Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen sind auch für Genossenschaften (Art. 903 OR rev.) und Vereine (Art. 69d E-ZGB) anwendbar.
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Neues Aktienrecht – Artikel 725 OR
Neu hat der VR ausdrückliche Pflichten bei drohender Zahlungsunfähigkeit (Art. 725 nOR)
Der Verwaltungsrat hat die Pflicht zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft
Verantwortung des VR für die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft ist im Vergleich zu heute explizit im Gesetz erwähnt.
Der Verwaltungsrat ergreift bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit:
Er trifft, soweit erforderlich, weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft oder
Er beantragt der Generalversammlung solche, soweit sie in deren Zuständigkeit fallen
Er reicht nötigenfalls ein Gesuch um Nachlassstundung ein.
Gemäss Art. 725 Abs. 3 nOR handelt der Verwaltungsrat mit der gebotenen Eile.
Die neuen sanierungsrechtlichen Vorschriften führen zu präziseren Handlungsanweisungen für den Verwaltungsrat um möglichst frühzeitige Sanierungsschritte einzuleiten.
Einführung eines Frühwarnsystems mit graduell ansteigendem Einbezug externer Stellen (Revisionsstelle, GV, Nachlassgericht):
Überwachung der Zahlungsfähigkeit durch den VR (Art. 725 nOR),
Keine zwingende Einberufung einer GV mehr bei hälftigem Kapitalverlust
Zeigt die letzte Jahresrechnung, dass die Aktiven abzüglich der Verbindlichkeiten die Hälfte der Summe aus Aktienkapital, nicht an die Aktionäre zurückzahlbarer gesetzlicher Kapitalreserve und gesetzlicher Gewinnreserve nicht mehr decken, so ergreift der Verwaltungsrat Massnahmen zur Beseitigung des Kapitalverlusts.
Er trifft, soweit erforderlich, weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft oder beantragt der Generalversammlung solche, soweit sie in deren Zuständigkeit fallen.
Es wird offengelassen, ob es sich um eine ordentliche oder extra einberufene a.o. GV handelt.
Die Pflicht der unverzüglichen Einberufung einer Generalversammlung durch den VR bei hälftigem Kapitalverlust gemäss aktuell geltendem Recht wird aufgeweicht.
Die Einberufung einer Sanierungsgeneralversammlung wie nach geltendem Recht wird aber nicht mehr zwingend verlangt (Art. 725a Abs. 1 nOR).
Dafür hat neu eine Gesellschaft ohne Revisionsstelle die letzte Jahresrechnung einer eingeschränkten Revision durch einen zugelassenen Revisor unterziehen zu lassen (Art. 725 Abs. 2 nOR). Der Verwaltungsrat ernennt den zugelassenen Revisor.
Hier stellt sich die Frage wie die «Ernennung» eines zugelassenen Revisors durch den VR in der Praxis ablaufen soll. Es muss sich um eine Auftragsprüfung handeln da der VR – gemäss heutigem Rechtsverständnis - keine Revisionsstelle als Organ ernennen kann.
Die Revisionspflicht nach Absatz 2 entfällt, wenn der Verwaltungsrat ein Gesuch um Nachlassstundung einreicht. Der Verwaltungsrat und die Revisionsstelle oder der zugelassene Revisor handeln mit der gebotenen Eile.
Wie schnell müssen VR und Revisor handeln?
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Neues Aktienrecht – Artikel 725 OR
Nur nicht rückzahlbare gesetzliche Reserven zählen für Schwellenwert des hälftigen Kapitalverlusts
Für die Berechnung des Kapitalverlusts sind nur die nicht
rückzahlbaren, gesperrten gesetzlichen Reserven mitzuzählen (Art.
725a Abs. 1 nOR).
Unter geltendem Recht ist umstritten, ob für die Berechnung des hälftigen Kapitalverlusts 50% der gesamten oder nur der gesperrten gesetzlichen Reserven zu berücksichtigen seien.
Mit der Revision wird diese Streitfrage geklärt: Es sind nur die nicht rückzahlbaren, gesperrten gesetzlichen Reserven mitzuzählen (Art.
725a Abs. 1 nOR).
Die schon im Entwurf 2007 vorgesehene Regelung über die Zulassung der Verrechnungsliberierung mit nicht werthaltigen Forderungen im Falle einer Sanierung (Art. 634b Abs. 2 E OR 2007 und Art. 634a nOR) sowie die Erleichterungen bei der gleichzeitigen Herabsetzung und Erhöhung des Aktienkapitals (Art. 653p ff. E OR 2007 und Art. 653p ff. nOR) werden im vorliegenden Entwurf beibehalten (sog.
Harmonika).
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Neues Aktienrecht – Artikel 725 OR
Klare Vorgaben und grössere Rechtssicherheit bei Überschuldung
Besteht begründete Besorgnis der Überschuldung sind wie bisher grundsätzlich je ein Zwischenabschluss zu Fortführungs- und Veräusserungswerten zu erstellen und prüfen zu lassen.
Ist die Annahme der Fortführung nicht gegeben, genügt der Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten (Art. 725b Abs. 1 nOR).
Besteht hingegen die Annahme der Fortführung und zeigt der entsprechende Zwischenabschluss keine Überschuldung, kann auf den Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten verzichtet werden (Art. 725a Abs. 1 und 2 nOR).
Die Rangrücktritte, welche den VR ermächtigen, von der Richterbenachrichtigung abzusehen, müssen neu auch die Zinsforderungen während der Überschuldung umfassen (Art. 725b Abs. 4 Ziff. 1 nOR).
Ist die Gesellschaft gemäss den beiden Zwischenabschlüssen überschuldet, so benachrichtigt der Verwaltungsrat das Gericht. Heute kann die Benachrichtigung des Richters nur bei ausreichend vorliegenden Rangrücktritten unterbleiben.
Künftig kann von einer Benachrichtigung des Richters auch dann abgesehen werden, solange begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innert angemessener Frist, spätestens aber 90 Tage nach Vorliegen der geprüften Zwischenabschlüsse, behoben werden kann und die Forderungen der Gläubiger nicht zusätzlich gefährdet werden (Art. 725b Abs. 4 nOR).
Wer beurteilt ob «begründete Aussicht» besteht, dass die Überschuldung innert 90 Tagen behoben werden kann? Ist eine schriftliche Dokumentation des VR erforderlich? Welche Rolle hat die Revisionsstelle hierbei?
Der Verwaltungsrat lässt die Zwischenabschlüsse durch die Revisionsstelle oder, wenn eine solche fehlt, durch einen zugelassenen Revisor prüfen; er ernennt den zugelassenen Revisor.
Diese Prüfpflicht gibt es bereits heute, die gesetzliche Regelung stellt klar, dass der VR bei Fehlen der Revisionsstelle den zugelassenen Revisor «ernennt».
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