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Kapitel 1: GRUNDLAGEN

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Kapitel 1: G

RUNDLAGEN

Gliederung 1. Grundlagen

1.1 Zum Begriff Entwicklung

1.2 Indikatoren zur Beurteilung von Entwicklung bzw. Wohlfahrt 1.3 Nachhaltigkeit und Entwicklung

1.4 Die Millennium Development Goals (MDG) 1.5. Integrierte Entwicklungs- und Umweltpolitik

1.1 Zum Begriff Entwicklung

Es muss unterschieden werden, zwischen dem Entwicklungsprozess und dem Entwicklungsstand eines Landes. Der Entwicklungsprozess beschreibt die Veränderung des Entwicklungsstandes über die Zeit. Der Entwicklungsstand soll das Wohlstandsniveau eines Landes zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Ausdruck bringen, der Entwicklungsprozess dagegen die Veränderung des Wohlstandsniveaus über die Zeit.

Das Wohlstandsniveau eines Landes kann zunächst als um so höher eingestuft werden, je besser die Grundbedürfnisse (basic needs) der Einwohner befriedigt werden. Grundbedürfnisse wurden durch die ILO1 im Jahr 1976 wie folgt präzisiert:

-ausreichende Ernährung

-angemessenes Wohnen (inkl. elementare Haushaltsausstattung) -angemessene Bekleidung.

Weiter erwähnt wurden:

-sauberes Trinkwasser

-sanitäre Versorgung (Abwassersystem) -Zugang zu Gesundheitseinrichtungen -Zugang zu Bildungseinrichtungen.

Die eben erwähnten werden oft als ‚harte‘ Grundbedürfnisse bezeichnet. Die harten Grundbedürfnisse sind jene, welche wichtig sind zum Überleben eines Menschen, also Ernährung, Wohnen und Bekleidung. Die weichen

Grundbedürfnisse sind jene, welche wichtig sind für die Gestaltung des Lebens, wenn das Überleben gesichert ist. Zu den weichen

Grundbedürfnissen gehört etwa, dass Menschen bei jenen Entscheidungen mitbestimmen können, welche sie selbst betreffen. Die weichen

1 ILO-International Labour Organization: Die Internationale Arbeitsorganisation mit Sitz in Genf ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die bereits im Jahr 1919 gegründet wurde. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt in der Schaffung

internationaler Arbeits- und Sozialnormen. Ziel ist die Verbesserung der Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung. Eine weitere Hauptaufgabe besteht in der Entwicklungszusammenarbeit. (Quelle: www.ilo.org)

Entwicklungsprozess und Entwicklungsstand

Harte und weiche Grundbedürfnisse

(2)

GRUNDLAGEN Grundbedürfnisse umfassen Bildung, das kulturelle Angebot und die

Möglichkeit dieses, zu nutzen, Meinungsfreiheit, die Teilnahme am politischen Leben und so weiter. Die Entwicklung eines Landes wird als um so

fortgeschrittener eingestuft, je besser harte bzw. harte und weiche Grundbedürfnisse der Bevölkerung gedeckt werden.

Der Grundbedürfnis-Ansatz hat sich für die Beurteilung des Entwicklungs- standes eines Landes nicht durchgesetzt, weil sich die Operationalisierung der verschiedenen Grundbedürfnisse als zu schwierig erwies. Ausserdem wäre eine Gewichtung der unterschiedlichen Grundbedürfnisse nötig. Eine solche Gewichtung erfordert immer Werturteile. Hierzu ein internationales

Einverständnis zu erreichen, ist ausserordentlich schwierig.

1.2 Indikatoren zur Beurteilung von Entwicklung bzw. Wohlfahrt

Sozialprodukt pro Kopf

Wegen der Probleme des Grundbedürfnis-Ansatzes, einen operationellen und aussagekräftigen Indikator für den Entwicklungsstand zu liefern, greift man in der Praxis häufig auf das Sozialprodukt (SP) pro Kopf zurück. Es wird in allen Ländern ermittelt, wenn auch nicht überall in der selben Qualität. Trotz dieser möglichen Differenzen, ist doch ein grober Vergleich zwischen den

verschiedenen Ländern möglich.

Das Sozialprodukt gibt den Wert aller Güter und Dienstleistungen an, die in einem Land in einer bestimmten Zeitperiode produziert werden. Um die unterschiedliche Bevölkerungsgrösse der verschiedenen Länder zu

berücksichtigen und die Vergleichbarkeit zwischen den Ländern herzustellen, wird das Sozialprodukt durch die Einwohnerzahl geteilt. Dieser Wert wird Sozialprodukt pro Kopf genannt.

Als Entwicklungsindikator wird das Sozialprodukt pro Kopf so interpretiert, dass, ein Land als um so stärker entwickelt angesehen wird, je höher das Sozialprodukt pro Kopf ist. Dabei wird in der Regel das Bruttoinlandprodukt pro Kopf als Indikator verwendet. Die folgende Tabelle 1.1 gibt die Werte des Bruttoinlandprodukt pro Kopf für das Jahr 2002 an. Man sieht, dass die Spannweite der Werte enorm hoch ist.

Tab. 1.1: Beispiele aus dem World Development Report 2003 und 2009 (http://econ.worldbank.org/ und http://econ.worldbank.org/wdr/wdr2009 )

Bruttoinlandprodukt pro Kopf, 2002 BIP pro Kopf, 2007 in US-$ Kaufkraftbereinigt Kaufkraftbereinigt Congo,

Dem.Rep. 90 580 290

Burundi 100 610 330

Ethiopia 100 720 780

Sierra

Leone 140 490 660

China 940 4‘390 5’370

Poland 4‘750 10‘130 15’590

Korea, Rep. 9‘930 16‘480 24’750

Switzerland 37‘930 31‘250 43’080

Norway 37‘850 35‘840 53’690

United

States 35‘060 35‘060 45’850

Japan 33‘550 26‘070 34’600

Sozialprodukt pro Kopf als Entwicklungs- Indikator

(3)

3 Kritik:

Es gibt vielfältige Kritik daran, das Sozialprodukt pro Kopf als

Entwicklungsindikator zu verwenden. Eine Hauptkritik bezieht sich darauf, dass im Sozialprodukt nur monetäre Grössen erfasst werden. Dies führt dazu, dass der gesamte Bereich des Realtauschs, der Schattenwirtschaft bzw. des informellen Sektors nicht erfasst wird. Weiter ist zu kritisieren, dass aus derartigen monetären Grössen keine qualitative Aussagen zur Lebensqualität abgeleitet werden können.

Die Schattenwirtschaft umfasst die wirtschaftlichen Aktivitäten, welche nicht in die Berechnung des Sozialprodukts einfliessen. Dies sind kriminelle

Aktivitäten, Aktivitäten die legal sind, aber nicht deklariert werden oder es sind dies Aktivitäten, welche nicht mit Geld entgolten werden. Die Aktivitäten die nicht durch Geld entgolten werden sind zum grössten Teil solche aus dem Bereich Hauswirtschaft und freiwillige, also unbezahlte Arbeit, sowie Tauschaktivitäten. Legale Aktivitäten werden oft nicht deklariert, um keine Steuern zu bezahlen (Schwarzarbeit) oder Regulierungen zu umgehen (informeller Sektor).

Der informelle Sektor und die Tauschwirtschaft sind in Entwicklungsländern stärker ausgeprägt als in Industrieländern. Dies bedeutet das ein grösserer Teil der wirtschaftlichen Aktivität nicht im Sozialprodukt erfasst wird. Wird das Sozialprodukt pro Kopf als Vergleichsmassstab verwendet, entsteht eine Verzerrung, da in verschiedenen Ländern unterschiedlich viel der

wirtschaftlichen Aktivität im Sozialprodukt ausgewiesen wird.

Ein weiterer Kritikpunkt an der Verwendung des Sozialprodukts pro Kopf als Wohlfahrtsindikator besteht darin, dass das Sozialprodukt pro Kopf nur einen Durchschnittswert der produzierten Gütern und Dienstleistungen für die gesamte Bevölkerung angibt. Es gibt keine Auskunft darüber, wie das Einkommen in der Bevölkerung verteilt ist. Man erhält auch keinerlei

Information darüber, wie gut etwa das Gesundheitswesen ausgebaut ist und ob es allen Menschen im selben Masse zugänglich ist. Ähnliches gilt auch für andere Bereiche staatlicher Infrastruktur, beispielsweise für die Bildung. Das SP pro Kopf enthält, etwa keine Aussage über die Qualität des

Bildungssystems eines Landes.

Folgende weitere Einwände sind gegen die Verwendung des SP pro Kopf als Wohlfahrts- bzw. Entwicklungsindikator zu erheben: Zusätzlich zu den eben genannten werden weitere Aspekte, die Einfluss auf die Lebensqualität haben, nicht berücksichtigt. Dazu gehören etwa die Umweltqualität, die

Arbeitsbedingungen, freie Meinungsäusserung, Pressefreiheit und die Qualität der Gerichtsbarkeit etc.

Weiter ist zu beachten, dass die Preise für Güter in verschiedenen Ländern unterschiedlich hoch sind. So sind Nahrungsmittel in Entwicklungsländern oft deutlich billiger als in Industrieländern. Dies bedeutet, dass ein bestimmter Warenkorb in verschiedenen Ländern unterschiedlich teuer ist. Derartige Kaufkraft-Unterschiede werden seit Mitte der neunziger Jahren bei Vergleichen des Sozialprodukts pro Kopf berücksichtigt. Die „Kaufkraft- Korrektur“ führte dazu, dass die ausgewiesenen Unterschiede des

Sozialprodukts pro Kopf zwischen Entwicklungs- und Industrieländern nicht mehr so deutlich sind wie zuvor.

Wie bereits erwähnt, ist für die Wohlfahrt eines Landes auch die Verteilung der Einkommen in der Bevölkerung ein wichtiger Indikator. Eine

Kritik am Sozialprodukt pro Kopf als

Entwicklungs-Indikator

Schattenwirtschaft

Fehlende qualitative Aussagen

Verteilung der Einkommen in der Bevölkerung

Fehlende Indikatoren für Lebensqualität

Kaufkraft-Korrektur

(4)

GRUNDLAGEN gleichmässigere Einkommensverteilung bedeutet in der Regel ein höheres Wohlfahrtsniveau als eine sehr ungleiche Einkommensverteilung. Meistens werden zwei Indikatoren für die Verteilung des Einkommens herangezogen:

Zum einen der Median der Einkommen und zum anderen der sogenannte Gini-Koeffizient. Der Median der Einkommensverteilung ist jenes Einkommen, welches von 50% der Bevölkerung unterschritten und von 50% der

Bevölkerung überschritten wird.

Für die Berechnung des Gini-Koeffizienten greift man auf die sogenannte Lorenzkurve zurück. Die Lorenzkurve gibt an, wieviel Prozent der

Einkommensbezieher (gereiht nach der Höhe ihres Einkommens, beginnend mit dem tiefsten Einkommen) wieviel Prozent des Gesamteinkommens einer Volkswirtschaft erhalten. Wären die Einkommen völlig gleich verteilt,

entspräche die Lorenzkurve der Geraden in Abb. 1.1 (Gleichverteilungslinie).

Der Gini-Koeffizient entspricht dem Quotienten der beiden Flächen I und II in Abb. 1.1:

Gini-Koeffizient: G I

I II

= +

0%

0%

10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

A

B

C

Aufsummierte Anteile der Haushalte (in %)

II I

II II

Abb. 1.1: Lorenzkurve der Einkommensverteilung in der Schweiz (1998). Punkt A: 25 % der Haushalte (mit einem Einkommen unter 5000 Franken [monatlich]) haben einen Anteil am Gesamteinkommen von 10 %. Punkt B: 50 % der Haushalte (mit einem Einkommen unter 7300 Franken [monatlich]) haben einen Anteil am

Gesamteinkommen von 28 %. Punkt C: 75 % derHaushalte (mit einem Einkommen unter 10400 Franken [monatlich]) haben einen Anteil am Gesamteinkommen von 54

%, d.h. auch, dass 25 % der Haushalte (mit einem Einkommen von mehr als 10400 Franken [monatlich]) 46 % des Gesamteinkommens erhalten. Die Diagonale ist die Gleichverteilungslinie; Die faktische Verteilungslinie (Verbindung der Punkte A, B und C) stellt die Lorenzkurve dar. Quelle: BFS, Statistisches Jahrbuch der Schweiz, S. 220

Empirische Werte des Gini-Koeffizienten liegen zwischen 0 und 1:

G = 0: Lorenzkurve entspricht der Diagonalen im Schaubild Æ vollständige Gleichverteilung

G = 1: Fläche I ist identisch mit Fläche I+II, d.h. viele erhalten fast nichts und genau einer erhält das gesamte Volkseinkommen Æ extreme Verteilungsungleichheit

Abb. 1.1:

Lorenzkurve der Einkommensverteilung in der Schweiz

Gini-Koeffizient

(5)

5 Je näher der Gini-Koeffizient also bei 0 liegt, desto gleichmässiger ist das Einkommen verteilt.

Neben Median und Gini-Koeffizient werden häufig auch die Perzentile der Einkommensverteilung betrachtet. Man interessiert sich dann dafür wieviel Prozent des Einkommens bei den untersten 10%, untersten 20% usw. bzw.

obersten 10% oder obersten 50% der Einkommensbezieher anzufinden sind.

Interessiert man sich für Einkommensarmut, sind derartige Angaben von besonderem Interesse (vgl. Kapitel 2 zum Thema Armut).

HDI als Ausweg

Auf die Kritik am Sozialprodukt pro Kopf als Indikator für Entwicklung reagierte das United Nations Development Program (UNDP) mit der Schaffung des Human Development Index HDI. Der HDI basiert auf der Idee, dass

Entwicklung das Vorhandensein von Handlungsoptionen für die Menschen bedeutet. Handlungsoptionen sind vor allem dann gegeben, wenn Menschen gesund sind, über eine gewisse Bildung und über ein gewisses Einkommen verfügen. In diesem Sinne besteht der HDI aus drei gleich gewichteten

Teilindikatoren, jeweils für die Bereiche Gesundheit, Bildung und Einkommen.

Für den Bereich Gesundheit wird als Indikator die Lebenserwartung bei der Geburt verwendet. Für den Bereich der Bildung wurden zwei

Schlüsselgrössen identifiziert. Zum einen die Alphabetisierungsrate der Erwachsenen, wobei alle Personen über 15 Jahren als erwachsen gelten.

Zum anderen werden die Einschulungsraten in die Grund- und

weiterführenden Schulen erfasst. Für den Bereich Einkommen wird das kaufkraftkorrigierte Sozialprodukt pro Kopf verwendet. Zusätzlich wird dabei der abnehmende Grenznutzen des Geldes berücksichtigt. Das bedeutet, dass grosse Einkommen nach unten korrigiert werden. Somit wird berücksichtigt, dass bei hohen Einkommen der Zusatznutzen von Einkommenssteigerungen nur gering ist. Die drei Teilindikatoren werden so berechnet, dass sie Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Dies gelingt im Rahmen folgender Berechnung:

Teilindexj = (xi- xmin)/(xmax-xmin) (j = 1,2,3)

xi = tatsächlicher Wert des Teilindex xj für das betrachtete Land i (i = 1, ..., N)

xmin = tiefster Index-Wert über alle Länder xmax = höchster Index-Wert über alle Länder

Je näher ein Teilindex-Wert am Wert 1 liegt, desto besser ist die relative Position des jeweiligen Landes bezüglich des entsprechenden Bereichs Gesundheit, Bildung oder Einkommen. Der aggregierte HDI-Wert eines Landes ergibt sich dann als:

HDI = 1 2 3. 3 x + +x x

Auch der HDI liegt zwischen 0 und 1. Je grösser der HDI-Wert ist, desto besser entwickelt – im Sinne des UNDP-Konzeptes – ist ein Land.

Die folgende Tabelle 1.2 zeigt die HDI-Werte für einige ausgewählte Länder für das Jahr 2000. Auch bei den HDI-Werten zeigt sich eine grosse

Spannweite. Es scheint eine positive Korrelation zwischen der relativen Position eines Landes im Rahmen eines Rankings der SP/Kopf-Werte bzw.

Human Development Index HDI

Berechnung des HDI

(6)

GRUNDLAGEN der HDI-Werte zu geben: Länder mit einem relativ hohen SP/Kopf weisen in der Regel auch einen eher hohen HDI-Wert auf.

Tab. 1.2: Zahlenbeispiele für HDI-Werte aus dem Human Development Report 2007/08 (Link:http://hdr.undp.org/en/media/HDR_20072008_EN_Complete.pdf/)

Land Rang HDI in %

Iceland 1 0.968

Sweden 6 0.956

Switzerland 7 0.955

United States 12 0.951

Korea, Rep. of 26 0.921

Poland 37 0.870

China 81 0.777

Turkey 84 0.775

Mozambique 172 0.384

Niger 174 0.374

Sierra Leone 177 0.336

(Zahlen für das Jahr 2005)

1.3 Nachhaltigkeit und Entwicklung

Im Zusammenhang mit Entwicklungsfragen ist das Thema Nachhaltigkeit wichtig. Für eine genauere Betrachtung muss Nachhaltigkeit zuerst definiert werden. Die bekannteste Definition von Nachhaltigkeit geht auf den

sogenannten Brundtland-Bericht aus dem Jahr 1987 zurück.

Gemäss dieser Definition, spricht man von Nachhaltigkeit dann, wenn „die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden können, ohne dass die Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen gefährdet wird.“

Diese Definition stammt aus dem Abschlussbericht von 1987 der World

Commission on Environment and Development mit Sitz in Genf. Dies war eine Expertenkommission der UNO welche unter dem Vorsitz der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland den Bericht ‚Our common future‘ erarbeitete.

Vgl. http://www.un-documents.net/ocf-cf.htm).

Die Arbeit der Kommission wird im Centre for Our Common Future in Genf weitergeführt.

Für die konkrete Beurteilung, ob eine Entwicklung nachhaltig ist, wird allerdings eine operationale Definition von Nachhaltigkeit benötigt. Die

Weltbank hat daher 1995 ein Nachhaltigkeitskonzept entwickelt, gemäss dem von Nachhaltigkeit auszugehen sei, wenn:

das Gesamtvermögen pro Kopf in einer Volkswirtschaft im Zeitverlauf nicht kleiner wird. Das Gesamtvermögen pro Kopf wird dabei als das Potential zur Bedürfnisbefriedigung verstanden.

Ausgehend von dieser Definition des Gesamtvermögens pro Kopf als Potential zur Bedürfnisbefriedigung sind die folgenden Komponenten des Gesamtvermögens relevant:

• Naturkapital (natural capital)

• Humankapital (human capital)

Definition:

Nachhaltige Entwicklung

(Brundtland-Report)

Definition:

Nachhaltige Entwicklung (Weltbank) Beispiele

(7)

7

• Sachkapital (produced assets)

• Sozialkapital (social capital).

Die folgende Tabelle 1.3 zeigt Schätzungen der Vermögenswerte pro Kopf für verschiedene Länder im Jahr 1995. Es zeigt sich, dass auch die Spannweite ihrer Vermögenswerte sehr hoch ist und dass Länder, die bezüglich SP pro Kopf bzw. HDI relativ gut abschneiden nun auch ein relativ hohes Vermögen aufweisen. Zwischen der Zusammensetzung und der Höhe des

Gesamtvermögens scheint es keine klare Beziehung zu geben.

Tab. 1.3: Zahlenbeispiele für Vermögenswerte aus: Serageldin, Ismail (1996):

Sustainability and the Wealth of Nations. First Steps in an Ongoing Journey.

Environmentally Sustainable Development Studies and Monographs Series No.

5, The World Bank. Washington, D.C.

Geschätztes Vermögen in

USD pro Kopf

Humankapital

%

Sachkapital

%

Naturkapital

%

Australia 835‘000 21 7 71

Switzerland 647‘000 78 19 3

Sweden 496‘000 56 16 29

Norway 424‘000 48 22 30

United States 421‘000 59 16 25

Poland 50‘000 56 13 31

Korea, Rep. 30‘000 77 17 7

China 6‘600 77 15 8

Niger 3‘200 34 27 39

Mozambique 2‘900 14 40 46

Sierra Leone 2‘900 14 18 68

Burundi 2‘100 67 26 7

Nepal 1‘600 56 27 17

Ethiopia 1‘400 40 21 39

Will man die Nachhaltigkeit eines Landes im Sinne dieses Konzeptes

überprüfen, sind die Werte der verschiedenen Vermögensarten periodisch zu ermitteln und zu vergleichen. Wie kann man nun solche Werte bestimmen? Im folgenden wird das von der Weltbank gewählte Vorgehen beschrieben. Bei der Bestimmung des Naturkapital wurde versucht, die Naturschätze eines Landes monetär zu bewerten. Das Naturkapital umfasst unter anderem die noch nicht geförderten Rohstoffe eines Landes, also etwa Bodenschätze und Holz. Für diese ist die Bewertung relativ einfach, da man Preise von den Rohstoff-Märkten verwenden kann. Allerdings bleibt die Schwierigkeit der Abschätzung des Bestandes. Weitaus schwieriger ist es, den Wert von Landschaften o.ä. zu erfassen. Das Humankapital stellt den Wert der

Fähigkeiten und Fertigkeiten der Bevölkerung dar. Für die konkrete Bewertung wurde in einem ersten Ansatz das Arbeitseinkommen verwendet. Das

Sachkapital stellt den Wert aller Maschinen, Produktionsanlagen und langlebigen Konsumgüter dar. Die entsprechenden Werte wurden aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung übernommen. Das Sozialkapital umfasst den Wert von sozialen Institutionen und „Spielregeln“ in einer Gesellschaft. Möglichkeiten zur empirischen Erfassung solcher Werte sind erst noch zu entwickeln. Die Weltbank hat daher bisher auf eine Angabe entsprechender Werte verzichtet.

Im Zusammenhang mit dem Gesamtvermögen stellt sich die wichtige Frage, ob Substitutionen zwischen den verschiedenen Teilvermögen mit

Nachhaltigkeit vereinbar sind. Kann ein Verlust etwa im Teilvermögen

Substitution von Naturkapital Bewertung des Naturkapitals

(8)

GRUNDLAGEN Naturkapital durch eine Steigerung von Human-, Sach-, oder Sozialkapital ausgeglichen werden?

Hierzu gibt es zwei Meinungen. Die Vertreter einer strengen Nachhaltigkeit fordern, dass eine Entwicklung nur dann als nachhaltig bezeichnet wird, wenn alle Teilvermögen im Zeitverlauf mindestens konstant bleiben. Eine

Kompensation einer Senkung des Naturkapitals wäre demnach nie nachhaltig, da sie nach dieser Argumentation nicht durch Steigerungen der anderen Kapitalarten substituiert werden kann.

Die Vertreter der sogenannten ‚vernünftigen‘ Nachhaltigkeit (sensible sustainability) hingen vertreten die Ansicht, dass „gewisse“ Substitutionen zulässig sind. Sie argumentieren, dass beispielsweise ein Abbau der

Kohlevorkommen eines Landes durch eine Verbesserung der Verbrennungs- Technologie substituiert werden kann. Die zugrundeliegende Überlegung ist, dass durch die verbesserte Technologie die verbleibenden Kohlevorkommen länger genutzt werden können, als die ursprünglichen Vorkommen mit der alten Technologie. Es wird hier also direkt auf das Verständnis des

Gesamtvermögens als Potential zur Bedürfnisbefriedigung abgestellt. Der Wert der Kohle wird nicht in der Menge an sich gesehen, sondern in der Fähigkeit mit dieser Kohle das Bedürfnis nach Heizung zu befriedigen.

Die Frage, welches Nachhaltigkeitskonzept das bessere oder sinnvollere ist, kann nicht in allgemein gültiger Form beantwortet werden. Hier sind

Werturteile ausschlaggebend. International hat sich das Konzept der

‚vernünftigen‘ Nachhaltigkeit stärker durchgesetzt als das der strengen Nachhaltigkeit.

Das Substitutionsproblem stellt sich auch räumlich und zeitlich. Kann etwa der Abbau des Naturkapitals an einem Ort durch eine Verbesserung der

Technologie an einem anderen Ort substituiert werden. Ist der Abbau von Naturkapital vertretbar durch die Erwartung einer Verbesserung der Technologie in der Zukunft, welche diesen Abbau ausgleichen könnte?

Eine weitere offene Frage bezieht sich auf die Rolle von Preis- und Mengeneffekten. Beim Abbau etwa des Naturkapitals durch Abbau von Rohstoffen, kann die Verknappung eines Rohstoffes eine Steigerung des Preises dieses Rohstoffes bewirken. Es ist denkbar, dass die Preissteigerung verglichen mit der Mengenreduktion so gross ist, dass der Wert des Rohstoffs (berechnet als Preis x Menge) bestimmt bleibt oder sogar steigt. Es ist offen, ob man dies als nachhaltig bezeichnen will oder nicht.

Im Hinblick auf die Operationalisierung vom Sozialkapital kann beispielsweise auf den „Corruption Perception Index (CPI)“ verwiesen werden, der mit Hilfe der Befragung von Geschäftsleuten und Länderbeobachtern das Ausmass der Korruption in einem Land messen will. Der Index wird seit 1995 von

Transparency International erhoben

(http://www.transparency.org/policy_research/surveys_indices/cpi) und erfreut sich steigender Aufmerksamkeit.

Eine weitere Möglichkeit, globale Nachhaltigkeit zu operationalisieren, ist das sogenannte „Leitplanken-Konzept“ des WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen; www.wbgu.de). Leitplanken sind dabei quantitativ definierbare Schadensgrenzen, deren Verletzung heute oder in Zukunft intolerable Folgen mit sich brächte, so dass auch grosse Nutzenvorteile diese Schäden nicht ausgleichen könnten.

Räumliche und zeitliche Abgrenzung von Substitution

Mengen-/Preiseffekte bei der Bewertung des Naturkapitals

Strenge Nachhaltigkeit

Vernünftige Nachhaltigkeit

Leitplanken-Konzept des WBGU

(9)

9 Es wird zwischen biosphärischen und sozioökonomischen Leitplanken

unterschieden. Beispiele für biosphärische Leitplanken sind eine

Temperaturänderungsrate von 0.2°C pro Jahrzehnt oder die Zuführung von 10-20% der weltweiten Landfläche zum Naturschutz. Beispiele für

sozioökonomische Leitplanken sind die Verfügbarkeit von 1.000 kWh pro Kopf und Jahr für elementaren individuellen Energiebedarf oder die Vermeidung ausserordentlich hoher Risiken, etwa im Zusammenhang mit Kernenergie.

Auch bei diesem Konzept bleibt offen, wie die verschiedenen Teilelemente (Leitplanken) zu gewichten sind und ob bzw. wie Gesamtaussagen über die Nachhaltigkeit einzelner Länder möglich sind.

1.4 Die Millennium Development Goals (MDG)

Die Verknüpfung von globalem Umweltschutz mit sozioökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungszielen ist auch ein Kernanliegen der sogenannten Millennium Development Goals (MDGs). Sie wurden im September 2000 in New York von 191 Nationen der UN in Anwesenheit von 147 Staats- und Regierungschefs „verabschiedet“. Konkret wurde

beschlossen, Krieg und Armut energischer zu bekämpfen und die Umwelt global besser zu schützen. Die in der Millenniumserklärung enthaltenen Ziele wurden vom UN-Generalsekretär zu den MDGs gebündelt (s. 1.4). Die MDGs waren zwar nicht grundsätzlich neu, erhielten nun aber globale Anerkennung und Gültigkeit.

Es wurden 8 Ziele (Goals) mit 18 Teilzielen (Targets) und 48 Indikatoren präzisiert. Die Meisten Ziele und Teilziele wurden mit quantitativen Vorgaben und einem Zeithorizont versehen, der in der Regel bis 2015 reicht

(Vergleichsjahr 1990). Auf diese Weise erscheint eine Erfolgskontrolle möglich.

Tab. 1.4 Die Entwicklungsziele der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen (MDG). Quelle: OECD DAC – Organization for Economic Co-operation and Development - Development Assistance Committee (2001): Die DAC-Leitlinien Armutsbekämpfung. Paris: OECD.

Die Millennium Development Goals

(10)

GRUNDLAGEN

ZIELE INDIKATOREN

ZIEL 1:

Ausrottung von extremer Armut und Hunger

Teilziel 1

Zwischen 1990 und 2015 Halbierung des Anteils der Menschen, die mit weniger als 1 US-$ pro Tag auskommen müssen

1. Bevölkerungsanteil, der über weniger als 1 US-$ pro Tag verfügt

2. Armutslücke (Häufigkeit x Tiefe der Armut) 3. Anteil des ärmsten Bevölkerungsquintils am nationlen Verbrauch

Teilziel 2

Halbierung des Anteils der an Hunger leidenden Menschen zwischen 1990 und 2015

4. Prozentsatz der untergewichtigen Kinder (unter 5 Jahren)

5. Anteil der Bevölkerung, der nicht die tägliche Mindestkalorienzufuhr erhält

ZIEL 2:

Primarschulbildung für alle

Teilziel 3

Bis 2015 Schaffung der Grundlagen dafür, dass die Kinder überall in der Welt, Mädchen wie Jungen, in der Lage sind, einen Primarschulabschluss zu erwerben

6. Nettoschulbesuchsquoten im Primarschulbereich 7. Anteil der in die 1. Klasse eingeschulten Kinder, die die 5. Klasse erreichen.

8. Alphabetisierungsrate der 15- bis 24-Jährigen ZIEL

3:

Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und Ermächtigung der Frauen

Teilziel 4

Beseitigung der Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen auf der Primar- und Sekundarschulstufe möglichst bis 2005 und auf sämtlichen

Bildungsebenen bis spätestens 2015

9. Verhältnis Mädchen/Jungen im Grund-, Sekundar- und Hochschulbereich

10. Verhältnis der lese- und schreibkundigen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren zum entsprechenden Anteil der Männer

11. Anteil der Frauen, die eine entgeltliche Tätigkeit im nicht landwirtschaftlichen Bereich ausüben

12. Anteil der weiblichen Abgeordneten im Parlament ZIEL

4:

Reduzierung der Kindersterblichkeit

Teilziel 5

Zwischen 1990 und 2015 Reduzierung der Sterblichkeitsraten der Kinder unter 5 Jahren um zwei Drittel

13. Sterblichkeitsrate der Kinder unter 5 Jahren 14. Säuglingssterblichkeitsrate

15. Anteil der gegen Masern geimpften Einjährigen ZIEL

5:

Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter

Teilziel 6

Zwischen 1990 und 2015 Reduzierung der Müttersterblichkeitsrate um drei Viertel

16. Müttersterblichkeitsrate

17. Anteil der von medizinisch geschulten Fachkräften betreuten Entbindungen

ZIEL 6:

Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten

Teilziel 7

Bis 2015 Beendigung der steigenden Tendenz von HIV/AIDS und beginnende Trendumkehr

18. Häufigkeit von HIV bei schwangeren Frauen zwischen 15 und 24 Jahren

19. Prozentsatz der Verwendung von Verhütungsmitteln 20. Zahl der AIDS-Waisen

Teilziel 8

Bis 2015 Beendigung der steigenden Tendenz und beginnende Trendumkehr bei Malaria und anderen schweren Krankheiten

21. Zahl der Malariafälle und entsprechende Sterblichkeitsrate

22. Anteil der Bevölkerung in malariagefährdeten Gebieten mit Zugang zu wirkungsvollen Prophylaxe- und Behandlungsmethoden

23. Zahl der Tuberkulosefälle und entsprechende Sterblichkeitsrate

24. Anteil der diagnostizierten und im Rahmen des DOTS-Programms (Directly Observed Treatment Short Course) erfolgreich behandelten Tuberkulosefälle ZIEL

7:

Ökologische Nachhaltigkeit

Teilziel 9

Einbeziehung der Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung in Länderpolitiken und -programme und Herbeiführung einer Trendumkehr bei der Vernichtung von Umweltressourcen

25. Anteil der bewaldeten Flächen

26. Zur Wahrung der biologischen Vielfalt geschützte Gebiete

27. BIP pro Energieverbrauchseinheit (als Näherungswert für die Energieeffizienz)

28. Pro-Kopf-Kohlendioxidemissionen (plus zwei Werte für die globale Luftverschmutzung: Schädigung der Ozonschicht und Gesamtmenge der globalen Treibhaus- gase)

29. Anteil der Bevölkerung mit nachhaltig gesicherter Trinkwasserversorgung

Teilziel 10 Bis 2015 Halbierung des Anteils der Menschen 30. Anteil der Bevölkerung mit Zugang zu verbesserten

(11)

11 ohne dauerhaft gesicherten Zugang zu hygienisch

unbedenklichem Trinkwasser

Systemen der Abwasser-/Abfallentsorgung

Teilziel 11 Bis 2020 signifikante Verbesserung der Lebens- bedingungen von mindestens 100 Millionen Slum- Bewohnern

31. Anteil der Bevölkerung mit langfristig gesicherten Landbesitzrechten

ZIEL 8:

Aufbau einer globalen Partnerschaft für die Entwicklung

Teilziel 12

Weitere Fortschritte bei der Entwicklung eines offenen, regelgestützten, berechenbaren und nicht diskriminierenden Handels- und Finanzsystems.

Dazu gehört das Engagement für eine

verantwortungsbewusste Regierungsführung, für die Entwicklung und für die Reduzierung der Armut – sowohl auf nationaler wie auf inter- nationaler Ebene

Teilziel 13

Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der am wenigsten entwickelten Länder (LDC). Dazu gehören der zoll- und quotenfreie Marktzugang für LDC-Exporte, verstärkte Schuldenerleichterungen im Rahmen der erweiterten HIPC-Initiative und Streichung bilateraler öffentlicher Schulden sowie großzügigere ODA-Leistungen für aktiv um Armutsminderung bemühte Länder Teilziel

14

Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Binnen- und kleinen Inselentwicklungsländern (Barbados-Programm & 22. Sondertagung der VN- Generalversammlung)

ODA-Leistungen

32. ODA-Nettoleistungen im Verhältnis zum Brutto- nationaleinkommen BNE) der DAC-Geberländer (Richtwerte: 0,7% insgesamt, 0,15% für LDC)

33. Anteil der für soziale Grunddienste bestimmten ODA (Grundbildung,Basisgesundheitsversorgung, Ernährung, Trinkwasserversorgung und Abwasser-/Abfall- entsorgung)

34. Anteil der ODA-Leistungen ohne Lieferbindung 35. Anteil der ODA für Umweltschutz in kleinen Insel- entwicklungsländern

36. Anteil der ODA für das Transportwesen in Binnen- entwicklungsländern

Marktzugang

37. Wertmäßiger Anteil der zoll- und quotenfreien Exporte (ohne Waffen)

38. Durchschnittliche Zölle und Quoten für

landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie für Textilien und Bekleidung

39. Binnen- und Export-Agrarsubventionen in OECD- Ländern

40. Anteil der zur Unterstützung des Aufbaus von Handelskapazitäten bestimmten ODA

Teilziel 15

Umfassende Anstrengungen zur Lösung der Schuldenprobleme der Entwicklungsländer durch nationale und internationale Maßnahmen im Hinblick auf eine langfristig tragbare Verschuldung

41. Anteil der öffentlichen bilateralen Schuldenerlasse im Rahmen der HIPC-Initiative

42. Schuldendienst im Verhältnis zu den Waren- und Dienstleistungsexporten

43. Anteil der auf Schuldenerleichterungen entfallenden ODA

44. Zahl der Länder, die die Decision Points (Entscheidungszeitpunkte) und die Completion Points (Abschlusszeitpunkte) im Rahmen der HIPC-Initiative erreichen

Teilziel 16

Ausarbeitung und Umsetzung von Strategien zur Schaffung menschenwürdiger und produktiver Arbeitsplätze für junge Menschen in

Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern

45. Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen

Teilziel 17

Gewährleistung des Zugangs zu besonders

wichtigen Arzneimitteln zu erschwinglichen Preisen in Zusammenarbeit mit Unternehmen der

pharmazeutischen Industrie

46. Anteil der Bevölkerung mit nachhaltigem Zugang zu besonders wichtigen Arzneimitteln zu erschwinglichen Preisen

Teilziel 18

Schaffung von Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor, damit die Entwicklungs- länder in den Genuss der Vorteile neuer

Technologien, insbesondere im Informations- und Kommunikationsbereich, kommen

47. Zahl der Telefonanschlüsse pro 1 000 Einwohner 48. Zahl der Personal-Computer pro 1 000 Einwohner

Es zeigt sich, dass die Vernetzung von ökologischen und sozioökonomischen Teilzielen im Rahmen der MDGs nicht besonders gut gelungen ist. Die

ökologischen Ziele kommen hier eher zu kurz, und sie sind mit den sozioökonomischen zu wenig vernetzt.

Im Hinblick auf die Zielerreichung der MDGs lässt sich folgendes feststellen (für eine detaillierte Darstellung vgl.

http://www.un.org/millenniumgoals/documents.html):

Das Ziel der Halbierung der extremen Einkommensarmut wird offenbar weltweit relativ gut erreicht werden. Einzig in Afrika südlich der Sahara wird

(12)

GRUNDLAGEN die Erreichung dieses Ziels nicht gelingen. Bei den anderen

Sozioökonomischen Zielen variiert die vermutliche Zielerreichung regional relativ stark. Lateinamerika und Südostasien schneiden bei den meisten MDGs relativ gut ab.

Was wäre zu tun, um für eine bessere Erreichung der MDGs zu sorgen?

Neben institutionellen Verbesserungen in Entwicklungsländern (Stichwort

„good governance“) wäre es wichtig, zusätzliche Finanzmittel aufzubringen.

Gemäss verschiedenen internationalen Studien liegt der gesamte zusätzliche Finanzierungsbedarf in Entwicklungsländern (im Sinne von Transfers der Industrieländer und Eigenleistung der Entwicklungsländer) im niedrigen dreistelligen USD-Milliardenbereich. Für globale Klimapolitik käme noch einmal ungefähr der gleiche Betrag hinzu (Gutachten „Armutsbekämpfung durch Umweltpolitik“ 2004; http://www.wbgu.de/wbgu_jg2004.html).

Potential zur Finanzierung scheint grundsätzliche vorhanden zu sein. So ist etwa zu bedenken, dass Subventionen in den Bereichen Landwirtschaft, fossile Brennstoffe und Atomenergie, Wasser, Strassenverkehr, Fischerei und Forstwirtschaft weltweit ca. USD 850 Mrd. pro Jahr betragen. Subventionen der OECD-Länder im Agrar- und Lebensmittelbereich belaufen sich auf USD 300 Mrd. pro Jahr. Wenn nur 20% der gesamten bisherigen Subventionen für MDGs eingesetzt würden, wäre dies bereits ein nennenswerter Betrag.

Darüber hinaus ist an die direkte Mobilisierung zusätzlicher Mittel zu denken.

Konkret wären dies:

- private Mittel [zu mobilisieren etwa via Stiftungen, Public Private Partnerships, Lotterien, Kreditkartensysteme usw.]

- staatliche Mittel [etwa in Form einer Aufstockung der ODA-Mittel (Official Development Aid) in Richtung auf 0.7% des BIP; IFF (International Finance Facility), mittels der die Zusagen von Industrieländern, ihre ODA später zu erhöhen bereits heute durch Ausgabe entsprechender Bonds mobilisiert werden können;

Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer, teils an good governance bzw. Massnahmen zur Armutsbekämpfung gebunden, teils (ca. 10%) unkonditioniert]

- Mittel für Klimaschutzinstrumente [z.B. aus dem Clean Development Mechanism (CDM), aus Nutzungsentgelten, aus dem Emissionszertifikathandel usw.]

Fazit:

Die Finanzierung der MDGs erscheint machbar; es braucht allerdings den politischen Willen von Industrie- und Entwicklungsländern. Vorteile für die Industrieländer ergeben sich dabei aus globalem Umweltschutz, aus einer Intensivierung des Welthandels, aus erhöhter globaler Sicherheit usw.

1.5 Integrierte Entwicklungs- und Umweltpolitik

Abbau natürlicher Ressourcen und Sozialprodukt

Der Abbau und die Verwendung von natürlichen Ressourcen führt, zumindest kurzfristig, zu einer Steigerung des Sozialprodukt pro Kopf. Der Abbau und Verbrauch der natürlichen Ressourcen führt jedoch auch zu einem Anstieg der Umweltbelastungen. Es ist nun von Interesse, ob die Umweltbelastungen mit wachsendem Pro-Kopf-Einkommen zunehmen, abnehmen oder konstant

Zusammenhang zwischen

Nachhaltigkeit und Entwicklung

(13)

13 bleiben. Die sogenannte Umwelt-Kuznets-Kurve postuliert hier einen

Zusammenhang in Form eines umgekehrten U (vgl. Abb. 1.3). Was ist unter dieser Kurve zu verstehen und wie ist sie zu bewerten?

Der Begriff "Kuznets Kurve" bezieht sich ursprünglich auf Kuznets' Beobachtungen aus dem Jahr 19542 zum Zusammenhang von Einkommensverteilung und Sozialprodukt pro Kopf. In der hieraus

abgeleiteten Kuznets-Kurve hängt die Gleichheit der Einkommensverteilung funktional von der Höhe des Pro-Kopf-Einkommens (PKE) ab. Wählt man als Mass für die Ungleichheit der Einkommensverteilung den Gini-Koeffizienten, kann man die Kuznets-Kurve grafisch wie folgt darstellen (Abb. 1.2):

Abb. 1.2: Die Kuznets Curve

Interpretation: Bei niedrigem Pro-Kopf-Einkommen nimmt die Ungleichheit der Einkommensverteilung mit steigendem Einkommen zu, erreicht bei einem bestimmten Einkommenswert ihr Maximum und nimmt bei weiter steigendem PKE wieder ab.

Problem: Kuznets' These beruht auf empirischen Querschnitts-Daten für verschiedene Länder. Aussagen über die f-Funktion in einem einzelnen Land (z.B. Effekte aus dem Wachstum des PKE in einem Land über die Zeit hin) können hieraus nicht ohne weiteres gewonnen werden.

In der Diskussion über die "Environmental Kuznets Curve" (EKC) wird der oben dargelegte Gedanke auf den Zusammenhang von Umweltbelastungen und Sozialprodukt pro Kopf übertragen.

Die These lautet: Bei steigendem Pro-Kopf-Einkommen steigen zunächst die Umweltbelastungen, erreichen bei einem bestimmten Einkommenswert ihr Maximum und gehen bei weiter steigendem PKE wieder zurück (vgl. Grafik 1.3). Die Umweltbelastungen werden dabei häufig in Form der Emissionen (E) eines bestimmten Schadstoffs gemessen.

2 Kuznets, Simon (1954). Economic change/ Selected essays in business cycles,

national income, and economic growth. London.

Abb. 1.2:

Die Kuznets Curve Ursprüngliche Kuznets-Kurve

Umwelt- Kuznets-Kurve

(14)

GRUNDLAGEN

Abb. 1.3: Die Environmental Kuznets Curve

Problem: Die EKC ist ein empirischer Sachverhalt. Tatsächlich lässt sich für die Emission mancher Schadstoffe ein funktionaler Zusammenhang im Sinne der EKC beobachten. Für viele andere Schadstoffe sind jedoch andere funktionale Formen relevant. Problematisch an der EKC ist vor allem, dass keine Erklärungen dafür angeboten werden, welche Mechanismen für diesen grafisch dargestellten Zusammenhang verantwortlich sein könnten. Ein Automatismus, der bei steigendem Pro-Kopf-Einkommen (PKE) für

Rückgänge in den Umweltbelastungen sorgt (fallender Ast der EKC), kann nicht angenommen werden. Dies soll im folgenden anhand einiger

theoretischer Überlegungen deutlich gemacht werden.

Wovon hängt die Höhe der Umweltbelastungen in einer Volkswirtschaft ab? In der ökonomischen Literatur geht man davon aus, dass drei Effekte Einfluss auf das Ausmass der Umweltbelastungen (E) haben:

1. Skaleneffekt:

Wachstum der Wirtschaftsaktivität: führt – bei konstanter Bevölkerung – zu einem Anstieg der Umweltbelastungen und einem stärkeren Abbau der natürlichen Ressourcen.

2. Technikeffekt:

Technische Entwicklungen in der Volkswirtschaft (z.B. effizientere Technologien) reduzieren ceteris paribus die Umweltbelastungen bzw.

den Verbrauch von natürlichen Ressourcen.

3. Kompositionseffekt:

Strukturwandel in einer Volkswirtschaft, z.B. Anstieg der relativen Bedeutung des Dienstleistungssektors. Dies kann ceteris paribus dazu führen, dass der Abbau von natürlichen Ressourcen reduziert wird.

Damit gehen auch die Umweltbelastungen zurück.

Bei wachsendem PKE kann es zu einem Rückgang der Umweltbelastungen bzw. von E kommen, wenn der Skaleneffekt (1) von den Technik- (2) und Kompositionseffekten (3) überkompensiert wird. Der Technikeffekt kann den Skaleneffekt überkompensieren, wenn neue Technologien besonders umweltfreundlich und ressourcenschonend sind. Das Niveau der Umweltbelastungen nimmt dann mit steigendem PKE ab. Der

Kompositionseffekt kann den Skaleneffekt überkompensieren, wenn der Anteil an umweltschonenden Sektoren im Verhältnis zu den übrigen Sektoren

Abb. 1.3:

Die Environmental Kuznets Curve

Theoretische Überlegungen zur Umwelt-Kuznets-Kurve

(15)

15 zunimmt. Das Niveau der Umweltbelastungen nimmt dann mit steigendem PKE ab. Umweltfreundliche und ressourcenschonende Technologien und eine Zunahme umweltfreundlicher und ressourcenschonender Dienstleistungen und Unternehmen sind eine zentrale Voraussetzung für die Existenz des fallenden Asts der EKC.

Es zeigt sich also, dass ohne entsprechende strenge Umweltpolitik der fallende Ast der EKC nicht realisiert werden kann. Ob es zu strenger Umweltpolitik kommt, hängt wesentlich von den Umweltpräferenzen der Bevölkerung eines Landes ab. Empirische Untersuchungen zeigen, dass Präferenzen für gute Umwelt um so stärker ausgeprägt sind, je höher das Pro- Kopf-Einkommen eines Landes ist. Für Industrieländer sind daher die

Voraussetzungen gut, sich auf dem fallenden Ast der EKC zu befinden, für Entwicklungsländer sind die entsprechenden Voraussetzungen (noch) eher schlecht.

Langfristige Effekte

Kurzfristig kann das Sozialprodukt pro Kopf durch die Verminderung des Naturkapitals durch den Abbau von natürlichen Ressourcen und durch Inkaufnahme von Umweltbelastungen gesteigert werden. Langfristig ergeben sich aus dem Abbau des Naturkapitals Entwicklungen, welche eine negative Wirkung auf das Sozialprodukt pro Kopf haben.

Diese negativen Entwicklungen etwa zeigen sich in verschiedenen Bereichen.

Im landwirtschaftlichen Bereich kann durch eine intensive Nutzung eine Verschlechterung der Bodenqualität eintreten. Diese Bodenverschlechterung führt zu einer tieferen Produktivität oder – im Extremfall – dazu, dass eine landwirtschaftliche Nutzung unmöglich wird.

Eine steigende Umweltbelastung hat direkt und indirekt Einfluss auf die Lebensqualität der Einwohner eines Landes. Kommt es wegen steigender Umweltbelastung zu einem Verknappung des sauberen Trinkwassers, so führt dies zur Verbreitung von Krankheiten. Eine schlechtere Luftqualität führt zu einer Zunahme von Atemwegs-Erkrankungen. Der Abbau von Naturkapital kann sich somit negativ auf das Humankapital eines Landes auswirken und so auch indirekt zu einer Senkung des Gesamtvermögens führen.

Empirische Überprüfung der Umwelt-Kuznets-Kurve

Langfristige Folgen des Abbaus von

Naturkapital

(16)

ARMUT UND ARMUTSBEKÄMPFUNG

Kapitel 2: A

RMUT UND

A

RMUTSBEKÄMPFUNG 2. Armut und Armutsbekämpfung

2.1 Begriff und Messung von Armut 2.2 Ansatzpunkte der Armutsbekämpfung

2.3 Internationale Konzepte der Armutsbekämpfung

2.4 Zur Rolle von Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungspolitik 2.5 Zur Rolle des Faktors "Humankapital"

2.1 Begriff und Messung von Armut

Armut ist ein zentrales Problem von Entwicklungsländern, dessen Überwindung der grösste Teil der Entwicklungspolitik gewidmet ist.

Was ist unter Armut zu verstehen? Armut bedeutet, allgemein gesprochen, das Fehlen von Handlungsmöglichkeiten (vgl. Kapitel 1). Armut wird häufig im Sinne von Einkommensarmut verstanden, ist aber eigentlich sehr viel breiter im Sinne von schlechtem Gesundheitszustand, Unter- oder Fehlernährung, mangelnder Bildung, mangelnden politischen Partizipationsmöglichkeiten etc.

aufzufassen.

Bei der Messung von Armut bezog man sich traditionell auf die Messung von Einkommensarmut. Dabei sind Konzepte zur Messung absoluter und relativer (Einkommens-)Armut relevant. Im Sinne eines umfassenden Armutsbegriffs ist auch die Armutsmessung komplexer und muss – ähnlich wie etwa der HDI – unterschiedlichen Teilaspekten von Armut Rechnung tragen.

Der Vorteil der Messung von Einkommensarmut besteht darin, dass die Daten für die meisten Länder unkompliziert und ohne Zusatzkosten erhoben werden können. Der Nachteil besteht darin, dass nur ein Teilaspekt von Armut erfasst wird.

Bei der Messung absoluter Einkommensarmut wird ein Schwellenwert für das Pro-Kopf-Einkommen festgelegt, bei dessen Unterschreiten Menschen als arm bezeichnet werden. Der von der Weltbank festgelegte Schwellenwert, die sogenannte Armutslinie, beträgt ein US-$ pro Kopf und Tag (extreme Armut) bzw. 2 US-$ pro Kopf und Tag (Armut). Das Ausmass der Armut in diesem absoluten Sinn kann durch die Anzahl der Armen bzw. durch den Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung angegeben werden. Dieser Anteil wird als Head Count Ratio bezeichnet und als ein Mass für die Breite der Armut in der Bevölkerung interpretiert.

Tab. 2.1 zeigt die entsprechenden „Armutswerte“ für einige ausgewählte Länder in den Jahren 1993 - 2000.

Begriff der Armut

Messung

Einkommensorientierte Armuts-Messung

Absolute

Armutsmessung

(17)

17 Tab. 2.1: Zahlenbeispiele für Armutsmessung aus:

World Bank, World Development Report 2005:

Anteil der Bevölkerung mit weniger als 1$ pro Kopf und Tag

Anteil der Bevölkerung mit weniger als 2$ pro Kopf und Tag

Mali 72.8% 90.6%

Central African Rep. 66.6% 84.0%

Zambia 63.7% 87.4%

China 16.6% 46.7%

Brazil 8.2% 22.4%

Russian Fed. 6.1% 23.8%

Bei der Messung absoluter Armut kann man sich auch dafür interessieren, wie gross der Abstand des Durchschnitts-Einkommens der Armen von der Armutslinie ist. Dieses Mass wird als Income Gap Ratio bezeichnet und als Mass für die Tiefe der Armut interpretiert.

Bei der Messung relativer Armut wird in der Regel die Armutslinie als Prozentsatz des durchschnittlichen Einkommens in einem Land definiert. Die Armutslinie kann beispielsweise bei 33% des Durchschnittseinkommens festgelegt sein. Personen, deren Pro-Kopf-Einkommen unter dieser Armutslinie liegt werden als arm bezeichnet.

Auch bei der relativen Armutsmessung kann eine Head Count Ratio berechnet werden. Diese zeigt an, wie hoch der Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung ist und zeigt die Breite der relativen Armut. Es kann auch die Income Gap Ratio berechnet werden, d.h. wie gross der Abstand des durchschnittlichen Einkommens der Armen von der Armutslinie ist. Die Income Gap Ratio ist ein Mass für die Tiefe der relativen Armut.

Kritik:

Ein Problem des Konzepts der relativen Armut besteht darin, dass selbst bei einem Anstieg aller absoluten Einkommenswerte in einem Land die relative Einkommensarmut konstant bleiben würde. Sie würde nur zurückgehen, wenn der Anstieg der Einkommen der Armen über dem Anstieg des Durchschnittseinkommens liegt, was eher selten der Fall sein dürfte.

HPI als Ausweg?

Bei der Messung von Armut in einem umfassenden Sinn hat man – ähnlich wie beim Thema Entwicklung – das Problem, wie man trotz einer Vielzahl relevanter Einzelindikatoren zu einer einfachen, aggregierten und damit auch vergleichbaren Aussage kommen kann. Ein pragmatischer Vorschlag wurde hierzu von UNDP vorgelegt: der sogenannte „Human Poverty Indicator“ HPI.

Die Konstruktion des HPI ähnelt der des HDI (vg. Kapitel 1).

Die Grundidee des HPI besteht darin, Armut als das Fehlen (deprivation) von Handlungsmöglichkeiten aufzufassen. Dabei werden erneut die Bereiche Gesundheit, Bildung und Lebensstandard betrachtet. Für Entwicklungsländer werden folgende Teilindikatoren betrachtet

• Bereich Gesundheit: Wahrscheinlichkeit im Zeitpunkt der Geburt, nicht das vierzigste Altersjahr zu erreichen,

• Bereich Bildung: Analphabetenrate der Erwachsenen (Personen über 15 Jahren),

Income Gap Ratio

Relative

Armutsmessung

Kritik an der relativen Armutsmessung

Human Poverty Index

(18)

ARMUT UND ARMUTSBEKÄMPFUNG

• Bereich Lebensstandard:

a) Anteil der Bevölkerung, der keinen gesicherten Zugang zu sauberem Trinkwasser hat und

b) Anteil der unterernährten Kinder unter 5 Jahren.

Aus den Teilindikatoren für die drei Bereiche wird – unter Verwendung eines Gewichtungsschemas – ein Durchschnittswert ausgerechnet. Dies ist der Wert des HPI. HPI-Werte einzelner Länder liegen zwischen 0 und 1 bzw. zwischen 0% und 100%. Je höher der HPI-Wert ist, desto grösser bzw. umfassender ist die Armut in einem Land.

In der folgenden Tabelle 2.2 sind die HPI-Werte einiger ausgewählter Länder für die Jahre 2003 und 2007 abgetragen.

Tab. 2.2: Zahlenbeispiel für HPI-Werte aus:

Human Development Report 2003 und 2007/08, UNDP Human poverty index (HPI-1)

2003 in %

Human poverty index (HPI-1) 2007 in %

Niger 61.8 54.7

Burkina Faso 58.6 55.8

South Africa 31.7 23.5

China 14.2 11.7

Brazil 11.4 9.7

Cuba 5.0 4.7

Barbados 2.5 3.0

Problematisch bei der Interpretation von HPI-Werten (beispielsweise 30%) ist allerdings, dass nicht deutlich wird, ob etwa 30% der Bevölkerung eines Landes in einem Bereich oder in allen oben genannten Bereichen arm sind bzw. ob jeweils unterschiedliche 30% in jeweils einem der Bereiche arm sind.

Im Hinblick auf Massnahmen zur Armutsbekämpfung sollte man hierüber Informationen haben.

Zu HPI-Werten werden daher häufig Armutsprofile erstellt. Solche Profile zeigen, dass Frauen und Kinder mehr von Armut betroffen sind als Männer, Landbewohner mehr als Bewohner von Städten, Personen ohne Ausbildung mehr als Personen mit Ausbildung usw. (vgl.: Human Development Report 2003, UNDP, S. 248 ff.)

2.2 Ansatzpunkte der Armutsbekämpfung

Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum man Armut bekämpfen sollte. Zum einen sind dies humanitäre bzw. ethische Gründe. Zum anderen kann man davon ausgehen dass weniger Armut in Entwicklungsländern für Industrieländer vorteilhaft ist, weil dadurch die Migration in Industrieländer verringert werden kann und weil zusätzliche Absatzmärkte geschaffen werden können.

Will man Armut nun konkret bekämpfen, ist es sinnvoll, zunächst wesentliche Armutsursachen zu identifizieren. Gemäss Weltbank sind Ursachen in drei Bereichen zu sehen.3 Zum einen sind dies Hemmnisse im Hinblick auf die

3 Vgl. World Development Report 2000/2001:

http://siteresources.worldbank.org/INTPOVERTY/Resources/WDR/Geroverv.pdf

Kritik am HPI

Gründe für die Armutsbekämpfung

(19)

19 Möglichkeiten, Einkommen zu erwerben („opportunities“). Hier ist an die Abschottung der Märkte in Industrieländern genauso zu denken wie etwa an fehlende Bildungsmöglichkeiten, fehlende finanzielle Infrastruktur, fehlende materielle Infrastruktur (z.B. Energie- und Kommunikationsnetze) usw. Als zweites werden Hemmnisse für die Teilhabe der Armen an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen genannt (Stichwort „empowerment“). Hier ist vor allem an institutionelle Mängel, fehlende Demokratie usw. zu denken. Als drittes wird ein ungenügender Schutz vor Krisen und Naturkatastrophen (Stichwort „security“) genannt, bedingt durch fehlende Versicherungsstrukturen, fehlende Diversifikation usw.

Weltbank-Konzept

Armutsbekämpfung bedeutet also die Überwindung der genannten Hemmnisse. Es geht als darum, die Handlungsmöglichkeiten (opportunities) der Armen zu verbessern, ihre Teilnahme an politischen und gesellschaftlichen Prozessen zu fördern (empowerment) und den Schutz vor den Auswirkungen von Krankheiten, Kriegen und anderen Krisen zu verbessern (security).

Im Hinblick auf die opportunities soll das gesamtwirtschaftliche Wachstum in Entwicklungsländern gefördert werden. Weiter soll der Zugang der Entwicklungsländer zu den Weltmärkten für Güter und Dienstleistungen verbessert werden, d.h. Handelshemmnisse sollen abgebaut werden (vgl.

Kapitel 4). Können Entwicklungsländer mehr Produkte in Industrieländer exportieren, können sie mehr Devisen erwirtschaften, die sie zum Aufbau besserer Möglichkeiten zum Erwerb von Einkommen nutzen können. In diesem Zusammenhang ist auch wieder auf die Bedeutung einer (überwiegend konditionierten) Entschuldung der Entwicklungsländer hinzuweisen.

Ein weiterer Baustein in der Wachstumsstrategie ist die Förderung von ausländischen Direktinvestitionen (foreign direct investment, FDI) in Entwicklungsländern. FDI können eine wichtige Rolle spielen, beim Schaffen von Arbeitsplätzen für Arme. Da die Arbeitsbedingungen bei FDI oft besser sind als bei einheimischen Firmen und die Arbeiter oft die Möglichkeit haben sich gewerkschaftlich zu organisieren, können FDI auch eine grosse Rolle beim ‚empowerment’ spielen.

Ein wichtiger Baustein beim Aufbau von Handlungsmöglichkeiten für Arme ist die Bildung. Der Zugang zu Schulbildung, insbesondere weiterführende Schulbildung, ist für Arme oft sehr schwierig. Kinder von armen Familien müssen die Schule oft sehr früh verlassen, um durch Kinderarbeit zum Familieneinkommen beizutragen. Dies führt zu einer ungleichen Verteilung von Bildung und verhindert, dass Armut überwunden werden kann. Die Weltbank unterstützt daher die Verbesserung des Zugangs von Armen zur Schulbildung und setzt sich für eine gleichmässigere Verteilung der Bildung ein. Zu beachten ist, dass bessere Bildung ein höheres und besseres Angebot sowie eine höhere Nachfrage nach Bildung voraussetzt. Zur Nachfragesteigerung ist eine Lösung des Problems der Kinderarbeit sowie eine bessere Verkehrsinfrastruktur erforderlich.

Um das Unternehmertum und damit die Möglichkeit sich wirtschaftlich zu betätigen zu fördern, sind auch gezielte Massnahmen vorgesehen, um die Eigenmittel der Armen zu erhöhen. Eine dieser Massnahmen ist die Förderung von Mikrofinanzierung. Bei der Mikrofinanzierung wird ein Finanzierungssystem geschaffen, welches den Armen zugänglich ist und

Weltbank-Konzept der Armutsbekämpfung

Opportunities

(20)

ARMUT UND ARMUTSBEKÄMPFUNG

ihnen durch die Vergabe von Klein-Krediten eine unternehmerische Tätigkeit ermöglicht.

In vielen Entwicklungsländern ist die materielle Infrastruktur wie etwa Transport- und Kommunikationsstrukturen oder „moderne“ Energie nicht allen Einwohnern im selben Masse zugänglich. In ärmeren Stadtquartieren und ländlichen Gegenden ist die Infrastruktur meist weniger stark ausgebaut. Die Weltbank unterstützt den Ausbau der Infrastruktur und insbesondere die Verbesserung des Zugangs der Armen zur Infrastruktur. Dies kann zu einer Armutsreduktion führen, wenn beispielsweise der Zugang zu Arbeitsplätzen verbessert wird, wenn Standorte für die Ansiedlung von Firmen interessanter werden, wenn Bildungs- und Absatzchancen via Internet genutzt werden können usw.

Unter dem Stichwort Empowerment soll die Teilnahme der Armen an den politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen verbessert werden. Die Teilnahme der Armen soll dazu führen, dass ihre Interessen und Bedürfnisse besser berücksichtigt werden. Dies soll sicherstellen, dass alle gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Institutionen haben. Um dies zu erreichen, sollen die staatlichen Institutionen entsprechend umgestaltet werden. Stichworte sind: Dezentralisierung, Förderung der Geschlechtergleichheit und Einbezug der Bürger. Die Rechenschaftspflicht des Staates gegenüber seinen Bürgern soll die staatliche Effizienz fördern.

Empowerment der Bürger führt dazu, dass Regierungen einer grösseren Transparenz ausgesetzt sind. Vetternwirtschaft und Korruption werden erschwert. Die Macht der herrschenden Regierungen und derjenigen welche politischen Einfluss besitzen wird beschnitten. Aus diesem Grund ist empowerment politisch schwer umsetzbar, liegt doch die Umsetzung in den Händen derjenigen, welche Macht abgeben müssen.

Krisen bewirken in der Regel eine Vergrösserung von Armut, weil arme Menschen noch ärmer werden und weil mehr Menschen arm werden. Solche Krisen sind Naturkatastrophen, Krieg, politische Krisen und Krisen auf den Finanzmärkten. Aber auch auf der individuellen Ebene gibt es solche Krisen.

So kann etwa Krankheit zu Verarmung führen, wenn keine Absicherung besteht.

Geht man davon aus, dass die Krisen an sich nicht vermieden werden können, steht die Verringerung der Vulnerabilität insbesondere der Armen im Vordergrund. So sind etwa soziale Sicherungssysteme zu schaffen, es ist für eine Diversifikation der Einkommensquellen einzelner zu sorgen, oder – etwa durch mehr Bildung – für eine höhere Flexibilität der Arbeitskräfte. Einen Überblick über informelle und formelle Mechanismen zur Verringerung der Gefahr von Schäden, zur Verringerung der Höhe von Schäden bzw. zum Umgang mit eingetretenen Schäden findet man in der folgenden Tabelle 2.3:

Empowerment

Security

(21)

21 Tab. 2.3: Mechanismen zum Risikomanagement, aus:

World Bank, World Development Report 2000/2001:

Informelle Mechanismen Offizielle Mechanismen

Ziel

Einzelpersonen und

Haushalte Gruppenbasiert Marktbasiert Staatlich bereitgestellt Risiken mindern - Gesundheitsvorsorge

- Migration - Sicherer

- Einkommensquellen

- Kollektive Maßnahmen für Infrastruktur, Deiche,

Geländeterrassen

- Management von Ressourcen im Gemeinschaftsbesitz

- solide

makroökonomische Politik

- Umweltpolitik Bildungs- und Weiterbildungspolitik - Gesundheitspolitik

Infrastruktur (Dämme, Strassen)

- Aktive Arbeitsmarkt- politik

Risiken mindern

Diversifizierung - Diversifizierung von Feldfrüchten und Parzellen - Diversifizierung von

Einkommensquellen - Investitionen in

physisches und Humankapital

- Berufsverbände - Spar- und

Darlehensvereine

- Sparkonten bei Finanzinstituten - Mikrofinanzen

- Landwirtschaftliche Beratung

- Liberalisierter Handel - Schutz von

Eigentumsrechten

Versicherung - Heirat und Grossfamilie - Anteilwirtschaft - Pufferbestände

- Investitionen in Sozialkapital (Netzwerke, Vereine, Gebräuche, gegenseitige Geschenke)

- Altersrenten - Unfall-,

Erwerbsunfähigkeits-, und andere

Versicherungen

- Rentensysteme - Pflichtversicherungen

gegen Arbeitslosigkeit, Krankheit,

Erwerbsunfähigkeit und andere Risiken Schocks

bewältigen

- Verkauf von Vermögenswerten - Kredite von

Geldverleihern - Kinderarbeit - Einschränkung der

Nahrungsaufnahme - Saisonale oder

vorübergehende Migration

- Übertragung von Unterstützungsnetzwer ken auf Gegenseitigkeit

- Verkauf finanzieller Vermögenswerte - Kredite von

Finanzinstituten

- Sozialhilfe - Arbeitsbeschaffung - Subventionen - Sozialfonds - Barübertragungen

2.3 Internationale Konzepte der Armutsbekämpfung

Armutsbekämpfung und globale Umweltpolitik

Wirksame Armutsbekämpfung setzt eine wirksame globale Umweltpolitik voraus (vgl. Kapitel 1.5). Die Entwicklungschancen der armen Länder verbessern sich nur, wenn angesichts voranschreitender Umweltveränderungen sowohl Anpassungsmassnahmen verstärkt werden als auch weitere Eingriffe in die natürliche Umwelt vermieden werden. Eine solche Politik würde sich für alle Länder auszahlen.

Die Eingriffe des Menschen in die natürliche Umwelt gefährden bereits heute in weiten Teilen der Erde die Lebensbedingungen der Armen. Ohne Gegensteuerung werden Umweltveränderungen künftig in noch grösserem Umfang Existenz bedrohende Auswirkungen haben. Absolute Armut kann neben mangelndem Einkommen auch ein erhöhtes Hunger- und Erkrankungsrisiko oder fehlende Bildung bedeuten. Noch immer leben 1.1

Umweltveränderungen und Armut

(22)

ARMUT UND ARMUTSBEKÄMPFUNG

Mrd. Menschen von weniger als einem US-Dollar am Tag, ebenso viele haben keinen sicheren Zugang zu Trinkwasser und rund 840 Mio. Menschen sind unterernährt. Allein durch verschmutzte Luft in Innenräumen sterben jährlich 1.6 Mio. Menschen.

Mehr denn je ist eine verantwortungsvolle Zusammenarbeit von Industrie- und Entwicklungsländern notwendig, um die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und Armut zu bekämpfen. Dies verlangt, dass die Industrieländer ihre eigenen Konsum- und Produktionsmuster nachhaltig gestalten und zukunftsfähige Modernisierungsprozesse in Entwicklungsländern unterstützen.

Die bisherige Lücke zwischen den Ankündigungen der reichen Ländern und ihrer tatsächlichen Politik unterhöhlt das Vertrauen der Entwicklungsländer.

Gleichzeitig stehen die Regierungen der Entwicklungsländer in der Pflicht, gute Regierungsführung zu praktizieren, die Rechte der Armen zu stärken und die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit ernst zu nehmen.

Die Umsetzung internationaler Vereinbarungen kann nur gelingen, wenn die nationalen und lokalen Akteure als die eigentlichen Kräfte dieses Prozesses begriffen werden. Der Schritt von der Verabschiedung globaler Aktionsprogramme zu deren konkreter Umsetzung vor Ort bleibt meist unbefriedigend. Daher sollten quantifizier- und überprüfbare Ziele für internationale Abkommen vereinbart, Indikatoren zur Überprüfung der Massnahmen erarbeitet sowie die Koordination der Geber verbessert werden.

Die Erfüllung international vereinbarter Ziele für Armutsbekämpfung und Umweltschutz ist finanzierbar. Der hierfür erforderliche zusätzliche jährliche Mittelbedarf bewegt sich nach Schätzungen des WBGU im niedrigen dreistelligen Milliardenbereich. Das entspricht der Grössenordnung nach den jährlichen Ausgaben der OECD-Länder für Agrarsubventionen, die sich auf rund 350 Mrd. US-Dollar belaufen. Die Kosten zum Schutz des Klimas und der Biodiversität liegen ebenfalls im niedrigen dreistelligen Milliardenbereich.

Hinzu kommen Kosten für Anpassungen und Kompensation von Klimaschäden.

Für die Gewinnung zusätzlicher Finanzmittel bieten sich mehrere Möglichkeiten an. So können Gelder etwa durch Umlenkung bestehender Ausgaben gewonnen werden, wie etwa die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen. Auch der Abbau von Handelshemmnissen, die den Zugang der armen Länder zu den Märkten der Industrienationen verhindern, würde einen wesentlich höheren Mittelfluss in die Entwicklungsländer bewirken. Zudem ist eine Erhöhung der öffentlichen Entwicklungsleistungen erforderlich, vor allem für die am wenigsten entwickelten Länder. Schliesslich können Finanzmittel durch öffentlich-private Partnerschaften, also Allianzen zwischen öffentlicher Entwicklungszusammenarbeit, Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft, gewonnen werden. Weitere Instrumente sind die Erhebung von Entgelten für die Nutzung globaler Gemeinschaftsgüter wie den internationalen Luftraum oder die Meere. So könnte beispielsweise ein am Verbrauch von Flugbenzin orientiertes Entgelt bei EU-weiter Einführung ein Aufkommen von bis zu 21 Mrd. Euro pro Jahr einbringen.

Bei der Entwicklung von Strategien zur Armutsbekämpfung ist kohärente Verschränkung von Armuts- und Umweltpolitik zu verfolgen. So darf sich etwa Klimapolitik in der Entwicklungszusammenarbeit nicht auf Anpassungs- Massnahmen beschränken, sondern sollte auch die Emissionsvermeidung einschliessen. Gleichzeitig sollte Technologietransfer zum Klimaschutz die Interessen der Armen stärker berücksichtigen. Nur dann ergibt sich eine positive Rückkopplung.

Politik der Industriestaaten

Überprüfung der Massnahmen

Mittelbedarf

Finanzierung

Kohärenz

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