• Keine Ergebnisse gefunden

Warum sind Dünger und Pestizide in der Schweiz teurer als in der EU? | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Warum sind Dünger und Pestizide in der Schweiz teurer als in der EU? | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

FOKUS

Die Volkswirtschaft  3 / 2019 13 Durchschnitt beträgt die Preisdifferenz 27 Pro- zent (siehe Abbildung).

Die unterschiedlichen Preise lassen sich – zumindest teilweise – durch die strikten Schwei- zer Regelungen erklären. So führen beispiels- weise die Anforderungen an das Reporting bei der Verwendung von Düngemitteln dazu, dass die meisten Landwirte auf fachliche Unterstüt- zung und Beratung angewiesen sind, welche von den schweizerischen Düngemittel-Vertrei- bern übernommen werden. Diese kostspieligen Dienstleistungen sind mitverantwortlich für die höheren Preise.

Ein weiterer Kostenfaktor sind unterschiedli- che Grenzwerte: Der maximal zulässige Anteil an Cadmium in mineralischem Phosphatdünger ist in der Schweiz tiefer als in den Nachbarländern – was den Import von bestimmten Düngersorten verteuert. Weiter können sich gewisse Marktteil- nehmer aufgrund der Pflicht zur Lagerhaltung von bestimmten Düngemitteln dazu gezwungen se- hen, diese selbst bei hohen Preisen zu kaufen.

Eine Rolle spielt auch die vergleichsweise kleine Marktgrösse der Schweiz. Zudem sind die Bauernhöfe im Durchschnitt kleiner und weni- ger spezialisiert als in den Nachbarländern. Bei den kleinen Liefermengen von Düngemitteln fallen die Vertriebskosten stärker ins Gewicht.

Kommt hinzu: Schweizer Betriebe bevorzugen generell Düngerlieferungen im Sack gegenüber Loselieferungen, was zu höheren Kosten für Verpackungsmaterial, Beschriftung und Ver- trieb der Düngemittel führt.

Zusammengenommen ergeben sich erhebli- che Eintrittshürden für ausländische Lieferan- ten, was sich in der hohen Marktkonzentration im Einzelhandel für Dünger in der Schweiz wi- derspiegelt und den Konkurrenzdruck auf die

S

chweizer Bauernhöfe wenden in der Regel 5 bis  10 Prozent der Betriebskosten für Dün- ger und Pestizide auf, wie Daten von Agroscope zeigen.1 Aus früheren Studien geht hervor, dass die Preise für landwirtschaftliche Vorleistungen in der Schweiz tendenziell höher sind als in an- deren europäischen Ländern und dass der Markt für Dünger und Pestizide wenig transparent ist.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat das italienische Forschungs- und Beratungs- büro Areté beauftragt, diese Preisunterschiede zwischen der Schweiz und den Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Italien zu bezif- fern, die Gründe für diese Abweichungen zu er- mitteln und den Einfluss des Schweizer Marktes sowie der Vertriebsstrukturen auf die hiesigen Dünger- und Pestizidpreise zu untersuchen.2 Die Studie stützt sich hauptsächlich auf quanti- tative Marktdaten, qualitative Daten aus Litera- turrecherchen sowie auf Expertenbefragungen.

Marktkonzentration beim Dünger

Die vergleichende Analyse für fünf häufig ver- wendete Düngemittelarten zeigt: Die Preise sind in der Schweiz zwischen 16 und 45 Pro- zent höher als in den Nachbarländern. Im

Warum sind Dünger und Pestizide in der Schweiz teurer als in der EU?

Dünger und Pestizide kosten in der Schweiz deutlich mehr als in den Nachbarländern Frank- reich, Deutschland und Italien. Verantwortlich dafür sind unter anderem die aufgrund des komplexen Direktzahlungssystems notwendigen Fachberatungen für Bauern.  

Mario Gentile, Alberico Loi, Enrica Gentile

Abstract    Die Ausgaben für Dünger und Pestizide machen für Schweizer Bauernhöfe in der Regel 5 bis 10 Prozent der Betriebskosten aus. Eine vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in Auftrag gegebene Studie hat die Preisunterschiede für diese Produkte zwischen der Schweiz und den Nach- barländern Frankreich, Deutschland und Italien untersucht. Die Messun- gen zeigen: Sowohl Düngemittel (durchschnittlich +27%) als auch Pestizide (+64%) kosten in der Schweiz deutlich mehr. Die Unterschiede lassen sich ins- besondere durch die kleinere Marktgrösse, die komplexen Vorschriften für Direktzahlungen und die damit zusammenhängenden kostspieligen Beratun- gen sowie durch einen relativ eingeschränkten Wettbewerb im Einzelhandel für Dünger und Pestizide erklären.

1 Agroscope (2015).

Grundlagenbericht 2014.

2 Gentile E., Gentile M., Loi A. et al. (2019). Fer- tilizers and pesticides:

Price differences bet- ween Switzerland and neighbouring count- ries, Studie im Auftrag des Seco.

(2)

LANDWIRTSCHAFT

14 Die Volkswirtschaft  3 / 2019

BERICHT AGRIDEA: REFLEX 2017, SHLER SUISSE, AGRILEADER, AGRILISA, MYAGRAR, AGRIPIÙ, CONFAGRICOLTURA, FITOGARDEN, EXPERTENBEFRAGUNGEN / DIE VOLKS- WIRTSCHAFT

Abweichungen der Schweizer Preise für bestimmte Pestizide

Kategorie Frankreich Deutschland Italien durchschnittliche

Abweichung Herbizide +10% (5 Produkte) +105% (13 Produkte) +12% (5 Produkte) +63% (23 Produkte)

Fungizide +69% (2 Produkte) +63% (16 Produkte) +65% (9 Produkte) +64% (27 Produkte)

Insektizide +77% (1 Produkt) +107% (6 Produkte) +26% (6 Produkte) +68% (13 Produkte)

Total +33% (8 Produkte) +86% (35 Produkte) +40% (20 Produkte) +64% (63 Produkte)

etablierten Einzelhändler verringert. Entspre- chend tief ist der Druck für die Einzelhändler, potenzielle Ineffizienzen im Vertriebsprozess zu reduzieren. Kommt dann auch noch die gros- se Marktmacht der Schweizer Einzelhändler hinzu, sind die höheren Preise besiegelt.

Pestizide in Deutschland deutlich günstiger

Um die Pestizidpreise zu messen, wurden 50 verbreitet eingesetzte Markenprodukte mitei- nander verglichen. Diese können den Haupt- kategorien Herbizid, Fungizid und Insektizid zugeordnet werden. Nach der vorsichtigsten Be- rechnungsmethode, bei welcher der tiefste Preis in der Schweiz mit dem jeweils höchsten Preis

in den Nachbarländern verglichen wird, sind Insektizide durchschnittlich 68 Prozent teurer (siehe Tabelle). Bei den Herbiziden beträgt der Unterschied 63 Prozent und bei den Fungiziden 64 Prozent. Nimmt man Durchschnittspreise als Vergleichswerte, steigert sich die Differenz bei Insektiziden sogar auf 81 Prozent respektive auf 75 Prozent bei Herbiziden und auf 68 Prozent bei Fungiziden. Die grössten Preisunterschiede finden sich im Vergleich zu Deutschland.

Bei den Pestiziden wurde eine Reihe von Schlüsselfaktoren ermittelt, die Erklärungen für die Preisunterschiede liefern. Ein solcher Faktor sind die spezifischen Anforderungen im schwei- zerischen Zulassungsverfahren. Zusätzlich ge- forderte Studien und Tests zu den Auswirkun- gen der Pestizide auf die Umweltbedingungen

* Im Fall von Frankreich sind die Abweichungen aufgrund der verfügbaren Preisdaten (diese gelten für Losekäufe von Importeuren/Grosshändlern) mög- licherweise grösser.

Die untersuchten Düngerpreise sind in der Schweiz im Durchschnitt 32 Prozent höher als in Deutschland. Gegenüber Frank- reich beträgt der Unterschied 29 Prozent und gegenüber Italien 19 Prozent. In Frankreich und Italien waren für bestimmte Produkte keine Daten verfügbar.

Der tiefste Preis in der Schweiz wurde mit dem jeweils höchsten Preis in den Nachbarländern verglichen.

  Ammoniumnitrat 27            Harnstoff            Diammoniumphosphat DAP 18-46            Ammoniumsulfat            NPK 15-15-15

FENACO (SCHWEIZ), AGRIDEA REFLEX REPORT 2017 (FÜR NPK 15-15-15), TERRE-NET (FRANKREICH), AMI (DEUTSCHLAND), BORSA MERCI MODENA (ITALIEN) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Abweichungen der Schweizer Preise für ausgewählte Düngemittel

50 %

30

20

10

0

Frankreich* Deutschland Italien Durchschnitt

40

29% 32%

27%

19%

(3)

FOKUS

Die Volkswirtschaft  3 / 2019 15 in der Schweiz erhöhen die Zulassungskosten

im Vergleich zur Europäischen Union. Diese Tests, die vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) verlangt werden, sind vor allem deshalb notwendig, weil zwischen der Schweiz und der EU kein Abkommen zur gegenseitigen Anerken- nung der Zulassung besteht. Angesichts der be- scheidenen Grösse des Schweizer Pestizidmark- tes können die Hersteller nicht mit grossen Absatzmengen rechnen. Die Ausgaben zur Ver- marktung der Produkte holen sie deshalb über höhere Preise wieder rein.

Darüber hinaus tragen auch die Auflagen bei den Direktzahlungen – eine der wichtigsten For- men der Agrarunterstützung in der Schweiz  – zur Erhöhung der Einzelhandelspreise für Pesti- zide bei. Viele Landwirte nehmen zur Erfüllung der Auflagen professionelle Beratungen zur kor- rekten Verwendung der Pestizide in Anspruch, die sowohl von den Herstellern als auch von den Einzelhändlern erbracht werden. Um si- cher zu sein, die Auflagen zu erfüllen, scheinen die Landwirte tendenziell auch Markenproduk- te mit hohem Mehrwert gegenüber Generika zu bevorzugen. Die Beratungskosten decken die Anbieter über höhere Einzelhandelsprei- se. Dank den Direktzahlungen können sich die Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz aller- dings auch eher teure landwirtschaftliche Vor- leistungen leisten als Betriebe in den Nachbar- ländern.

Strenge Anforderungen

Die relativ grosszügigen Direktzahlungen und die strengen diesbezüglichen Anforderungen können somit den Kauf teurerer Markenpestizi- de und innovativer Produkte – die eine vollstän- dige Rückverfolgbarkeit und bewährte Zuver- lässigkeit bieten sollen – begünstigen. Zudem

führen sie dazu, dass Pestizidvertreiber bevor- zugt werden, die die benötigten Beratungsleis- tungen direkt auf dem Bauernhof erbringen.

Überdies schränken die Anforderungen an die Landwirte für den Erhalt von Direktzahlungen die Möglichkeit ein, Generika zu importieren, was den Konkurrenzdruck auf die nationalen Vertreiber schwächt.

In Kombination mit dem Vertriebsnetz, das aufgrund der zersplitterten Struktur des schweizerischen Agrarsektors und der zahlrei- chen Bauernhöfe in abgelegenen Bergregionen fragmentiert ist, ist die Notwendigkeit kost- spieliger Beratungsleistungen ein wesentliches Handelshemmnis. Wie bei den Düngemitteln verhilft das Zusammenspiel dieser Faktoren den etablierten Einzelhändlern zu einer gros- sen Marktmacht und verringert den Druck auf die Marktteilnehmer, Ineffizienzen zu beseiti- gen. Diese Situation lässt die bereits hohen Ver- triebspreise weiter steigen und erhöht die Ein- zelhandelspreise für Pestizide in der Schweiz.

Unter dem Strich zahlen in der Schweiz Landwirtschaftsbetriebe deutlich höhere Prei- se für Dünger und Pestizide als in Frankreich, Deutschland und Italien. Gründe dafür sind die regulatorischen Rahmenbedingungen, die wirt- schaftlichen Besonderheiten der Versorgungs- ketten, die Struktur der Landwirtschaft und des Vertriebsnetzes für Dünger und Pestizide sowie Markteintrittsbarrieren für ausländische An- bieter.

Mario Gentile

Ökonom, Senior Analyst, Areté, Bologna Alberico Loi

PhD in Agrarökonomie, Senior Analyst, Areté, Bologna Enrica Gentile

PhD in Agrarökonomie, Generaldirektorin, Areté, Bologna

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Dies zeigt der im Mai publizierte jährliche Bericht des Staatssekretariats für Wirt- schaft (Seco) über die Umsetzung der flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr

Die Lebenserwartung in der Schweiz (80 Jahre für Männer und 84 für Frauen) über- steigt diejenigen der meisten anderen OECD- Länder.. Hingegen ist die Fruchtbarkeitsrate seit

Die Swiss Funds Association (SFA) kämpft gemeinsam mit anderen Verbänden und Behörden dafür, dass die Anlageentscheide auch an Manager aus Drittstaaten wie der

Bis Ende 2020 hat die Glückskette rund 42 Millionen Franken für die Corona-Bewältigung in der Schweiz gesam- melt.. In einer Umfrage vom Juni befürchtete die Mehrheit

1 Entsprechend sind diese Kennzahlen auch Teil des Statistischen Sozialberichts Schweiz des BFS und liefern eine Grundlage für das Nationale Programm zur Prävention und

Wer- den innerhalb der EU regulatorische Hürden abgebaut, kann dies dazu führen, dass der Marktzugang für Unternehmen aus Drittlän- dern wie der Schweiz erschwert wird oder

Wie bei einem Auto, das Reparaturen benötigt und mit der Zeit ersetzt wird, muss auch eine Volkswirtschaft den Kapitalstock erneuern.. Die Wertminderungen (Abschreibungen)

Departement für Umwelt Verkehr, Ener- gie und Kommunikation (Uvek), Strategie des Bundesrates für eine Informationsgesell- schaft in der Schweiz, März 2012, abrufbar