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Schweiz ist bei EU-Dienstleistungserbringern beliebt | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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ARBEITSMARKT

Die Volkswirtschaft  7 / 2016 43

Schweiz ist bei EU-Dienstleistungs- erbringern beliebt

Die Schweiz ist für EU-Unternehmen, die ihre Dienste in der Schweiz anbieten, attraktiv: In ab- soluten Zahlen rangiert sie sogar vor Italien und Grossbritannien.   Daniel Baumberger, Valentine Mauron

R

und 1,5 Millionen Arbeitnehmer er- bringen in einem anderen EU- oder Efta-Staat Dienstleistungen. Laut ei- ner Schätzung der EU-Kommission ent- spricht dies 0,7 Prozent der erwerbstätigen EU-Bevölkerung.1 Die meisten Dienstleis- tungserbringer stammen dabei aus Polen, Deutschland, Frankreich, Slowenien, Spa- nien und Portugal (siehe Abbildung).

Mit über 87 000 Dienstleistungserbrin- gern (6% des EU/Efta-Totals), welche in der Schweiz im Jahr 2014 eine Dienstleistung erbrachten, erscheint die Schweiz in ei- nem in der EU erstellten Ranking der Emp- fängerstaaten bereits an sechster Stelle – noch vor Italien oder Grossbritannien.

Für italienische Dienstleistungserbringer ist die Schweiz der wichtigste Einsatzort;

für deutsche Dienstleistungserbringer ist das Land die zweitwichtigste Destination.

Insgesamt stammen fast drei Viertel aller Dienstleistungserbringer, welche Arbeiten in der Schweiz ausführen, aus diesen bei- den Nachbarstaaten. Die meisten sind im Baugewerbe, im verarbeitenden Gewerbe und in der Industrie tätig.

Die grenzüberschreitende Dienstleis- tungserbringung ist in der EU bisher gerin- ger ausgefallen als erwartet. Deshalb steht das Thema auf der Agenda der EU-Kom- mission. Dem Spannungsfeld zwischen dem Schutz der Lohn- und Arbeitsbedin- gungen und der freien Dienstleistungs- erbringung wurde mit der sogenannten

1 Siehe Pacolet, Jozef and Frederic De Wispelaere (2015);

Posting of Workers, Report on A1 Portable Documents Issued in 2014, December 2015. Zur Schätzung der Anzahl Dienstleistungserbringer (Entsandte und Selbstständigerwerbende) stützt sich der Bericht auf die Anzahl A1-Formulare, welche im Berichtsjahr ausgestellt wurden.

Abstract  Kürzlich veröffentlichte Daten zur grenzüberschreitenden Dienstleistungs erbringung innerhalb Europas deuten darauf hin, dass die Schweiz eine wichtige Destination für Dienstleis- tungserbringer aus der EU ist. Um der Gefahr eines unerwünschten Drucks auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen entgegenzuwirken, greifen seit 2004 die flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr. Mit dem vom Bundesrat beschlossenen Aktionsplan vom März 2016 soll deren Vollzug weiter optimiert werden.

Einen Konsens zu finden, dürfte jedoch schwierig werden, wie die Reaktionen der verschiedenen Mitgliedstaaten auf die Re- formvorschläge der Kommission vermuten lassen. Die Bruchlinie verläuft dabei haupt- sächlich zwischen den alten EU-Staaten und den neuen Mitgliedern. Während die Staaten mit tieferem Lohnniveau im Osten um ihren Wettbewerbsvorteil fürchten, geht es in den Hochlohnländern Europas letztlich auch um die politische Akzeptanz der Dienstleistungsfreiheit. Denn: Trotz der zu erwartenden Konvergenz infolge zunehmender wirtschaftlicher Integration sind die Lohnunterschiede in der EU immer noch beträchtlich.

Sozialpartner bei flankierenden Massnahmen eingebunden

Analog zur EU-Entsenderichtlinie ge- ben im «Hochlohnland Schweiz» die EU-Entsenderichtlinie2 Rechnung getra-

gen. Im März stellte die EU-Kommission eine Reform dieser Richtlinie vor.3 Damit soll stärker gegen unlautere Praktiken vor- gegangen und der Grundsatz der gleichen Entlohnung für gleiche Arbeit am gleichen Ort gefördert werden.

2 Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmenden im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen; Abl. L 18 vom 21. Januar 1997, S. 1.

3 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, 8. März 2016.

PACOLET UND DE WISPELAERE (2015) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Anzahl Dienstleistungserbringer in Europa

Deutschland

Niederlande

Spanien

Tschechien

Dänemark Belgien

Italien

Luxemburg

Polen

Ungarn Frankreich

Schweiz

Schweden

Finnland

Rumänien Österreich

Grossbritannien

Norwegen

Portugal

Slowakei Slowenien

  Dienstleistungserbringer nach Herkunftsland        Dienstleistungserbringer nach Einsatzort

0 50 000 100 000 150 000 200 000 250 000 300 000 350 000 400 000 450 000

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ARBEITSMARKT

44 Die Volkswirtschaft  7 / 2016

Daniel Baumberger

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Arbeitsmarktaufsicht, Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

Valentine Mauron

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Arbeitsmarktaufsicht, Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

flankierenden Massnahmen die Bedingun- gen vor, zu denen Dienstleistungserbrin- ger aus dem EU/Efta-Raum in der Schweiz Arbeiten ausführen können. Sie zielen da- rauf ab, Missbräuchen der hier geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen entge- genzuwirken und zu verhindern, dass das Lohngefüge infolge der Öffnung des Ar- beitsmarktes unter Druck gerät. So müs- sen ausländische Arbeitgeber, die Personal in die Schweiz entsenden, vergleichbare Löhne zahlen.

Indem sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung dieses Schutzdispositivs bewusst für ein dezentrales und duales Vollzugssystem entschied, berücksich- tigte er eine Besonderheit der hiesigen Arbeitsmarktpolitik. So sind nicht pri- mär die staatlichen Behörden, sondern in erster Linie die Sozialpartner für die Aus- handlung der Lohn- und Arbeitsbedin- gungen zuständig. Bei den flankierenden Massnahmen wird zwischen Branchen mit allgemeinverbindlichen Gesamt- arbeitsverträgen (GAV) und Branchen ohne solche Verträge unterschieden. Im ersten Fall überprüfen die Sozialpart- ner die Dienstleistungserbringer aus der EU/Efta. In Branchen ohne allgemeinver- bindliche GAV sind hingegen kantonale tripartite Kommissionen, bestehend aus Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeit- nehmerverbände sowie des Staates, für die Beobachtung des Arbeitsmarktes im Allgemeinen und für die Kontrollen vor Ort zuständig. Die Sozialpartner über-

Jährlicher Bericht des Seco zu den flankierenden Massnahmen

Die Kontrollen im Rahmen der flankierenden Massnahmen sind im Jahr 2015 weiter intensiviert worden, und die nationalen Kontrollziele sind deutlich über- troffen worden. Dies zeigt der im Mai publizierte jährliche Bericht des Staatssekretariats für Wirt- schaft (Seco) über die Umsetzung der flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Zusammen überprüften die Vollzugsorgane im letzten Jahr 40 Prozent der entsandten Arbeitnehmenden aus dem EU/Efta-Raum. In Bran- chen ohne zwingende Mindest- löhne stellten die tripartiten

Kommissionen bei 15 Prozent aller kontrollierten Personen eine Unterbietung der üblichen Löhne fest. Über die letzten vier Jahre ist dieser Anteil relativ stabil geblieben. In Branchen mit verbindlichen Mindestlöh- nen sprachen die Sozialpartner in rund einem Fünftel aller kontrollierten Entsendebetriebe Konventionalstrafen infolge Verstössen gegen zwingende Lohnbestimmungen aus. Die Schwere dieser Verstösse ist jedoch nicht bekannt, und da die Kontrollen risikoorientiert erfolgen, sind Rückschlüsse auf die allgemeine Arbeitsmarktlage nicht möglich.

Der jährliche Bericht des Seco gibt einerseits Auskunft über die Kontrolltätigkeit bei Schweizer Arbeitgebern im Rahmen der Arbeitsmarktbeobachtung und andererseits über die Kontrollen der Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch gren- züberschreitende Dienstleis- tungserbringer. Mit dem Freizü- gigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU, das 2002 in Kraft trat, wurde die grenzüber- schreitende Dienstleistungser- bringung in die Schweiz für eine begrenzte Dauer von 90 Tagen liberalisiert. Im Gegensatz zur Schweiz besteht in der EU keine solche zeitliche Begrenzung.

nehmen somit eine zentrale Rolle im Voll- zug der flankierenden Massnahmen.

Die meisten Dienstleistungs- erbringer verhalten sich korrekt

Ein kürzlich publizierter Bericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) über die Umsetzung der flankierenden Massnahmen für das Jahr 2015 zeigt: Die- se bewähren sich als Schutzdispositiv; die Betriebe haben die Lohn- und Arbeitsbe- dingungen mehrheitlich eingehalten (sie- he Kasten). Seit 2004 wurde das Kontroll- volumen sukzessiv ausgebaut; heute hat es ein Niveau erreicht, das eine effiziente Bekämpfung von Missbräuchen ermög- licht. Letztes Jahr überprüften die Voll- zugsorgane die Lohn- und Arbeitsbedin- gungen von insgesamt 175 000 Personen in 45 000 Betrieben.

Werden Missbräuche festgestellt, ver- fügen die Vollzugsorgane heute über die nötigen Instrumente, um korrigierend ein- greifen zu können. Zu erwähnen sind hier beispielsweise die sogenannten Verständi- gungsverfahren mit ausländischen Entsen- debetrieben. Im Rahmen dieser Verfahren sollen die Betriebe dazu gebracht wer- den, den üblichen Lohn nachzuzahlen oder den Lohn künftig anzuheben. In rund drei Vierteln der Fälle führte dies zum Ziel. Bei wiederholt missbräuchlichen Lohnunter- bietungen können die tripartiten Kommissi- onen bei Bedarf die erleichterte Allgemein- verbindlicherklärung eines bestehenden

GAV oder den Erlass eines Normalarbeits- vertrages mit zwingenden Mindestlöhnen beantragen. Zu Letzterem sahen sich bis- her insbesondere die Kommissionen in den Kantonen Tessin und Genf mit 15 respektive 5 Beantragungen veranlasst. In den beiden Grenzkantonen prägt die Personenfreizü- gigkeit die Arbeitsmarktentwicklung stär- ker als anderswo.4

Seit der Einführung der flankieren- den Massnahmen im Jahr 2004 wurde der Vollzug stetig verbessert. Potenzial gibt es bei der risikobasierten Kontrolltätigkeit der Vollzugsorgane, wie der Bundesrat im jüngsten Aktionsplan zur Bekämpfung von Missbräuchen auf dem Arbeitsmarkt fest- hält. Zusammen mit den Sozialpartnern und den Kantonen wird das Eidgenössi- sche Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) dem Bundesrat des- halb im Herbst darüber Bericht erstatten.

Bei all den Massnahmen ist jedoch klar: Für einen effizienten zielgerichteten Vollzug der flankierenden Massnahmen ist der ge- meinsame Effort aller involvierten Akteure – Sozialpartner, Kantone und Bund – ent- scheidend.

4 Im Jahr 2015 waren schweizweit 23 Normalarbeitsverträ- ge in Kraft.

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