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Direktorium D-II-SEN. Telefon Telefax Beauftragte des Oberbürgermeisters für den Altenpflegebereich - Beschwerdestelle -

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Telefon 233 - 2 05 53

Telefax 233 - 2 19 73

Direktorium

D-II-SEN Beauftragte des Oberbürgermeisters für den Altenpflegebereich - Beschwerdestelle -

Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege Bericht über die Tätigkeit in den Jahren 2005 und 2006

Sitzungsvorlage Nr. 02-08 / V 09664

Anlagen

1. Zahlenmaterial, Auswertungen und Beispiele aus der Beschwerdebearbeitung der Jahre 2005 und 2006

2. Stellungnahme des Sozialreferates

3. Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen vom 19.03.2007 zu freiheitsentziehenden Maßnahmen im ambulanten Bereich 4. Jahreskampagne „Verstehen Sie Alzheimer“, Grußwort des Oberbürgermeisters

Folgende weitere aktuellen Veröffentlichungen sind im Internet zu finden:

www.muenchen.de/beschwerdestelle-altenpflege/Veröffentlichungen

• Empfehlungen zum Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen (überarbeitete Fassung vom Dezember 2005)

• Fragen und Antworten zum Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen (Januar 2007)

• Dokumentation der Fachtagung: „Altenhilfe - Geschlechter gerecht?“ (voraussichtlich April 2007)

Bekanntgabe in der gemeinsamen Sitzung des Verwaltungs- und Personalausschusses, des Sozialausschusses, des Kreisverwaltungs- ausschusses, und des Gesundheitsausschusses vom 10.05.2007 Öffentliche Sitzung

I. Vortrag des Referenten

Der hier vorliegende 6. Bericht über die Tätigkeit der Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege bezieht sich auf die Jahre 2005 und 2006 und knüpft an die dem Stadt- rat 1998, 1999, 2001, 2003 und 2005 vorgetragenen Berichte an. Er bietet Informatio- nen und Ergebnisse zur Entwicklung und den Wirkungen der Beschwerdebearbeitung sowie daraus abgeleitete Einschätzungen zur Situation in der Altenpflege.

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1. Beschwerdebearbeitung: Entwicklungen und Erkenntnisse im Berichts- zeitraum

1.1. Entwicklung der Beschwerdestelle

Seit die "Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege" 1997 vom Stadtrat den Auftrag erhielt, als Bürgeranwalt (Ombudsstelle) die Interessen pflegebedürfti- ger alter Menschen zu vertreten, wandte sie sich im Einzelfall wie auch strukturell gegen Angriffe auf deren Würde und Versuche ihrer Entmündigung. Sie stellte stets den betroffenen pflegebedürftigen alten Menschen in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen, auch bei unterschiedlichen Interessenlagen anderer Beteiligter.

Ohne gesetzliche Grundlage ist ihre Tätigkeit nur möglich aufgrund freiwilliger Ko- operation mit den Einrichtungen und ambulanten Diensten.

Diese Initiative der Stadt München hatte Vorreiterrolle und Modellcharakter. Auch die Förderung mit Bundesmitteln in zwei Projekten (in den Jahren 2000 bis 2003 Aufbau im ambulanten Bereich und von 2004 bis 2006 Beleuchtung der Wirkung von Gesetzesänderungen) drückte dies aus. Nachdem die Bundesmittel Ende 2006 auslaufen sollten, beschloss der Stadtrat im Juni 2006 die Übernahme von zwei bisher vom Bund finanzierten Planstellen in die Regelförderung. Es war der einstimmige politische Wille des Stadtrates, diese freiwillige Leistung weiterhin für die Münchner Bürgerinnen und Bürger in nahezu gleichem Umfang und gleicher Qualität weiter zur Verfügung zu stellen.

Die Beschwerdestelle fügt sich in die umfangreichen Angebote und Maßnahmen der gesamtstädtischen Infrastruktur der Altenhilfe ein, die im Bundesgebiet bei- spielhaft im ambulanten wie stationären Bereich aufgestellt ist.

1.2. Wesentliche Ergebnisse der Beschwerdebearbeitung im Berichtszeitraum Die Erkenntnisse aus der Beschwerdebearbeitung stellen aus der Vielzahl mögli- cher Perspektiven nur einen Blickwinkel dar und bieten damit nur einen möglichen Indikator zur Einschätzung von Qualitätsentwicklungen und der Situation der Al- tenpflege. Wir sind uns stets bewusst, dass uns unser Auftrag vorwiegend Zugang zu den Problemen und Mängeln verschafft und damit die Gefahr einer Verzerrung in der Gesamtbewertung besteht. Wir begegnen dieser Problematik mit großer Achtsamkeit in der gemeinsamen Reflexion unserer Einschätzungen, bemühen uns stets um Wertschätzung für gute geleistete Arbeit und erzielte Fortschritte und halten uns in vielen Diskussionen offen für die Blickwinkel anderer.

Eine ausführliche Darstellung des vorhandenen Datenmaterials und differenzierter Ergebnisse sowie anschauliche Beispiele finden sich in der Anlage 1 zu diesem Bericht. Dort werden Entwicklungslinien über die Jahre im Detail deutlich ge- macht. Im Folgenden werden nur einige wesentliche Aspekte beleuchtet, in denen im Berichtszeitraum die auffälligsten Veränderungen zu verzeichnen waren.

Die Inanspruchnahme

Grundsätzlich sind die Fallzahlen der Beschwerdestelle in Bezug zu setzen zu den Gesamtzahlen der Pflegebedürftigen (mit Leistungen aus der Pflegever- sicherung) in München. Die amtliche Pflegestatistik des Bayerischen Landes- amtes für Statistik und Datenverarbeitung weist zum Stichtag 15.12.2005 für München insgesamt rund 24.500 eingestufte Pflegebedürftige aus, davon wer- den rund 6.100 stationär betreut, rund 7.100 ambulant unter Beteiligung eines Pflegedienstes und rund 11.300 zu hause durch private Lösungen, zumeist Angehörige. Wenn wir die rein familiäre Pflege, zu der wir in der Regel keinen Zugang haben, außer Acht lassen, erreichten uns im Berichtszeitraum einmali- ge Anfragen zu 11% der in München durch professionelle Pflege versorgten Pflegebedürftigen. Zu 1,3% der Betroffenen wandten sich Beschwerdeführen- de an uns mit dem Wunsch nach intensiver Begleitung zu ihren Anliegen. Die-

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se Relation ist sicherlich zu beachten, wenngleich wir in allen den Jahren in der Beschwerdebearbeitung feststellten, dass unsere Erkenntnisse nicht nur im Einzelfall auftraten, sondern Probleme durchaus einen ganzen Wohnbe- reich oder einen Pflegedienst erfassen können. Ebenso erhielten wir immer wieder die Rückmeldung, dass die durch uns im Einzelfall angestoßenen Lern- prozesse auch anderen Betroffenen zugute kamen.

Sowohl die telefonischen Einmalkontakte (jährlicher Durchschnitt 2005 und 2006 bei 1400) wie auch die intensiv begleiteten und bearbeiteten Be- schwerdefälle (jährlicher Durchschnitt 2005 und 2006 bei 170) waren in den letzten beiden Jahren etwas rückläufig. Anteilig zugenommen hat durch die zentrale Lage im Rathaus der Bedarf an Clearingfunktion, also der Abklärung vielfältiger Anliegen älterer Menschen und Weiterleitung an zuständige Fach- stellen.

Zu den Ursachen für diesen Rückgang können wir mit unseren Erkenntnis- möglichkeiten nur eingeschränkt einige Hypothesen formulieren:

Betroffene und ihre Angehörigen erscheinen uns ebenso wie Pflegende zu- nehmend besser informiert als Ergebnis z.B. der Kampagne 2006 „Verstehen Sie Alzheimer?“, der monatlich gut besuchten Vorträge und Diskussionen des Pflegestammtisches, der vielen einschlägigen Anträge, Berichte und Beschlüs- se im Münchner Stadtrat und der entsprechenden Berichterstattung in den Me- dien. Das Beratungsangebot z.B. in den Sozialbürgerhäusern wurde erweitert.

Demographische Untersuchungen prognostizierten eine Zunahme alleinste- hender Pflegebedürftiger insbesondere in Großstädten, die aus eigener Kraft eher weniger in der Lage sind, das Angebot der Beschwerdestelle in Anspruch zu nehmen.

Für den stationären Bereich vermuten wir Zusammenhänge zum Abbau von Plätzen in München durch die Schließung einiger großer Alten- und Pflegehei- me in den letzten beiden Jahren. Wir haben erfahren, dass inzwischen Verle- gungen in andere Einrichtungen durch vorhandene freie Plätze möglich und gerade bei Unzufriedenheit mit der Qualität immer häufiger vorgenommen wur- den. Die Abwanderung Pflegebedürftiger in neu entstandene, preisgünstigere Alten- und Pflegeheime im Umland mit vielen freien Plätzen und damit Wahl- möglichkeiten dürfte angehalten haben. Wir sahen in den letzten beiden Jah- ren auch in einigen Einrichtungen erste Erfolge von Verbesserungen aufgrund des seit 01.01.2004 durch das Pflegequalitätssicherungsgesetz verbindlich vorgeschriebenen Qualitätsmanagements und Fortschritte in kundenfreund- lichem Beschwerdemangement.

Im ambulanten Bereich vermuten wir andere Zusammenhänge. Auch hier för- derte in den letzten Jahren der Konkurrenzdruck der über 200 in München tätigen Pflegedienste die Kundenorientierung. Nicht übersehen wollen wir, dass überforderte pflegende Angehörige oft nicht mehr die Kraft aufbringen, sich über ihre alltägliche Belastung hinaus an Behörden zu wenden. Beson- ders problematisch erscheinen uns Hinweise auf die kaum fassbare Grauzone von Pflegesituationen mit halb legaler oder auch illegaler Beschäftigung aus- ländischer Pflegekräfte oder mit außerhalb der Rahmenvereinbarungen getrof- fenen Einzelverträgen zu Dumpingpreisen. Wir vermuten zudem eine Zunah- me von Pflegesituationen, in denen die finanziellen Leistungen der Pflegever- sicherung zur Absicherung der Lebensgrundlage von Angehörigen bei Arbeits- losigkeit oder niedrigen eigenen Einkünften herangezogen werden und alte Menschen in große Abhängigkeiten geraten. Mögliche Mängel oder Probleme in diesen Pflegesituationen werden selten an eine städtische Beschwerdestelle herangetragen.

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Die vorgetragenen Beschwerden bezogen sich im Berichtszeitraum auf knapp die Hälfte der stationären Einrichtungen und ca. 1/6 der ambulanten Pflege- dienste in München.

Die Beratung von selbst tätigen Beschwerdeführenden

Bei den intensiv begleiteten Beschwerdefällen stieg im längerfristigen Verlauf der Anteil der Beratung selbst tätiger Beschwerdeführender auf durchschnitt- lich 58% an. Wir sehen als Gründe dafür eine bessere Informiertheit und ge- stiegenes Selbstbewusstsein der Kunden, wie auch verbessertes Beschwerde- management und Kundenorientierung bei den Dienstleistern. Zur Hälfte der im Berichtszeitraum bearbeiteten rund 1000 Beschwerdeinhalten erhielten wir eine Rückmeldung zu den Wirkungen der Beratung, davon zu ¾ mit positi- ven Ergebnissen.

Beschwerdestelle selbst vor Ort tätig

Zu 635 Einzelinhalten wurde die Beschwerdestelle selbst vor Ort tätig. Wir erreichen dabei jährlich rund 1/3 der stationären Alten- und Pflegeheime und rund 12% der ambulanten Pflegedienste in München.

Besondere Erkenntnisse zum stationären Bereich

Über alle Jahre hinweg fanden wir hier, wenn auch mit Schwankungen, einen größeren Anteil bestätigter Beschwerden gegenüber Pflegenden als gegen- über Leitungen.

Im Verantwortungsbereich der Pflegenden zeigte sich für den Berichtszeit- raum ein leichter Rückgang zum Themenschwerpunkt Dokumentation (incl.

Pflegeplanung, Biografiearbeit). Es gab z.B. bestätigte Probleme im Zusam- menhang mit der Umstellung auf EDV-gestützte Dokumentation, unnötige dop- pelte Dokumentation, keine Verknüpfung und Auswertung der einzelnen Be- standteile der Dokumentation.

Ein leichter prozentualer Rückgang bestätigter Beschwerden zur Grund- und Behandlungspflege deutet auf erste Erfolge der Qualitätsentwicklungsbemü- hungen der Einrichtungen hin. Trotzdem sahen wir u.a. Probleme bei der Er- nährung durch gehetztes und unsensibles Personal, nicht professionellen Um- gang mit Schluckstörungen und Sondennahrung, nicht bedarfsgerechtes Toi- lettentraining. Pflegerische Mängel im Bereich „Sicherheit“ änderten sich pro- zentual nicht und es bestand z.B. weiter Handlungsbedarf zum Umgang mit Notrufglocken bei Demenzkranken und zu Risikoeinschätzungen.

Es wuchs der Anteil bestätigter Beschwerden zu Umgang und Kommunika- tion Pflegender mit Betroffenen und Angehörigen: Unfreundlichkeit gegenüber Angehörigen, Schimpfen und Vorwürfe gegenüber oft dementen Pflegebedürf- tigen, unklare Ansprechpartner und fehlendes Fachwissen zu Beziehungs- und Kommunikationsgestaltung. Probleme tauchten häufig im Zusammenhang mit Aushilfen von Zeitarbeitsfirmen auf.

Im Verantwortungsbereich der Leitungen war ein gleichbleibend hoher Anteil bestätigter Beschwerden zum Bereich Information und Kommunikation zu verzeichnen. Während dazu an einigen Stellen die Leitungskompetenzen ge- wachsen sind, gibt es in anderen Einrichtungen Häufungen von Problemen wie Schwierigkeiten der Erreichbarkeit, keine Reaktion auf Anrufe oder Schreiben, Unklarheiten zum Umgang mit Bevollmächtigten. Bestätigte Beschwerden zum Wohnmilieu (Wäsche, Putzen, Essen) standen oft im Zusammenhang mit der Beauftragung von Fremdfirmen. Verträge und Abrechnungen hatten Mängel zu Kundenfreundlichkeit, Transparenz und korrekten Berechnungen.

Es sei an dieser Stelle stichwortartig auf einige Ergebnisse aus dem „Ersten Bericht über die Situation der Heime“ hingewiesen, den das Bundesfamili-

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enministerium Ende 2006 vorlegte: Steigender Anteil an Einzelzimmern, Ver- breitung neuer Wohnformen, Fachkraftquote erfüllt, Qualitätsmanagement hat hohen Stellenwert bekommen. Aber hohe Personalfluktuation und Arbeitsbe- lastung, zu wenig aktivierende Pflege und spezifische Betreuungskonzepte (Demenz), Defizite in Sterbebegleitung und palliativer Versorgung.

Besondere Erkenntnisse zum ambulanten Bereich

Hier überwogen über alle Jahre hinweg die bestätigten Beschwerden zur Leitungsebene.

Trotz leicht rückläufiger Anteile bei der Vertrags- und Abrechnungsgestal- tung fanden wir weiter Unkenntnis zu Bestimmungen, nicht korrekten Umgang mit Unterschriften unter Leistungsnachweisen (Demenzkranke mussten unte- schreiben), Berechnung nicht erbrachter Leistungen, Rechnungsstellung mit monatelanger Verzögerung.

Angestiegen sind prozentual Defizite bei Information und Beratung. Hier sind häufiger selbst Betroffene die Verhandlungs- und Vertragspartner und benöti- gen ein höheres Maß an einfühlsamer, geduldiger und angemessener Kom- munikation und verlässlicher klarer Absprachen.

Das Personalmanagement zeigte Lücken in Anleitung und Einteilung von Hilfskräften und unzureichender Vorsorge und Verständigung bei Engpässen.

Weiter bestehen auch ambulant Qualitätsprobleme im Verantwortungsbereich der Pflegenden, vergleichbar mit den bereits für den stationären Bereich aus- geführten Problemstellungen.

2. Politische Impulse der Beschwerdestelle im Berichtszeitraum

Die Beschwerdestelle hat sich ihrem Auftrag entsprechend im Berichtszeitraum bemüht, die Stadtspitze und den Stadtrat in der Einschätzung zu Fragen der Al- tenpflege beratend zu unterstützen.

Der Oberbürgermeister wurde als Schirmherr der Kampagne „Verstehen Sie Alzheimer“ über das ganze Jahr 2006 begleitend beraten. Das Jahresprogramm fand mit seinem Grußwort (siehe Anlage 4) weite Verbreitung (30.000 Programm- hefte). Mit einer Pressekonferenz im Januar zusammen mit Frau Bayer-Feld- mann (Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft München e.V.) und Herrn Dr. Alde- bert (TTN Institut der LMU München) wurde die Jahreskampagne angekündigt.

Probleme und Herausforderungen des Themas der Demenzerkrankungen auch im Zusammenhang mit demographischen Entwicklungen wurden herausgestellt, ebenso wie die Ziele der Jahreskampagne „Mit Alzheimer in einer alternden Ge- sellschaft leben lernen“. Der Oberbürgermeister beschrieb in seinem Redebeitrag auf der Auftaktveranstaltung im Januar unter anderem, wie die Stadt München der kommunalen Verantwortung in diesem Aufgabenfeld nachkommt und zu ei- nem Verbundsystem zur Versorgung von Menschen mit Demenz beiträgt. Anläss- lich der Abschlussveranstaltung im Dezember würdigte der Oberbürgermeister das 20-jährige Wirken der Alzheimer Gesellschaft München und zog eine sehr er- folgreiche Bilanz dieser Jahreskampagne mit etwa 400 einzelnen Veranstaltungen getragen von vielen Münchner Einrichtungen und Verbänden. Er verlieh Frau Bayer-Feldmann die Medaille „München leuchtet“ für ihr jahrelanges Engagement im Vorstand der Alzheimer-Gesellschaft München und für die ehrenamtliche Vor- bereitung und Durchführung dieser beispielhaft erfolgreichen Kampagne.

Bereits im Sommer 2005 griff die Beschwerdestelle zusammen mit der Gleichstel- lungsstelle für Frauen das Thema der Geschlechtergerechtigkeit in der Alten- hilfe in einem Fachgespräch mit Interessierten und Expertinnen auf. Daraus ent- stand in der Folgezeit das gemeinsame Projekt einer weiterführenden Fachta- gung „Altenhilfe - Geschlechter gerecht?“, die im Oktober 2006 mit ca. 100 Teil-

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nehmerinnen und Teilnehmern unterstützt durch das Sozialreferat stattfand. Ein- geleitet durch ein Grußwort des Oberbürgermeisters wurden in Vorträgen und Workshops vorhandenes Wissen und persönliche Erfahrungen vorgestellt und dis- kutiert. Einkommenssituation, Gesundheitsvorsorge, gesellschaftliche Rollener- wartungen und die Darstellung in den Medien waren ebenso Themen wie Wohnsi- tuation, Beratung und Unterstützung für das Leben in der eigenen Häuslichkeit, Konzepte der stationären Versorgung und Teilhabe am öffentlichen Leben. Die Er- gebnisse werden in Kürze als Dokumentation vorliegen und auch im Internet ab- zurufen sein.

Veröffentlichungen: In den Berichtsjahren 2005 und 2006 stellte die Beschwer- destelle gemeinsam mit anderen Stellen (Medizinischer Dienst der Kassen in Bay- ern, Heimaufsichten der Regierung von Oberbayern und der Stadt München, Be- treuungsstelle der Stadt München) die überarbeitete Neufassung der „Empfeh- lungen zum Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen“ den stationären Pflegeeinrichtungen zur Verfügung. Unser Ratgeber „Wie erkennen Sie die Qualität von Pflegediensten und Alten- und Pflegeheimen?“ stieß weiter auf großes Interesse und stetige Nachfrage.

In Gremien und Facharbeitskreisen vertrat die Beschwerdestelle aus ihrem Zu- gang heraus die Interessen der pflegebedürftigen alten Menschen und bemühte sich um strukturelle Impulse für Verbesserungen:

• Unter Federführung der Beschwerdestelle befasste sich der „Kleine Arbeits- kreis zur Optimierung der Tätigkeit städtischer Stellen bei der Beratung und Kontrolle von Pflegeeinrichtungen" im Berichtszeitraum mit der bereits aufge- führten Überarbeitung der „Empfehlungen zum Umgang mit freiheitsentziehen- den Maßnahmen“ und führte dazu gemeinsam mit den Mitverfassern eine In- formations- und Diskussionsveranstaltung für die Leitungen der Münchner Al- ten- und Pflegeheime durch. In einer ersten Abklärung diskutierte der Arbeits- kreis Besonderheiten freiheitsentziehender Maßnahmen im ambulanten Bereich und versuchte, den Rahmen möglicher Empfehlungen hierfür auszu- loten. Inzwischen erschien ein Ratgeber des Staatsministeriums zum Thema freiheitsentziehender Maßnahmen und die offenen Fragen des Arbeitskreises wurden zunächst dorthin übermittelt. (Antwort des Staatsministeriums – siehe Anlage 3). Bei der Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen in der eige- nen Häuslichkeit wollte der Gesetzgeber eine vormundschaftsgerichtliche Kon- trolle der häuslichen Pflege vermeiden, um das oft sensible Pflegeverhältnis nicht unnötig zu strapazieren und die Motivation von Angehörigen zur Über- nahme der Pflege nicht zu gefährden. Die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen unterliegt grundsätzlich den allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches (Freiheitsberaubung). Auch im häuslichen Bereich und be- sonders bei Beteiligung von ambulanten Pflegediensten bedarf es im Einzelfall der sachkundigen Prüfung aller möglichen Alternativen und eines Schutzes Betroffener, am besten begleitet durch eine intensive Beratung durch die Be- treuungsstelle und Betreuungsvereine.

• Die Beschwerdestelle nahm aktiv an der Münchner Pflegekonferenz und am Arbeitskreis Versorgungskette des Gesundheitsbeirates teil.

• Gemeinsam mit Sozialreferat, der Heimaufsicht im Kreisverwaltungsreferat und dem Referat für Gesundheit und Umwelt wurden durch Treffen auf Lei- tungsebene die interne Abstimmung erleichtert und die Zusammenarbeit und der Fachdiskurs über die Referatsgrenzen hinweg intensiviert. Dies geschah mit dem Ziel, die Themen der Altenhilfe besser zu bündeln und gemeinsam zu vertreten.

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• Mit anderen Fachstellen wie den "Fachstellen häusliche Versorgung" in den Sozialbürgerhäusern, mit den Krankenhaussozialdiensten und den Alten- und Service-Zentren wurden Kontakte gepflegt, die sowohl der Bearbeitung von Einzelfällen wie auch dem fachlichen Austausch dienten.

Auch in der Öffentlichkeit bezog die Beschwerdestelle Position zu den Proble- men des Bereichs der Altenpflege. Auf 59 Veranstaltungen wurden eigene Rede- beiträge eingebracht. Weitere 29 Veranstaltungen (z.B. auch der monatliche Pfle- gestammtisch) wurden besucht, für Diskussionen genutzt und boten die Möglich- keit zur Information und Kontaktaufnahme zu Betroffenen, ihren Angehörigen oder Pflegenden. In den Jahren 2005 und 2006 erschienen 49 Artikel in der Tages- und Fachpresse mit Bezug zur Tätigkeit der Beschwerdestelle. Der Internetauf- tritt der Beschwerdestelle wurde gepflegt und um aktuelle Veröffentlichungen er- weitert. Im Rahmen der Kampagne „Verstehen Sie Alzheimer“ 2006 beteiligte sich die Beschwerdestelle am Weltalzheimertag (21.09.) mit vielen anderen Stellen der Stadt München daran, in einer zentralen Veranstaltung im Rathaus über Fall- beispiele die vielfältigen Angebote der Stadt für Demenzkranke darzustellen.

3. Anstehende Probleme und Forderungen

Aus den konkreten Erkenntnissen der Beschwerdebearbeitung, dem Fachdiskurs in Ar- beitskreisen, Gremien und Gesprächen und der Auseinandersetzung mit den Berichten und Erkenntnissen anderer Institutionen kommen wir zu den folgenden Einschätzungen zu Entwicklungslinien und zu einigen ausgewählten, derzeit aktuellen Problemlagen:

3.1. Die demographische Entwicklung in der öffentlichen Diskussion

Die Eckdaten der demographischen Entwicklung sind längst bekannt und fließen zunehmend in die öffentliche Diskussion über Renten und Gesundheitsversor- gung, wie zu den Problemen der Altenpflege ein. Welches Maß an Selbstverant- wortung der Einzelne zu tragen hat und wie viel soziale Verantwortung Staat und Kommunen übernehmen sollen – diese Fragen stehen im Spannungsfeld von Fi- nanzierungsfragen, Deregulierungsdebatten und politischen Reformbestre- bungen. Einige Beiträge in Diskussionsrunden oder Fiction-Spielfilme verstärken Zukunftsängste und vertiefen Generationenkonflikte.

Die Pflegestatistik 2005 zeigt einen weiteren Trend zur professionellen Pflege.

Die Bedeutung der Versorgung durch ambulante Dienste wie auch einer statio- nären Versorgung haben zugenommen. Alte Menschen können immer weniger auf eine Pflege durch Familienangehörige bauen und pflegende Angehörige brau- chen zunehmend professionelle Unterstützung.

3.2. Die überfällige Reform der Pflegeversicherung

Nach vielen Jahren der Untätigkeit sah der Koalitionsvertrag der amtierenden Re- gierung vor, einen Entwurf zur Reform der Pflegeversicherung bis Sommer 2006 vorzulegen. Die Grundprobleme sind längst analysiert und bekannt (Kommissio- nen, Runder Tisch Pflege). Auch die bisherigen Berichte der Beschwerdestelle enthalten dazu Aussagen, an deren Gültigkeit sich bis heute nichts verändert hat.

Daher sind im Folgenden nur einige wesentliche und aktuelle Aspekte ausge- wählt.

Das System braucht grundsätzlich mehr Geld zum Ausgleich von Preisentwick- lungen und Versorgungslücken (vor allem für Demenzkranke). Die Überschüsse der Pflegeversicherung im Jahr 2006 von 450 Millionen Euro sind Zeitungsberich- ten zufolge lediglich ein „Buchungstrick“ (Münchner Merkur vom 01.12.2006).

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Die Angebote sollten sich stärker an individuellen Bedürfnissen orientieren und Anreize für Aktivierung und Mobilisierung bieten. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff muss neu definiert werden um damit neue Bemessungsgrundlagen für den Zu- gang zu den Leistungen der Versicherung zu schaffen. Die dazu auf Bundesebe- ne eingerichtete Arbeitsgruppe wird jedoch ihre Ergebnisse nicht vor Ende 2008 vorlegen – wohl zu spät für die jetzt wieder auf die Agenda gesetzte Reform der Pflegeversicherung. Alle Dimensionen von körperbezogenen, gerontopsychiatri- schen, kommunikativen und sozialen Fähigkeiten bzw. Einschränkungen sowie der dauerhafte Bedarf an medizinischer Behandlungspflege sind ganzheitlich ein- zubeziehen. Die Prüfung rehabilitativer, aktivierender Maßnahmen und erforderli- cher Hilfsmittelversorgung ist angezeigt und muss integriert sein. Bestehende Be- nachteiligungen v.a. von Demenzkranken aber auch von alten Menschen mit Mi- grationshintergrund sind zu beseitigen.

Die besonderen Problemlagen bei der Begutachtung von pflegebedürftigen Menschen mit Migrationshintergrund sind derzeit kaum beachtet. Für diese Be- troffenen besteht ein hohes Informationsdefizit. Der Zugang zu ihnen ist durch kul- turelle Tabus und Schamgefühle erschwert , wenn z.B. Familienangehörige zur Übersetzung von Fragen einbezogen werden. Es kommt häufiger zu Fehldiagno- sen und Fehlplatzierungen (z.B. Psychiatrie). Eine Veränderung der sprachlasti- gen Begutachtung durch deutschsprachige Gutachter ist angezeigt. Sprachlich und kulturell kompetente Pflegekräfte sind in die Begutachtung einzubeziehen.

3.3. Ein neues bayerisches Heimgesetz nach der Föderalismusreform

Obwohl das 11. Sozialgesetzbuch bundesweit ein übergreifendes Bindeglied bleibt, ist das Heimgesetz durch die Förderalismusreform entgegen dem Rat vieler Fachleute und gegen den Willen der Trägerverbände künftig Ländersache.

Aktuell wurden in Bayern in der Kabinettssitzung vom 13.03.2007 Eckpunkte for- muliert: Neue individuelle Betreuungskonzepte sollen gefördert werden, bereits beim Bau neuer Einrichtungen sei ein schlüssiges Betreuungskonzept vorzulegen, unangemeldete Heimnachschauen würden verankert, eine Entbürokratisierung der Pflege angestrebt, die Kosten- und Leistungsstruktur transparent gemacht.

Aus der Sicht der Beschwerdestelle einige Anmerkungen zu diesen noch allge- mein formulierten Eckpunkten:

• Um Transparenz und Mitwirkungsrechte für Verbraucher zu stärken, sollten bereits in die jetzigen Diskussionen Verbraucherverbände und Vertreter Be- troffener und Angehöriger unbedingt einbezogen werden. Auf dem Weg zu ei- nem neuen bayerischen Heimgesetz sollte neben den Interessensvertretern der Kostenträger, der Dienstleister und der Aufsichtsbehörden in gleichem Maß auch diesen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Bedürfnisse und For- derungen geltend zu machen.

• Die Sicherung von Qualitätsstandards (Einzelzimmer - auch für Sozialhilfe- empfänger, Beibehaltung der Fachkraftquote ...) ist von größter Bedeutung für die Betroffenen. Dabei darf die Prüfung der Prozessqualität nicht außer acht gelassen werden, denn erst über geregelte Abläufe und Strukturen wird Ver- bindlichkeit und Nachhaltigkeit hergestellt.

• Wenn neue Wohn- und Betreuungsformen nicht mehr dem Heimgesetz un- terliegen sollen, bedarf es hier neuer Lösungen zum wirksamen Schutz der betroffenen alten Menschen vor Qualitätsmängeln (siehe auch nächster Punkt).

• Die Erfahrungen der Arbeit der Beschwerdestelle in nunmehr fast 10 Jahren haben uns gelehrt, dass kontinuierliche Kontakte zwischen den Einrichtun- gen oder Pflegediensten und den Kontroll- oder Aufsichtsbehörden von großer Bedeutung sind, um eine vertrauensvolle, offene Zusammenarbeit und die

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Umsetzung der fachlichen Beratungsinhalte zu fördern. Längere Zeitabstände bei „Freistellungen“ von regelmäßigen Heimnachschauen z.B. durch Zertifizie- rungen erscheinen uns daher nicht hilfreich.

3.4. Neue Wohn- und Betreuungsformen

Die Entwicklung von Konzepten und konkreten Angeboten für neue Wohn-und Be- treuungsformen hilfe- und pflegebedürftiger Menschen kommt deren Bedürfnis nach individuellen und flexibleren Lösungen und nach Wahlmöglichkeiten entspre- chend dem Betreuungsbedarf sehr entgegen. Eine Befreiung von einigen starren Vorschriften des Heimgesetzes (z.B. Heimmindestbauverordnung) ist dazu unbe- dingt erforderlich.

Wenn Wohngemeinschaften jedoch dem Leben in der eigenen Häuslichkeit völlig gleichgestellt werden, haben wir Bedenken, ob hier ein Schutz für Betroffene vor Qualitätsmängeln in der Versorgung durch die bisher möglichen angemeldeten fallbezogenen Besuche des Medizinischen Dienstes der Kassen ausreichend ge- währleistet ist. Eigene Erfahrungen der Beschwerdestelle im Berichtszeitraum zeigten Defizite in Einzelfällen: Unzureichend geregelte vertragliche Beziehungen aufgrund von Wissenslücken der Betreiber, nicht schlüssige Betreuungskonzepte, diffuse Motivationen für die Gründung der Wohngemeinschaften (Familienersatz für Betreiber), Zugang zum Vermögen der Betroffenen durch Vollmachten, eine Abschirmung von Außenwelt und Angehörigen, Qualitätsmängel in der Pflegesi- tuation, Unzugänglichkeit der Wohnung für Rollstühle, abgesperrte Türen.

• Eine Anzeigepflicht für neu entstehende Wohngruppen halten wir für drin- gend erforderlich.

• Wir würden uns wünschen, dass die Vergabe öffentlicher Mittel unter anderem an freiwillige Vereinbarungen zu unangemeldeten Qualitätskontrollen ge- knüpft werden.

• Eine Selbstverpflichtung über die Zulassung unangemeldeter Kontrolle, eben- so wie Transparenz bei Verträgen und Vertragspartnern und geregelte Mitwirkungsrechte der Bevollmächtigten und Betreuer könnte bereits heute als Qualitätskriterium gelten.

• Ausdrücklich sollten Vollmachten Betroffener für Betreiber oder Pflegende von Wohngruppen in den Betreuungsverträgen ebenso ausgeschlossen werden wie die Annahme von Erbschaften und die Übernahme von Betreuungen (letz- tere sind bereits durch das BGB ausgeschlossen).

• Kostenträger und die Münchner Pflegebörse könnten diese Informationen öf- fentlich zur Verfügung stellen.

3.5. Versorgungslücken und Grauzonen in der ambulanten Pflege

Die politische Forderung "ambulant vor stationär" ist bislang angesichts der de- mographischen Entwicklung weder ausreichend hinterfragt noch finanziell ange- messen unterstützt. Die Familienpflege schwindet, die Zahl der alleinstehenden alten Menschen (besonders Frauen) steigt an. Bei der ambulanten Versorgung Demenzkranker gibt es besondere Grenzen der Belastbarkeit und Machbarkeit.

Die ambulante Pflege (nach Krankenhausaufenthalt oder dauerhaft) ist eine kom- plexe Situation, die sich in den derzeitigen gesetzlichen Vorgaben (Erfassung und Abrechnung in Leistungskomplexen, Trennung von Behandlungs- und Grundpfle- ge, Nichtberücksichtigung von Hilfebedarf zur Alltagsbewältigung ohne Pflegestu- fe) nicht individuell und bedarfsgerecht gestalten lässt. Die professionelle Pfle- ge hat nicht „die Luft zum Atmen“, um flexibel auf individuelle Situationen zu rea- gieren. Behandlungspflege rechnet sich für die Pflegedienste nur in Kombination mit Grundpflege. Bei steigenden Eigenanteilen der Betroffenen besteht ein nur un-

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zureichender Verbraucherschutz gegenüber privatrechtlicher Vertragsgestaltung über die Kassenleistungen hinaus.

Geriatrische, gerontopsychiatrische und palliative Diagnostik, Behandlung und Begleitung sind noch zu oft unzureichend aufgrund von mangelndem Wissen der Ärzte (Krankenhaus und Niedergelassene).

• Pflegende Angehörige (v.a. von Demenzkranken) benötigen Angebote, um sie aus der täglichen Belastung über gezielte Entlastungsmöglichkeiten zur Prävention von Überforderung zu begleiten. Zugehende Interventionsstrate- gien für die Angehörigenberatung sind erforderlich, um rechtzeitig Hilfeange- bote machen zu können. Eine effiziente Entlastung pflegender Angehöriger muss Wirksamkeit, Bedürfnisgerechtigkeit und Kosten gleichermaßen berück- sichtigen und ist zur Sicherung der häuslichen Pflege als wichtiges „Versor- gungsangebot“ unerlässlich .

• Für die vielen allein lebenden alten Menschen würde eine zugehende Bera- tung, wie z.B. die an mehreren Orten bereits modellhaft erprobten „präventi- ven Hausbesuche“, eine hervorragende Möglichkeit bieten, Risikopotentiale zu erkennen und vorbeugende Maßnahmen einzuleiten (Ernährung, Sturzrisiko, Diabetes). Über eine wohnortnahe, regelmäßige vertrauensvolle Beziehung ließen sich Entwicklungen verfolgen und rechtzeitig Hilfestellungen anbieten oder vermitteln. Sektorenübergreifend könnten darüber problematische Ent- wicklungen für den Einzelnen vermieden bzw. hinausgezögert und hohe Sum- men im Gesundheitswesen eingespart werden. Hieran sollten auch die Kos- tenträger ein großes Interesse haben.

3.6. Wahrung von Würde und sozialen Menschenrechten, keine Diskriminierung alter Menschen

In all den Jahren, auf die sich bisher die Berichterstattung der Beschwerdestelle bezog, waren es nicht nur Einzelfälle, in denen die Würde alter Menschen und ihr Recht auf Selbstbestimmung in der täglichen Pflegepraxis verletzt und missachtet wurden. Mit diesen Feststellungen stehen wir nicht allein, sondern finden diese Er- gebnisse in nahezu allen einschlägigen Berichten von Heimaufsichten und Medizi- nischem Dienst der Kassen.

Die Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte „Soziale Menschenrech- te älterer Personen in Pflege“ (Dez. 2006) empfiehlt unter Bezugnahme auf völ- kerrechtliche Dokumente und nach einer Analyse des rechtlichen Rahmens in Deutschland folgenden aktuellen Katalog von Maßnahmen: Existierende Geset- zesänderungen einhalten und umsetzen, die Überwachungspraxis verbessern und den Sanktionsrahmen ausschöpfen, die Charta der Rechte Pflegebedürftiger ein- setzen und daran Prüfmaßstäbe ausrichten, den Schutz vor Diskriminierung in der Praxis stärken, einen Standard für menschenwürdige Grundversorgung entwi- ckeln, das System der Qualitätssicherung in der Pflege weiter ausbauen, unab- hängige Strukturen zur Qualitätssicherung auf Bundesebene schaffen, Transpa- renz und Partizipation fördern, einen Prozess einer nationalen Strategie zur Ver- besserung der Situation Pflegebedürftiger einleiten und eine Bundeskampagne für menschenwürdige Pflege starten.

Seit der „Runde Tisch Pflege“ die Charta der Rechte Pflegebedürftiger und wei- tere konkrete Forderungen und Empfehlungen veröffentlichte, bemühte sich die Beschwerdestelle im Rahmen ihrer Möglichkeiten in München diese Ergebnisse weiter zu tragen.

Die Arbeitsgemeinschaft der Münchner Wohlfahrtsverbände veröffentlichte im letzten Jahr ein Positionspapier „Zukunft der Pflege in München“ unter Bezugnah- me auf die Charta und die Münchner Erklärung von 2003. Darin wird gefordert, den Leistungsumfang der Pflegeversicherung zu erhöhen, Krankenversicherungs-

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leistungen auch im stationären Bereich zu berücksichtigen, Einzelzimmer auch für Sozialhilfeempfänger zu finanzieren, den Begriff der Pflegebedürftigkeit zur Behe- bung von Benachteiligungen neu zu definieren, Beratungsangebote auszubauen, Angebote und Beteiligte zu vernetzen, Aufgaben der Kontrollbehörden abzugren- zen und Verwaltungsvorschriften zu deregulieren, eine soziale Betreuung ebenso wie die Fortbildung von Pflegenden angemessen zu vergüten, einer neutralen Prüfung einheitliche allgemein gültige fachliche Kriterien zugrunde zu legen.

Es steht nicht in Frage, dass anhaltend Mängel hinsichtlich einer menschenwürdi- gen Pflege bestehen – nicht nur in Einzelfällen. Politik, Kostenträger, Dienstleister und Verbraucherverbände sind allerdings unterschiedlicher Ansicht darüber, was bereits unter den bisherigen Rahmenbedingungen geleistet werden kann und wo finanzielle und personelle Ausstattung der Pflege derzeit Grenzen setzen. Das Hin- und Herschieben von Schuldzuweisungen und Verantwortung darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass alle Beteiligten verpflichtet sind, bereits jetzt alles zu tun, um ihre Spielräume auszuschöpfen.

Eine neue Dimension erhielt die Diskussion im Vorfeld der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), das ausdrücklich auch die Diskriminierung aufgrund des Alters zum Thema hat. Das im Herbst 2006 in Kraft getretene Gesetz findet zwar vorwiegend Anwendung im Bereich von Arbeitsver- hältnissen, bezieht sich aber auch auf den Zugang zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und auf Benachteili- gungen im Zivilrecht (Massengeschäfte wie Wohnungsvermietung, privatrechtliche Versicherungen und sonstige Verträge, ausgenommen familienbezogene Verträge wie Erbregelungen). In konkreten Diskriminierungsfällen im Zivilrecht erhalten Be- troffene Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände und die seit 01.02.07 eingerichtete Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege kann nach eingehender Prüfung keine offizielle An- laufstelle für Diskriminierungsfälle wegen Alter oder Behinderung darstellen. Sie wird jedoch im Rahmen ihrer Tätigkeit bei bekannt gewordenen Benachteiligun- gen wegen Alter und Behinderung im Sinn des AGG beratend auf die entspre- chenden Stellen und Verfahren hinweisen. Zudem war es bisher schon immer un- ser Anliegen, strukturelle Erkenntnisse zu Diskriminierung wegen Alter und Behin- derung politisch zu befördern.

3.7. Fachliche Themen weiterentwickeln

Die Beschwerdestelle hat zusammen mit der Gleichstellungsstelle für Frauen und nicht zuletzt mit dem persönlichen Engagement des Oberbürgermeisters das The- ma der Geschlechtergerechtigkeit in der Altenhilfe ins Bewusstsein gerückt und seine Bedeutung für die künftige Gestaltung von Strukturen, Konzepten und Mittelvergabe beleuchtet. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Referaten sollten daraus in nächster Zeit konkrete Impulse für kommunales Han- deln entstehen. Interessierte aus anderen Fachstellen und angrenzenden Berei- chen können, ebenso wie Verantwortliche der politischen Ebene, aus den vorlie- genden Erkenntnissen und Anregungen eine differenzierte Sicht auf unterschiedli- che Bedürfnisse alter Frauen und Männer und bestehende Ungerechtigkeiten für ihre Tätigkeit gewinnen. Es ist uns ein langfristiges Anliegen, an der weiteren Be- arbeitung des Themas mit den Möglichkeiten der Beschwerdestelle mitzuwirken.

Durch die gerade verabschiedete Gesundheitsreform und die anhaltende öffentli- che Diskussion um Regelungen zu Patientenverfügungen und passive wie aktive Sterbehilfe erhielt das Thema „Sterben in Würde und Selbstbestimmung“ in den letzten Jahren zunehmende Bedeutung. Unter der Federführung des Christo- phorus-Hospiz-Vereins bildete sich Ende letzten Jahres eine Arbeitsgruppe, um bis Ende 2007 für München Empfehlungen für die stationären Pflegeeinrichtungen zu erstellen unter Einbindung von Ärzten, Trägerverbänden und Aufsichtsbehör-

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den. Die Beschwerdestelle beteiligt sich daran mit ihren Erfahrungen und Kennt- nissen.

Die Personalsituation in der Pflege ist ein wesentlicher Grundpfeiler für die Qua- lität der Versorgung. Wir verzeichneten in den vergangenen Jahren zwar die Ein- haltung der Fachkraftquote in München und Fortschritte im Personalmanagement.

Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es weitere Probleme gibt:

Zeitarbeit verursacht immer wieder Qualitätsdefizite. Die Schulungs- und Fortbil- dungskultur der Verbände sollte mehr Wert auf praxisnahe, zielgerichtete Maß- nahmen legen, deren Ergebnisse verbindlich in die Praxis übertragen werden. Die Einkommenssituation der Pflegenden hat sich verschlechtert; so liegen z.B. die Einstiegsgehälter heute um 30% niedriger als vor 3 Jahren. Wir teilen die Sorge mit vielen Verantwortlichen der Trägerverbände und Kostenträger, dass voraus- sichtlich bald erneut ein Mangel an Pflegepersonal die Sicherung von Pflegequali- tät gefährden könnte.

Die Fehler- und Beschwerdekultur in Einrichtungen und bei Pflegediensten ist ein wesentlicher Qualitätsindikator für die erbrachten Dienstleistungen. Nicht nur in der täglichen Bearbeitung von Beschwerdefällen, sondern auch mit einem Vor- trag „Beschwerden – ein Chance zum Lernen für alle“ im Rahmen zweier Fortbil- dungsveranstaltungen des Staatsministeriums für Leitungen in Pflegeeinrichtun- gen im Jahre 2006, zeigte die Beschwerdestelle Voraussetzungen und konkrete Schritte für die Implementierung eines internen Beschwerdemanagements auf.

Hier sind weiter Verbesserungen erforderlich und gehen dabei Hand in Hand mit anhaltenden Forderungen nach Transparenz in den Vertragsbeziehungen für die Kunden, nach Offenlegung von Kostenstrukturen und Bilanzen sowie nach Veröf- fentlichung von Qualitätsberichten der Kontrollbehörden.

3.8. Das Netzwerk an Unterstützung durch die Stadt München

Die zahlreichen Beschlüsse des Münchner Stadtrats und die langjährigen Bemü- hungen und Maßnahmen der Stadtverwaltung zur Unterstützung alter Menschen bei der Bewältigung von Problemlagen haben ein bundesweit beispielhaftes Netz- werk geschaffen. Die Aufzählung seiner Bestandteile erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ihre Reihung soll keine Wertung enthalten.

München verfügt über ein engmaschiges Netz von Alten- und Service-Zentren.

Neben der freiwilligen Einrichtung der Beschwerdestelle wurde auch die kommu- nale Heimaufsicht beispielhaft fachlich und personell aufgestellt. Das stationäre Soforthilfeprogramm umfasst seit 1998 das Projekt der Überleitungsfachkräfte, seit 2000 die heiminterne Tagesbetreuung für Demente. Für den ambulanten Be- reich sind pflegeergänzende Leistungen, Fachstellen für Angehörigenarbeit bei Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnah- men und der Aufbau eines Helferkreises finanziert. Die „Fachstellen häusliche Versorgung“ wurden in Sozialbürgerhäusern eingerichtet, die Wohnraumbera- tung für ältere Menschen gefördert, viele Projekte und Modelle (Betreutes Woh- nen zuhause, ambulant betreute Wohngemeinschaften, Mehrgenerationenhäuser, Altenwohnprojekte) unterstützt. München betreibt aktive Bedarfsplanung und In- vestitionsförderung von teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen und leistet Hilfe zur Pflege für bedürftige alte Menschen.

Mit vielen Anfragen und Anträgen des Stadtrats und Beschlussvorlagen der betei- ligten Referate wurden und werden die wesentlichen Themenfelder beleuchtet und bearbeitet. Bei Bedarf trägt die Beschwerdestelle in Kooperation mit den ver- antwortlichen Dienststellen zu diesen Ausführungen bei. Aus diesem Grund liegt hier dem Stadtrat keine eigene Beschlussvorlage vor, sondern wir beschränken uns in diesem Jahr auf eine Bekanntgabe unserer Erkenntnisse und Einschätzun- gen.

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4. Zusammenfassung

Die Ergebnisse und Erkenntnisse der Beschwerdestelle im Berichtszeitraum zeigen trotz leichten Rückgangs der Inanspruchnahme und punktueller Verbesserungen bei einigen Themenbereichen weiter stationär wie ambulant anhaltende Probleme und Defizite. Die tatsächliche tägliche Qualität der Pflege am Bett alter Menschen ist stets aufs neue durch das Pflegepersonal herzustellen und bildete im Spiegel der Beschwer- den im Einzelfall Defizite an Fachwissen und ethischer Einstellung wie auch Zeitnot und unzureichende Strukturen ab. Die nachhaltige Entwicklung und Sicherung von Le- bens-, Pflege- und Versorgungsqualität unter Wahrung von Würde und Selbstbestim- mung betroffener alter Menschen wurde immer noch in vielen, der uns vorliegenden Fällen behindert. Besonders der ambulante Bereich birgt eine wachsende Brisanz durch ungelöste Probleme der Qualitätssicherung in neuen Wohnformen und kaum zu- gänglichen aber zunehmenden Grauzonen der Pflege und Betreuung ohne Beteiligung professioneller Pflegedienste.

Bundesweit gibt es anhaltend manifeste Qualitätsprobleme, Umsetzungsprobleme (Expertenstandards, Erkenntnisse aus Aus-, Fort- und Weiterbildung) Finanzierungs- probleme (gedeckelte Leistungen, unzureichende Angebote für Demenzkranke) und Strukturprobleme (segmentierte defizitorientierte statt ganzheitlich aktivierende res- sourcenorientierte Pflege). Alle Akteure im Feld der Versorgung pflegebedürftiger alter Menschen - Pflegende, Leitungen, Ärzte, Kostenträger und die Politik - müssen für ih- ren Zuständigkeitsbereich und dessen Verknüpfung mit anderen Verantwortung zur Schaffung von Pflegequalität und Würde und Selbstbestimmung übernehmen. Eine Vernetzung und sektorenübergreifendes Denken kann viele Ressourcen freisetzen.

Wir brauchen alle Versorgungssysteme ambulant, teilstationär und vollstationär und ihre Durchlässigkeit, um eine individuelle bedarfsorientierte Wahlmöglichkeit zu eröff- nen.

Alte Menschen und ihre Angehörigen benötigen eine fachkompetente Begleitung durch ein aufsuchendes und zugehendes Case- und Caremanagement, um Vorsorge zu treffen und rechtzeitig Risiken und Hilfebedarf zu erkennen. Unser Pflegesystem ist gekennzeichnet durch zuviel passivierende Versorgung in der Pflege und zu wenig ganzheitliche und aktivierende Fürsorge.

Die Politik muss Darstellungen begegnen, die Generationenkonflikte heraufbe- schwören und Ängste vor Altersarmut, einer unzureichenden Versorgung im Alter und bei Pflegebedürftigkeit unnötig verstärken. Allerdings reichen auch ein Appell zur Privatvorsorge und zu gegenseitiger Hilfe durch bürgerschaftliches Engagement nicht aus.

Die Stadt München hat beispielhaft über alle Jahre eine für die demographischen Her- ausforderungen zukunftsfeste Gesamtinfrastruktur für die Altenhilfe entwickelt. Sie leistet unter den derzeitigen Rahmenbedingungen mit hohem finanziellem Einsatz einen verantwortungsvollen und effektiven Beitrag zur Gestaltung der sozialen Hilfe- netze für alte Menschen, zu dem die Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege mit ihren Möglichkeiten beiträgt.“

Soweit der Bericht der Beschwerdestelle, dessen Bewertungen ich mir als Referent zu eigen mache.

Der Stadtkämmerei, dem Seniorenbeirat, dem Beraterkreis Behinderte, dem Sozialrefe- rat, dem Referat für Gesundheit und Umwelt, dem Personal- und Organisationsreferat, dem Kreisverwaltungsreferat, der Gleichstellungsstelle, dem Gesamtpersonalrat und dem Revisionsamt ist jeweils ein Abdruck dieser Vorlage zugeleitet worden.

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II. Bekannt gegeben

Der Stadtrat der Landeshauptstadt München

Die/der Vorsitzende Der Referent

Bürgermeister/in Christian Ude e.a. Stadträtin / e.a. Stadtrat Oberbürgermeister

III. Abdruck von I. mit II.

Über den Stenographischen Sitzungsdienst an das Direktorium – Dokumentationsstelle an die Stadtkämmerei

an das Revisionsamt z.K.

IV. Wv. Direktorium – Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege 1. Die Übereinstimmung vorstehenden Abdrucks mit der beglaubigten Zweitschrift wird bestätigt

2. An das Direktorium - Geschäftsleitung

An das Direktorium – Gleichstellungsstelle für Frauen An das Sozialreferat

An das Personal- und Organisationsreferat An das Kreisverwaltungsreferat

An das Referat für Gesundheit und Umwelt

An den Gesamtpersonalrat der Landeshauptstadt München An den Seniorenbeirat

An den Beraterkreis Behinderter z.K.

Am i.A.

Referenzen

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