• Keine Ergebnisse gefunden

Gott und die moderne Physik

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "Gott und die moderne Physik"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Gott und die moderne Physik

lst es notwendig zu wissen, woher die Sonne ihre Hitze nimmt, um die Botschaft zu glauben, dass es einen Gott gibt, der diese

Sonne, unsere Erde, ja unser gesamtes Universum erschaffen hat? Und selbst wenn wir es wissen oder auch warum der Regenbo-

gen immer dieselben Farben hat, wie wir Materie entstehen lassen und wieder zerstrahlen können, wissen wir deshalb auch

nur das Geringste über diesen Gott?

Gebilden Platz zu machen. Es brauchte schon ein sehr naives Naturempfinden, um die Forderung erheben zu können, ein Religionsbuch müsse auch physi- kalisch wörtlich genommen werden.

Religionsbücher haben so verfasst zu sein, dass sie uns ihre Kembotschaftvon der Existenz Gottes und seinem Ver- hältnis zu uns möglichst kaftvoll ver- mitteln können. Da sie sich aber im laufe der Geschichte an Menschen aus teils extrem unterschiedlichen Bil- dungskulturen wenden, bedarf die Ver- mittlungsform der Religionen immer wieder einer Anpassung an die Kultur- welt der Menschen, an die sie sich wen- den. Sämtliche Religionen wären also klug beraten, den Inhalt, die Essenz ih- rer Botschaften, vom konkreten Ver- kündungsstil zu trennen. Welche Wör- ter, Metaphern und Bilder, welche Formen und Symbole benützt werden, damit die Adressaten die Religionsbot- schaften möglichst gut verstehen können, diese Fragen sind vermitt- lungstechnische Details und keine Glaubenswahrheiten.

Gegenstand der Physik

Die Naturwissenschaft ist überhaupt nicht das, was viele in ihr sehenl Es ist zwar völlig richtig dass sich die Physik mit dem Aufbau und Werden unserer Welt beschliftig, und auch, dass venucht wird, die Naturgeschehnisse zu erklären, ohne auf Geister, Dämonen oder Götter zurückgreifen zu müssen. Dabei aber bleibt die Frage absichtlich undvonätz- lich ausgeklammert, ob es solche ,,hö- heren" Mächte gibt oder geben könnte.

Die grundlegenden Fragen nach der Herkunft der physikalischen Gesetz- mäßigkeiten sowie nach dem,,Warum"

der Existenz der Natur als Ganzes sind damit ebenfalls aus dem tubeitsgebiet

der Naturwissenschaft ausgeschlossen.

Diese Fragen gehören nach dem Ar- beitsverständnis der Physik zu den Ge- bieten der Philosophie und Religion.Je- der, der diese Grundfragen mit Hilfe des ,,Zufalls" oder durch die ,,Materie" er- klären möchte, steht damit genauso im Einklang mit der Naturwissenschaft wie jeder, der den Urgrund unserer Welt im Willen eines Gottes sieht. Konsequen- terweise wäre im letzteren Fall auch ie- der Steinwurf und ieder Sonnenstrahl von diesem Gott gewollt. Dies aber nicht im Sinne eines aktiven Eingrei- fens in die aktuellen Sifuationen, son- dern aufgrund der Funktionsprinzipien der Natur. Und von diesen möglichst viele herauszufinden, ist eben Gegen- stand der Physik - sonst nichts.

Die Naturwissenschaft endet dort, wo die NachprtiLfbarkeitvon Behauptungen nicht mehr gegeben ist. Die Physik hat ja seit Francis Bacon (1561-1626) als Ent- scheidungskiterium die Brauchbarkeit, die ,,techne", die Nützlichkeit, und nicht mehr die ,,absolute" oder ,,wah- re Wahrheit". Immanuel Kant und die Relativitäts- und Quantentheorien sa- gen uns heute mit aller Deutlichkeit, dass wir die ,,wahre Wirklichkeit" un- serer Welt prinzipiell nichtzu erkennen vermögen, sondern einzig und alleine nur ein Bild von unserem Universum zeichnen können, das unseren mensch- lichen Anschauungsformen entspricht.

Die Physik benötigt ftir ihre Arbeit eine Troika an transzendenten Begrif- fen (,,Fundamentalgrößen"), die sie nicht positiv definieren kann. Tradi- tionellerweise verwenden wir dafür die drei Naturgrößen,,Zeit",,,Länge" und ,,Masse". In der modernen Physik wer- den sie aber zunehmend durch die Troi- ka,,Energie - Impuls - Impulsmoment (Drehimpuls)" ersetzt, da diese drei Grö- ßen in unserem Universum weder er-

\

\

\

\

\

\

I t

\

i

)

I

Wie überfordert wären die einfachen Hirten und Bauern damals gewesen, wäre ihnen in der Genesis erklärt wor- den, dass unsere Sonne ihre Energie aus der Verschmelzung von gigantischen Mengen an Wasserstoffkernen zu Heli um gewinnt - und das schon seit über vier Milliarden Jahren? Wie aufwendig müsste die Genesis geschrieben sein, um uns eine fiir unser heutiges Wissen halbwegs relevante Darstellung vom physikalischen Werden unseres Kos- mos bieten zu können?

Und wer weiß, ob die Erkenntnisse der heutigen Naturforschung nicht im- mer noch unsäglich naive Bilder von den Naturvorgängen zeichnen? Viel- leicht müssten wir uns noch mit viel komplexeren Erzählungen auseinan- detsetzen, um zu erfahren, dass unsete Welt von Gott gewollt ist. Er hat sie so erschaffen, dass sie nach dem Prinzip der lokalen Freiheiten einen evolutio- nären Werdegang durchläuft: Alles in unserem Kosmos entsteht und vergeht wieder, alle Gebilde unserer Welt - alle Sonnen und Planeten, die Flora und Fauna unserer Erde - sie alle entwickeln sich und vergehen wieder, um anderen

1 6 Academia

(2)

f@

zeugt/ noch vernichtet werden können, also echte,,Erhaltungsgrößen" sind. Die Naturwissenschaft kann also nur in- nerhalb des bereits real existierenden Universums Auskunft darüber geben, wie wir Naturgegebenheiten für uns nützen können und wie unser Weltbild derzeit aussieht. Niemals aber können wir den Kosmos als Ganzes erfassen, sondern uns nur innerhalb von ihm mehr oder n'eniger gut zurechtfinden.

Die Physik lässt sich also weder dazu verwenden, die Nicht-Existenz eines persönlichen Gottes schiüssig zu be- weisen, noch dessen Existenz.

Wir Menschen müssen akzeptieren lernen, dass unserer Erkenntnis- und Vorstellungsfähigkeit Grenzen gesetzt sind. Dies ist eine der grundlegenden Botschaften von den Quanten- und Re- lativitätstheorien. Wo diese Grenzen genau liegen, das wissen wir noch nicht aber sie existieren, wie uns etwa die Un- schärferelation deutlich macht. Oder das Faktum, dass wir von den Ge- schehnissen in unserem Universum mitnichten unendlich schnell erfahren, denn keine Nachricht kann schneller als das Licht zu uns gelangen. Den ,,An- dromeda-Nebel" sehen wir beispiels- weise heute so, wie er vor zweieinhalb MillionenJahren ausgesehen hat - also eine dreiviertel MillionJahre, bevor der erste homo erectus herumgelaufen ist.

Dementsprechend vorsichtig und be- scheiden sollten wir alle urteilen: In der Naturwissenschaft ebenso wie in den

Religionen und Philosophien.

Warum verteidigte Rom im 77.Jhdt.

ein heidnisches Weltbild? Es steht nur beim Heiden Aristoteles, dass unser Uni- versum bloß etwas über 2.000 Sterne kennt und die Sonne sich um die Erde dreht. Nur fur das Aristotelische Welt- bild war das Fernrohr ein Teufelsin- strument, weil man dadurch mehr Ster- ne am Firmament sehen konnte - fi.ir die Bibel aber mitnichten. Warum ver- langte Rom, dass sich Galilei einem heidnischen Weltbild zu beugen hatte?

Wohl deshalb, weil das Weltbild des Heiden Aristoteles als Leitbild ftir die

Natursicht des katholischen Glaubens fungierte. Seine Preisgabe war daher auch ein religiöses Problem: Burschikos ausgedrückt rächte sich hier massiv, dass wir seit den erstenJahrhunderten Chris- ti Botschaft nicht allein aus sich heraus wirken ließen, sondern Vorstellungen griechischer Philosophen in den ka- tholischen Glauben inkorporierten.

Unser Bild von Gott

Nirgendwo steht in der Bibel, dass sich das Christenfum Anleihen bei PIa- ton und Aristoteles zu holen hatte. In Exodus 20,4 steht aber sehr deutlich:

, , D u s o l l s t D i r k e i n B i l d v o n m i r m a - chen". Warum machen wir es trotz- dem? Der biblische Gott hat keinen Bart, keine Hände, ja überhaupt keinen Körper. Warum malen wir ihn dennoch so oft als alten Mann? Spätestens selt der modernen Phvsik wissen wir, wa-

rum wir uns von Gott kein Bild machen sollen: Jeder Versuch, sich ein Wesen vorzustellen, das nicht in unserem Uni- versum entstanden ist, führt zwangs- läufig zu völlig falschen Ansichten.

Schon in der Welt der atomaren und subatomaren Gebilde dürfen wir uns keine Bilder von den dort ablaufenden Vorgängen machen, weil diese not- wendigerweise falsch wären.

Jeder Versuch, Gott bildhaft darzu- stellen, ist also nicht nur a priori zum Scheitern verurteilt, sondern er ftihrt uns auch noch arg in die Ine, weil er uns dazu verleitet, Gott doch etwas mensch- lich körperlich zu denken. Karl Rahner machte uns unermüdlich darauf auf- merksam, dass der christliche Gottes- begriff anders ist, als viele Christen meinen: Wie bereits im Ersten Vatika- nischen Konzil ausgedrückt, lässt das Christentum Gott nämlich wirklich Gott sein. Das Christentum glaubt an

1 7 Mai 2009

(3)

einen Gott, der wirklich und wesenflich vom gesamten Universum verschieden ist. Es ist christliche Eigenart, dass die- ser Gott aus keinerMetaphysi\ sondem nur aus dessen eigener Offenbarung ge- nommen werden kann (K. Rahner). Wa- rum sprechen wir es nur so selten aus?

All dieJahrhunderte hindurch hat- ten wir einheitliche Weltanschauun- gen, in denen iede Religion und jede Philosophie mit einem speziellen Welt- bild schier untrennbar verwoben war.

Das verhilft ihnen häufig zu Vorteilen in Bezug auf Überschaubarkeit, Eleganz und leichterer Fasslichkeit. Allerdings bieten solche Weltanschauungen nur karge Möglichkeiten zur Revision der Erklärung von Naturvorgängen, denn selbst Anderungen von Details haben hier meist zur Folge, dass die gesamte Weltanschauung enchüttert wird.

Es geht aber auch anders: Wir können das phvsikalisch wahrnehmbare Welt-

bild von den Heilsbotschaften rigide trennen. Die drei Fundamentalgrößen der Physik - am besten die Troika Ener- gie-lmpuls.lmpulsmoment -bilden da- bei die Kopplungsbasis. Auf der imma- nenten Seite steht das physikalische Weltbild, das wir mit den Methoden der experimentellen Forschung befuachten und beschreiben und immer wieder den Gegebenheiten anpassen können, ohne uns damit philosophische oder religiö- se llobleme einzuhandeln. Und auf der anderen Seite stehen die philosophi- schen oder religiösen Botschaften mit- samt den individuell geglaubten Inhal- ten unserer ftanszendenten Begriffswelt.

Wer die ,,Materie", die ,,Logik" oder die ,,Naturgesetze" ftir immer existieren lassen möchte, steht dann ebenso im Einklang mit der Physik, wie jeder, der dies flir den ,,Raum" , die ,,Zeit" , die ,,Ma- thematik" wünscht oder aber an einen Schöpfergott glaubt. Keiner von uns

kommt umhin, in seiner Weltanschau- ungdie Existenzund das Wesenvon drei transzendenten Begriffen zu erklären:

Einem,,Hergebenden", einem,,Auslö- senden" und einem ,,Aufnehmenden"

,,ETWAS" - also, das ,,Wohel", ,,Warum"

und ,,Wie" der Entstehung unserer Welt.

Die Quintessenz der Überzeugung, dass das gesamte Weltall durch die Lo- gik geworden ist, können wir folgen- dermaßen ausdrücken:,,Das gesamte Weltall wurde durch die Logik, durch das physikalische Gesetz. Alles ist durch die Logik geworden, und ohne Logik wurde nichts, was geworden ist". Und der Beginn des Johannesevangelium Iautet: ,,Im Anfang war das Wort (der Logos), und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort ge- worden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist." Die beiden Aussagen gleichen sich doch frappant, der Unterschied liegt nur im Charakter des geglaubten Verursachers und Form- gebers unseres Universums: Eine kalte, liebes- und seelenlose Logik bei den ei nen, ein liebender und gütiger Logos

\

\

im Christentum

Chemie Gr Universität Wien. Zahlreiche Vorträge urd Kurse zum Thema,,Natur- wissensöhaft und Gott".

(www.univie.ac.at/tomiska)

Literaturhinweise:

Josef Tomiska, Gott und die moderne Phy- sil<, Skiptum, Universität Wien, Eigenverlag, 4. Auflage, 2008 (josef.tomiska@univie.ac.at).

Josef Tomiska, Das kosmische Spiel - Die ver- ständliche Welt der Relativitätstheorie, Wien:

Edition Volkshochschule, 2005.

rsBN 3-900 799-63-6

Josef Tomiska, Die Werlstatt der Natur - Eine modeme Einftihrung in die Quantentheorie, Wien: Edition Volkshochschule, 2005.

rsBN 3-900 799-628

\

\

\

\

I

(

1

!

)

\

\

Academia 1 8

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

[r]

Dirac-Fermionen erf¨ ullen also auch

[r]

(a) Konstruieren Sie einen normierten koh¨ arenten Zustand |ϕi explizit als Linearkom- bination von Energieeigenzust¨ anden, indem Sie ihn aus dem Grundzustand |0i auf- bauen..

Berechnen Sie aufgrund der gegeben Analogie zur Drehimpulskopplung, in welchem Verh¨ altnis die beiden Zerf¨ alle auftauchen.. (b) Welche Zerf¨ alle erwarten Sie f¨ ur das

[r]

Aufgabe 23: Photoelektrischer Effekt (5+2=7 Punkte ) Der photoelektrische Effekt beschreibt die Abstrahlung eines Elektrons von einem Atom durch Absorption eines Photons..

Aufgabe 27: Identische Teilchen im Viereck (4+2=6 Punkte ) Wir betrachten ein System aus vier identischen Teilchen, die sich ohne weitere Wechsel- wirkungen an den Ecken eines