AGRARForschung 299
Editorial Risikoanalyse – nur eine Mode- Erscheinung?
AGRARForschung 10 (8): 299, 2003
Internationale Anstrengungen
Nahrungsmittelbedingte Erkran- kungen durch pathogene Mikro- organismen treten weltweit auf.
Im Vordergrund stehen mikrobi- elle Ursachen. Mit der Globali- sierung des Lebensmittelhan- dels gewinnt der Schutz der Kon- sumenten vor gesundheitlichen Risiken zunehmend an Bedeu- tung. Diese Risiken können an- hand der Risikonanalyse er- kannt, quantifiziert und durch entsprechende Massnahmen re- duziert werden. Die im Rahmen- werk des Codex Alimentarius umschriebene Risikoanalyse ist ein von der Welthandelsorgani- sation (WTO) anerkanntes und in der Vereinbarung über sani- täre und phytosanitäre Mass- nahmen (SPS-Abkommen) ge- fordertes Verfahren zur Sicher-
stellung der Lebensmittelsicher- heit im internationalen Handel.
Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Nutzen Die Risikoanalyse bezweckt, ge- sundheitliche Risiken biologi- scher, chemischer oder physika- lischer Natur zu erkennen und zu vermeiden, beziehungsweise auf ein akzeptables Niveau zu redu- zieren. Die wissenschaftliche Basis für eine Risikoanalyse ist die Risikobeurteilung, im engli- schen Sprachgebrauch auch als
«risk assessment» bezeichnet.
Die Risikobeurteilung erlaubt es, Aussagen über die Wahr- scheinlichkeit des Eintretens und den Schweregrad eines ge- sundheitlichen Schadens, der zum Beispiel durch einen spezifi- schen Erreger in einem Lebens- mittel hervorgerufen wird, abzu- schätzen und gezielte Massnah- men dagegen einzuleiten. Da Rohprodukte tierischer Her- kunft, die zum direkten Verzehr bestimmt sind (z.B. Rohmilchkä- se), in verschiedenen Ländern generell als Risikoprodukte ein- gestuft werden, ist für die Sicher- stellung eines reibungslosen Ex- portes dieser Produkte eine wis- senschaftlich fundierte Risiko- beurteilung von zunehmender Bedeutung. Im weiteren trägt die Risikoanalyse zur Vertrauens- und Imagebildung bei den in- und ausländischen Konsumen- ten schweizerischer Lebensmit- tel tierischer Herkunft bei.
Risikoanalyse von der Heugabel bis zum Essgabel
Im laufenden Arbeitprogramm der FAM ist die Risikoanalyse
ein Schwerpunkt. Es ist uns ge- lungen, ein Modell zu entwi- ckeln, das eine Risikoanalyse entlang der ganzen Produktions- kette, «von der Heugabel bis zur Essgabel» erlaubt. Im ersten der beiden folgenden Artikeln wird die Risikoanalyse und die mikro- biologische Risikobeurteilung beschrieben. Der zweite Artikel zeigt die praktische Anwendung des von uns entwickelten Mo- dells für die Risikobeurteilung anhand des Beispiels von Liste- ria monocytogenes in Rohmilch- Hartkäse auf.
Melchior Schällibaum, Eidgenössische Forschungsanstalt für Milchwirtschaft (FAM), Liebefeld,
CH-3003 Bern