E M I S S I O N E N
Werner Berg, Potsdam-Born i m
Emissionen aus der Rinderhaltung
Modeli ieru n g e m issionsre l eva nte r Stoffflüsse
Die ökologischen Auswirkungen landwirtschaftlicher Verfahren sind neben ihren ökonomischen, sozia
len und ethologischen Merkmalen ein wesentlicher Aspekt ihrer Be
wertung. Eine Charakterisierung der ökologischen Auswirkungen und gezielte Einflussnahme auf sie setzen Kenntnisse über die ursäch
lich wirkenden Sto.f!!lüsse und Pro
zesse voraus. Deren Komplexität macht die experimentelle Untersu
chung aller potentiellen Konstella
tionen praktisch unmöglich und verlangt, die realen Vorgänge mit Hilfe von Modellen abzubilden.
D r.-lng. Werner Berg ist wissenschaftlicher M itar
beiter der Abteilung .. Technikbewertung und Stoffkreisläufe" am Institut für Agrartechnik Bornim e. V. (ATB) (Wissenschaftlicher D irektor: Prof. D r.
lng. J. Zaske), M ax-Eyth-AIIee 100, 1 4469 Potsdam, e-mail:wberg@atb-potsdam.de
Schlüsselwörter
Stoffflüsse, Rinderhaltung, Emissionen
Keywords
Substa nce fluxes, cattle husbandry, emissions
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Bild 1: Systemgrenzen des Gesamtmodells
I
N p
- c Fig. 1: System margins ofthe
total model
02�v
:t/
'
NH, = NH,� KH· J QPH ( r)+f(F;R;M;G;A;L;E;B;V;W)
K - 1 0P + m · J 0 °+
D
ie Modeliierung von Stoftllüssen in der Tierhaltung erfordert die Kennt
nis einer Reihe mathemati- scher und naturwissen- schaftlicher Grundlagen sowie spezieller, in der Re-
gel durch experimentelle Untersuchungen gewonnener Daten und Fakten. Ziel der Mo
dellierung ist ein Erkenntniszuwachs, der letztendlich auch die Verringerung uner
wünschter Emissionen gestattet. Ausgangs
punkt diesbezüglicher Arbeiten am ATB sind die einzelnen Verfahrensabschnitte. Die Ab
schätzung von Emissionen und Möglichkei
ten ihrer Verminderung kann damit - auch für Regionen wie Länder oder Europa - durch entsprechende Hochrechnungen "von unten nach oben" erfolgen. Die Modelle sol
len zum Vergleich/zur Bewertung der unter
schiedlichen Verfahren der Tierhaltung bei
tragen. Sie sollen die Einordnung der tier
haltungsbedingten Emissionen mit ihren Potentialen, Kosten und anderen Folgen in das gesamte anthropogene und natürliche Emissionsgeschehen ermöglichen. Tierhal
tung und Pflanzenbau gehören zusammen, sie sind aufeinander angewiesen und daher zusammen zu betrachten. Wegen der Hand
habbarkeit, Übersichtlichkeit und um auf verschiedene Fragen flexibel reagieren zu können, wird der gesamte Kreislauf (Bild 1 ) in mehreren voneinander abgegrenzten, aber kompatiblen Modellen abgebildet.
Wesentl iche Emissionen
Gase, an deren Emission die landwirtschaft
liche Tierhaltung maßgeblich oder auch nur nennenswert beteiligt ist, sind Ammoniak (NH3), Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (NzO) und Kohlendioxid (Cüz) [ l ] .
Kohlendioxid wird hauptsächlich bei der Atmung der Tiere freigesetzt. Im Kreislauf
Pflanze-Tier kann dies jedoch als neutral an
gesehen werden. Damit bleiben die durch direkten und indirekten Energieeinsatz be
dingten Kohlendioxidemissionen. Mit ei
nem Anteil an den anthropogenen Emissio
nen von etwa 3 % spielen sie in Deutschland volkswirtschaftlich kaum eine Rolle. Sie kennzeichnen aber, so wie auch der Ener
gieaufwand, die verschiedenen Verfahren und sind in einzelnen Verfahrensabschnitten durchaus von Bedeutung.
Distickstoffmonoxid emittiert nach bishe
rigem Erkenntnisstand nur in tiefeingestreu
ten Haltungssystemen in erwähnenswerten Mengen. Hier bestehen allerdings noch eini
ge Wissenslücken, insbesondere in der Rin
derhaltung. Mit den Emissionen aus dem Boden, die der Tierhaltung in dem Maß indi
rekt zugeschrieben werden können, in dem es sich um Futterflächen handelt, ist die Landwirtschaft mit etwa einem Drittel an den anthropogenen deutschen Distickstoff
monoxidemissionen beteiligt. Zu beachten ist, dass die Klimawirksamkeit von Distick
stoffmonoxid ungefähr das 320fache von Kohlendioxid und das l3fache von Methan beträgt.
Bei Methan beträgt der Anteil der Tierhal
tung an den anthropogenen Emissionen in Deutschland etwa 30 %. Davon stammen fast 90 % aus der Rinderhaltung und etwa 7 % aus der Schweinehaltung. Die Freiset
zung geschieht bei den Wiederkäuern hauptsächlich während der Verdauung und weniger bei der Exkrementlagerung und -ausbringung, bei den Schweinen ist es ge
nau umgekehrt.
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Mit der Emission der drei genannten kli
marelevanten Gase trägt die Tierhaltung mit etwa 7 % zum deutschen Anteil an der an
thropogenen Erwärmung der Erdoberfläche bei.
Die anthropogenen Ammoniakemissionen in Deutschland stammen zu fast 90 % aus der Tierhaltung. Mineraldüngerherstellung und -einsatz verursachen etwa 1 0 %. Der Anteil der verkehrsbedingten Ammoniakemissio
nen läßt sich mit über 2 % veranschlagen.
Die Emissionen aus der Tierhaltung gehen zu rund 70 % auf die Rinder- und zu annähernd 20 % auf die Schweinehaltung zurück.
Die Emissionen aus der Schweinehaltung können mittlerweile auch haltungsspezifisch recht gut kalkuliert werden. Für die Rinder
haltungsverfahren bestehen dagegen diesbe
züglich größere Defizite. Angesichts des Anteils der Rinderhaltung an den Emissio
nen aus der Tierhaltung einerseits und am Einkommen der Landwirte andererseits be
steht ein entsprechend großes Interesse an detaillierten Kenntnissen über die Emissio
nen aus der Rinderhaltung und darauf auf
bauenden Möglichkeiten zur Emissionsmin
derung. Der Handlungsbedarf in dieser Richtung ist absehbar und es gilt, unter Be
achtung sozialer, ökonomischer, ökologi
scher und ethologischer Aspekte daraufvor
bereitet zu sein.
Einflussgrößen
Die Art und Anzahl der in die Algorithmen der Modelle eingehenden Parameter sollen auf das notwendige Maß begrenzt werden.
Hierbei sind die zwischen der Datenverfüg
barkeit, -belastbarkeit, Handhabbarkeit der Modelle und der Qualität der Ergebnisse be
stehenden Diskrepanzen zu berücksichtigen.
Die Gestaltung der Algorithmen erfolgt auch unter dem Gesichtspunkt einer minimalen Fehlerfortpflanzung.
In die Modeliierung der Stoffflüsse in der Rinderhaltung gehen Daten ein zur Kenn
zeiclmung der Tiere, der Fütterung, des Hal
tungssystems, der Klimatisierung, der Ent
mistung, der Exkremente, ihrer Lagerung, Ausbringung und pflanzenbauliehen Ver
wertung, zur Kennzeichnung der Umge
bung, der Pflanzenbauverfahren sowie der Ernte, Aufbereitung und Lagerung der Fut
termittel (Tab. 1). Entsprechend der Zielset
zung werden die Stoffflüsse soweit model
liert, dass sich die Emissionen der genannten Gase für unterschiedliche Verfahren und de
ren Abschnitte kalkulieren lassen. Die zu entwickelnden Algorithmen sollen die Ein
beziehung von Maßnahmen zur Emissions
minderung gestatten. Damit sind Auswir
kungen von Minderungsmaßnahmen, auch ihrer Kombinationen, vorauszubestimmen.
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Bereich/ Parameter
Verfahrensabschnitt Parametergruppe
Tier Leistung, Futterver
wertung -Rasse, Lebend- Futter
Fütterung Haltung
Klimatisierung Entmistung
ExkrementausbringunQ Umgebungs
bedingungen
Boden Pflanzenbau
masse
Futtermittelinha lte, Rationszusammen
setzung, Mengen Fütterungssystem, Fütterungsregime Gebäude, Aufsta/lungs
system, Bewirtschaf
tungsweise Gebäude, Lüftungs
system, Bewirtschaf
tungsweise
Gebäude, Entmistungs
system, Bewirtschaf- tungsweise
Technische Ausrüstung, Handhabung
Temperatur, Luftge
schwindigkeit, Sonnen
einstrahlung, Nieder- schlag
Bodentyp, Bodenart, Wasserverhältnisse Pflanzenart, Fruchtfolge, Bearbeitung, D üngung, Pflanzenschutz, Ernte, Ertrag
Futtermittelaufbe- Technische Einrichtung, reitung, -konservierung Bewirtschaftungsweise und -Iagerung
Tab. 1: Emissionsbestimmende Parameter/
gruppen für die einzelnen Verfahrensabschnit
te/Bereiche
Tab!e 1: Parameters/parameter groups determi
ning emissions for the single process sections/scopes
Algorithmen
Den Modellen liegen zum einen allgemeine naturwissenschaftliche Gesetzmäß igkei ten zugrunde, zum anderen spezielle Erkennt
nisse und empirische Zusammenhänge, die deren Anwendung oft erst möglich machen.
So hängt die Freisetzung von Ammoniak aus wässrigen Lösungen von der Lage des Gleichgewichts zwischen freiem Ammoniak (NH3) und Ammoniumionen (NH/) ab:
NH4+ � NH3 + H+ (1) Dieses Gleichgewicht wird beschrieben durch die Dissoziationskonstante Kb.
K b -_
[NH3][ H+] [NH/]
(2)[NH3] - Ammoniakkonzentration in mg/1 [H+] - Konzentration der Wasserstoff
ionen in mg/1
[NH/] - Konzentration der Ammoni- umionen in mg/1
Wie jede Gleichgewichtskonstante ist sie temperaturabhängig. Für eine wässrige Am
moniaklösung beträgt sie [2]:
Kb = l O -(0,0897 + (272911)) (3) T - Temperatur in K
Zwischen der Konzentration der Wasser
stoffionen in einer Lösung und ihrem pR
Wert besteht folgender Zusammenhang:
pH = - log [H+] (4)
[H+]
-
Konzentration der Wasserstoff- ionen in mol/1Damit lässt sich die Konzentration von frei
em Ammoniak in einer wässrigen Lösung in Abhängigkeit von Temperatur und pH-Wert beschreiben.
[NHJ] = [NH/] 1 O(pH - 0,0897 - (272911)) ( S) Die Ammoniakemission kann mit Hilfe des Ammoniakpartialdrucks PNH3 über der Oberfläche der Lösung ermittelt werden.
PNH3 = HNH3[NH3] (6)
HNH3-
Henry-Konstante für in Wasser gelöstes Ammoniak in Pa m3/kg Außerdem beeinflussen Zusätze zur Lösung das Dissoziationsgleichgewicht Die Dissoziationskonstante und die Henry-Konstante sind also spezifische Größen und für unter
schiedliche Lösungen, wie etwa Rindergül
le, jeweils zu bestimmen.
Diese Verfahrensweise ist unter Einbezie
hung der weiteren emissionsbestimmenden Parameter fortzuführen, um dann die Am
moniakemission für den Bereich des Tier
stalls oder der Exkrementlagerung abschät
zen zu können. In ähnlicher Weise soll dies für die anderen genannten Gase geschehen.
Zur Bestimmung spezifischer Größen werden Daten aus experimentellen Untersu
chungen herangezogen, etwa aus den Mes
sungen zum Ansäuern von Gülle mit Milch
säure [3, 4], oder entsprechende Annahmen getroffen.
Fazit
Durch baukastenartiges Zusammenfügen der Algorithmen oder einzelnen Modelle las
sen sich die unterschiedlichen Verfahren der Rinderhaltung simulieren und die entstehen
den Emissionen kalkulieren. Es ist zu erwar
ten, dass so detailliertere Aussagen getroffen und die richtigen Maßnahmen zur Emissi
onsminderung ergriffen werden können.
Literatur
[1] Berg, W: Minderung von Emissionen aus der 1ierhal
tung - Kosten und Potentiale. Landtechnik 52 (1997).
H. 5, S. 262 - 263
[2] Zhang, R.H. et al.: A Computer Model for Predicting Ammonia Release Rates from Swine Manure Pits.
Journal of Agricultural Engineering Research 58 (1994), p. 223 - 229
[3] Berg, W, G. Hörnig und M Türk: Güllebehandlung mit Milchsäure. Landtechnik 53 (1998), H. 6, s. 378 - 379
[4] Hörnig. G, W Berg und M Türk. Emissionsminderung durch Ansäuern von Gülle - Salpeter- und Milchsäure im Vergleich. Landtechnik 53, 11998). H. 3, S. 146 - 147
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