• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Spitze des Eisbergs" (24.03.2000)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Spitze des Eisbergs" (24.03.2000)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

assiv hat er die Ergebnisse seiner Studie zur Hochdo- sis-Chemotherapie beim Mamma-Karzinom manipuliert – Prof. Werner Bezwoda, Onkologe der Witwatersrand University Johannes- burg. Dieser Fall von Wissenschafts- betrug gelangte Anfang Februar an die Öffentlichkeit (siehe DÄ, Heft 7/2000). In einem Schreiben an seine Kollegen hatte Bezwoda damals zuge- geben, „einen schweren Bruch der wissenschaftlichen Ehre und Inte- grität“ begangen zu haben. Jetzt lie- gen die Ergebnisse der Prüfung durch eine unabhängige amerikani- sche Kommission vor.

Nicht einmal der Titel der Studie ist richtig, die Bezwoda unter an- derem auf dem Jahresmeeting der American Society of Clinical Oncol- ogy (ASCO) im Mai 1999 in Atlanta vorgestellt hatte. „Hochdosis-Chemo- therapie (HDC) versus Standard-Che- motherapie (CAF)“, also versus Cyclo- phosphamid, Adriamycin und Fluorou- racil lautete er in verkürzter Form. Die Patientinnen des Kontrollarms thera- pierte Bezwoda jedoch mit Cyclophos- phamid, Mitroxantron und Vincristin.

Eine andere Therapie verwendet zu ha- ben, begründet Bezwoda so: „Ich habe es aus dem törichten Verlangen heraus getan, die Präsentation der Studie für das Auditorium akzeptabler zu ma- chen.“

Finden konnte die Untersu- chungskommission nur 58 Patienten- akten der 154 in Bezwodas Paper ange- gebenen Patientinnen. In ihnen ent- deckte sie weitere Abweichungen von den publizierten Daten: Nur 20 der 58 Frauen erfüllen die Eignungskriterien für die Teilnahme an der Studie; die verbleibenden Patientinnen weisen ei- ne andere Altersgruppe oder TMN- Klassifikation auf oder wurden bereits vorher therapiert. Eine Radiotherapie, von Bezwoda als Ausschlusskriterium in der Studie geführt, erhielten 22 Pati- entinnen vor der HDC und 10 danach.

Einige Patientinnen therapierte Bez- woda zusätzlich mit Tamoxifen oder mit anderen Dosen von Mitroxantron als angegeben.

Da die Nachsorge nicht doku- mentiert ist, kann die tatsächliche Re- laps- und Mortalitätsrate nicht einge- schätzt werden. Wahrscheinlich ver- starben den Protokollen zufolge aber

zu den acht in der Studie angegebenen Patientinnen weitere sieben. Auffäl- lig ist zudem: Es liegen keine von den Teilnehmerinnen unterzeichne- ten Einverständniserklärungen vor;

keine Kommission hat der Studie je- mals offiziell zugestimmt.

Wie ist der Betrug entdeckt wor- den? Von mehreren durchgeführten Phase-III-Studien hatte Bezwodas Untersuchung als einzige positive Re- sultate beim Einsatz der HDC mit nachfolgender Knochenmarktrans- plantation gezeigt. Ein Team aus On- kologen des US National Cancer In- stitute überprüfte die Studie und ent- deckte Unstimmigkeiten – der Stein geriet ins Rollen. Bereits bei der Prä- sentation erschienen die Daten zwei- felhaft, so Prof. Dr. med. Dieter Kurt Hossfeld, Onkologe aus Hamburg und Teilnehmer der ASCO-Konfe- renz in Atlanta, gegenüber dem Deut- schen Ärzteblatt. Erklärt hätte man sich die verblüffenden Resultate je- doch mit der kleinen Fallzahl, einem hoch selektierten Patientengut und der monozentrischen Studie. Auffäl- lig sei allerdings die alleinige Auto- renschaft Bezwodas gewesen.

Nun steht fest: Die schon vor- her kontrovers diskutierte Therapie brachte nicht den Erfolg, den sich vie- le erhofft hatten. Weitere Studien auf der Basis von Bezwodas Resultaten werden nicht empfohlen.

Dass er Wissenschaftsbetrug be- gangen hat, gibt Bezwoda zu: „Ich be- kenne meinen Fehler und trage die volle Verantwortung.“ Beweggründe nennt er nicht. Finanzielle Erwägun- gen wären allerdings nicht im Spiel ge- wesen. Bezwoda ist vom Dienst sus- pendiert. Dr. med. Eva A. Richter

A-752 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 12, 24. März 2000

P O L I T I K AKTUELL

Wissenschaftsbetrug

Der Fall Bezwoda

Die Ergebnisse der Kommission, die die vermutlich manipulierte Studie zur Hochdosis-Chemotherapie beim Mamma-Karzinom untersuchte, liegen jetzt vor.

Die Fälschungen konnten eindeutig belegt werden.

M

Der Fall Bezwoda zeigt, dass Wissenschaftsbetrug ein aktuelles Thema ist. Nur ein amerikanisches Problem und weit entfernt? Fälschungen kommen häufiger vor, als man glaubt oder wahrhaben will. Auch in

Deutschland. Bekannt wird nur die Spitze des Eisbergs.

„Eine logische Konsequenz des mo-

dernen Wissenschaftsbetriebs“ nennt Marco Finetti, Wis- senschaftsjournalist, diese Fälschungen. Nicht „kriminelle Energie“, sondern der immer härtere Wettlauf um Fördergel- der, der wachsende Druck, möglichst viele Arbeiten zu ver- öffentlichen, und der lange Weg die wissenschaftliche Kar- riereleiter hinauf verleiteten Forscher dazu. Da wird schnell mal gegen die wissenschaftliche Moral verstoßen, in unter- schiedlichem Ausmaß.

Wenn es um Geld geht, greifen Menschen zu vielen Fi- nessen. Auch Forscher. Doch wie sehen die Folgen aus: Inwie- weit ist Forschung noch glaubwürdig? Auf welche Studiener- gebnisse können sich Ärzte und Patienten noch verlassen?

Wird ein Fälscher enttarnt, ist ein Sün- denbock gefunden. Die Diskussion darüber erhitzt zunächst die Gemüter, und dann droht alles wieder zu ver- sanden. Man geht zur Tagesordnung über. Vor zwei Jahren brach- te der Fall des Berliner Onkologen Prof. Dr. Friedhelm Herr- mann die Diskussion hierzulande ins Rollen.

Inzwischen existieren zaghafte Ansätze, dem Wissenschafts- betrug entgegenzutreten, zum Beispiel Forschungsethik schon im Medizinstudium, denn der Dialog ist wichtig. Forschungsbetrug dürfen wir nicht als Normalität hinnehmen. ER K O M M E N T I E R T

Spitze des Eisbergs

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Für die 76 Prozent der Patientin- nen mit maximal einer genetischen Alteration in Genen für PI3KCA, PTEN (ebenfalls PI3K-Signalweg), FGFR1/2- oder CCND1-vermittel- ten

Die Patienten in der Yogagruppe berichteten da- nach über verbesserte Schlafqualität (31 Pro- zent versus 16 Prozent), Reduktion der Fatigue (42 Prozent versus zwölf Prozent) und

Lediglich war 2008 auf dem jährlichen Treffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) eine Studie über 17 Keimbahn-Polymorphismen in Kandidatengenen für

Lediglich war 2008 auf dem jährlichen Treffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) eine Studie über 17 Keimbahn-Polymorphismen in Kandidatengenen für Gemcitabin im

Hemmung der DNA-Reparatur verstärkt Zytostatika-Effekte Eine randomisierte Phase-II-Studie mit 116 Frauen, die triple-negativen Brustkrebs hatten (Östrogen-

Mi- chels wies auf ein weiteres Defizit über die PSB hinaus hin: „Beglei- tende Hilfen von Psychiatern und Psychotherapeuten werden nicht ausreichend angeboten.“ Dass Opiatabhängige

Das „alte Jahr“ darf nicht zu Ende gehen, ohne dass ich meine Fassungslosigkeit über die nicht nur diesem Artikel zu entnehmende tragische Entwicklung „unseres“

Supplementary Table 1: Comorbidities of the study population of patients with psoriasis and