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Sonographisch-gestützte Diagnostik von Harnwegs- und Nierenerkrankungen beim Kaninchen

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Tierärztliche Hochschule Hannover

Sonographisch-gestützte Diagnostik von Harnwegs- und Nierenerkrankungen

beim Kaninchen

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von Iris Maibaum Hildesheim

Hannover 2017

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Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. med. vet. M. Fehr

Klinik für Heimtiere, Reptilien und Vögel

1. Gutachter: Prof. Dr. med. vet. M. Fehr

2. Gutachterin: Prof. Dr. med. vet. C. Pfarrer

Tag der mündlichen Prüfung: 15.11.2017

(3)

Meinen Eltern in Liebe.

Für Angie, Lilly und Tassi,

die immer einen Platz in meinem Herzen haben werden.

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(5)

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ... 5

1 Einleitung ... 1

2 Literaturübersicht ... 3

2.1 Anatomie des Harnapparates beim Kaninchen ... 3

2.1.1 Nieren ... 3

2.1.2 Ureteren ... 4

2.1.3 Harnblase ... 5

2.1.4 Urethra ... 5

2.2 Physiologie des Harnapparates ... 5

2.2.1 Überblick über das gesamte Organsystem ... 5

2.2.2 Schwerpunkt Nierenfunktion ... 6

2.2.2.1 Feinbau der Niere ... 6

2.2.2.2 Glomeruläre Filtration ... 7

2.2.2.3 Säure-Basen-Regulation ... 8

2.2.3 Auswirkungen des Kalziumstoffwechsels auf den Harntrakt beim Kaninchen ... 9

2.3 Erkrankungen des Harnapparates beim Kaninchen ...12

2.3.1 Überblick ...12

2.3.2 Nierenerkrankungen ...13

2.3.2.1 Enzephalitozoonose ...14

2.3.2.2 Nephrokalzinose ...17

2.3.2.3 Urolithiasis, speziell Nephrolithiasis ...18

2.3.2.4 Akute Niereninsuffizienz ...20

2.3.2.4.1 Prärenale akute Niereninsuffizienz ...20

2.3.2.4.2 Renale akute Niereninsuffizienz ...21

2.3.2.4.3 Postrenale akute Niereninsuffizienz ...21

2.3.2.5 Chronische Niereninsuffizienz ...22

2.3.3 Pathologien des Ureters ...24

2.3.4 Erkrankungen der Harnblase ...25

2.3.4.1 Infektiöse Zystitis ...25

2.3.4.2 Mechanische Zystitis ...26

2.3.4.2.1 Auslöser Urolithiasis ...26

2.3.4.2.2 Auslöser Harnblasengrieß ...27

2.3.4.3 Symptomkomplex Inkontinenz ...29

(6)

2.3.5 Pathologische Veränderungen der Urethra ...30

2.4 Erkrankungen des Harnapparates bei Hund und Katze ...31

2.5 Diagnostik von Harnwegs- und Nierenerkrankungen beim Kaninchen ...35

2.5.1 Klinische Untersuchung ...35

2.5.2 Röntgenuntersuchung ...38

2.5.3 Sonographische Untersuchung ...41

2.5.4 Blutuntersuchung ...48

2.5.4.1 Blutentnahmestellen...48

2.5.4.2 Blutparameter ...48

2.5.4.2.1 Harnstoff und Kreatinin ...49

2.5.4.2.2 Kalzium und Phosphor...50

2.5.4.2.3 Hämatologie ...52

2.5.5 Urinuntersuchung ...55

2.5.5.1 Uringewinnung ...55

2.5.5.2 Harnstatus ...56

2.5.5.3 Sedimentuntersuchung ...61

3 Material und Methoden ...63

3.1 Material ...63

3.1.1 Tiermaterial ...63

3.1.2 Technische Ausrüstung ...65

3.2 Methoden ...66

3.2.1 Anamnese und klinische Untersuchung (inklusive Body Condition Score) ...66

3.2.2 Blutentnahme und Blutuntersuchung ...67

3.2.3 Röntgenuntersuchung (inklusive Nierenlängenmessung und Berechnung des Quotienten der Nierenlänge und der Wirbelkörperlänge des zweiten Lendenwirbels) ...67

3.2.4 Sonographische Untersuchung des Abdomens ...68

3.2.5 Uringewinnung und Urinuntersuchung ...70

3.2.6 Urinscore ...71

3.2.7 Statistische Auswertung ...72

4 Ergebnisse ...73

4.1 Alter ...73

4.2 Geschlecht ...75

4.3 Allgemeinuntersuchung...78

4.3.1 Körpergewicht, Ernährungszustand und Body Condition Scores ...78

4.3.2 Harntraktspezifische Symptome ...82

4.3.3 Fütterung ...84

4.4 Röntgenuntersuchung ...86

(7)

4.4.1 Qualitative Beurteilung der Röntgenbilder ...86

4.4.2 Vermessung der Nieren, Lendenwirbelkörper und Urolithen ...91

4.5 Sonographie ...96

4.5.1 Beschreibung der Organstruktur und qualitativer Vergleich der beiden Untersuchungsgruppen und deren Untergruppen ...96

4.5.2 Vermessung der Nieren, der Harnblasenwand und der aufgefundenen Urolithen ... 115

4.6 Blutuntersuchung ... 123

4.7 Urinuntersuchung... 131

4.8 Zusammenhänge ... 135

4.8.1 Zusammenhang des errechneten Quotienten aus Nierenlänge und Länge des zweiten Lendenwirbelkörpers mit den Diagnosen Urolithiasis und Harnblasengrieß .... 135

4.8.2 Grießscore ... 139

4.8.3 Grießscore, Fütterung, Body Condition Score und Blutkalziumwerte ... 146

4.8.3.1 Grießscore und Fütterung ... 146

4.8.3.2 Fütterung und Body Condition Score ... 148

4.8.3.3 Fütterung und Blutkalziumwerte ... 151

4.8.3.4 Grießscore und Blutkalziumwerte... 154

4.8.4 Body Condition Score und Harnblasengrieß ... 156

4.8.5 Harnblasengrieß und Urolithiasis ... 157

4.8.6 Harnblasengrieß und Hämaturie ... 157

5 Diskussion ... 161

5.1 Zielsetzung ... 161

5.2 Alters- und Geschlechtsverteilung ... 161

5.3 Allgemeinuntersuchung... 163

5.3.1 Körpergewicht und Body Condition Score ... 163

5.3.2 Harntraktspezifische Symptome ... 163

5.4 Röntgenuntersuchung ... 165

5.4.1 Qualitative Beurteilung der Röntgenbilder ... 165

5.4.2 Beziehung zwischen der Länge des zweiten Lendenwirbels und der Nierenlänge sowie Diskussion der Werte einzelner Kaninchen anhand der sonographischen Befunde ... 168

5.5 Sonographie ... 174

5.5.1 Qualitative Beurteilungs der Ultraschalluntersuchungsergebnisse ... 174

5.5.2 Vermessung der Nieren, Harnblasenwand und der aufgefundenen Urolithen ... 182

5.6 Blutuntersuchung ... 188

5.7 Urinuntersuchung... 194

5.8 Zusammenhänge ... 199

(8)

5.8.1 Zusammenhang des errechneten Quotienten aus Nierenlänge und Länge des

zweiten Lendenwirbels mit den diagnosen Urolithaisis und Harnblasengrieß ... 199

5.8.2 Grießscore ... 200

5.8.3 Grießscore, Fütterung, Body Condition Score und Blutkalziumwerte ... 204

5.8.3.1 Grießscore und Fütterung ... 204

5.8.3.2 Fütterung und Body Condition Score ... 209

5.8.3.3 Fütterung und Blutkalziumwerte ... 210

5.8.3.4 Grießscore und Blutkalziumwerte ... 210

5.8.4 Body Condition Score und Harnblasengrieß ... 211

5.8.5 Harnblasengrieß und Urolithiasis ... 211

5.8.6 Harnblasengrieß und Hämaturie ... 214

5.9 Fazit und Ausblick ... 216

6 Zusammenfassung ... 221

7 Summary ... 225

8 Literaturverzeichnis ... 229

9 Anhang ... 241

9.1 Abkürzungsverzeichnis ... 241

9.2 Abbildungsverzeichnis ... 244

9.3 Tabellenverzeichnis ... 248

9.4 Ergebnistabellen ... 251

Danksagung ... 258

(9)

1 Einleitung

Heimtiere sind ein fester Bestandteil der Patienten einer Kleintierpraxis (Niebergall 2003; Böhmer 2005a; Binder 2011; Ullrich 2013). In Deutschland werden im europäischen Vergleich überdurchschnittlich viele Heimtiere - Kaninchen, Nager und andere Kleinsäuger - gehalten, von denen das Kaninchen etwa 47% ausmacht (Ohr 2014). Von 1990-1999 stieg auch an der Tierärztlichen Hochschule Hannover der Anteil an vorgestellten Heimtieren immer weiter an, wobei das Kaninchen die am häufigsten vorgestellte Tierart war (Rheker 2001). In der Vetsuisse Fakultät der Universität Zürich machen Kaninchen etwa 40% der Säugerpatienten in der Klinik für Zootiere, Exotische Heim- und Wildtiere aus (Hatt et al 2009). Auch wenn die Kosten für Diagnostik bei Heimtierpatienten häufig ein limitierender Faktor sind, steigt doch die Erwartungshaltung der Heimtierbesitzer kontinuierlich an, sodass weiterführende Untersuchung immer mehr gewünscht und dann auch finanziell mitgetragen werden (Böhmer 2005a; Ullrich 2013).

Erkrankungen des Harnapparates, insbesondere Urolithiasis, kommen beim Kaninchen häufig vor (Fehr 1990; Kamphues 1991; Böhmer 2005a; Hatt et al 2009;

Clauss et al. 2012; Ullrich 2013; Varga 2013). Unter den Heimtierpatienten der Klinik für kleine Haustiere der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurden in den Jahren 1998 und 1999 5,8% der Kaninchen mit Erkrankungen des Harntraktes vorgestellt (Fehr 1999). Im gleichen Zeitraum waren Harnwegserkrankungen die häufigste Ursache für die Vorstellung von Kaninchen an der Klinik und Poliklinik für kleine Haustiere an der freien Universität Berlin (Spennemann 2002). Der besondere Kalziumstoffwechsel trägt dazu bei, dass diese Spezies in der Regel hohe Kalziumkonzentrationen im Urin aufweist und so für die Entstehung von Kalziumsteinen prädisponiert ist (Cheeke und Amberg 1973; Kamphues 1991; Fehr 1997; Redrobe 2002; Eckermann-Ross 2008).

(10)

Besteht bei einem Patienten nun der Verdacht einer Harnwegs- oder Nierenerkrankung, so ist dringend weiterführende Diagnostik anzuraten. Als weiterführende Untersuchungsmethoden werden sowohl bildgebende als auch labordiagnostische Untersuchungen empfohlen (Fisher 2006b; Harcourt-Brown 2007;

Jenkins 2010; Harcourt-Brown 2013; Varga 2013). Zu den in der Praxis gut umsetzbaren virtuellen Diagnostika gehören vor allem die röntgenologische und die sonographische Untersuchung. Im Rahmen der labordiagnostischen Aufarbeitung liefern die Hämatologie, die Biochemie und die Urinuntersuchung wertvolle Anhaltspunkte (Fisher 2006b; Melillo 2007; Jenkins 2008, 2010; Polzin 2011;

Balakrishnan und Drobatz 2013) für die Organzuordnung und den Schweregrad der Erkrankung sowie die Therapie und Prognose.

In dieser Studie wurden verschiedene bildgebende Verfahren und Laboruntersuchungen eingesetzt, einander gegenübergestellt und deren Ergebnisse miteinander verglichen. Ziel dieser Studie ist es, herauszufinden, welches Diagnostikum hinsichtlich Befund und Lokalisation am sensitivsten und genauesten ist. Dazu wurden die Nierenlängen gemessen und durch die Berechnung eines Quotienten ins Verhältnis zur Länge des zweiten Lendenwirbels gesetzt. Neben der Nierenlänge wurde sonographisch auch das Verhältnis von Nierenmark zur Nierenrinde erfasst und der mögliche Einfluss der Fütterung auf die beiden Blutkalziumparameter - Gesamtkalzium und ionisiertes Kalzium - untersucht. Des Weiteren wurde ein semiquantitatives Scoringsystem zur Beurteilung der Menge an Harnblasengrieß ausgearbeitet. Alle Ergebnisse wurden dann in Beziehung zum Krankheitsbild gesetzt.

(11)

2 Literaturübersicht

2.1 Anatomie des Harnapparates beim Kaninchen

2.1.1 Nieren

Wie die Nieren vieler Säugetiere, sind auch die Nieren des Kaninchens bohnenförmig (Niebergall 2003; Böhmer 2005a; Holz und Raidal 2006; Nastarowitz- Bien 2008; Angeli 2008; Reese und Hein 2009a). Sie liegen retroperitoneal (Böhmer 2005a; Reese und Hein 2009a; Harcourt-Brown 2013) und befinden sich jeweils neben den großen Bauchgefäßen, Aorta und Vena cava caudalis (Harcourt-Brown 2013). Der Hilus weist nach medial und bildet die Ein- bzw. Austrittsstelle der Blutgefäße, Ureteren und Nerven (Nastarowitz-Bien 2008; Harcourt-Brown 2013).

Die Organe sind vollständig von einer fibrösen Kapsel umgeben und liegen eingebettet in Fettgewebe der dorsalen Körperwand an (Böhmer 2005a; Nastarowitz- Bien 2008; Reese und Hein 2009a; Harcourt-Brown 2013; Varga 2013). Dieses, abhängig vom Ernährungszustand der Tiere, zum Teil in großen Mengen vorhandene Fettgewebe, führt dazu, dass die Nieren nach ventral verlagert werden (Reese und Hein 2009a; Varga 2013). Die rechte Niere liegt weiter kranial als die linke (Legrand und Henri 1981; Varga 2013), wobei Ren dexter mit dem kranialen Pol den rechten Teil der Leber berührt (Legrand und Henri 1981; Banzato et al 2015).

Topographisch findet sich die rechte Niere zwischen Th13 und L1, die linke Niere entsprechend weiter kaudal bei L3 - L5 (Hinton und Gibbs 1982; Wingerd 1985;

Reese und Hein 2009a). Die Nieren des Kaninchens sind sehr locker aufgehängt und daher in der Bauchhöhle leicht verschieblich (Legrand und Henri 1981), sodass es während einer Untersuchung, sei es palpatorisch oder sonographisch, durchaus vorkommen kann, dass die Nieren weiter kranial oder kaudal aufzufinden sind.

Die Struktur der Kaninchenniere weist einige Besonderheiten auf. Sie ist vom glatten einwarzigen Typ, weshalb sie auch als unipapillär bezeichnet wird (Niebergall 2003;

Quesenberry 2004; Reese und Hein 2009a; Harcourt-Brown 2013; Varga 2013;

Weisbroth et al 2013). Da die Tubuli des Kaninchens mit intaktem Epithel entfernt

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werden können, finden sie häufig Verwendung in in vitro Studien zur Nierenfunktion (Harcourt-Brown 2013; Varga 2013). Strukturell unterscheidet man Rinde und Mark voneinander, sowie den Bereich des Sinus renalis, welcher das Nierenbecken und das peripelvine Fettgewebe umgibt (Reese 2009b). Das äußere Nierenparenchym stellt die Nierenrinde, Cortex renis, dar. Wie auch bei anderen Tierarten, ist die Nierenrinde der Sitz der Glomeruli (Nickel et al 2004; Harcourt-Brown 2013), auch wenn sich hier natürlich ebenfalls in kleinen Mengen Tubuli und Sammelrohre befinden. Im Nierenmark, Medulla renis, finden sich größtenteils Tubuli, insbesondere die Henleschen Schleifen und Sammelrohre, welche über Ductus papillares schließlich in die Nierenpapille, Papilla renalis, münden (Nickel et al 2004;

Harcourt-Brown 2013). Je nach Lebensraum sind unterschiedliche Größen des Nierenmarks beschrieben (Quesenberry 2004). Tiere aus ariden Gegenden weisen eine langgezogene Medulla auf, während Tiere aus nicht-wasserarmen Gegenden eher kurze Markanteile besitzen. Eine weitere Besonderheit des Kaninchens ist der Sinus renalis, welcher das Nierenbecken beinhaltet und deutlich mit Fettgewebe ausgekleidet ist (Reese 2009b; Harcourt-Brown 2013). Das Nierenbecken selbst dehnt sich mit seinen Evaginationen weit bis in die medullären Anteile der Niere aus (Manning et al 1994; Harcourt-Brown 2013).

2.1.2 Ureteren

Die Ureteren verlassen die jeweilige Niere im Nierenhilus (Jung 1962; Koch und Berg 1990; Nickel et al 2004; Harcourt-Brown 2013). Von dort ziehen sie, weiterhin retroperitoneal liegend, nach kaudal in Richtung Harnblase. Aufgrund seines Feinbaus mit Tunica adventitia, Tunica muscularis und Tunica mucosa ist der Ureter in der Lage sich zu kontrahieren und so den Urin harnblasenwärts weiter zu transportieren (Nickel et al 2004; Harcourt-Brown 2013). Die ca. 1 - 2 mm im Durchmesser weiten Ureteren münden nahe am Harnblasenhals, im Trigonum vesicae, in die Harnblase ein (Jung 1962; Wingerd 1985; Nickel et al 2004).

(13)

2.1.3 Harnblase

Die Harnblase des Kaninchens ist dünnwandig (Jung 1962; Varga 2013). Sie liegt im kaudalen Teil des Abdomens der ventralen Bauchwand an und kann abhängig vom Füllungszustand sehr weit nach kranial ragen, sodass der Vertex vesicae auf Höhe des Bauchnabels lokalisierbar ist (Nickel et al 2004; Böhmer 2005a; Reese und Hein 2009a). Die Form der Harnblase ist ebenfalls anhängig vom Füllungszustand und kann zwischen rund und länglich bis birnenförmig variieren (Niebergall 2003; Böhmer 2005a; Reese und Hein 2009a).

2.1.4 Urethra

Harnblase und Urethra bilden eine funktionelle Einheit und gehen im Bereich des Harnblasenhalses ineinander über (Nickel et al 2004). Der Verlauf und die Beschaffenheit der Urethra weist auch beim Kaninchen geschlechtsspezifische Unterschiede auf. Beim weiblichen Tier ist sie recht kurz, verläuft gerade (Nickel et al 2004; Böhmer 2005a) und mündet in den Sinus urogenitalis (Niebergall 2003; Varga 2013). Die männliche Harnröhre endet an der Penisspitze (Krause 1884; Gerhardt 1909) und ist wie bei den meisten Tierarten weniger elastisch und schmaler als die der weiblichen Tiere (Krause 1884; Nickel et al 2004).

2.2 Physiologie des Harnapparates

2.2.1 Überblick über das gesamte Organsystem

Wie bei allen Spezies unterteilt man den Harnapparat nach der Funktion der Organe in den harnbereitenden und harnableitenden Teil (König und Liebich 1999; Nickel et al 2004). Die Nieren übernehmen die Aufgabe der Harnbereitung, das Nierenbecken dient als Sammelort und bildet somit den Anfang der harnableitenden Organe, die sich im Weiteren mit den Ureteren, der Harnblase und der Urethra fortsetzen (König und Liebich 1999; Nickel et al 2004).

(14)

Zusammen mit der Urinbildung besitzt die Niere noch einige weitere Aufgaben, welche nachfolgend zusammengefasst sind (Liebich 2003; Engelhardt 2005;

Harcourt-Brown 2013).

- Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen nach Filtration aus dem Blut, Rückresorption oder Sekretion dieser Stoffe

- Konservierung essentieller Körpersubstanzen, welche nicht filtriert oder filtriert und dann rückresorbiert werden

- Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes durch Veränderung der Konzentrierung des Urins und einer unterschiedlichen Elektrolytzusammensetzung

- Erhaltung des Säure-Basen-Gleichgewichts , welches beim Kaninchen nur in geringem Maße möglich ist

- Endokrine Funktionen, wobei die Niere sowohl Zielorgan für das Antidiuretische Hormon (ADH), Aldosteron und Parathormon ist, als auch Kortikosteroide metabolisiert, sowie als endokrines Organ beispielsweise Erythropoetin, Thrombopoetin und Calcitriol synthetisiert.

2.2.2 Schwerpunkt Nierenfunktion 2.2.2.1 Feinbau der Niere

Die funktionelle Einheit der Niere ist das Nephron (König und Liebich 1999; Liebich 2003; Nickel et al 2004; Engelhardt 2005). Aus embryologischer Entwicklung heraus besteht diese Einheit aus der Bowmanschen Kapsel, dem Glomerulum und dem Tubulussystem (Liebich 2003). Das Glomerulum und die sie umgebende zweiblättrige Bowmansche Kapsel bilden zusammen ein Nierenkörperchen, auch Malpighi-Körperchen oder Corpusculum renale genannt (König und Liebich 1999;

Liebich 2003; Nickel et al 2004). Das Tubulussystem selbst besteht aus verschiedenen Anteilen: dem Tubulus contortus proximalis (proximaler gewundener Abschnitt), der Henleschen Schleife (Ansa nephroni) und dem Tubulus contortus distalis (distaler gewundener Abschnitt) (König und Liebich 1999). Das Tubulussystem geht in die nachgeschalteten Sammelrohre über (Liebich 2003;

Engelhardt 2005).

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Beim Pflanzenfresser sind Nephrone überwiegend in der Nierenrinde lokalisiert. Da insbesondere beim Fleischfresser aber auch bei Schwein und Rind medullanahe, sogenannte juxtamedulläre Nephrone, vorkommen, unterscheidet man histologisch kortikale und juxtamedulläre Nephrone (Liebich 2003). Beim Kaninchen ergeben die juxtamedullären Nephrone nur etwa neun Prozent der gesamten Nephrone (Kaissling und Kriz 1979). Je nach Lokalisation variiert die Länge der Ansa nephroni: kortikale Nephrone besitzen kurze Henlesche Schleifen, während die der juxtamedullären länger sind und tief ins Nierenmark hineinziehen (Liebich 2003). Zusammenfassend sind in der Nierenrinde die Glomeruli mit den gewundenen Anteilen der Nierentubuli zu finden, während sich im Nierenmark die Sammelrohre und zum Teil auch die Henleschen Schleifen befinden (Liebich 2003, Nickel et al 2004, Holz und Raidal 2006).

2.2.2.2 Glomeruläre Filtration

Im Glomerulum findet die Ultrafiltration statt (Engelhardt 2005), wobei das Kapillarnetz als Filter agiert, welcher für kleine Moleküle und Elektrolyte durchlässig ist, aber große Moleküle und auch Zellen zurückhält (Harcourt-Brown 2013). Durch die ungleiche Verteilung der Proteine entsteht ein kolloidosmotischer (synonym onkotischer) Druck, welcher ebenso wie der hydrostatische Druck, die glomeruläre Filtrationsrate beeinflusst (Engelhardt 2005; Harcourt-Brown 2013). Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) wird definiert als Menge des glomerulären Filtrates, welches durch die Gesamtheit der Nephrone beider Nieren gebildet wird (Harcourt-Brown 2013). Mehr als 99% des Filtrates wird reabsorbiert und der verbleibende Rest wird als Urin ausgeschieden (Engelhardt 2005; Harcourt-Brown 2013). Die Konzentrierung des Urins findet zu einem großen Teil in der Henleschen Schleife statt, durch das sogenannte Gegenstromprinzip (Engelhardt 2005; Raidal und Raidal 2006). Im dünnen Teil der Henleschen Schleife ist das Tubulusepithel wasserpermeabel, es findet aber kein aktiver Ionentransport statt (Engelhardt 2005;

Raidal und Raidal 2006). Das Filtrat wird durch den Wasserverlust hyperton gegenüber dem Plasma (Raidal und Raidal 2006). Der aufsteigende Teil der Ansa nephroni verfügt über aktive Pumpmechanismen, die Natrium, Kalium und Chlorid

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aus dem Filtrat ins medulläre Interstitium pumpen, ist allerdings impermeabel für Wasser (Engelhardt 2005; Raidal und Raidal 2006). Das Filtrat ist also wieder hypoton im Vergleich zum Plasma (Raidal und Raidal 2006). Bei Antidiurese wird nun im distalen gewundenen Tubulus und in den Sammelrohren Wasser resorbiert, hierbei spielt das Antidiuretische Hormon eine regulative Rolle (Engelhardt 2005;

Raidal und Raidal 2006).

Die Regulation des onkotischen Drucks ist recht komplex und wird vor allem durch neuroendokrine Feedbackmechanismen beeinflusst, welche sich auf die Absorption und Sekretion der Elektrolyte aus dem Blut und dem Filtrat im Verlauf des Nephrons auswirken (Harcourt-Brown 2013).

Der hydrostatische Druck der Niere hängt in erster Linie vom arteriellen Blutdruck ab (Engelhardt 2005; Harcourt-Brown 2013). Durch die Autoregulation der Nierendurchblutung wird gesichert, dass die Durchblutung der Niere im Bereich des mittleren Blutdrucks relativ konstant bleibt (Engelhardt 2005). Beim Kaninchen ist jedoch beschrieben, dass eine adrenerge Stimulation den renalen Blutfluss dahingehend beeinflusst, dass er instabil wird (Pearson Palmore 1987). Auch Stress durch unangemessenes Handling oder Versuche zur erzwungenen Apnoe zeigen deutliche Veränderungen der Nierenfunktion von Oligurie bis zu einem Sistieren der Nierendurchblutung (Brod und Sirota 1949; Anschuetz et al 1971; Harcourt-Brown 2013).

Eine weitere Besonderheit des Kaninchens ist die Diuresesteigerung, die durch einen Anstieg der Anzahl aktiver Glomeruli ohne Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate erreicht werden kann (Smith 1951; Manning et al 1994; Ewringmann 2004; Harcourt- Brown 2013).

2.2.2.3 Säure-Basen-Regulation

Kaninchen sind sehr anfällig für Störungen des Säure-Basen-Haushaltes (Ewringmann 2004; Harcourt-Brown 2013). Das liegt zum einen daran, dass die renale Reabsorption von Bicarbonat nicht so effizient funktioniert wie bei anderen Spezies (Ewringmann 2004; Harcourt-Brown 2013), da das Enzym Carboanhydrase im dicken aufsteigenden Teil des renalen Tubulus fehlt (Dobyan et al 1982; Manning

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et al 1994). Zum anderen wird die Glutamin Desaminierung nur als Reaktion auf eine niedrige Serum-Bicarbonat-Konzentration durchgeführt und nicht durch einen Abfall des Plasma-pH-Wertes ausgelöst (Harcourt-Brown 2013). Auch dies schwächt die Fähigkeit des Kaninchens auf eine metabolische Azidose adäquat zu reagieren. Es bleibt die respiratorische Kontrolle des Blut-pH als Reaktion auf azidotische Zustände (Kiwull-Schöne et al 2001).

Zusätzlich kann das Kaninchen nur eingeschränkt auf eine Alkalose reagieren (Harcourt-Brown 2013). Große Bicarbonatmengen aus bakterieller Fermentation im Gastrointestinaltrakt können die Niere erreichen, um dort neutralisiert zu werden (Harcourt-Brown 2013). Insbesondere in Phasen nicht-ausreichender Proteinzufuhr steht nicht genug Ammonium zur Verfügung um das Bicarbonat zu neutralisieren (Manning et al 1994).

2.2.3 Auswirkungen des Kalziumstoffwechsels auf den Harntrakt beim Kaninchen

Aufgrund ihres besonderen Kalziumstoffwechsels sind Kaninchen in der Lage, einen großen Bedarf an Kalzium zu decken (Harcourt-Brown 2013). Im Gegensatz zu anderen Säugetierspezies resorbieren Kaninchen nicht bedarfsabhängig Kalzium aus dem Futter, sondern in Abhängigkeit der Kalziumkonzentration im Futter (Cheeke und Amberg 1973; Kamphues 1991; Rappold 2001; Redrobe 2002;

Harcourt-Brown 2013). Kalzium wird fast vollständig intestinal absorbiert und der Überschuss wird renal ausgeschieden, wobei die Niere in der Regulierung der Kalziumhomöostase die Hauptrolle spielt (Kamphues 1991; Redrobe 2002; Harcourt- Brown 2013). Die Menge an mit dem Urin ausgeschiedenem Kalzium steigt proportional zu dem aus dem Futter aufgenommenen Kalzium an und steht weiterhin in direktem proportionalen Zusammenhang mit der Serumkalziumkonzentration (Chapin und Smith 1967; Buss und Bourdeau 1984; Kennedy 1965; Redrobe 2002).

Daher sind auch die als Referenzwerte angegebenen Serumkalziumkonzentrationen beim Kaninchen deutlich höher als bei anderen Spezies (Buss und Bourdeau 1984;

Warren et al 1989; Harcourt-Brown 2013). Ein exzessiver Kalziumüberschuss im Futter führt nicht zu einer verminderten intestinalen Resorption (White 2001). Auch

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wildlebende Lagomorpha besitzen diesen speziellen Kalziummetabolismus (Redrobe 2002; Clauss et al 2012).

Dieser besondere Mechanismus ermöglicht es dem Kaninchen Phasen hohen Kalziumbedarfs optimal zu decken, dazu zählen unter anderen Trächtigkeit und Laktation, sowie die Nachbildung des permanent wachsenden Gebisses (Harcourt- Brown 2013). Über die Niere kann diese Spezies enorme Mengen an Kalzium ausscheiden (Whiting und Quamme 1984; Harcourt-Brown 2013). Die Regulation der Kalziumausscheidung in der Niere unterliegt allerdings einer hormonellen Kontrolle durch Parathormon (PTH) und Calcitriol (Bourdeau et al 1988; Redrobe 2002;

Harcourt-Brown 2013), wobei PTH die renale Phosphorausscheidung stimuliert und im Gegenzug die renale Kalziumausscheidung hemmt (Varga 2013). In Studien, bei denen Futter mit variierenden Kalziumkonzentrationen mit und ohne Vitamin D- Zusatz gefüttert wurde, zeigte sich bei Vitamin D-Zusatz und hoher Kalziumkonzentration im Futter eine erhöhte Kalziumexkretion (Kennedy 1965). Bei Tieren mit Vitamin D-Defizit konnte bei Vitamin D-Supplementierung eine ähnliche intestinale Kalziumresorption im Vergleich mit nicht defizienten Tieren festgestellt werden, allerdings zeigten die Tiere mit chronischem Vitamin D-Mangel eine signifikante Minderung der renalen Kalziumausscheidung im Vergleich zur Kontrollgruppe (Bourdeau et al 1988). Im Experiment folgten auf steigende Blutkalziumwerte eine verminderte PTH-Ausschüttung sowie eine erhöhte Kalzitoninkonzentration, niedrige Kalziumkonzentrationen im Blut hingegen führten zu einer Erhöhung des PTH-Spiegels (Warren et al 1989). Bei Tieren mit niedriger Kalziumversorgung stiegen PTH und Calcitriol an, und die renale Kalziumausscheidung war im Vergleich zu einer bedarfsgerechten Kalziumversorgung reduziert (Gilsanz et al 1991). Im Gegensatz dazu zeigten Tiere mit einer über dem Bedarf angesetzten Kalziumaufnahme aus dem Futter fallende Calcitriol-Werte und einen Anstieg der renalen Kalziumausscheidung im Vergleich mit der bedarfsgerecht gefütterten Kontrollgruppe (Gilsanz et al 1991). Auch wenn Calcitriol bzw. Vitamin D auf die Menge der intestinalen Resorption keinen Einfluss haben, so scheint sich doch innerhalb der Niere ein Regulationsmechanismus zu befinden, welcher im Zusammenhang mit Vitamin D in Phasen erhöhten Bedarfs die

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Ausscheidung hemmt und in Phasen der Überversorgung die Ausscheidung forciert.

Ist ein Überangebot von Kalzium in der Nahrung vorhanden, so sinkt die tubuläre Rückresorption (Kennedy 1965), wobei im alkalischen Urin dieser Pflanzenfresser deutlich die Kalziumkristalle ausfallen und somit als Sediment sichtbar werden (Redrobe 2002; Harcourt-Brown 2013). In Kalziummangelsituationen wird die tubuläre Rückresorption gesteigert (Bourdeau und Lau 1992), der Urin wird makroskopisch klarer.

Im Jahr 1971 wurde erstmals beschrieben, dass Kaninchenurin große Mengen an Kalzium enthält (Flatt und Carpenter 1971). Fütterungsexperimente zeigten die Ausscheidung dickflüssigen cremigen Urins, welcher bei Analyse bis 30% Kalzium enthielt (Redrobe 2002). Im Unterschied zu anderen Tierarten scheiden Kaninchen den größten Teil des Kalziums renal aus, während die Mehrheit der Säugetiere die biliäre Route nutzen (Kennedy 1965; Cheeke und Amberg 1973). So zeigte die Studie von Cheeke und Amberg (1973), dass Kaninchen und Ratten, welche die gleiche Menge an Kalzium (10%) im Futter erhielten, sehr unterschiedliche Exkretionswege nutzten. Während bei der Ratte die fäkale Kalziumausscheidung des aufgenommenen Kalzium mit 93% deutlich überwog, fand die Kalziumexkretion beim Kaninchen zu 60% renal statt (Cheeke und Amberg 1973). Kamphues et al stellten 1991 fest, dass eine hohe Kalziumaufnahme nur mit einer erhöhten Kalziumausscheidung im Urin einhergeht, während die Urinmenge konstant bleibt.

Das alkalische Milieu des Urins beim Pflanzenfresser führt dazu, dass Kalziumkristalle nicht mehr löslich sind und so ausfallen (Kamphues 1991;

Kamphues et al 1986), was sich in einem Auftreten von Kristallurie äußert. Da die beim Kaninchen nicht selten auftretenden Urolithen zum überwiegenden Teil aus Kalziumverbindungen bestehen, wird ein Zusammenhang zwischen übermäßiger Kalziumaufnahme, dem besonderen Kalziumstoffwechsel und der Bildung von Harnsteinen vermutet (Cheeke und Amberg 1973; Kamphues et al. 1986; Kamphues 1991; Redrobe 2002; Eckermann-Ross 2008; Hassan et al 2012). Andere Studien zeigen, dass nur eine Überversorgung mit Kalzium allein nicht zu Bildung von Konkrementen im Harnapparat führt (Clauss et al. 2012). Daher wird heute davon ausgegangen, dass es sich bei der Entstehung von Urolithiasis beim Kaninchen um

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eine multifaktorielle Genese handelt, die sowohl Wasseraufnahme, Bewegung, Körpergewicht und Body Condition Score (BCS), Haltung, anatomische Gegebenheiten (z.B. Spondylarthrosen, welche die Beweglichkeit einschränken) und zugrundeliegende Infektionen einschließen (Hillyer 1994; Kamphues 2001;

Quesenberry 2004; Clauss et al 2012; Harcourt-Brown 2013; Varga 2013; Kamphues 2014). Da es sich insbesondere bei Nierensteinen um eine Aggregation von Kristallen gemischt mit einer Proteinmatrix handelt, wird auch die Rolle von Hyaluron, einem Glucosaminoglykan, als kristall-bildendes Molekül und seiner Fähigkeit eine gel-ähnliche Matrix zu bilden, als Kristallisationskern von Nephrolithiasis diskutiert (Verkoelen 2006).

2.3 Erkrankungen des Harnapparates beim Kaninchen

2.3.1 Überblick

Erkrankungen des Harnapparates sind beim Kaninchen häufig, insbesondere die Urolithiasis ist ein nicht seltenes Krankheitsbild (Fehr 1990; Josef Kamphues 1991;

Böhmer 2005a; Hatt et al 2009; Clauss et al 2012; Ullrich 2013; Varga 2013). Auch bei dieser Spezies ist eine Unterscheidung in Erkrankungen der Nieren und dem unteren Harnapparat üblich (Varga 2013). Während bei den Nierenerkrankungen vor allem zwischen akuter und chronischer Niereninsuffizienz unterschieden wird (Harcourt-Brown 2013; Varga 2013), fasst Varga im „Textbook of Rabbit Medicine“

von 2013 die Erkrankungen des unteren Harntraktes ähnlich der bei Katzen vorkommenden Syndrome Feline Lower Urinary Tract Disease (FLUTD) bzw. Felines Urologisches Syndrom (FUS), als „fat lazy pet rabbit syndrome“ zusammen. Die Benennung ergibt sich aus dem von Blood and Studdert im „Saunders Comprehensive Veterinary Dictionary“ geprägten Begriff „fat lazy cat syndrome“

(Blood und Studdert 1999) und soll die Analogie in der Prädisposition für Erkrankungen der harnableitenden Wege unterstreichen. Die Ätiologie beim Kaninchen ist laut Varga (2013) noch nicht vollständig geklärt, vermutet werden prädisponierende Faktoren wie Mobilitätsverlust durch Schmerzen, hoher Kalziumgehalt des Futters, Gleichgewichtsprobleme (durch Enzephalitozoonose oder Innenohrerkrankungen) oder fehlende soziale Interaktion (und damit fehlendes

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Reviermarkierungsverhalten). Auch andere Autoren beschreiben Tiere mit Urolithiasis oder Hyperkalziurie als häufig adipös und unter Bewegungsmangel leidend, erwähnen aber ebenfalls einen Zusammenhang mit ad libitum Fütterung von Pelletfutter kombiniert mit Luzerneheufütterung (Quesenberry 2004). Die zugehörigen Krankheitsbilder beinhalten Inkontinenz, übermäßigen Harnblasengrieß und Urolithiasis, welche je nach Lokalisation und Schwere durchaus ein Nierenversagen nach sich ziehen können (Varga 2013).

Nachfolgend sollen die beim Kaninchen relevanten auftretenden Pathologien anhand der anatomischen Strukturen aufgeführt und beschrieben werden.

2.3.2 Nierenerkrankungen

Beim Kaninchen sind zahlreiche Erkrankungen beschrieben, welche die Nierenfunktion einschränken. Zu den seltener auftretenden Nierenerkrankungen zählen unter anderem Nierenabszesse, Pyelonephritiden, Pyelitis und die Amyloidose (Hinton 1980, 1981; Hinton und Lucke 1982; Harcourt-Brown 2013). In einer histologischen Studie an unspezifisch erkrankten oder verstorbenen sowie einigen gesunden Kaninchen kamen bei Jungtieren vor allem Läsionen infektiöser Genese vor, während bei adulten Tieren renale Fibrosen mit oder ohne dystrophische Verkalkungen zu den Hauptveränderungen zählten (Hinton 1981).

Als kongenitale Veränderung wird beim Kaninchen der Rasse Weißer Neuseeländer unter anderem die Polyzystische Nierenerkrankung (Polycystic kidney syndrome, PKS) in der Literatur erwähnt (Maurer et al 2004; Harcourt-Brown 2013).

Renale Neoplasien treten ebenfalls nicht sehr häufig auf (Harcourt-Brown 2013). Zu den malignen Neoplasien zählen Lymphome und renale Karzinome (Fisher 2006a;

Harcourt-Brown 2013; Varga 2013). Im Buch „Biology of the Laboratory Rabbit“ wird das embryonale Nephrom als ein benigner Tumor beschrieben, der bei Versuchskaninchen häufig vorkommt (Manning et al 1994). Diese Tumoren beeinflussen die Nierenfunktion in der Regel nicht und sind meist ein Zufallsbefund in der pathologischen Aufarbeitung (Manning et al 1994; Harcourt-Brown 2013; Varga 2013).

In ihrem Review über die Diagnose von Nierenerkrankungen beschreibt Harcourt- Brown (2013) die fettige Infiltration der Niere im Endstadium gastrointestinaler Stase.

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Durch die eingeschränkte Motilität und Absorption im Magen-Darm-Trakt kommt es zu einer Energie-Mangel-Situation, welche dazu führt, dass Fettgewebe mobilisiert wird, um daraus in der Leber Energie zu gewinnen. Jedoch lagern sich die massiv freigesetzten Fettsäuren in der Leber und in der Niere ab, was in der Folge zu fettiger Degeneration und Organversagen führt (Harcourt-Brown 2013; Varga 2013).

Zu den häufiger vorkommenden Pathologien der Niere zählen interstitielle Nephritiden im Zusammenhang mit Enzephalitozoonose (Fisher 2006a; Harcourt- Brown und Holloway 2003; Harcourt-Brown 2004, 2013; Künzel et al 2008; Jeklova et al 2010; Jenkins 2010; Varga 2013), Nephrokalzinose (Harcourt-Brown 2007, 2013; Varga 2013) und Nephrolithiasis (Harcourt-Brown 2013) bzw. Urolithiasis (Fehr 1990; Quesenberry 2004; Fisher 2006a; Jenkins 2010; Hassan et al 2012). Ebenfalls häufig anzutreffen und für Therapie und Prognose wichtig zu differenzieren sind die beiden Formen der Niereninsuffizienz, chronisch versus akut (Harcourt-Brown 2013;

Varga 2013). Die Niereninsuffizienz stellt eine Einschränkung der Nierenfunktion dar (Fisher 2006b) und wird in der englischsprachigen Fachliteratur unter dem Terminus

„renal failure“ zusammengefasst. Das Nierenversagen, welches die wörtliche Übersetzung von „renal failure“ wäre, ist laut Pschyrembel als plötzlicher partieller oder totaler Verlust der exkretorischen Nierenfunktion als Folge eines meist reversiblen Nierenschadens definiert und gilt als Synonym für Schockniere, Schockanurie und akute Niereninsuffizienz (Hildebrandt et al 1997). Auf die in diesem Absatz erwähnten Krankheitsbilder wird nachfolgend genauer eingegangen.

2.3.2.1 Enzephalitozoonose

Enzephalitozoon cuniculi (E.c.) ist ein zu den Mikrosporidien gehörender intrazellulärer protozoärer Parasit (Harcourt-Brown und Holloway 2003; Harcourt- Brown 2004; Fisher 2006a; Künzel et al 2008; Jeklova et al. 2010). Primär befällt E.c.

Kaninchen, allerdings sind in der Literatur einige Fälle spontaner Infektionen anderer Spezies beschrieben, wodurch ihm ein zoonotisches Potential zugeschrieben wird (Jeklova et al 2010; Varga 2013). In der humanmedizinischen Literatur sind Fälle der Infektion mit E.c. bei Patienten mit Humanem Immundefizienz Virus (HIV) nachgewiesen und publiziert worden (Deplazes et al 1996). Die Infektion erfolgt

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durch die Aufnahme von Sporen (Harcourt-Brown und Holloway 2003), entweder oral oder inhalativ, der Erreger kann aber auch transplazentar übertragen werden (Varga 2013).

Infizierte Kaninchen können eine Vielzahl an Symptomen zeigen, die sich bei chronischen Formen meist auf die Prädilektionsorgane beziehen, oder aber im akuten Verlauf plötzlich versterben (Harcourt-Brown und Holloway 2003; Jeklova et al 2010). Auch ein symptomloser beziehungsweise subklinischer Verlauf ist möglich (Harcourt-Brown und Holloway 2003; Harcourt-Brown 2004), was bedeutet, dass serologisch positive Tiere ohne Symptome genauso auftreten können wie Tiere mit nachgewiesenen pathohistologischen Veränderungen, die ebenfalls intra vitam unauffällig waren (Harcourt-Brown und Holloway 2003; Keeble und Shaw 2006;

Csokai et al 2009; Varga 2014). Als Prädilektionsstellen der E.c. beim Kaninchen sind das zentrale Nervensystem, die Nieren und die Augen zu nennen (Harcourt- Brown und Holloway 2003; Harcourt-Brown 2004). Diese Organsysteme können einzeln oder auch in Kombination erkranken (Harcourt-Brown 2004).

Renale Veränderungen bei Enzephalitozoonose sind Nephritiden, die akut verlaufen oder in der Folge einer subklinischen Infektion entweder tatsächlich symptomlos bleiben oder sich später als chronische Niereninsuffizienz manifestieren (Harcourt- Brown 2013). In der pathologischen Untersuchung fallen laut Harcourt-Brown (2013) makroskopisch narbige Einziehungen und Unregelmäßigkeiten auf. Mikroskopisch zeigen akute Fälle eine fokale bis segmentale granulomatöse interstitielle Nephritis, wobei sich die Läsionen im gesamten Tubulussystem zeigen können (Jeklova et al 2010; Harcourt-Brown 2013). Meist sind die Glomeruli nach Harcourt-Browns Aussage im Review von 2013 kaum betroffen und Sporen können im Gewebe oder frei in den Sammelrohren aufzufinden sein. In chronischen Fällen finden sich histologisch vor allem interstitielle Fibrosen, kollabiertes Parenchym und mononukleäre Infiltration (Harcourt-Brown 2013). Zu diesem Zeitpunkt ist der Parasit aus dem Nierengewebe zumeist schon eliminiert (Percy und Barthold 2013).

Möglicherweise ist das Agens aber in den anderen Prädilektionsstellen noch nachweisbar (Harcourt-Brown 2007). Die definitive Diagnose Enzephalitozoonose

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wird post mortem auf der Basis histopathologischer Untersuchung oder mittels PCR gestellt (Csokai et al 2009).

Ein sicherer direkter Erregernachweis ante mortem ist kaum möglich (Cox et al 1979;

Harcourt-Brown 2004; Künzel et al 2008; Jeklova et al 2010). Die klinischen Symptome ergeben eine Verdachtsdiagnose (Harcourt-Brown 2004). In der Regel werden serologische Tests benutzt, um die Diagnose Enzephalitozoonose zu untermauern (Künzel et al. 2008; Jeklova et al 2010). Der Nachweis von Antikörpern gibt jedoch nur Auskunft darüber, dass das getestete Tier Kontakt zu E.c. hatte und beweist keine ursächliche Beteiligung an der Erkrankung (Künzel et al 2008).

Allerdings ergab eine Studie, dass es für die Differenzierung einer aktiven Infektion sinnvoll sein kann, IgM und IgG simultan zu bestimmen (Jeklova et al 2010). Der Nachweis von fast ausschließlich IgG-Antikörpern weist demnach auf eine latente bzw. chronische Infektion hin, während die Detektion von IgM eher auf ein aktives Geschehen hindeutet (Jeklova et al 2010). Nichts desto trotz bleibt die ante mortem Diagnostik von E.c. eine Ausschlussdiagnose, welche neben der Allgemeinuntersuchung immer auch die Bildgebung und die Serologie mit einschließen sollte.

Die Therapie der Enzephalitozoonose ist fast genauso kompliziert wie die Diagnostik (Harcourt-Brown 2004). Aus einer in vitro Studie geht eine eingeschränkte Antibiotika-Sensibilität der E.c. hervor (Waller 1979), daraus folgte eine Therapie- Empfehlung mit Oxytetrazyklin (Ewringmann und Göbel 1999). Neuere Empfehlungen sehen die antiparasitäre Therapie mit Fenbendazol vor (Suter et al 2001; Harcourt-Brown 2004; Künzel et al 2008; Varga 2013). Der Einsatz von Kortikosteroiden wird kontrovers diskutiert. Es sollte aber in Betracht gezogen werden, dass Kaninchen extrem steroidsensibel reagieren und eine langfristige Immunsuppression auch eher kontraindiziert ist (Harcourt-Brown 2004; Varga 2013).

Die zusätzliche symptomatische Therapie richtet sich nach den klinischen Symptomen (Harcourt-Brown 2004; Künzel et al 2008; Varga 2013).

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2.3.2.2 Nephrokalzinose

Eine Nephrokalzinose beschreibt die Verkalkung der Niere selbst (Harcourt-Brown 2013). In einem Artikel der American Society of Nephrology definiert der Autor die Nephrokalzinose als Retention von Kristallen in den renalen Tubuli (Verkoelen 2006).

Die klinische Konsequenz der Nephrokalzinose in der Humanmedizin ist noch nicht vollständig geklärt, es kann in der Folge allerdings zu einer Beeinträchtigung der Tubuluszellfunktion, zu Entzündung und Nierengewebsschädigung kommen (Verkoelen 2006).

Beim Kaninchen kommen Verkalkungen der Niere in der Regel zusammen mit der ektopischen Kalzifizierung anderer Gewebe, z.B. Arterien, Arteriolen, Myokard und Knochen vor (Löliger und Vogt 1980; Harcourt-Brown 2013). Diese Verkalkungen treten insbesondere dann auf, wenn die Blutkalziumkonzentration die Exkretionsfähigkeit der Niere übersteigt (Varga 2013). Eine solche Hyperkalzämie ist beispielsweise die Folge einer kalziumreichen Fütterung oder einer Vitamin D- Vergiftung (Kamphues et al 1986; Zimmerman et al 1990). Vitamin D führt zu einer Steigerung der intestinalen Resorption von Kalzium und Phosphor (Harcourt-Brown 2013). In der Literatur sind Fälle bekannt, bei denen ganze Kaninchenkolonien hohe Dosen Vitamin D über das Futter aufnahmen und Nierenverkalkungen aufwiesen (Stevenson et al 1976; Zimmerman et al 1990). Obwohl Kamphues et al (1986) durch hohe orale Kalziumaufnahme Nierenverkalkungen induzieren konnten, gelang dies in einer Studie von Clauss et al (2011) nicht. Es werden also weitere disponierende Faktoren vermutet, wie beispielsweise eine eingeschränkte Nierenfunktion, reduzierte Wasseraufnahme und ein verschobenes Kalzium-Phosphor-Verhältnis (Clauss et al 2012; Harcourt-Brown 2013). Auch Hyperphosphatämien oder eine Kombination aus Hyperphosphatämie und Hyperkalzämie können durch das Übersteigen des Kalzium / Phosphat Löslichkeitsproduktes der extrazellulären Flüssigkeit zu einer Präzipitation und Ablagerung der Mineralien führen (Ritskes- Hoitinga et al 2004; Harcourt-Brown 2013). Wie bei Verkoelen (2006) beschrieben, tritt die Nephrokalzinose im Bereich der kortikalen und kortikomedullären Tubuli auf, sodass eine Mineralisation der Nierenrinde auffällt (Harcourt-Brown 2013). Das vorherrschende Mineral ist Kalziumphosphat (Harcourt-Brown 2013).

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Klinisch scheint beim Heimtierkaninchen die chronische Niereninsuffizienz den Hauptgrund für eine Nephrokalzinose darzustellen (Harcourt-Brown 2007). Leider ist es aber auch so, dass die Nierenverkalkung zu einer Niereninsuffizienz führen kann, sodass es schwierig ist herauszufinden welche dieser Veränderungen zuerst da war (Harcourt-Brown 2013).

Experimentell gelang es durch die chirurgische Teilresektion der Niere bzw. das Kautern von Nierengewebe ebenfalls dystrophische Verkalkungen auszulösen (Eddy et al 1986; Tvedegaard 1986). Außerdem induzierte man renale Verkalkungen durch Verabreichung von Phosphat, Vitamin D, Oxalat oder Furosemid vor einer unilateralen Nephrektomie (Cramer et al 1998b).

2.3.2.3 Urolithiasis, speziell Nephrolithiasis

Konkremente der Nieren und ableitenden Harnwege (Ureteren, Harnblase, Urethra) sind beim Kaninchen gut dokumentiert und werden gemeinhin als Urolithiasis zusammengefasst (White 2001; Niebergall 2003; Quesenberry 2004; Angeli 2008;

Ullrich 2013). Die Nephrolithiasis bezeichnet Konkremente lokalisiert im Nierenbecken, welche meist aus Kalziumkarbonat bestehen (Harcourt-Brown 2013).

Nephrolithen können sowohl unilateral als auch bilateral auftreten und zeichnen sich im Verlauf durch eine Progression aus, die so weit gehen kann, dass das gesamte Nierenbecken ausgefüllt und dilatiert wird (Harcourt-Brown 2013). Die Konsistenz der Konkremente variiert von grießartigem Material über Aggregate von kleineren Steinen bis hin zu festverbundenen Steinen (Harcourt-Brown 2013), sodass es nicht verwunderlich ist, dass diese Konkremente zumindest in Teilen aus dem Nierenbecken abgeschwemmt werden können und sich dann im Ureter wiederfinden.

Die auftretenden Symptome sind abhängig von der Lokalisation der Steine und der Ausprägung der daraus entstehenden Veränderungen (Quesenberry 2004; Hoefer 2006). Zum Teil sind die im Nierenbecken liegenden Steine Zufallsbefunde bei bildgebenden oder pathologischen Untersuchungen (Quesenberry 2004; Fisher 2006a). Ist das Nierenbecken allerdings vollständig verlegt, kommt es zu Schmerzen und unspezifischen Symptomen wie verminderter Fresslust und Apathie. Durch den fehlenden Abfluss von Urin dilatiert das Nierenbecken, bis hin zur Entstehung einer

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Hydronephrose (Fisher 2006a; Varga 2013). Weiterhin kann eine Atrophie der Nierenrinde auftreten, was einem Funktionsverlust der betroffenen Niere gleichkommt. Abhängig von der Funktionsfähigkeit der verbliebenen Niere ist eine Niereninsuffizienz möglich (Fisher 2006a). Die klinischen Symptome sind dann die einer chronischen Niereninsuffizienz und werden im entsprechenden Abschnitt 2.3.2.5 aufgeführt. Im Falle einer Abschwemmung eines Steines in den Ureter werden akute kolikartige starke Schmerzen beschrieben (Hoefer 2006). Auf die Beteiligung des besonderen Kalziumstoffwechsels des Kaninchens an der Harnsteinbildung wurde im Abschnitt 2.2.3 eingegangen. Allerdings soll noch erwähnt werden, dass Obstruktionen im oberen Harntrakt, auch wenn sie nur temporärer Natur sind, eine schnelle Steinbildung zur Folge haben können (Itatani et al 1979). Eine Studie an unilateral nephrektomierten Tieren zeigte eine Nephrolithiasis der verbliebenen Niere nach unvollständiger Ligatur der Nierengefäße und daraus resultierenden Niereninfarkten (Eddy et al 1986). Dies veranlasst Harcourt-Brown zu der Schlussfolgerung, dass es ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Enzephalitozoonose und Nephrolithiasis geben könnte (Harcourt-Brown 2007, 2013). In ihrem Review Paper „Diagnosis of renal disease in rabbits“ von 2013 gibt sie an, dass es durch die Fibrose und die granulomatöse interstitielle Entzündung zu einer Reduktion der GFR und somit einer Verminderung der renalen Blutversorgung kommt ähnlich wie auch durch die unvollständige Ligatur in der Studie Eddy’s und seiner Mitarbeiter von 1986. Weiterhin könnten die Entzündungszellen als Kristallisationskerne dienen, welche durch Anlagerung weiterer Mineralien wachsen und durch den so verursachten verminderten Urinabfluss die Tendenz zur Steinbildung wiederum steigern - ein Circulus vitiosus (Harcourt-Brown 2013).

Die Therapie einer Nephrolithiasis ist abhängig von der Ausprägung der Veränderungen. Bei unilateralem Auftreten und einer funktionsfähigen kontralateralen Niere kann ein chirurgischer Eingriff erwogen werden (White 2001;

Quesenberry 2004; Hoefer 2006; Rhody 2006). Ist die Nierenfunktion nicht eingeschränkt und das Gewebe selbst kaum verändert, so ist es möglich, eine Nephrotomie durchführen (White 2001; Quesenberry 2004) und in der Folge die

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Nephrolithen zu entfernen. Ist allerdings das Nierengewebe der betroffenen Seite schon deutlich verändert und damit nicht mehr funktionsfähig oder besteht eine Hydronephrose, so sollte eine Nephrektomie durchgeführt werden (Quesenberry 2004; Rhody 2006).

Eine Infusionstherapie kann bei Harnsteinen in Betracht gezogen werden, die nicht obstruierend sind (Quesenberry 2004).

2.3.2.4 Akute Niereninsuffizienz

Eine akute Niereninsuffizienz tritt auf, wenn die Nierenfunktion aufgrund physiologischer Gegebenheiten oder Erkrankungen plötzlich vermindert ist (Harcourt- Brown 2013). Je nach Schwere der zugrundeliegenden Ursache kann sich die akute Form der Niereninsuffizienz als reversible geringe Erhöhung der Blutharnstoff- und Kreatininwerte zeigen oder aber sich in irreversiblen Elektrolytverschiebungen, Oligurie und Todesfällen manifestieren (Harcourt-Brown 2013). Bei einem schwerwiegenden Verlauf zeigen sich die betroffenen Tiere in schlechter Verfassung, können in Seitenlage und mit sehr schlechtem Allgemeinbefinden vorgestellt werden (Niebergall 2003; Angeli 2008; Ullrich 2013). Je nach Lokalisation der Ursache unterscheidet man drei Arten von Niereninsuffizienz: prärenale, renale und postrenale akute Nierensuffizienz (Albright 2001; Rahman et al 2012; Harcourt- Brown 2013).

2.3.2.4.1 Prärenale akute Niereninsuffizienz

Die prärenale akute Niereninsuffizienz tritt auf infolge einer verminderten renalen Perfusion wie beispielsweise durch ein Schockgeschehen, starke Blutungen, Dehydratation und unzureichende Herzleistung (Harcourt-Brown 2013).

Dehydratation ist eine nicht seltene Ursache für eine Nierenwerterhöhung (Albright 2001; Varga 2013). Sie kann ausgelöst werden durch Verlust von Flüssigkeit nach außen wie z.B. bei Diarrhoe oder aber durch einen internen Flüssigkeitsverlust im Zuge einer Stase im Magen-Darm-Trakt, welche zu einer Umverteilung der Flüssigkeit führt, die dann für den Kreislauf nicht mehr zur Verfügung steht (Harcourt- Brown 2013). Auch eine unzureichende Wasseraufnahme kann zu einer

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Dehydratation führen (Harcourt-Brown 2013; Varga 2013), insbesondere bei warmem Wetter. Leckende oder verstopfte Nippeltränken sowie Verschmutzungen in der Flasche selbst können zu einer verminderten Wasseraufnahme führen (Harcourt- Brown 2011, 2013). Ein unzureichendes Angebot an Wasser führte in einer Studie sowohl zu verminderter Futter- als auch Wasseraufnahme (Tschudin et al 2011).

Ein weiterer Grund für eine Reduktion der renalen Perfusion ist Stress (Kaplan und Smith 1935; Brod und Sirota 1949; Pascoe und Korner 1963). Es ist daher darauf zu achten, dass eine Rehydratation in einer möglichst stressfreien Umgebung stattfindet (Varga 2013).

2.3.2.4.2 Renale akute Niereninsuffizienz

Bei den renalen Ursachen der akuten Niereninsuffizienz liegt eine akute strukturelle Veränderung der Niere selbst vor (Harcourt-Brown 2013). Im humanmedizinischen Bereich wird hier eine noch feinere Unterteilung anhand der renalen Strukturen vorgenommen: glomerulär, interstitiell, tubulär und vaskulär (Albright 2001; Rahman et al 2012).

Beim Kaninchen sind einige renale Ursachen in der Literatur beschrieben. Die Exposition mit Nephrotoxinen wie Gentamicin führt zu einer direkten Nierenschädigung durch Wirkung auf das proximale Tubulussystem (Enriquez et al 1992; Evans et al 1996; Fisher 2006a). Die schon in 2.3.2 erwähnte fettige Infiltration der Niere als Folge einer mit einer Stase im Darmtrakt einhergehenden Lipomobilisation führen zu einem Funktionsverlust, Degeneration und Organversagen (Harcourt-Brown 2013; Varga 2013). Renale Ischämien infolge schwerwiegender Erkrankungen und Hypovolämien führen gelegentlich zu Niereninfarkten (Harcourt-Brown 2013), die je nach Lokalisation und Größe ebenfalls die Nierenfunktion beeinträchtigen können.

2.3.2.4.3 Postrenale akute Niereninsuffizienz

Die postrenalen akuten Niereninsuffizienzen sind in der Regel obstruktionsbedingt (Albright 2001; Rahman et al 2012; Harcourt-Brown 2013). Es handelt es sich dabei um Obstruktionen der harnableitenden Wege beispielsweise durch Ureterolithiasis,

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eine Verlegung des Harnblasenhalses oder der Urethra. Aber auch Verklebungen oder Fettgewebsnekrosen durch vorangegangene abdominale Operationen sind in der Lage den Ureter zu verlegen (Harcourt-Brown 2013). Differentialdiagnostisch könnte auch ein irrtümlich in einer OP - beispielweise einer Kastration weiblich - ligierter Ureter oder eine tumorbedingte Obstruktion zu einer postrenalen Abflussstörung führen, solche Fälle kamen im Patientengut der Klinik für Heimtiere allerdings nur sehr selten vor. Hernien, zu deren Inhalt im Bruchsack die Harnblase zählt, können ebenfalls zu einer mechanischen Behinderung des Urinabflusses führen (Harcourt-Brown 2013; Thas und Harcourt-Brown 2013). Der mit den beschriebenen Veränderungen einhergehende Urinrückstau führt unbehnadelt langfristig zur Entstehung einer Hydronephrose und damit verbundenen Schmerzen (Harcourt-Brown 2013).

Die Behandlung einer akuten Niereninsuffizienz ist stets abhängig von der Ursache.

Stets sollte eine Rehydratation durchgeführt werden (Quesenberry 2004; Varga 2013). Auch die Futteraufnahme ist sicher zu stellen, um weitere sekundäre Entgleisungen des Magen-Darm-Traktes zu vermeiden (Hein 2009; Ullrich 2013;

Orosz 2013). Im Falle einer Obstruktion ist diese unverzüglich zu beseitigen (Quesenberry 2004; Fisher 2006b; Varga 2013). Weiterhin sollten Analgetika sowie bei Bedarf antimikrobiell wirksame Medikamente verabreicht werden (Quesenberry 2004; Varga 2014).

2.3.2.5 Chronische Niereninsuffizienz

Die chronische Niereninsuffizienz zeichnet sich durch eine irreversible Schädigung des Nierengewebes und eine fortschreitende Einschränkung der Nierenfunktion aus (Harcourt-Brown 2013; Varga 2013). Der Verlauf ist progressiv. Es ist durchaus möglich, dass betroffene Tiere sehr lange mit dieser eingeschränkten Nierenleistung leben können und erst spät klinische Symptome zeigen (Harcourt-Brown 2013;

Ullrich 2013). Viele Erkrankungen können eine chronische Niereninsuffizienz zur Folge haben, als Beispiel werden in der Literatur häufig Enzephalitozoonose und Nephrolithiasis genannt (Quesenberry 2004; Harcourt-Brown 2007; Lennox 2010;

Ullrich 2013; Varga 2013). Wie bereits im Kapitel 2.3.2.2 erwähnt können auch

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Nephrokalzinosen, unabhängig vom Entstehungsgrund, eine chronische Niereninsuffizienz bedingen, oder aber aus einer solchen heraus entstehen (Harcourt-Brown 2013). In vielen Fällen ist das auslösende Agens auch aufgrund der sekundären Veränderungen im Nierengewebe - Entzündungen, Fibrosen und Mineralisationen - nicht mehr mit Sicherheit zu bestimmen (Harcourt-Brown 2013).

Die klinischen Symptome sind unspezifisch und beinhalten Inappetenz, Gewichtsverlust, Lethargie, Polyurie und Polydipsie (Tvedegaard 1984; Eddy et al 1986; Bas et al 2004; Quesenberry 2004; Harcourt-Brown 2007; Lennox 2010; Varga 2013). Aufgrund der mangelnden Konzentrationsfähigkeit der Niere können erkrankte Tiere unterschiedlich stark dehydriert bis exsikkotisch sein (Ullrich 2013). Das Fell ist in fortgeschrittenen Stadien glanzlos und struppig (Ewringmann 2004; Ullrich 2013).

Je nach Grad und Ausprägung der Erkrankung kommt es zu unterschiedlich starken Nierenwerterhöhungen, Verschiebungen im Elektrolythaushalt, Stoffwechsel- entgleisungen und Anämien (Quesenberry 2004; Ullrich 2013; Varga 2013).

Harcourt-Brown unterscheidet in ihrem Review von 2013 drei verschiedene Stadien der chronischen Niereninsuffizienz, die nachfolgend zusammengefasst werden sollen.

Frühstadium:

Durch den Verlust funktioneller Nephrone kommt es zu einer verminderten Konzentrationsfähigkeit, der ausgeschiedene Urin ist weniger konzentriert, Symptome wie Polyurie und Polydipsie treten auf. Über Kompensationsmechanismen wird die Nierenleistung zunächst wieder erreicht. Da beim Kaninchen nicht alle Nephrone aktiv sind, kann durch das Ansteuern inaktiver Nephrone, die Nierenleistung wieder hergestellt werden. Aus diesem Grund sind häufig keine klinischen Symptome zu bemerken (Harcourt-Brown 2013; Varga 2013).

Fortgeschrittenes Stadium:

Durch das Fortschreiten der Niereninsuffizienz gehen weitere Nephrone verloren. Die Exkretionsfähigkeit von Toxinen ist eingeschränkt und es entwickeln sich klinische Anzeichen einer Urämie. Blutharnstoff- und Kreatininwerte steigen, wobei ein Verlust von 75% der Nierenfunktion eingetreten sein muss, bevor diese Veränderungen im Blut sichtbar sind (Campbell 2004).

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Endstadium:

Ist die Nierenfunktion stark herabgesetzt, kommt es zum Endstadium, dem terminalen Nierenversagen. Da die Kaninchennniere eine so große Rolle in der Kalziumhomöostase spielt, kommt es häufig zu erhöhten Blutkalziumspiegeln sowie zu ektopischer Kalzifizierung (Tvedegaard et al 1982; Tvedegaard 1984, 1986; Eddy et al 1986; Bas et al 2002; Harcourt-Brown 2007; Varga 2013). Auch eine Zunahme der Knochendichte, die Osteosklerose, ist ein häufiges Begleitsymptom der terminalen Niereninsuffizienz. Dies geschieht, da die Kalziumaufnahme im Darmtrakt Vitamin D-unabhängig weiter stattfindet, die Kalziumausscheidung mit dem Urin aber vermindert ist und das Kalzium so vermehrt in den Knochen eingebaut wird (Varga 2013).

Aus der Progression der chronischen Niereninsuffizienz ergibt sich eine sehr schlechte Prognose (Quesenberry 2004; Varga 2013). Eine symptomatische Therapie kann lebensverlängernd sein und sollte sich nach der Grunderkrankung richten, so diese bekannt ist. Eine Aufrechterhaltung der Hydratation ist essentiell (Quesenberry 2004; Varga 2013).

2.3.3 Pathologien des Ureters

Im Schrifttum erwähnte Erkrankungen des Ureters beim Kaninchen sind meist sekundärer Natur und die Folge sich lösender Konkremente aus der gleichseitigen Niere (White 2001; Hoefer 2006; Reese und Hein 2009b). Durch die Obstruktion des Ureters kommt es retrograd zu einem Urinrückstau und der Entwicklung eines Hydroureters, eines gestauten Nierenbeckens und im weiteren Verlauf zur Entstehung einer Hydronephrose (White 2001; Reese und Hein 2009b). Die klinischen Symptome einer Ureterolithiaisis sind unspezifisch und beinhalten verminderte Futteraufnahme, Gewichtsverlust, Lethargie und kolikartige Schmerzen (White 2001; Quesenberry 2004; Hoefer 2006). White beschreibt in seinem 2001 veröffentlichten Fallbericht eine geringgradige Hämaturie, die er auf eine leichte Ulzeration der Ureterschleimhaut auf Höhe der Obstruktionsstelle zurückführt. Ein Fallbericht aus den USA berichtet über eine unilaterale Nephrektomie nach der Feststellung einer Hydronephrose, bei dem betroffenen Tier war eine Ureterobstruktion vermutet worden, konnte jedoch klinisch nicht nachgewiesen

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werden (Rhody 2006). Ein ähnlicher Fall aus England zeigte eine röntgendichte Struktur im Verlauf des Ureters, da die gleichseitige Niere zwar gestaut, aber laut Pyelogramm noch funktionsfähig war, wurde in diesem Fall nur eine Ureterotomie durchgeführt und der Ureterstein chirurgisch entfernt (White 2001). Aufgrund der möglichen Entstehung von Strikturen wird teilweise empfohlen zunächst zu versuchen, den Ureterolithen sanft in die Harnblase zu massieren, ist dies nicht möglich, bleibt nur die Ureterotomie (Hoefer 2006).

2.3.4 Erkrankungen der Harnblase

Erkrankungen im Bereich der Harnblase treten beim Kaninchen ebenfalls regelmäßig auf (Reese und Hein 2009b; Varga 2013). Analog zu den in der Kleintiermedizin bei Katzen verwendeten Syndromen FUS und FLUTD können auch beim Kaninchen einige Erkrankungen in einem Komplex zusammengefasst werden (Varga 2013).

Das von der Autorin geprägte „fat lazy pet rabbit syndrome“ (s. Abschnitt 2.3.1) beinhaltet die Symptome Inkontinenz und Harnblasengrieß sowie den Befund Harnblasenstein (Varga 2013). Zystitiden kommen beim Kaninchen meist infolge einer mechanischen Irritation der Harnblasenwand durch Harnblasengrieß vor (Nastarowitz-Bien 2008; Reese und Hein 2009b), können in seltenen Fällen aber auch infektiös bedingt sein (Möller 1984). Tumore der Harnblase beim Kaninchen sind selten (Garibaldi et al 1987; Manning et al 1994). Symptome einer Zystitis sind Hämaturie, Dysurie, Strangurie, Polyurie und Polydipsie, auffälliges Anheben des Beckens beim Urinabsatz sowie unspezifische Symptome wie verminderte Futteraufnahme, Gewichtsverlust und Lethargie (Quesenberry 2004; Hoefer 2006;

Varga 2013).

2.3.4.1 Infektiöse Zystitis

Primär infektiös-bedingte Zystitiden sind in der Literatur kaum beschrieben.

Sekundäre bakterielle Infektionen können bei allen Erkrankungen vorkommen, die zu einem eingeschränkten Urinabsatz führen (Varga 2013). Ein Fallbericht beschreibt eine Infektion mit Enterococcus spp. als Begleitsymptom einer Inguinalhernie mit vorgefallener Harnblase (Grunkemeyer et al 2010). Das Tier in diesem Bericht wurde mit Lethargie, Anorexie, übelriechendem rotgefärbten Urin, Diarrhoe und subkutaner

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inguinaler Umfangsvermehrung vorgestellt. Eine Diarrhoe selbst wird ebenfalls als Ausgangspunkt für sekundäre aufsteigende bakterielle Zystitiden angegeben (Ewringmann 2004). Ein Harnverhalten, also der verminderte Urinabsatz, kann auch andere Gründe haben (Varga 2013). Sowohl körperliche Einschränkungen wie Schmerzen beim Urinabsatz durch Wirbelsäulenerkrankungen oder Arthrosen im Gliedmaßenbereich als auch fehlender Platz und geringe soziale Interaktion lassen die Tiere das Urinieren möglichst lange hinauszögern (Varga 2013). Durch die Frequenzminderung sedimentiert der Urin, der flüssige Überstand wird ausgeschieden und das Sediment am Boden der Harnblase kumuliert, verfestigt sich.

Auch Bakterien verbleiben in der Harnblase und können sich vermehren (Varga 2013).

Aufsteigende Infektionen der Harnblase bei Inkontinenz sind möglich und kommen vor allem bei traumatischen Verletzungen der Wirbelsäule oder als neurologische Störung im Rahmen der Enzephalitozoonose vor (Quesenberry 2004). Auf die Folgen einer Inkontinenz und deren Zusammenhang mit weiteren Symptomen und Krankheitsbildern wird Kapitel 2.3.4.3 Symptomkomplex Inkontinenz intensiver eingegangen.

2.3.4.2 Mechanische Zystitis

Durch chronische Reizung der Harnblasenwand und Schleimhautläsionen führen Konkremente und Harnblasengrieß zu mechanischen Entzündungen der Harnblase (Reese und Hein 2009b). Sekundäre bakterielle Infektionen aufgrund des tröpfelnden Urinabsatzes und der Urinretention sind auch hier möglich (Quesenberry 2004;

Varga 2013). In schweren Fällen kann sich eine eitrige nekrotisierende Zystitis entwickeln, welche sich zu einer Peritonitis ausweiten könnte (Reese und Hein 2009b).

2.3.4.2.1 Auslöser Urolithiasis

Eine Zystolithiasis ist eine der Hauptursachen für mechanisch-bedingte Zystitiden beim Kaninchen (Reese und Hein 2009b). Harnblasensteine können solitär oder multipel auftreten und auch in jeder beliebigen Kombination mit Urolithiasis anderer

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Lokalisationen (Quesenberry 2004; Hoefer 2006). Beim Kaninchen bestehen auch die Steine in der Harnblase aus Kalziumverbindungen, wobei Kalziumkarbonat, Kalziumoxalat und Kalziumphosphat vorherrschen (Itatani et al 1979; Rappold 2001;

Hoefer 2006). Der hohe Gehalt an Kalzium im Urin selbst, verursacht durch den besonderen Kalziumstoffwechsel des Kaninchens (s. 2.2.3), wird heute nicht mehr als alleinige Ursache der Steinbildung angesehen (Clauss et al 2012; Harcourt- Brown 2013; Varga 2013). Die neuere Literatur geht von einer multifaktoriellen Genese aus, in der die Ernährung zwar eine Rolle spielt, aber nur ein Teilbaustein ist. Bewegungsmangel, geringe Flüssigkeitsaufnahme, seltener Urinabsatz und damit verbundene Sedimentation, zugrundeliegende Entzündungen und andere Kristallisationskerne wie Glucosaminoglykane könnten eine Rolle spielen (Quesenberry 2004; Clauss et al 2012; Harcourt-Brown 2013; Varga 2013).

Die Therapie der Wahl bei einer Zystolithiasis ist eine Zystotomie mit anschließender Entfernung der Harnblasensteine (Quesenberry 2004; Hoefer 2006; Varga 2013).

Das Vorhandensein weiterer Urolithen an anderen Lokalisationen sollte ebenso präoperativ abgeklärt werden wie die Nierenfunktion (Hoefer 2006; Varga 2013).

Intraoperativ sollte unterstützend Flüssigkeit intravenös zugeführt werden, weiterhin sollte der Patient analgetisch und antimikrobiell wirksame Medikamente erhalten und bei Bedarf zwangsernährt werden (Quesenberry 2004; Hoefer 2006; Varga 2013).

Eine postoperative röntgenologische Kontrolle dient der Überprüfung des OP- Erfolges (Quesenberry 2004). Im der Operation nachfolgenden Besitzergespräch sollte eine kalziumreduzierte Fütterung angeraten werden, insbesondere die Supplementierung von Mineralstoffen ist zu beenden (Quesenberry 2004; Clauss et al 2012), die Tiere sollten nur bedarfsgerecht mit Kalzium versorgt werden (Kamphues 1991).

2.3.4.2.2 Auslöser Harnblasengrieß

In der Literatur findet man mehrere synonym verwendete Begriffe: Harnblasengrieß ist der im deutschen Sprachraum am häufigsten verwendete Begriff und wird manchmal als Harngrieß abgekürzt. In der englischsprachigen Literatur findet man die Begriffe Hyperkalziurie, „sludge“ und auch MUC (micro urinary calculi). Allen

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gemeinsam ist, dass ein von dem Kalziumgehalt des Futters abhängiger Anteil an kalziumreichem Sediment in der Harnblase beim Kaninchen als physiologisch angesehen wird (Flatt und Carpenter 1971; Josef Kamphues 1991; Redrobe 2002;

Quesenberry 2004; Jenkins 2008, 2010; Clauss et al 2012; Varga 2013).

Jenkins (2008, 2010) definiert die von ihm postulierten MUC als kleine Mikrokonkremente, die mehr sind als nur die physiologisch in der Harnblase von Kaninchen vorkommenden Kalziumkristalle. Die physiologische Kalziurie führt seiner Ansicht nach nicht zur Präzipitation von Kalziumkonkrementen, zur Konkrementbildung ist ein Kristallisationskern notwendig, welcher als Ausgangspunkt dient und durch Entzündungszellen oder ähnliches gebildet wird.

Eine Urinretention wird ebenfalls als Ursache in der Entstehung von Harnblasengrieß diskutiert (Varga 2013). Durch einen niedrig frequenten Urinabsatz kommt es zu langen Intervallen, in denen der Urin in der Harnblase sedimentieren kann (Varga 2013). Inaktivität, Schmerzen, unzureichende Flüssigkeitsaufnahme und kalziumreiche Fütterung sind einige der Faktoren, die bei der Entstehung dieses Sediments beteiligt sind (Quesenberry 2004; Clauss et al 2012; Varga 2013).

Während beim Urinieren nun der flüssige Überstand ausgeschieden wird, verbleibt das schwere, teils klumpige Sediment in der Harnblase und dickt weiter ein (Varga 2013). Entleert man die Harnblase eines betroffenen Kaninchens manuell, so kommt eine zähe, pastös-klumpige Masse zum Vorschein (Quesenberry 2004; Varga 2013).

Der Therapieansatz setzt auf Verdünnung des Urins durch Infusionen und eine manuelle Entleerung der Harnblase, welche „hängend“ ausgeführt werden sollte, um das vorhandene Sediment zunächst mit Hilfe der Schwerkraft in den Harnblasenhals sinken zu lassen und schließlich durch sanfte Kompression zu entfernen (Quesenberry 2004; Varga 2013). Weiterhin sollte, wie auch bei der Urolithiasis, das Fütterungsregime überprüft und gegebenenfalls umgestellt werden. Ebenso sind die prädisponierenden Faktoren zu optimieren, also Gewichtsreduktion, Bewegungsförderung und Schmerztherapie (Quesenberry 2004; Varga 2013).

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