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Archiv "Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen: Ausbreitung mit (zu) hoher Geschwindigkeit" (30.10.1998)

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uf einem Drittel der gesamten in den USA landwirtschaftlich genutzten Anbaufläche werde mittlerweile Ackerbau mit gentech- nisch veränderten Pflanzen betrieben – Tendenz steigend –, berichtete der Pflanzengenetiker Prof. Gerhard Wenzel von der Technischen Univer- sität München bei einer Pressekon- ferenz des „Wissenschaftlerkreises Grüne Gentechnik“ am 8. Oktober in Bonn.

Die Palette der genetisch ver- änderten Nutzpflanzen und deren Eigenschaften vergrößert sich zuse- hends. Neben Mais, Soja, Reis, Baumwolle, Kartoffeln und Tomaten werden auch Zuckerrüben, Gurken und andere Gemüsesorten genetisch verändert. In vielen Fällen sollen Re- sistenzen gegen Schädlinge, Krank- heiten oder bestimmte Herbizide her- vorgerufen werden. Darüber hinaus werden Pflanzen entwickelt, die für agrarindustrielle Produktionsmetho- den zugeschnitten sind wie die Anti- Matsch-Tomate, die mit einem Mäh- drescher geerntet werden kann. In einem dritten Entwicklungsschwer- punkt versucht man den Fett-, Ami- nosäuren- oder Kohlenhydratgehalt der Pflanzen zu verändern, um hoch- wertigere oder schmackhaftere Nah- rungsmittel, bei Bedarf auch auf diätetische Bedürfnisse zugeschnitten, zu produzieren.

Die große Anzahl bereits reali- sierter transgener Pflanzen zeigt, daß die Verbraucher schon heute mit den entsprechenden Produkten konfron- tiert werden. Die neue Technologie wird von der Landwirtschaft oder bes- ser gesagt von der Agrarindustrie Nordamerikas mit großer Akzeptanz aufgegriffen, da trotz des teureren

Saatguts höhere Erträge erwirtschaf- tet werden können. Ob auch ein Nut- zen für den Konsumenten oder das Ökosystem besteht, ist fraglich.

Für einen verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränder- ten Pflanzen ist es notwendig, so Wen- zel, Vorkehrungen zu treffen, die ver- hindern, daß sich die transgene Pflan- ze mit verwandten Wildpflanzen kreuzt und dadurch resistente Sorten entstehen. Folgendes Beispiel mag dies verdeutlichen: Ausschließlich Pflanzen mit einer durch ein zusätzli- ches Gen hervorgerufenen Herbizid-

resistenz gedeihen auf einem Feld, auf dem das entsprechende Herbizid aus- gebracht wird. Andere Pflanzen kön- nen dort nicht wachsen, so daß ein Selektionsvorteil für die transgene Pflanze herrscht. Konventionelle Herbizide zeichnen sich dagegen nur mit einer geringeren Spezifität aus. So ist eine Monokultur im Sinne des Wortes möglich. Bei zeitlich wie räumlich eng beieinanderliegender Nutzung herbizidresistenter Pflanzen besteht die Gefahr, daß verwandte Wildpflanzen das Resistenzgen durch

Kreuzung mit der transgenen Nutz- pflanze aufnehmen und ebenfalls resi- stent werden. Das Risiko einer Ver- breitung resistenter Wildpflanzen ist um so größer, je intensiver diese Art der Landwirtschaft betrieben wird, da dadurch der Selektionsdruck entspre- chend steigt. Nach Wenzels Angaben verlieren sich solche Resistenzgene nach einigen Generationen, wenn das Herbizid nicht mehr verwendet wird und somit der Selektionsdruck aufge- hoben ist. Bei Freilandversuchen konnte Wenzel zeigen, daß bis zu zehn Prozent von Rübsen, einer verwand- ten Wildpflanze des Raps, mit herbi- zidresistentem Raps Hybride bilden kann. Auch diese im Fall der Raps- kreuzung sterilen Nachkommen be- sitzen die Herbizidresistenz. Bei Nachbarpflanzen der gleichen Art ist die Übertragungseffizienz wesentlich höher: Greenpeace konnte auf einem deutschen Versuchsacker nachweisen, daß transgener Mais sich mit konven- tionellem Mais von einem Nachbar- feld über den Pollenflug gekreuzt hat- te. Das Ergebnis waren transgene Maiskolben, bei denen die gentech- nisch hinzugefügten Resistenzgene mit der PCR-Methode nachgewiesen werden konnten. Auf diese Weise ver- wischt die Grenze zwischen gentech- nisch veränderten und unveränderten Pflanzen, und damit wird die Kenn- zeichnungspflicht genetisch veränder- ter Lebensmittel zur Makulatur.

Transgener Mais mit Antibiotikaresistenz

Novartis vertreibt einen transge- nen Mais, der Resistenzgene gegen Insektenbefall, Herbizidtoleranz so- wie ein bakterielles Resistenzgen ge- gen das Antibiotikum Ampicillin ent- hält. Die Antibiotikaresistenz ist hier- bei ein technisches Hilfsmittel, um bei der Klonierung positive Bakterienko- lonien zu identifizieren. Für die ge- wünschte Funktion des Genkon- strukts – im Fall des transgenen Mai- ses sind dies die Insekten- und Herbi- zidresistenz – ist sie überflüssig.

Nach Auskunft von Andreas Sei- ter von Novartis Deutschland wurde der jetzt in Europa vertriebene trans- gene Mais vor etwa zehn Jahren von der damaligen Tochterfirma Ciba- A-2744 (24) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 44, 30. Oktober 1998

P O L I T I K AKTUELL

Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen

Ausbreitung mit (zu) hoher Geschwindigkeit

In Deutschland wird über gentechnisch veränderten Mais und Soja debattiert, während aus den USA bereits eine Viel- zahl von transgenen Nutzpflanzen auf den Markt drängt.

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Transgene Sojabohnen aus den USA. Bald auch auf

europäischem Boden? Foto: amw

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Seeds in den USA entwickelt. Parallel dazu hatte die ehemalige Konkur- renzfirma und der heutige Fusions- partner von Novartis, Sandoz-Seeds, einen insektenresistenten Mais ohne Ampicillingen hergestellt. Nach An- gaben von Seiter wird in Europa ausschließlich der Mais mit der Anti- biotikaresistenz vertrieben, weil nur hierfür momentan die Sortenzulas- sung genehmigt wurde.

Neben dem Ausschluß von mög- lichen ökologischen Folgen ist der Nachweis der Unbedenklichkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen für den Konsum von entscheidender Bedeutung: Geht ein Risiko vom gentechnischen Produkt aus? Green- peace und der Präsident der Berliner Ärztekammer, Dr. Ellis Huber, vertre- ten hierzu die Auffassung, daß von dem Mais ein geringes, aber vermeid- bares Risiko ausgeht. Es bestehe die Möglichkeit der Übertragung der Antibiotikaresistenz auf Bakterien.

Zu dieser Problematik hat Greenpeace eine Studie beim Frei- burger Ökoinstitut in Auftrag gege- ben. In der 60seitigen Studie kommen die Autoren zu dem Schluß, daß

„jede mittelbare oder unmittelbare Erhöhung der Frequenz von Anti- biotikaresistenzgenen in Mikroorga- nismen [...] vermieden werden muß, wenn sie Resistenzen gegen [...] ge- nutzte oder nutzbare Antibiotika ver- mitteln“. Für den Fall, daß das Ampi- cillinresistenzgen aus den transgenen Pflanzen auf Bakterien übertragen wird, besteht die Gefahr, daß sich auch Resistenzen gegen weitere β- Lactamase-empfindliche Antibiotika wie Amoxicillin, Propicillin, Penicil- lin V und Penicillin G herausbilden könnten. Bedenken äußerte auch das Umweltbundesamt, daß aufgrund der möglichen Resistenzverbreitung

„von einem Verzehr und einer Verfüt- terung roher, bla-Gen [Ampicillin- gen] enthaltender Produkte“ abrät.

So lautet das Fazit von Jan van Aken, Greenpeace: „Der gesundheitsge- fährdende Genmais gehört weder auf den Acker noch auf den Teller.“ Da- gegen vertritt Seiter die Auffassung, daß es sich hierbei um ein zu vernach- lässigendes geringes Risiko handelt.

Außerdem gelange der Mais ohnehin aus den USA zum europäischen Ver- braucher. Dr. Stephan Mertens

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P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 44, 30. Oktober 1998 (25)

Pharmaverband

Mehr Wettbewerb – das neue alte Motto

ir haben keinerlei Anlaß, von unserer Politik des kon- struktiven Dialogs abzu- rücken“, sagte Dr. rer. nat. Horst Freisler, Vorstandsvorsitzender des Verbandes forschender Arzneimittel- hersteller e.V. (VFA), mit Blick auf den Regierungswechsel in Bonn.

Freisler sprach anläßlich eines Presse- seminars des Verbandes Anfang Ok- tober in Windhagen. Zwar rechnet er damit, daß die Diskussionen mit einer rot-grünen Koalition kontroverser werden. Im Bekenntnis der Sozialde- mokraten zur Gen- und Biotechnolo- gie sieht der VFA-Vorsitzende jedoch Ansätze, Forschung, Produktion und Beschäftigung in der pharmazeuti- schen Industrie am Standort Deutsch- land zu sichern.

Engpässe bleiben

Aber: „Das Gesundheitswesen wird sich weiterhin im Spannungsfeld zwischen Wirtschafts- und Kostenfak- tor bewegen“, ist sich Freisler sicher.

Die Finanzierungsengpässe blieben mittelfristig bestehen. Von den rot- grünen Lösungsansätzen für dieses Problem hält der VFA wenig. Er lehnt eine Global-Budgetierung der Ausga- ben der Gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) ab. Kombiniert mit einer Rückführung der Patienten-Zu- zahlungen, gefährde dies die Wachs- tumsdynamik und führe langfristig zur Rationierung medizinischer Lei- stungen. Den einzigen Vorteil gegen- über den geltenden sektoralen Bud- gets sieht Freisler darin, daß die Vernetzungsmöglichkeiten der ver- schiedenen Leistungsbereiche erwei- tert werden. Das volkswirtschaftlich gewünschte Wachstum des Gesund- heitswesens lasse sich ohnehin nicht dauerhaft auf der Grundlage kollekti- ver Sicherungssysteme finanzieren.

Generell plädiert der VFA-Vorsitzen-

de dafür, den Wettbewerb im Gesund- heitswesen auszubauen. Nicht zuletzt durch die erweiterten Handlungs- möglichkeiten der Krankenkassen sei einiges in Bewegung geraten. „Die Krankenkassen“, so Freisler, „schei- nen in diesem Punkt in ihren struktu- rellen Überlegungen weiter zu sein als die gesundheitspolitischen Program- me von SPD und Bündnisgrünen.“

Grundsätzlich positiv steht der Verband auch einer Neubestimmung von Solidarität und Individualität in- nerhalb der GKV gegenüber, etwa bei der Strukturierung des Arzneimittel- marktes. „Wir verweigern uns nicht grundsätzlich der zweifellos ins Haus stehenden Diskussion um die Ein- führung einer Positivliste“, sagte Freisler. Der Verband stehe für eine Strukturierung, die sich an der Schwe- re der Erkrankung orientiere. Es dür- fe jedoch nicht zu einer Zweitzulas- sung durch das Gremium kommen, das die Positivliste erstelle. Arznei- mittelforschung werde unter solchen Umständen zum Lotteriespiel.

Recht optimistisch, was die künf- tige Gesundheitspolitik einer rot-grü- nen Regierung angeht, ist Dr. jur.

Hans Jürgen Ahrens. Der Vorstands- vorsitzende des AOK-Bundesverban- des glaubt, daß viele Vorstellungen der Krankenkassen mit der neuen Ko- alition realisierbar sein dürften. Er hält ein Globalbudget für „einen ganz vernünftigen Vorschlag“, zu dem es derzeit keine Alternative gebe. Das- selbe gelte für eine Arzneimittel-Posi- tivliste. Eine Dreiteilung des Arznei- mittelmarktes in unverzichtbare, um- strittene und sonstige Arzneimittel entlaste die chronisch Kranken, wirke qualitätssteuernd und spare Kosten.

Die Kassen müßten ohnehin bei der Arzneimittelverordnung stärker steu- ernd eingreifen. Ahrens: „Die Zeiten, da die Krankenkassen finanzamts- ähnliche Einrichtungen waren, sind vorbei.“ Heike Korzilius

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Referenzen

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