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Archiv "Ist die Koronarsklerose eine Infektionskrankheit? Gedanken zur Chlamydien-Hypothese" (02.05.1997)

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ie provozierende These, daß die Koro- narsklerose eine chlamydienbedingte Infektionskrankheit sein könnte, wurde anläßlich der 103. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Me- dizin in Wiesbaden vielfach – und natürlich kontro- vers – diskutiert, mit einem entsprechenden Echo in der Tagespresse. Dabei sind die Gedanken kei- neswegs neu - neu ist allerdings das Bemühen von Infektiologen, die Arteriosklerose einer Antibioti- katherapie zuzuführen.

Schon Anfang der 90er Jahre wurde der Zu- sammenhang zwischen dem pathogenen Erreger Chlamydia pneumoniae vom Stamm TWAR und akuter wie chronischer koronarer Herzkrankheit in verschiedenen, meist europäischen Studien ge- zeigt (2,6). Brisanz erfuhr die Hypothese von der chlamydienbedingten Koronarsklerose Anfang vergangenen Jahres: Joseph B. Muhlestein aus der Arbeitsgruppe von Jeffrey L. Anderson von der University of Utah in Salt Lake City konnte durch direkte Immunfluoreszenz in Atherekto- miematerial bei 71 von 90 Koronarpatienten die Chlamydia-Spezies im arteriosklerotischen Ge- webe nachweisen (3). In nichtsklerotischem Koronargewebe wurde dagegen nur bei einem Patienten Chlamydia gefunden. Die Autoren ver- muteten, daß eine Chlamydia-Infektion an der Atheriosklerose der Koronararterien ursächlich beteiligt ist, und sprachen sich für weiterführende Studien aus. Der Verfasser dieser Zeilen hielt sich im Mai 1996 zu Gastvorlesungen in Salt Lake City auf und erfuhr von Muhlestein eher beiläufig von den neuen Ergebnissen. Nach Lektüre der freundlicherweise zur Verfügung gestellten Druckfahnen der für das Journal of the American College of Cardiology vorgesehenen und im Juni 1996 publizierten Arbeit wurde aufgrund der heu-

ristischen Bedeutung sogleich ein aktueller Be- richt zu dieser Problematik initiiert. Die Mittei- lung erschien im Deutschen Ärzteblatt am 28. Ju- ni 1996 unter dem Titel „Pathogenese der Arte- riosklerose – Sind Chlamydien auch daran betei- ligt?“ (1). Naturgemäß griffen auch die deutschen Wochenmagazine die mutmaßlich sensationelle Problematik auf. Nach einjähriger gedanklicher Inkubationszeit gewinnt nun Chlamydia pneumo- niae durch Kongreßpräsenz in Form zweier vor- läufiger Studien höchste Aktualität. Zugleich wer- den kühne Hypothesen laut: „Die Arteriosklerose ist offenbar primär eine Infektionskrankheit durch Chlamydia pneumoniae“ oder „Langfristig wird es möglich sein, mit einer Schutzimpfung im Kindes- alter dem Herzinfarkt vorzubeugen“ (W. Stille).

Herzinfarkt, Schlaganfall und periphere Durch- blutungsstörungen sind das Endstadium bezie- hungsweise Komplikationen der chronischen Chlamydien-Endarteriitis, schreiben Stille und Just-Nübling aus Frankfurt (5). Zugleich spekulie- ren die Autoren, daß sich die schnelle Restenosie- rung eines Bypasses, der rasche Verschluß einge- setzter Gefäßstützen (Stents) und auch die be- schleunigte Arteriosklerose transplantierter Her- zen durch chronische Chlamydien-Infektion er- klären ließen. Schließlich werden auch regionale Unterschiede der Arteriosklerose-Inzidenz als chlamydienbedingt gedeutet.

Logischerweise würden sich daraus neue Per- spektiven der Antibiotikatherapie ergeben, zum Beispiel die Behandlung der Arteriosklerose mit Tetrazyklinen, Makroliden oder Chinolonen. Hier- bei wäre die mögliche Resistenzentwicklung durch breite Antibiotikaanwendung zu bedenken. Man- cher wird sich noch an die nachteiligen Folgen der (unkritischen) Beigabe von Penicillin zu Zahncre- me und Kaugummi mit konsekutiver Resistenzent-

A-1189

M E D I Z I N EDITORIAL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 18, 2. Mai 1997 (33)

Ist die Koronarsklerose eine Infektionskrankheit?

Gedanken zur Chlamydien-Hypothese

Berndt Lüderitz

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wicklung erinnern! Die Hypothesen und Folgerun- gen mögen naheliegend, plausibel oder vielleicht auch verführerisch sein, bewiesen sind sie nicht.

Allerdings besteht grundsätzlich kaum ein Zweifel daran, daß (Gefäß)-Entzündungen an der koronaren Herzkrankheit und speziell der instabi- len Angina pectoris beteiligt sind. Dafür sprechen auch neuere Untersuchungen aus Boston zur pro- gnostischen Bedeutung von C-reaktivem Protein für das Auftreten von Apoplexie und Herzinfarkt und den günstigen Einfluß von Aspirin bei der In- farktprophylaxe (4): Patienten mit deutlich erhöh- tem C-reaktiven Protein erleiden nämlich offen- kundig wesentlich häufiger einen Herzinfarkt. Die Tatsache, daß das C-reaktive Protein nur bei Ent- zündungen verstärkt vom Organismus gebildet wird, weist darauf hin, daß es sich bei Erkrankun- gen der Herzkranzgefäße um einen (chronisch) entzündlichen Prozeß handelt. Hieraus würde sich konsequenterweise ein Nutzen entzündungshem- mender Medikamente bei der Prävention kardio- vaskulärer Erkrankungen ableiten.

Was not tut, ist die Aufklärung der Pathoge- nese der Arteriosklerose der Koronarien und an- derer Gefäßprovinzen. Ohne Frage ergibt sich ein höchst attraktives, multidisziplinäres Forschungs- feld für Kardiologen, Pathologen, Mikrobiologen und Epidemiologen. – Solange unklar ist, ob Chlamydien die Arteriosklerose tatsächlich aus- lösen oder den Krankheitsverlauf beschleunigen oder aber nur Begleitphänomene darstellen, das heißt Erreger, die im arteriosklerotischen Gewe- be ohne Kausalbezug besonders gut gedeihen, sind therapeutische Konsequenzen nur mit größ- ter Zurückhaltung zu ziehen. Allein in kontrol- lierten Studien kann der Effekt von chlamydien- wirksamen Antibiotika in ihrem Einfluß auf die Arteriosklerose geprüft werden.

Keinesfalls sollten bewiesene und bewährte Prinzipien der Primär- und Sekundärprävention der koronaren Herzkrankheit vernachlässigt oder gar aufgegeben werden. Eine konsequente Vor-

beugung beziehungsweise Ursachenbehandlung des Infarkts umfaßt als unerläßlichen Aspekt pro- phylaktischer Bemühungen ärztlicherseits die Therapie der Risiken Hochdruck, Diabetes, Cho- lesterinerhöhung und patientenseitig Nikotinver- zicht, Gewichtskontrolle, körperliche Aktivität und geregelte Lebensweise einschließlich eines vernünftigen Ernährungsverhaltens. Die Situati- on ist zu ernst, als daß therapeutischen Experi- menten Raum gegeben werden könnte. Noch im- mer stehen die Herzerkrankungen an erster Stel- le der Todesursachenstatistik in der Bundesrepu- blik. Fast jeder zweite Bundesbürger stirbt an Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems.

Erst wenn die „Chlamydien-Hypothese“ wis- senschaftlich zweifelsfrei bewiesen ist, werden auch Skeptiker bereit sein, einer pathophysiolo- gisch begründeten Änderung des derzeitigen Therapieverhaltens zuzustimmen und die An- wendung von Antiobiotika bei koronarer Herz- krankheit ernsthaft in Betracht zu ziehen.

Literatur:

1. Koch K: Pathogenese der Arteriosklerose – Sind Chlamydien auch daran beteiligt? Deutsches Ärzteblatt 1996; 93; A-1736 [Heft 26].

2. Miettinen H, Lehto S, Saikku P, Haffner SM, Rönnemaa T, Py- örälä K, Laakso M: Association of Chlamydia pneumoniae and acute coronary heart disease events in non-insulin depen- dent and non-diabetic subjects in Finland. Eur Heart J 1996;

17: 682–688.

3. Muhlestein JB, Hammond EH, Carlquist JF, et al.: Increased incidence of Chlamydia species within the coronary arteries of patients with symptomatic atherosclerotic versus other forms of cardiovascular disease. J Am Cardiol 1996; 27: 1555–1561.

4. Ridker PM, Cushman M, Stampfer MJ, Tracy RP, Hennekens CH: Inflammation, aspirin, and the risk of cardiovascular di- sease in apparently healthy men. N Engl J Med 1997; 336:

973–979.

5. Stille W, Just-Nübling G: Argumente für eine Antibiotika- Therapie der Arteriosklerose. Chemotherap J 1997; (im Druck).

6. Yarnell J, Evans A: Chlamydia and coronary heart disease.

Eur Heart J 1996; 17: 650–651.

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Berndt Lüderitz

Medizinische Universitäts-Klinik und Poliklinik Sigmund-Freud-Straße 25 · 53105 Bonn

A-1190

M E D I Z I N EDITORIAL/FÜR SIE REFERIERT

(34) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 18, 2. Mai 1997 Die multiple endokrine Neo-

plasie Typ 1 (MEN-1) ist eine fami- liär auftretende Krebserkrankung mit autosomal dominantem Erbgang.

Die betroffenen Patienten erkran- ken mit 94prozentiger Wahrschein- lichkeit bis zum 50. Lebensjahr und leiden an Tumoren der Neben-

schilddrüsen, der Hypothyse und des enteropankreatischen endokrinen Gewebes. Durch positionale Klonie- rung konnte ein Gen auf Chromosom 11q13 identifiziert werden, das in 14 Familien mit dieser Erkrankung mu- tiert ist. Hierbei handelt es sich um ein 610 Aminosäuren großes Protein,

welches zu keinen bislang bekannten Proteinen Homologie aufweist. Die Autoren vermuten, daß das Protein ein Tumorsuppressor ist. me Chandrasekharappa SC et al.: Positional cloning of the gene for multiple endocrine neoplasia-type 1. Science 1997; 276: 404- 406.

FS Collins, Laboratory of Gene transfer, National Institutes of Health, Bethesda, MD 20892, USA.

Identifizierung und Klonierung des MEN-1-Gens

Referenzen

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