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Archiv "Globusgefühl: Ursachen und Behandlung" (07.11.1974)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin KOMPENDIUM

Mißempfindungen in Rachen und Kehlkopf können ein wichtiges In- diz für den seelischen Zustand ei- nes Menschen sein. Von Leer- schlucken und Räuspern aus Ver- legenheit über Trockenheit in Mund und Rachen bis zur Empfin- dung des zugeschnürten Schlun- des im Zustand der Angst gibt es viele Abstufungen. Hierzu gehört auch das transitorische Glo- bus-„Gefühl", das bei vielen Men- schen in bestimmten Situationen auftritt. Wenn dem Lügner das

„Wort in der Kehle steckenbleibt", kann dies eine Kloßempfindung auslösen, genauso wie der Um- stand, daß ein Mensch eine Verän- derung nicht „schlucken", also nicht bewältigen kann.

Die Globusempfindung ist im Laufe der Jahre verschieden interpretiert worden. Neuerdings wird geradezu von einer Renaissance des Krank- heitsbildes gesprochen. Auffällig ist das Auftreten der Symptome nun auch im Kindesalter. In der Hals-Nasen-Ohren-Praxis beträgt der Anteil der Patienten mit einem Globusgefühl etwa ein bis drei Pro- zent, in der Allgemeinpraxis mag er in derselben Größenordnung lie- gen.

Übereinstimmung besteht darüber, daß es sich beim „Kloßgefühl" um eine Mißempfindung vorwiegend im Versorgungsbereich des Nervus glossopharyngeus handelt; die An- sichten über die auslösenden Fak-

toren sind aber sehr unterschied- lich. Die Erfahrung zeigt, daß Pa- tienten mit einem großen langsam gewachsenen Tumor im Rachen oder Kehlkopf diesen häufig nicht wahrnehmen, während heftige Glo- busempfindungen ohne jegliche ört- liche anatomische Veränderung be- stehen können. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es kleinere anatomische Varianten, die bei gleicher Ausprägung beim einen Patienten vielleicht eine Globus- empfindung mitauslösen, beim an- deren aber nicht. Bis jetzt hat sich auch noch keine einheitliche Be- zeichnung endgültig eingebürgert.

Synonyma sind: Globussyndrom, Globus hystericus, Dysphagie, funktionelle Neurose des Pharynx, Epiglottis-Schlund-Neurose, Syn- drom der Pharynxparästhesie, Globus-pharyngeus-Syndrom und andere sind teils noch geläufig.

Symptome

Im Vordergrund der Symptomatik steht das „Kloßgefühl" im Hals, das nach Befragung unserer Pa- tienten sehr variabel beschrieben wird. So ergibt sich bei hundert Patienten die Empfindung in fol- gender Ausprägung, wobei einige Patienten mehrere Symptome an- geben (Tabelle 1).

Etwa in der Hälfte der Fälle wird der empfundene Fremdkörper als festsitzend, in der anderen Hälfte als beweglich, vorwiegend in Schildknorpelhöhe oder darunter,

Globusgefühl:

Ursachen und Behandlung

Helmut Breuninger

Aus der Hals-Nasen-Ohren-Klinik

(Direktor: Professor Dr. med. Dietrich Plester) der Universität Tübingen

In der Sprechstunde des Hals-Nasen-Ohren-Arztes klagen ein bis drei Prozent der Patienten über ein „Kloßgefühl" im Hals. Neuer- dings werden auch von Kindern derartige Beschwerden vorge- bracht. Sieht man von schweren Deformitäten der Halswirbel ab, handelt es sich dabei vorwiegend um eine Mißempfindung als Aus- druck eines Konversionssyndroms, bei der örtliche pathoplasti- sche Faktoren eine untergeordnete Rolle spielen. Lebensangst, Überforderung und Furcht vor Kehlkopfkrebs sind häufige Ursachen für die psychogene Entstehung der Mißempfindung. Die differential- diagnostische Abgrenzung gegen anderweitige Beschwerden in Ra- chen und Kehlkopf ist oft nicht einfach, da enge Beziehungen zur funktionellen Stimmstörung bestehen. Pathoplastische Faktoren in Luft- und Speisewegen müssen vor Beginn der Therapie ausge- schlossen werden, die in schwierigen Fällen dem Psychiater über-

lassen werden sollte.

3234 Heft 45 vom 7. November 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Tabelle 1: Von 100 Patienten angegebene Symptome Kloß, Kugel, Klumpen

Schleimklumpen, Eiterklumpen Rauher Fremdkörper Kernhaus eines Apfels Wunde, Geschwür Ameisenhaufen fest gewordener, ungeformter Schleim Schleimkapsel Strohhalm Korken

Frosch im Hals

ein Stück von einem Apfel

53 flaches Dragäe Kloß, der an einem 11 Gummiband hängt

8 Glasscherben 8 Wurm

5 Faden 3 Verdickung

Stab mit einem 3 Kloß dran 3 Knopf 2 Nuß 2 Erbse 2 Nadelkissen

2 nicht näher definierbar 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 7

Tabelle 2: Auslösende Ursachen

neurogen exogen endogen infektiös Lähmungen

zentral/peri- pher

Glossopharyn geus-Neur- algie Neur- algie des N.

laryngeus superior

Arsen Atropin Beryllium Blei

Morphinderi- vate

A-Avitaminose A-Riboflavino- se

vasokonstrik- torische Nasentropfen Kortikoide

Diabetes Urämie Leberschäden Agranulozyto- se

Angiomatosis- Hand-Schüller Lipidprotei- nose Pemphigus Periarteriitis Sklerodermie M. Sjörgren M. Wegener Granuloma gangraenes- cens

Botulismus Maul- und Klauenseuche Malleus Milzbrand Tetanus

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

empfunden; die Mittellinie ist be- vorzugt befallen. Die Mehrzahl der Patienten schildert die Beschwer- den zusätzlich als Druck oder Wür- gegefühl, seltener als brennenden oder dumpfen Schmerz, noch sel- tener sind Angaben wie Kitzeln, Brennen, Ziehen, Schweregefühl.

In Übereinstimmung mit der Litera- tur ist nach unseren Erhebungen das weibliche Geschlecht mit 73 Prozent der Fälle vorwiegend von dieser Mißempfindung betroffen;

eine gewisse Häufung besteht zwi- schen dem 50. und 60. Lebensjahr.

Etwa die Hälfte der Betroffenen klagt zusätzlich über einen Schluckzwang, der häufig auch von einem Räusperzwang begleitet ist.

Die meisten Patienten geben eine Besserung der Beschwerden oder gar ihr Verschwinden beim Essen und Trinken zu. In Zweidrittel der Fälle trcten die Symptome ab- hängig von der Tageszeit auf, an.

Morgen und Abend und in der Nacht ist die Empfindung beson- ders ausgeprägt. 90 Prozent der Patienten suchen den Arzt in den Monaten November bis März auf.

Nahezu die Hälfte der Kranken weist Zeichen einer vegetativen Dystonie auf. Bei rund der Hälfte der Patienten verstärken sich die Beschwerden bei seelischen Bela- stungen; 65 Prozent der Fälle be- zeichnen sich selbst als nervös, fünf Prozent stehen in psychiatri- scher Behandlung.

57 Prozent unserer Patienten mit Globusgefühl befürchten, an einem Krebs des Kehlkopfes oder der Speiseröhre erkrankt zu sein.

Es sind uns eindrucksvolle „Ende- mien" von Globussymptomatik in kleineren Dörfern bekannt. Sie ent- stehen, wenn ein Mitglied der Ge- meinde an Kehlkopfkrebs erkrankt war und gar daran starb.

Differentialdiagnose

Außer den verschiedenen Formen der Pharyngitis, Epipharyngitis und Tonsillitis mit eindeutig anatomi-

schen Veränderungen, müssen die in Tabelle 2 aufgeführten Krank- heitsbilder als Ursachen von Miß- empfindungen ausgeschlossen wer- den.

Pathoplastische Faktoren

Im Gegensatz zur Literatur spre- chen unsere Erfahrungen dafür, daß örtlichen Veränderungen als pathoplastischen Faktoren eine ge- ringe Bedeutung beizumessen ist.

So wird beispielsweise ein echter

„Globus" durch ein Hämangiom an Mundboden und Zungengrund zu-

nächst ohne Störung ertragen; erst wenn man mit dem Patienten dar- über spricht, wie die Geschwulst am besten zu entfernen ist, setzen sie ein. Erkrankungen von Nase und Nebenhöhlen, langer Uvula, langem Griffelfortsatz, Hyperplasie der Zungentonsille, Deformitäten des Kehldeckels oder Narben nach Strumaoperation lösen im allge- meinen keine subjektiven Sympto- me aus. Wenn nun einmal bei ei- nem solchen Befund über eine Glo- busempfindung geklagt wird, ist es auch für den Erfahrenen ziemlich schwierig, die Bedeutung der peri- pheren Veränderung richtig einzu-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 45 vom 7. November 1974 3235

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Globusgefühl

schätzen. Daß eine Globussympto- matik aber auch durch eine ernst- hafte Krankheit ausgelöst werden kann, ist nicht zu bezweifeln. Von unseren hundert Patienten hatte je- weils einer ein Ösophaausdiverti- kel, ein Aortenaneurysma oder ein Ösophaguskarzinom; vier Prozent hatten einen Kardiospasmus. Diese Erfahrungen verpflichten zu einer exakten Diagnostik einschließlich der Röntgenkontrastuntersuchung des Ösophagus und notfalls zur Ösophagoskopie. Die Häufung des Kardiospasmus spricht für eine enge Beziehung zwischen Globus- gefühl und Hyperkinese im Öso- phagus; teilweise wird ja auch der Kardiospasmus im Sinne eines

„verschluckten Globus" aufgefaßt.

Bei einem Drittel unserer Patienten kommen als auslösende Faktoren Wirbelsäulenveränderungen mit in Frage. Wenn man Patienten mit schweren Veränderungen der Hals- wirbelsäule befragt, gibt zwar mehr als die Hälfte von ihnen eine Glo- busempfindung an, sie tritt aber gegenüber den anderen stärkeren Beschwerden kaum in den Vorder- grund und ist nur ausnahmsweise ein Anlaß, den Arzt aufzusuchen.

Zwischen funktioneller Stimmstö- rung und Globusempfindung beste- hen enge Beziehungen. Bei Patien- ten mit manifester funktioneller Stimmstörung der hyperkinetischen (hyperdynamischen) Form tritt die fast immer vorhandene Globus- empfindung in den Hintergrund;

der Kranke ist stärker um seine ge- störte Stimme besorgt. Anderer- seits überhört der Arzt auch häufig den leichten Mißklang der Stimme, mit der der Patient über eine Glo- bussymptomatik klagt; die funktio- nelle Stimmstörung wird dann als eigentliche Wurzel der Mißempfin- dung verkannt.

Therapie

Den vielschichtigen Möglichkeiten der Auslösung der Beschwerden des Globusgefühls entsprechend, kann eine pauschale Empfehlung für die Therapie nicht gegeben

werden. In einer kontrollierten Gruppe unserer Patienten ließ sich kein statistisch belegbarer Unter- schied in der Wirkung von Place- bo, Kortikoiden und Sedativa ermit- teln. Die Erfolgsquote dieser Wir- kungsprinzipien lag unter 50 Pro- zent.

Die Gabe von Psychopharmaka hat ihre Berechtigung, wenn es nicht gelingt, auslösende Ursachen auf- zudecken. Bei funktionellen Stimm- störungen verschwindet die beglei- tende Globussymptomatik meist unter der Übungsbehandlung.

Im Falle einer Kanzerophobie (häu- fig) kann der Arzt des Vertrauens nach gründlicher Untersuchung eine „kausale" Behandlung versu- chen, indem er die Furcht des Pa- tienten durch sachliche Aufklärung zerstreut. Anderweitige psychoge- ne Ursachen sollten durch den Psychotherapeuten aufgedeckt und behandelt werden.

Die Wirkung lokaler Maßnahmen ist äußerst schwierig zu beurteilen.

Da anatomische Varianten gleicher Ausprägung, wie langes Zäpfchen oder langer Griffelfortsatz in einem Falle ein Globusgefühl auslösen sollen, in vielen anderen aber kei- nerlei Beschwerden hervorrufen, sollte man die Aussichten chirurgi- schen Eingreifens nicht überschät- zen und nur ausnahmsweise operie- ren. Immerhin kann die Injektion eines Lokalanästhetikums, Elektro- stichelung der Zungentonsille oder eine ähnliche, für den Patienten ungefährliche, aber eindrucksvolle Maßnahme die Behandlung unter- stützen. Dadurch wird neben der suggestiven Wirkung beim Patien- ten das Bewußtsein gestützt, daß der Arzt die geklagten Beschwer- den ernst nimmt; sie tragen auf diese Weise noch zur Heilung bei.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Helmut Breuninger 7400 Tübingen

Silcherstraße 5

IN KÜRZE

Diagnostik

Pulmonale Insuffizienz bei Frühge- borenen kann nach Erfahrungen im Höpital Herriot in Lyon deutlich gebessert werden, wenn man der Mutter ante partum im Intervall von 24 Stunden zweimal zwölf Milli- gramm Betamethason injiziert. Um vorzeitige Wehen zu verhindern, wurden gleichzeitig fünf Milli- gramm Salbutamol in 500 Milliliter Glukose intravenös infundiert. Bei allen Frauen war die vorzeitige Entbindung (in der 37. Woche post menstruationem) aus gynäkologi- schen Indikationen notwendig.

Während 20 Prozent der Frühge- burten einer Kontrollgruppe ohne Kortikoid-Behandlung infolge man- gelnder Entfaltung der hyalinen Membranen eine pulmonale Insuffi- zienz aufwiesen, wurde diese Rate durch die Injektion auf 4,4 Prozent heruntergedrückt. Nebenwirkun- gen, wie sie gelegentlich in der Literatur beschrieben worden sind, traten in Lyon nicht auf. HH (Fargier, P., et al.: Nouvelle Presse Mödicale 25 [1974] 1595-1597)

Anorektale Erkrankungen bei Kin- dern lassen sich heute mit Hilfe der Elektromanometrie genauer als bisher differenzieren. Dabei wer- den die Drücke in drei offenen, wassergefüllten Polyvenylkathetern gemessen. Die Katheter werden im Rektumsigmoid, im Rektum und im Anorektum plaziert. Durch Stimula- tion des Rektumsigmoids werden dann Defäkationen ausgelöst und die auftretenden Druckschwankun- gen registriert. Mit den so festge- stellten Parametern sind Rück- schlüsse auf die pathologischen Kontinenzmechanismen in den ver- schiedenen Organstrukturen mög- lich. Mit der Methode läßt sich si- cherer entscheiden, ob ein Mega- colon congenitum, eine Anal- sphinkterachalasie oder eine chro- nische Obstipation vorliegen. he (Holschneider, A. M.: Münch. med.

Wschr. 116 [1974] 1129-1138)

3236 Heft 45 vom 7. November 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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