P O L I T I K AKTUELL
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igentlich wollte ich Reiseleite- rin werden, weil ich gern unter- wegs sein möchte“, berichtet die 14jährige Supaniav, „aber meine Eltern sind einfache Reisbau- ern in Thailand. Wir haben nicht ge- nug Geld, darum kann ich kein Abitur machen. Ich werde mir wohl eine Stel- le in der Verwaltung suchen müssen.“Supaniav ist froh, daß sie nach dem Ende der Grundschule wenig- stens die Möglichkeit hat, für drei weitere Jahre die Schule zu besuchen.
Dann hat sie eine Ausbildung, die in etwa der mittleren Reife entspricht, und damit ist eine Stelle in der Ver- waltung gar nicht mehr unrealistisch.
Daß sie die Schule besuchen konnte, verdankt sie der von der Or- ganisation terre des hommes unter- stützten Initiative „Econorth“, die Stipendien an Mädchen aus beson- ders armen Familien zahlt. Das wich- tigste Anliegen der Initiative ist es, die Mädchen vor dem Weg in die Pro- stitution zu bewahren. Denn der arme Norden des Landes ist das Hauptre- krutierungsgebiet für Thailands Kin- derprostitution. Zahlreiche Mädchen werden nach dem Abschluß der Grundschule in die Bordelle von Bangkok und Pattaya geschickt.
Die häufigste Ursache für Kin- derprostitution ist, so terre des hom- mes, das Auseinanderbrechen der Fa- milien. Die Kinder glauben, auf der Straße eine bessere Zukunft für sich finden zu können. Weitere Ursachen seien die extreme Armut und die Landflucht. Die Migrantenfamilien fänden in den Städten keine Stelle, viele Väter werden zu Alkoholikern, und die Mütter würden sich schließ- lich prostituieren, um Geld für die Fa- milie anzuschaffen. Irgendwann ent- schlössen sich dann auch die Töchter, der Trostlosigkeit zu entfliehen.
Die Organisation terre des hommes engagiert sich in vielfältiger Weise gegen die Kinderprostitution:
1Sie unterstützt Rehabilitati- onszentren und Ausbildungsprojekte für ehemalige Kinderprostituierte in verschiedenen Ländern Afrikas, La-
teinamerikas und Asiens. So bietet beispielsweise das Projekt Econorth Alternativen an. Die Eltern bekom- men Hilfe in der Landwirtschaft, ihre Töchter ein Schulstipendium. Außer- dem werden sie über Prostitution und AIDS aufgeklärt, und sie erhalten ein
kleines Startkapital für eine eigene Existenz.
1Neben diesen Programmen versucht die Organisation eine sinn- volle Präventionsarbeit gegen Kin- derprostitution zu leisten. „Erstens ist es gelungen, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren, daß auch deutsche Touristen Kinder sexuell mißbrau- chen; zweitens wurde im September 1993 eine Gesetzesänderung verab- schiedet, nach der sich diese Täter nun auch dann nach deutschem Recht
strafbar machen, wenn die Tat im Ausland stattfindet“, berichtet die zu- ständige terre des hommes-Fachrefe- rentin Christa Dammermann. Sie be- dauert allerdings, daß die Umsetzung dieses Gesetzes sehr zu wünschen übrig ließe. Terre des hommes sei des- halb weiterhin bemüht, politische Entscheidungen für eine wirksame Täterverfolgung zu erreichen.
1Außerdem wurden Vereinba- rungen zwischen der Kinderrechtsor- ganisation und großen deutschen Reiseunternehmen getroffen, die sich verpflichten, keine Kinderpro- stitution in ihren Vertragshotels zu dulden.
1Schließlich treffen sich vom 27. bis 31. August in Stockholm Re- gierungsvertreter und Nichtregie- rungsvertreter zum ersten „Weltkon- greß gegen kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern“. Für diese Konferenz haben ehrenamtliche terre des hommes-Gruppen Tücher be- druckt, bestickt und bemalt. „Diese wollen wir dort präsentieren – als Zei- chen für unsere Solidarität mit den Kindern, die in die Prostitution ge- zwungen werden“, sagt Christa Dam- mermann.
1In einer von Studiosus-Rei- sen finanzierten bundesweiten Pla- kataktion bittet terre des hommes schließlich um Spenden für die Pro- jekte gegen die Kinderprostitution.
Weitere Informationen und Fol- der, die in Arztpraxen ausgelegt werden können, sind erhältlich bei terre des hommes, Ruppenkamp- straße 11a, 49084 Osnabrück, Tel 0 18 03/20 12 02. Bankverbindung:
Osnabrücker Volksbank, Konto 700, BLZ 265 900 25, Stichwort: Kinder- prostitution. Gisela Klinkhammer A-2069 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 33, 16. August 1996 (17)
Rehabilitation, Aufklärung und Prävention
Weltweit werden nach Angaben der Kinderrechtsorganisation „terre des hommes“
mehr als eine Million Kinder in die Prostitution gezwungen. Allein aus Deutschland kom- men rund 100 000 Sextouristen nach Thailand. Von ihnen suchen etwa zehn Prozent Sex mit Kindern. Der erste Weltkongreß gegen die kommerzielle Ausbeutung von Kin- dern wird vom 27. bis 31. August in Stockholm stattfinden. Dort sollen unter anderem Initiativen entwickelt werden, um Kindern ein Leben ohne Prostitution zu ermöglichen.
Kinderprostitution
Junge Prostituierte in Boa Vigem/Recife
Foto: Uwe Pollmann