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n einigen Kassenärztlichen Ver- einigungen (KV Schleswig-Hol- stein, KV N ordbaden, KV Hes- sen) ist die Überzeugung ge- reift, daß äntliche Qualitätszirkel eine sehr effektive Maßnahme zur Ver- besserung von Qualität und Wirt- schaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung sind. Sie folgen damit in- ternationalen Forschungsergebnis- sen.Das "Journal of the American Medical Association" (JAMA) vom September 1992 widmet ein ganzes Heft der Continuing Medical Educati- on (CME), also der ärztlichen Fort- bildung. Manning hebt dort hervor, daß in die Fortbildung die Beobach- tung und Analyse des Geschehens in der Praxis der fortzubildenden Ärzte einbezogen werden muß. Datenbasis sollten Abrechnungsdaten und Re- zepte sein.
Mit den jetzt vorliegenden Er- gebnissen der Begleitforschung zu einem Modellversuch "Pharmako- therapiezirkel" wird die Wirksamkeit ärztlicher Qualitätszirkel belegt.
Dieser Modellversuch wird im Rah- men des "Forschungsschwerpunktes Primärmedizinische Versorgung"
der Medizinischen Einrichtungen der Heinrich-Beine-Universität Düs- seldorf (Leitung: Priv.-Doz. Dr. med.
Liselotte von Ferber und Prof. Dr.
Luciano Alberti) von der Kassen- ärztlichen Vereinigung Hessen, Frankfurt/Main, mit dem Ziel durch- geführt, ein breitenwirksames In- strument zu entwickeln, das Ärzte vor dem Regreß bewahrt und die Qualität der Arzneimitteltherapie verbessert. (V gl. Deutsches Ärzte- blatt, Heft 8/1992, 11Kurzberichte").
Wir haben in Ubereinstimmung mit den internationalen Empfehlun- gen für das Modell der ärztlichen Pharmakatherapiezirkel das Ziel, Ärzte aus Einsicht und Überzeugung dazu zu veranlassen, eine rationale und optimale Therapie zu wählen.
Der Qualitätszirkel besteht aus 10 bis 15 Ärzten und zwei Beratern: ein klinischer Pharmakologe, ein Beglei- ter des gruppendynamischen Prozes- ses. Die Arbeit erfolgt in vier Schrit- ten:
1. Vermittlung von pharmakolo- gischem Wissen. Sie ist eine notwen- dige Voraussetzung, aber keine hin-
DEUTSCHES
AAZTEBLATT
KURZBERICHT
reichende Garantie für eine Verän- derung des Verordnungsverhaltens im Sinne einer rationalen Pharma- kotherapie.
2. Beobachten und Analysieren des alltäglichen Verordnens auf der Grundlage der eigenen personenbe- zogen erfaßten Rezepte, um Klarheit über die Entscheidungen beim Aus- stellen der Rezepte zu erhalten.
3. Gegenseitige Beratung in den Verordnungsproblemen und Ent- wicklung von Leitlinien, die die be- sondere Situation der primärärztli- chen Versorgung berücksichtigen.
4. Wiederholte Verordnungs- analysen verstärken den Trainings-
Pharmako- therapieberatung
in ärztlichen Qualitätszirkeln
und Lerneffekt der Qualitätszirkel- arbeit und ermöglichen die Beurtei- lung von Effektivität und Effizienz des Pharmakotherapie-Zirkels.
Für die Evaluation der Effektivi- tät wurden die Rezepte jedes Teil- nehmers des Qualitätszirkels von zwei Quartalen jeweils vor und nach der Qualitätszirkelarbeit (Quartal li 1989/II 1990) verglichen.
Das Ergebnis der Evaluation des Qualitätszirkels zeigt, daß insbeson- dere die häufig verordneten Arznei- mittelgruppen, für die nach wissen- schaftlichen Erkenntnissen ein the- rapeutischer Nutzen entweder frag- lich (zum Beispiel: Vasodilatatoren) oder risikoreich (zum Beispiel: Kom- binationspsychopharmaka) ist, nach einem Qualitätszirkel-Zyklus ratio- neller verordnet werden. Vasodilata- toren wurden um 20 Prozent seltener verordnet, Kombinationspsycho- pharmaka sogar um 27 Prozent weni- ger. Benzodiazepine wurden dage- gen nicht seltener, sondern rationel- ler verordnet. Es wurden seltener Wiederholungsrezepte ausgestellt und preiswertere Präparate gewählt.
~ Die Evaluation der Wirt- schaftlichkeit der Verordnungsweise ergab erhebliche Einsparungen, die vor allem auf eine verringerte Ver- ordnungshäufigkeit bei alten Patien- ten zurückzuführen ist. Weniger Pa- tienten erhielten weniger Verord- nungen. Dagegen waren die Einspa- rungen nur zu einem minimalen An- teil das Ergebnis der Verordnung preiswerterer Präparate.
Die Einsparungen bezogen sich auf 11 Ärzte im Qualitätszirkel und deren 12 800 Patienten eines Quar- tals. Diese Patienten erhielten im 2.
Quartal 1989 Arzneimittel im Wert von 1 548 000 DM; im 2. Quartal 1990 Arzneimittel im Wert von 1359 000 DM.
Nimmt man alle vier Quartale zusammen und geht man davon aus, daß das 2. Quartal jeweils dem Jah- resdurchschnitt am nächsten kommt, haben die 11 Ärzte in einem Jahr 991 000 DM gespart. Dabei wurde die allgemeine durchschnittliche Umsatzsteigerung je Arzt um 3,8 Prozent in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. "Arzneimittel-Re- port 1991") berücksichtigt. Jeder Arzt reduzierte sein Verordnen um durchschnittlich 90 000 DM.
Vor allem die hochverordnen- den Ärzten verringerten ihren Um- satz. In der Gruppe kam es aller- dings auch zu einer Allgleichung der Verordnungsweise: Die ursprünglich sparsamsten Verordner verschrieben nach einem Jahr etwas mehr.
Qualität und Wirtschaftlichkeit der Arzneitherapie können im Qua- litätszirkel nachhaltig (über minde- stens ein Jahr) verbessert werden.
Voraussetzung ist eine Arzneimittel- anwendungsanalyse und ein kontinu- ierliches Verordnungstraining. Kurz- fristige Beratungen führen nur zu kurzfristigen Veränderungen. Die Gruppendynamik muß zur Unter- stützung der Fortbildungsziele ge- nutzt werden.
Privat-Doz. Dr. med.
Liselotte von Ferber Prof. Dr. Luciano Alberti
Zentrum Medizinische Psychologie, Soziologie und Statistik
Universität Düsseldorf Moorenstraße 5 W -4000 Düsseldorf 1
Dt. Ärztebl. 90, Heft 3, 22. Januar 1993 (37) A1-109