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Archiv "Zinsbesteuerung im Parteienstreit" (15.05.1992)

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Zinsbesteuerung im Parteienstreit

Die ordnungspolitische Leistung des Staates besteht in einer begrün- deten Selbstbeschränkung. Die Rückkehr zum Wesentlichen, was mit Sozialpolitik gemeint war, ist an- gezeigt. Dies erfordert einen unge- heuren Mut der Politik. Der Staat, will er sich nicht selbst überfordern, hat sich auf die wirklich sozial Schwachen und sozial Bedürftigen zu konzentrieren: Die künftige poli- tische Leistung besteht nicht im Aus-, sondern im Abbau von (Über-) Versorgung.

Unser Handeln und unsere Inve- stitionen müssen auf die Zukunft ori- entiert sein. Die Zukunft liegt in un- seren Kindern. Eine gesunde Fami- lie ist die beste Voraussetzung für ei- ne erfolgreiche Sozialpolitik. Die Zerrüttung unserer ersten Sozialbe- ziehung führt zu einer solchen Fülle von späteren Sozialkosten, daß dar- an allein unser Staat ersticken wird.

Die Eigenhilfe muß gestärkt werden. Auch die ärztliche Selbst- verwaltung unterliegt ständigen staatlichen Anfechtungen: Eine ärzt- liche Selbstverwaltung unter einer ri- giden Fachaufsicht mit Weisungs- recht des Staates beispielsweise kann ich mir nicht vorstellen. Nur die Ei- genverantwortung oder in größerem Maßstab die Selbstverwaltung weckt Kräfte des privaten Engagements und des Verantwortungsempfindens.

Die meisten Probleme lassen sich vor Ort von den Betroffenen und den Fachkundigen besser lösen als von abstrakten und zentralen Schreibti- schen der Bürokratie.

Der Staat sollte sich auf seine wesentlichen Pflichten zurückziehen und das Individuum seine Verant- wortung für das Ganze erkennen.

Ich schließe mit dem Wort von Vandenberg: „Es geht nicht darum, Wohlstand zu verteilen, sondern Chan- cen."

Dt. Arztebl. 89 (1992) A 1 -1827-1832 [Heft 20]

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Horst Bourmer Präsident

der Ärztekammer Nordrhein Tersteegenstraße 31

W-4000 Düsseldorf 30

Die SPD setzt auf ein System von Kontrollmitteilungen Die vom Bundesverfassungsge- richt verlangte Neuordnung der Zinsbesteuerung droht in den Partei- enstreit zu geraten. Im Finanzaus- schuß des Bundesrates haben die SPD-regierten Bundesländer eine Entschließung durchgesetzt, in der in Bausch und Bogen der Gesetzent- wurf der Bundesregierung für die Einführung einer „Zinsabschlags- steuer" abgelehnt wird. Das Plenum des Bundesrates, in dem die SPD ebenfalls über die Mehrheit verfügt, wird am 15. Mai diese Stellungnah- me der Länderfinanzminister bestä- tigen. Alles andere wäre eine Über- raschung. In Bonn gilt damit als si- cher, daß es Ende Juni/Anfang Juli über den Regierungsentwurf zu ei- nem Vermittlungsverfahren kom- men wird. Das Ergebnis ist nicht vor- auszusehen.

Im Kern geht der Streit darum, ob die Zinseinnahmen, wie die Re- gierung dies will, durch eine modifi- zierte Quellensteuer belastet oder aber durch bürokratische Kontroll- verfahren steuerlich erfaßt werden sollen. Die SPD verlangt zumindest Stichprobenkontrollen; damit aber stünde das Bankgeheimnis in Deutschland zur Disposition. Der Gesetzgeber steht unter einem enor- men Zeitdruck; er muß bis zur Som- merpause Klarheit schaffen, sonst kann die neue Zinsbesteuerung nicht, wie vom Verfassungsgericht gefordert, zum Jahreswechsel in Kraft gesetzt werden. Finanzverwal- tung und Kreditwirtschaft brauchen eine Vorlaufzeit von einem halben Jahr.

Die Auflagen des

Bundesverfassungsgerichts Das Verfassungsgericht hatte mit einem Urteil vom 27. Juni 1991 den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 1. Januar 1993 dafür zu sorgen, daß die Zinseinkünfte nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich

Verbesserungen bei der Altersvorsorge gefährdet gleich belastet werden. Der Gesetz- geber dürfe dabei die gesamtwirt- schaftlichen Anforderungen an Ka- pitalvermögen und Kapitalerträge sowie die Tatsache berücksichtigen, daß Geldvermögen besonders inflati- onsanfällig sind. Auch könne die Ka- pitalbildung als „Quelle der Alters- versorgung" oder als sonstige exi- stenzsichernde Versorgungsgrundla- ge gesondert gewürdigt werden. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber darf nach Regelungen suchen, die der Kapitalflucht entgegenwirken, und er darf Regelungen treffen, die dem hohen Inflationsrisiko von Geldvermögen Rechnung tragen.

Beispielhaft hat das Gericht dar- auf verwiesen, daß daran gedacht werden könne, die Zinseinkünfte ei- ner Quellensteuer von etwa 25 Pro- zent zu unterwerfen, mit der alle steuerlichen Verpflichtungen abge- golten wären. Die Koalition ist die- ser Anregung nicht gefolgt, weil sie den Vorwurf fürchtete, damit die großen Geldvermögen steuerlich zu begünstigen. Die Koalition hat in ih- rem Entwurf drei Akzente gesetzt:

Der Regierungsentwurf

• Der Sparerfreibetrag wird von 600/1200 DM (Alleinstehende/

Verheiratete) auf 6000/12 000 DM verzehnfacht. Damit werden etwa 80 Prozent der jetzt noch Steuerpflichti- gen von der Zinssteuer freigestellt.

Der Sparer hat gegenüber seinem.

Kreditinstitut einen Freistellungsan- trag zu stellen, damit Zinseinkom- men bis zur Höhe des Freibetrages erst gar nicht in die Besteuerung ein- bezogen werden. Dies ist ein aufwen- diges Verfahren, das sich jedoch ein- spielen könnte. Die Finanzbehörden sollen prüfen können, daß die Frei- beträge nicht mehrfach bei verschie- denen Kreditinstituten in Anspruch genommen werden. Das Bankge- heimnis wird dadurch nicht tangiert.

Bei der Vermögensteuer wird der A1 -1832 (32) Dt. Ärztebl. 89, Heft 20, 15. Mai 1992

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Freibetrag von 10 000 auf 100 000 Mark verbessert und der Altersfrei- betrag bei 50 000 Mark vereinheit- licht. Für den Erbfall wird ein Freibe- trag von 100 000 Mark vorgeschlagen.

e

Die Zinseinkünfte, die über den Sparerfreibetrag hinausgehen, werden von der auszahlenden Stelle durch einen Steuerabschlag von 25 Prozent gekürzt. Diese Zinseinkünf- te sind in der Steuererklärung anzu- geben; die an der Quelle abgeschöpf- te Steuer ist im Veranlagungsverfah- ren auf die Einkommen- oder Kör- perschaftsteuer anrechenbar. Die Abzugspflicht besteht nicht für Zins- zahlungen aufgrund von Privatdarle- hen oder für die Zahlung von Schuldzinsen an Banken. Auch wer- den Zinszahlungen an Steuerauslän- der vom Steuerabzug ausgenommen, um den Zustrom ausländischen Ka- pitals nicht zu behindern. Die Zinsen auf Girokonten, die mit nicht mehr als ein Prozent verzinst werden, so- wie Stückzinsen sollen nicht der Quellenbesteuerung unterworfen werden.

e

Die Altersvorsorge soll durch folgende steuerliche Verbesserung gefördert werden: Der Vorwegab- zugsbetrag bei den Sonderausgaben wird von 4000/8000 Mark auf 6000/12 000 Mark erhöht. Dies kommt vor allem den Selbständigen und Freiberuflern zugute. Der Ar- beitgeberanteil zur Sozialversiche- rung bleibt künftig bis zu 16 Prozent (bisher 12 Prozent) des Bruttoent- gelts steuerfrei. Der allgemeine Höchstbetrag für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen wird von 2340/4680 Mark auf 2610/5220 Mark angehoben; entsprechend wird auch der zusätzliche halbe Höchstbetrag verbessert. Gemildert werden soll auch die Besteuerung der Altersein- künfte: der Versorgungs-Freibetrag wird von bisher 4800 Mark auf 6000 Mark und der Altersentlastungsbe- trag von derzeit 3720 Mark ebenfalls auf 6000 Mark angehoben.

Die SPD bringt folgende Argu- mente gegen das Regierungskonzept vor: Das Verfassungsgericht habe ge- rügt, daß der steuerunehrliche Bür- ger gegenüber dem steuerehrlichen begünstigt werde. Das sei nach dem Entwurf auch künftig so, wenn die Zinseinkünfte über den Freibetrag

Zinsbesteuerung wird neu geregelt

Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Juni 1991)

- Gesetzentwurf der Bundesregierung - Vorteile für Steuerbürger:

Neuer Sparerfreibetrag (in Klammern bisherige Sätze) Alleinstehende (600 DM) .,_ 6.000 DM Zinsen/Jahr Verheiratete (1.200 DM) .,_ 12.000 DM Zinsen/Jahr Neue Freibeträge für Kapitalvermögen

Vermögenssteuer (10.000 DM).,_ 100.000 DM Erbschaftssteuer (10.000 DM).,_ 100.000 DM Neue Regelung für steuerliche Berücksichtigungen von Vorsorgeaufwendungen

Grundhöchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen/Jahr Alleinstehende (2.340 DM) .,_ 2.610 DM Verheiratete (4.680 DM) .,_ 5.220 DM

• Sonderausgaben Vorwegabzug

Alleinstehende (4.000 DM) .,_ 6.000 DM Verheiratete (8.000 DM).,_ 12.000 DM steuerfreier Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung berücksichtigt bis zu 16% (bisher 12%)

• Allgemeine Höchstbeiträge für Vorsorgeaufwendungen

Kreditinstitute führen Zinsabschlag direkt an

den Fiskus ab

Alleinstehende .,_ plus 405 DM Verheiratete .,_plus 810 DM

• Entlastung von Alterseinkünften

Versorgungsfreibetrag (4.800 DM) .,_ 6.000 DM Altersentlastungsbeitrag (3.720 DM) .,_ 6.000 ~M

hinausgingen und der individuelle (Grenz-)Steuersatz mehr als 25 Pro- zent betrage. Der Entwurf sehe näm- lich keine Kontrollmitteilungen der Kreditinstitute an die Finanzbehör- den vor, und die Bestimmungen in der Abgabenordnung über den Schutz des Bankgeheimnisses wür- den nicht verändert. Steuerpflichtige mit einem individuellen Steuersatz von mehr als 25 Prozent, die ihre Zinseinnahmen nicht gegenüber dem Finanzamt erklärten, machten sich zwar weiterhin der Steuerhinter- ziehung schuldig; deren Aufdeckung und Ahndung werde aber weitge- hend verhindert. Für die Bezieher höherer Zinserträge bleibe die Hin- terziehung von Zinseinkünften wei- terhin "gefahrlos und attraktiv", heißt es in der Stellungnahme des Bundesrats-Finanzausschusses. Der Steuerehrliche werde weiterhin gleichheitswidrig benachteiligt. Die SPD-Bundestagsfraktion kritisiert noch, daß der Sparerfreibetrag nicht nur für Zinsen, sondern auch für Di- videnden und andere Einkünfte aus Kapitalvermögen gelten soll.

Sollte der Bundesrat die Emp- fehlung seines Finanzausschusses übernehmen, womit zu rechnen ist, so sind auch die Verbesserungen bei der Altersvorsorge und der Besteue- rung der Alterseinkommen gefähr- det. Diese Entlastungsmaßnahmen seien angesichts des "allgemeinen fi-

nanzpolitischen Handlungsbedarfs nicht als unabweisbar vordringlich anzusehen". Wichtiger sei die Risi- kovorsorge für die Finanzierung der anstehenden Erhöhung des Grund- freibetrages. Auch sei die Finanzie- rung der zugesagten weiteren Ver- besserung des Familienlastenaus- gleichs sicherzustellen, heißt es in der Beschlußvorlage der SPD-Fi- nanzminister, in der die Regierung aufgefordert wird, einen neuen Ge- setzentwurf vorzulegen, der die auf- gezeigten Mängel vermeide und dem Urteil des Verfassungsgerichts nicht widerspreche.

Die Koalition hat die Einwände der SPD ernst zu nehmen. Sie haben teilweise einen sachlich begründba- ren Kern. Dennoch wird man das verfassungsrechtliche Risiko des vor- liegenden Gesetzentwurfs nicht hoch veranschlagen müssen. Das weiß auch die SPD. Die Schärfe ihrer Kri- tik ist daher vor allem als politisch und ideologisch motiviert zu betrach- ten. Sie will demonstrieren, daß die Koalition sie für die Gesetzgebung braucht. Die Koalition könnte ihr beim Steuersatz entgegenkommen.

Ein Quellensteuersatz von 30 Pro- zent würde das Gesamtkonzept noch nicht in Frage stellen, wohl aber die Verwaltungsprobleme vergrößern.

Aber auch die SPD wird am Ende die Neuordnung nicht scheitern las-

sen können. wst

Dt. Ärztebl. 89, Heft 20, 15. Mai 1992 (35) Ac1833

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