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Archiv "Rauchen: Keine Sucht, sondern ein Laster?" (26.09.1991)

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Rauchgewohnheiten in Deutschland

gelegentliche Raucher

regelmäßige Raucher 15-20 29-25 25-30 30-35 35-40 40-45 45-50 50-55 55-60 60-65 65-70 70-75 75und

Quelle: Statistisches Bundesamt Lebensaltersgruppe älter

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Die Rauchgewohnheiten der Bundesbürger unterscheiden sich je nach Geschlecht deut- lich. Wie die Ergebnisse des Mikrozensus zeigen, rauchen wesentlich weniger Frauen als Männer; dies trifft besonders auf die älteren Jahrgangsgruppen zu.

Rauch .. Keine Sucht,

Rauche n : sondern ein Laster?

den Betroffenen eine schwere psy- chische Belastung", sagte die Ärztin für Pathologie und medizinische Ge- netik. Dr. Manuela Koch (Universi- tät Marburg) schilderte die vielen Konflikte konkret am Beispiel der Chorea Huntington, wo „die Diagno- se das Todesurteil bedeutet, da die Krankheit nicht therapierbar ist".

Die Unausweichlichkeit der Lebens- situation könne zu schweren Krisen auch in der Familie führen, zum Bei- spiel wenn die Erkrankung von Vor- fahren verschwiegen wurde, wenn Geschwister betroffen seien und vie- les mehr. Dr. Koch plädierte jedoch dafür, daß ein Berater stets vorbe- haltlos informieren, aber den oder die Betroffenen auch vorbereiten müsse. Ein „Muß" in der Testphase ist nach Auffassung der Ärztin die psychotherapeutische Unterstüt- zung.

Gendiagnostik — psychische Belastung Dr. med. Astrid Bühren (Uni- versität des Saarlandes) verwies in ihrem Beitrag zur pränatalen Dia- gnostik auf die Ergebnisse einer Be- fragung von Eltern einer Tochter mit Ullrich-Turner-Syndrom. Daran wurde sehr konkret sichtbar, wie pro- blematisch auch diese Variante der prädiktiven Medizin ist. Während beispielsweise manche Eltern ihre frühzeitige Kenntnis der Behinde- rung positiv beurteilten, wünschten sich andere nachträglich, während der Schwangerschaft noch nichts ge- wußt zu haben. Während einige Paa- re die Belastung durch die Behinde- rung ihrer Tochter eher als leicht oder mittelschwer einordneten, fühl- ten sich andere schwer belastet.

Deutlich wurde an dieser und an anderen Stellen in der Diskussion um Fluch oder Segen genetischer Bera- tung erneut, daß viele Konflikte ein- fach nicht zu lösen sind. Und zusätz- lich wiesen Ärztinnen darauf hin, daß auch die prädiktive Medizin einge- bunden sei in Vergangenheit und Zu- kunft, das heißt: in die eugenischen Zielsetzungen des Nationalsozialis- mus und in zweifelhafte gesellschaft- liche Anforderungen an die Men- schen der Zukunft. Sabine Dauth

Kaufsucht, Spielsucht, Arbeits- sucht, Fernsehsucht; und so weiter und so fort — wohin man auch blickt, überall werden neue Süchte ent- deckt. Nur, ist es auch richtig und angemessen, von immer mehr Ge- wohnheiten und auch Lastern des alltäglichen Lebens als Abhängigkei- ten zu sprechen? Wo befindet sich dann die Grenze zwischen Leiden- schaft und Sucht? Und vor allem:

Was unterscheidet dann Genußmit- tel von gefährlichen Rauschgiften wie Drogen? Mit diesen Fragen be- schäftigten sich auf einer drogenpoli- tischen Veranstaltung des Deut- schen Grünen Kreuzes in München Suchtexperten aus Wissenschaft und Praxis.

So wollte der Freiburger Medi- zinsoziologe Prof. Dr. Jürgen von Troschke selbst bei der schlechten Angewohnheit des Rauchens entge- gen der landläufigen Meinung nicht von Sucht reden. Das sei wissen- schaftlich nicht haltbar, zumal Rau- chen ein „erlerntes Verhaltensmu- ster" sei, das man „ohne fremde Hil- fe dauerhaft aufgeben" könne. Wür- den Raucher aber in einen Topf mit

Süchtigen geworfen, so biete man ih- nen gleichzeitig auch einen Ent- schuldigungsgrund für ihr — bewußt gesundheitsschädigendes — Verhal- ten. „Ich wäre auch viel lieber Nicht- raucher, kann aber nicht anders", laute deshalb oft die Antwort eines Rauchers, wenn er sich zu dem „fal- schen Vorwurf der Abhängigkeit"

bekennt. Anstatt die Freunde des blauen Dunstes in ihrer „passiv-re- signativen Einstellung" zu bestärken, empfahl von Troschke, ihnen lieber Mut zu machen, sich das Rauchen — auch wiederholt — abzugewöhnen.

Die Vermischung von Sucht und Gewohnheit führe aber auch zu ei- ner Verharmlosung der gesellschaft- lichen Probleme mit illegalen Dro- gen, stellten die Teilnehmer der dro- genpolitischen Veranstaltung fest.

Wenn die Grenzen nicht klar genug gezogen werden, verlören vor allem Jugendliche leicht die Orientierung und damit auch das Unrechtsbe- wußtsein gegenüber dem Konsum von Haschisch und anderen Rausch- giften. Der Stuttgarter Kriminaldi- rektor Klaus Mellenthin vom Lan- deskriminalamt Baden-Württemberg

Dt. Arztebl. 88, Heft 39, 26. September 1991 (23) A-319

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Krankenhäuser:

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

ER K MMENTA

sieht in diesem Zusammenhang gro- ße Probleme bei der Drogenbe- kämpfung. Politische Vorstellungen, denen zufolge Zigaretten künftig als

„abhängigmachend" eingestuft wer- den sollen, bezeichnete er als „nicht hilfreich".

Auch der übergroße Hang zum Spielen an Geldautomaten sollte nicht mit Sucht verwechselt werden.

Dafür machte sich der Münchner Psychologe Dr. Christoph von Quast stark. Falsch sei insbesondere, daß Risiko- und Sonderspielsysteme suchterzeugend seien. Von Quast mochte die rund 8000 „Viel-Spieler"

in der Bundesrepublik eher als „Pro- blemspieler" im Unterschied zu „Ge- legenheitsspielern" bezeichnen. Der Psychologe berichtete von eigenen Untersuchungen bei Spieler-Selbst- hilfegruppen: In keinem Fall ließen sich typische, mit einem Suchtbild verknüpfte Eigenschaften nachwei- sen. Wenn sich Problemspieler den- noch selbst als „süchtig" einschätz- ten, so deute dies auf ein von außen erwartetes Eingeständnis hin. Eine solche Selbstbezichtigung passe im übrigen gut zu den Persönlichkeits- merkmalen des Problemspielers: Er fühlt sich belastet und zeigt starke Züge eines von außen geleiteten Charakters. Werden Viel-Spieler nun fälschlicherweise als Süchtige verurteilt, so bleiben die neuroti- schen Störungen unentdeckt, die dem Symptom zugrundeliegen, warnte von Quast. Es gelte vielmehr eine Therapie einzuleiten, die auf die ursächlichen Probleme des Be- troffenen eingeht.

Um eine gute Vorbeugung vor einer wirklichen Sucht zu ermögli- chen, sollten die politischen Ent- scheidungsträger „endlich die wis- senschaftlichen Erkenntnisse be- rücksichtigen", forderte schließlich die Leiterin der Bayerischen Landes- stelle gegen die Suchtgefahren, Ant- je Krüger. Sie bekräftigte, daß zu- nächst einmal zwischen Rauschmit- teln und Genußmitteln klar unter- schieden werden müsse. Deshalb sollten die öffentlichen Mittel auch für längerfristige Veränderungspro- zesse, für eine wirkliche Vorbeugung vor Drogenmißbrauch anstatt für einzelne, öffentlichkeitswirksame Maßnahmen eingesetztwerden. hem

W

ie einst Diogenes mit der Laterne wollen Berufene und weniger Berufene das leistungs- und kostenintensive Kran- kenhaus nach weiteren Wirtschaft- lichkeits- und Rationalisierungsre- serven durchleuchten. Vor dem jüngsten „Ersatzkassenforum 1991"

unter dem Motto „Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus" war die Rede da- von, daß mit einiger Findigkeit und vor allem bei einer auf mehr Spar- samkeit ausgerichteten Finanzie- rungsmechanik mit Leichtigkeit rund fünf bis zehn Prozent des derzeitigen Gesamtbudgets für stationäre Lei- stungen in Höhe von 44 Milliarden DM (nur die 3070 Krankenhäuser in

Westdeutschland berücksichtigt) mit der Sparzwinge herausgequetscht werden könnten. Andererseits sei ein erneuter Ausgabenschub bis zu 15 Milliarden DM pro Jahr zu erwar- ten, wenn tatsächlich der von der Gewerkschaft ÖTV großzügig ge- schätzte Bedarf allein im Pflegebe- reich (bis zu 200 000 Kräfte) maxi- mal erfüllt würde.

Einen „Rettungsanker" warf beim Bonner Forum Prof. Dr. med.

Michael Arnold, Vorsitzender des Sachverständigenrates für die Kon- zertierte Aktion im Gesundheitswe- sen. Der Tübinger Professor sieht das Heil von mehr Effektivität und Effizienz in der Krankenhauswirt- schaft nicht nur in einer Systemum- stellung bei der Leistungs- und Ko- stenabrechnung in Richtung auf mehr leistungsbezogene Entgelte, sondern auch in ebenso steuerungs- effizienten Anreizsystemen. Das

„Reizwort": Längere Gewinnschon- fristen für Kliniken! Anatom Arnold schlug sich ganz auf die Seite der li- beralen Gesundheitsökonomen, in- dem er sich eine höhere Effizienz und eine effektivere Betriebsführung dadurch verspricht, daß es künftig den Krankenhäusern erlaubt sein

soll, Gewinne in begrenztem Rah- men zu erwirtschaften und diese ei- genverantwortlich zu verwenden.

Die Idee ist nicht neu, gibt es doch im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und in der Industrie inso- weit „Gewinnschonfristen", als dem

„Erfinder" bei patentierten neuen Verfahren und Technologien eine auf sieben Jahre bemessene (wirt- schaftliche) Patent-Nutzungszeit eingeräumt wird. Gewiß ist es nicht leicht, in dem „Nichtmarkt Kranken- haus" analog Gewinne zu erwirt- schaften (zumal die Krankenkassen mit Argusaugen dies zu verhindern wissen). Doch wäre auch eine Ande- rung der Bundespflegesatzverord- nung insoweit denkbar, als Uber- schüsse nicht bei der nächsten Pfle- gesatzverhandlung zugunsten der Krankenkassen bis zum letzten Pfen- nig sofort wieder einkassiert werden, sondern das Krankenhausmanage- ment auch von den Wirtschaftlich- keitserfolgen zeitweilig und befristet profitiert. Die Klinikträger könnten die Sparerfolge thesaurieren oder reinvestieren oder für eine gezielte Mitarbeiterbeteiligung aktivieren (wie es die Bundespflegesatzverord- nung von 1985 bereits zuläßt). Nach Ablauf der „Schonfrist" könnten dann auch die Krankenkassen an den Sparerfolgen teilhaben. Es ist ei- ne Lebenserfahrung, daß sich wirt- schaftliches Handeln lohnen muß.

Von niemandem kann erwartet werden, daß er sich freiwillig den Ast absägt, auf dem er sitzt. Die „Über- lebensgarantie" ist die im Kranken- haus in vieler Hinsicht zur Mißwirt- schaft und Mittelvergeudung verlei- tende volle Selbstkostendeckung.

Andererseits spart keiner gerne zu- gunsten Dritter (der Krankenkas- sen). Sparen und mehr Wirtschaft- lichkeit müssen „Freude machen", ein lohnendes Ziel sein (Karl Kaula, Verband der Angestellten-Kranken- kassen). Nur sollte man sich davor hüten, die mühsam erwirtschafteten Betriebsüberschüsse pauschal der

„Institution Krankenhaus" zu über- antworten. Auch eine Verteilung der

„Gewinne" an das gesamte Personal (also mit der berühmten Gießkanne) wäre fehl am Platz. Hier muß schon gezielt angesetzt werden, damit sich eine Wirkung zeigt! HC A-3196 (24) Dt. Ärztebl. 88, Heft 39, 26. September 1991

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