MEDIZIN
aufgrund der bestehenden Patent- rechte deutlich teurer, bis zu zehnmal, als die klassischen Antidepressiva sind. Dies ist eventuell einer der Gründe, warum Psychiater und prak- tische Ärzte in Deutschland aufgrund der bestehenden Gesetzeslage und insbesondere der zur Zeit eingeführ- ten Spargesetze im Gesundheitssy- stem nach wie vor zurückhaltend sind, diese Medikamente zu verschreiben.
Es soll jedoch hervorgehoben wer- den, daß bei den SSRI das Spektrum der unerwünschten Nebenwirkungen deutlich geringer ist als bei trizykli- schen Antidepressiva und daß sie bei verschiedenen Patienten oder Patien- tengruppen eingesetzt werden sollten, bei denen eine Sedierung und Ge- wichtszunahme unerwünscht ist. Wei- terhin sind SSRI indiziert, wenn anti- cholinerge Nebeneffekte nicht tole- riert werden können (zum Beispiel Glaukom, Herzreizleitungsstörun- gen, Prostatahypertrophie). Die Grup- pe der SSRI kann gegenüber den Tri- zyklika als sicher bei Überdosierung angesehen werden und scheint daher gerade bei suizidalen Patienten von Vorteil zu sein. In den Tagen der Be- handlungseinstellung ist jedoch auf- grund der fehlenden sedierenden Komponente eine sorgfältige Über- wachung angezeigt und bei bestehen- den Schlafstörungen eine sedierende Zusatzmedikation vorübergehend zu verabreichen.
Bei der Auswahl des Antidepres- sivums zu Beginn einer Depressions- behandlung ist auch daran zu denken, daß eine erhöhte Erfolgswahrschein- lichkeit für ein Präparat dann besteht, wenn es bereits in früheren Phasen er- folgreich eingesetzt wurde. Allerdings bleibt dabei zu bedenken, ob nicht eventuell störende Nebenwirkungen zum Absetzen der Medikation und damit zum erneuten Rückfall geführt haben. Bei therapieresistenten De- pressionen hat es sich bewährt, nach einem Behandlungsschema vorzuge- hen (siehe 7), das sowohl die ausrei- chende Dauer der Behandlung (drei bis vier Wochen) als auch die Dosie- rung (zum Beispiel 150 mg Amitripty- IM, für SSRI siehe Tabelle 2) berück- sichtigt. Danach sollte ein Wechsel des biochemischen Wirkungsschwer- punktes erfolgen, das heißt, wenn mit einem SSRI unter diesen Vorausset-
ZUR FORTBILDUNG / FUR SIE REFERIERT
zungen keine befriedigende Remissi- on der Symptomatologie erreicht wurde, sollte zum Beispiel auf ein Tri- oder Tetrazyklikum umgestellt wer- den. Auch der umgekehrte Weg, daß SSRI nach einem erfolglosen Thera- pieversuch mit Tri- oder Tetrazyklika eingesetzt werden können, hat sich als therapeutisch günstig erwiesen.
Weiterhin sollten antidepressive Zusatzmaßnahmen, die ihre Wirk- samkeit bereits unter Beweis gestellt haben (etwa therapeutischer Schlaf- entzug, Psychotherapie), systema- tisch und frühzeitig in den Behand- lungsplan mit einbezogen werden.
Als einen späteren Schritt kann auch an die Kombinationstherapie von Antidepressiva mit einem unter- schiedlichen Wirkmechanismus ge- dacht werden, wobei jedoch speziell darauf hingewiesen wird, daß die Kombination von SSRI und MAO- Hemmern (auch der neueren reversi-
Abnahme der
chronischen Gastritis in Finnland
Finnland gilt als eines der Länder, das schon vor 30 Jahren die ersten Ga- stritis-Studien durchgeführt hat, noch bevor die Möglichkeit zur endoskopi- schen Biopsie bestand.
Die Arbeitsgruppe um Siurala hat über viele Jahrzehnte freiwillige Probanden in ländlichen Regionen prospektiv untersucht und zeigen können, daß der Übergang einer Oberflächengastritis in eine chroni- sche atrophische Gastritis rund 20 Jahre in Anspruch nimmt
Seit der Wiederentdeckung von Helicobacter pylori und der durch diesen Keim hervorgerufenen chroni- schen Gastritis sind zahlreiche Unter- suchungen durchgeführt worden, bei denen serologisch die Prävalenz von Helicobacter pylori über einen länge- ren Zeitraum verfolgt wurde.
Sipponen konnte in seiner Studie das Kohortenphänomen eindrucks- voll bestätigen, daß nämlich die um die Jahrhundertwende Geborenen
blen, Moclobemid) wegen der Mög- lichkeit des Auftretens eines lebens- bedrohlichen „Serotoninsyndroms"
unterbleiben sollte.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1995; 92: A-428-434 [Heft 7]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.
Anschrift für die Verfassen
Prof. Dr. med. Siegfried Kasper Universitätsklinik für Psychiatrie Klinische Abteilung für
Allgemeine Psychiatrie Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien
bereits in ihrer Kindheit zu 70 bis 80 Prozent mit Helicobacter pylori durchseucht waren und daß die Präva- lenz der Helicobacter-pylori-Infekti- on sich in derselben Kohorte in den vergangenen 15 Jahren nicht geändert hat.
Bei allen Personen, die später, insbesondere nach dem zweiten Welt- krieg zur Welt kamen, ist die Durch- seuchungsrate mit 40 bis 50 Prozent signifikant niedriger; was auf eine kontinuierliche Besserung der hygie- nischen Verhältnisse schließen läßt.
Zwischen 1977 und 1992 ist die Prävalenz der Helicobacter-pylori- Gastritis um 18 Prozent gesunken.
Dies erklärt auch die deutliche Abnahme der Prävalenz von Ulcera duodeni und Magenkarzinomen in den vergangenen 20 Jahren.
Sipponen P, T Helske, P Järvenen, H Hyvärinen, K Seppälä, M Siurala: Fall in the prevalence of chronic gastritis over 15 years: analysis of outpatient series in Finland from 1977, 1985 and 1992. Gut 1994; 35: 1167-1171
Departments of Pathology
Internal Medicine, and Surgery Jovi Hospital, Espoo, Finland
A-434 (44) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 7, 17. Februar 1995