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Archiv "Künstler - die wichtigsten Leute der Welt: Betrachtungen zum Menschenbildnis Gerhard Richters" (21.04.1977)

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Abbildung 8: Krankenschwestern, 1965, 48 x 60 cm; Werkverzeichnis 93; Kaiser- Wilhelm-Museum, Krefeld

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

FEUILLETON

Künstler die wichtigsten Leute der Welt

Betrachtungen zum Menschenbildnis Gerhard Richters

Axel Hinrich Murken und Christa Murken-Altrogge

Zweite Fortsetzung und Schluß

Gruppenbild

der Krankenschwestern

Während die bisher vorgeführten Menschenbilder Gerhard Richters mehr der Privatsphäre des Alltags- menschen zugeordnet werden kön- nen, treten in einigen Bildern be- stimmte Tätigkeitsbereiche oder Be- rufszugehörigkeiten in den Vorder- grund. Hierfür mag das Gruppenbild der Krankenschwestern aus dem Jahre 1965 als Beispiel dienen, auf dem fünfzehn Diakonissen in klassi- scher fotografischer Staffelung mit ihrer Oberin vor einem Eingangs- portal aufgestellt wurden (Abbil- dung 8).

Trotz des unmittelbaren Realitätsbe- zuges ist die Darstellung vom Foto- grafischen her inhaltslos, da die starke Verwischung keinen individu- ell zu deutenden Charakterzug er- kennbar werden läßt. Die malerische Vermischung der Figuren ein- schließlich der Zentralfigur der Oberin rückt eine allgemeine soziale menschliche Situation in den Vor- dergrund. Eine ähnliche Grundten- denz findet man im Literarischen in Heinrich Bölls „Gruppenbild mit Dame" (1971).

Auch auf dem Plakat zu der ersten Richter-Ausstellung in Zürich (1966), das nach einem Foto des Künstlers angefertigt wurde, fallen individuelle Charakterzüge fort (Ab- bildung 9). Der weiße Kittel und die beiden Schilder auf dem rechten Einfahrtspfosten geben dafür einen vagen Rückschluß auf die .Tätigkeit des Dargestellten:

xierung der Person augenschein- lich.

Im Gegensatz zu diesem stilisti- schen Verfahren fertigt der Maler in den Porträtköpfen der „Acht Lern- schwestern" aus dem gleichen Jahr (Abbildung 10) sorgsam nach Pres- sefotos die Gesichtszüge der jungen Amerikanerinnen, die hinterrücks von einem Wahnsinnigen erstochen wurden. Die fotografischen Vorla- gen wurden dem Times Magazin vom 22. Juli 1966 entnommen.

Die in diesem Bild erkennbaren un- terschiedlichen Gesichtszüge, deren Individualität an sich durch Rassen- merkmale noch verstärkt wird, sind durch den fehlenden Kontext und die gleichen Stilmittel bedeutungs- los geworden. Die mit der Zeit ver- wischte Erinnerung an ein un- menschliches Ereignis läßt diese Köpfe zu irgendwelchen beliebiger junger Frauen werden. Die monoto- ne, achtfache Wiederholung, der Verzicht auf jegliche narrative Kom- ponenten lähmen schon zu Beginn den Versuch des Betrachters, die acht Porträts einzeln aus dem allge- Es könnte sich um einen Arzt oder

Krankenpfleger handeln, der vor ei- nem Klinikgebäude steht. Abgebil- det ist die Ophthalmologische Abtei- lung der Poliklinik in Burgstädt/

DDR.

Die Fotovorlage stammt aus dem Besitz von Professor Dr. med. Hein- rich Eufinger. Die Nivellierung, die Verdrängung episodenhafter, nur in der persönlichen Erinnerung noch wesentlicher Eigentümlichkeiten wird durch die Wechselwirkung von Namenlosigkeit und beruflicher Fi-

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 16 vom 21. April 1977 1101

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rz bis 2D.Aprit 9 bis l. Uhr und 11

Abbildung 9: Plakat der Richter-Ausstellung in Zürich, 1966, 84 x 59 cm; Privatbesitz, Münster

meinen Zusammenhang zur indivi- duellen Bestimmung zu lösen.

Der Baseler Kunsthistoriker Joseph Gantner hat mit Recht auf die zu- nehmende Relativität des Porträtie- rens im Laufe des 20. Jahrhunderts hingewiesen, die gerade bei Ger- hard Richter in einem besonderen Ausmaß vor Augen geführt wird:

„Wenn, um ein drastisches Beispiel zu nennen, im Bildnis seit den Tagen des Impressionismus die physische

Ähnlichkeit des Dargestellten lang- sam unwichtig wird, dann wird na- türlich auch unwichtig dasjenige au- ßerformale Element, das vom Modell her der künstlerischen Darstellung inhärent sein müßte." (10)

Monotonie der Aufreihung

Das hintergründige, banalisierende Prinzip der gleichförmigen Reihung läßt sich bei den anfangs erwähnten 48 Porträts kaum noch übersehen

(vgl. Abb. 1). Bereits im Ansatz wurde es bei den „Acht Lernschwe- stern" acht Jahre zuvor augen- scheinlich exemplifiziert. Die Mono- tonie der äußerlich angeglichenen, in Reih und Glied aufgehängten Bildnisse berühmter Männer der jüngsten Vergangenheit, von denen man gerade aufgrund ihrer unter- schiedlichen Leistung und Vergan- genheit ein Höchstmaß an individu- ellen Charaktermerkmalen erwarten dürfte, langweilt schon beim ersten Anblick.

Die einheitliche, graue Malweise mit den schon auf den vorherigen Bild- beispielen typischen unscharfen Konturen egalisiert alle Dargestell- ten zum „Man". Nur noch die Na- men weisen hin auf bedeutende Dichter, Musiker, Physiker, Chemi- ker, Philosophen, Psychologen und Ärzte. Auffälligerweise zählt kein Maler zu ihnen.

Ein wesentlicher Anreiz, der bei ei- ner vergleichbaren Anhäufung von Geistesgrößen in der deutschen Walhalla bei Donaustauf durch die unterschiedliche Machart, Größe oder Aufstellung noch vorhanden ist, entfällt bei Richter völlig. Die ver- meintliche Aussagekraft und Indivi- dualität des fotografischen Porträts, wie sie durch Konversationslexika massenhafte Verbreitung gefunden haben, wird durch die malerische Umsetzung Richters restlos in Frage gestellt.

Die Unschärfe der Porträts zwingt zur Distanz, wodurch wiederum das Einzelbild in der Reihe untergeht.

Doch sogar die isolierte Betrach- tung eines einzelnen Porträts dieser Galerie läßt diejenige künstlerische Charakterisierung vermissen, die — wie etwa bei Paul C6zanne, Paul Ga- guin, Paula Modersohn-Becker oder Ernst Kirchner — wir zu erkennen uns angewöhnt haben. Im Gegen- satz zu diesen Künstlern wird bei

(10) Die moderne Kunst und die Anfänge eines planetaren Stils, in: Joseph Gantner: Schicks.

le des Menschenbildes von der romanischen Stilisierung zur modernen Abstraktion, Bern, 1958, S. 143

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Künstler die wichtigsten Leute der Welt

Abbildung 10: Acht Lernschwestern, 1966, je 95 x70 cm; Werkverzeichnis 130; Sammlung Ströher. Landesmuseum Darmstadt

Richter einer artifiziellen Formen- sprache oder einer emotionalen Ex- pressivität wenig Wert beigemessen.

Richtersche Porträtauffassung Betrachtet man in diesem Zusam- menhang Richters „Porträt Rainer Maria Rilke" allein, ohne den Kon- text der Reihe (Abbildung 11), so könnte man in diesem Falle sogar nur mit Hilfe anderer Vorlagen das Gesicht des Dichters eindeutig inter- pretieren. „Um zu erkennen, ob das Bild wahr oder falsch ist, müssen wir es mit der Wirklichkeit vergleichen.

Aus dem Bild allein ist nicht zu er- kennen, ob es wahr oder falsch ist", sagt Ludwig Wittgenstein (11).

Der Unterschied der Richterschen Porträtauffassung zu den erwähnten wegweisenden Künstlern der Ver- gangenheit wird besonders ein- leuchtend, wenn man das von Rilke selbst abgelehnte Rilkebildnis Paula Modersohn-Beckers (1906) zum Vergleich heranzieht, bei dem ein- zelne Charakteristika farblich und kompositorisch überzeichnet zu ei- ner tiefenpsychologischen Aussage eingesetzt wurden. Doch letztlich liegt auch bei Paula Modersohn- Becker die geniale Größe darin, daß in diesem Dichterbildnis das Allge- meincharakteristische gegenüber banalen, persönlichen Merkmalen ganz in den Vordergrund tritt.

Gerhard Richter überdeckt mit einer glättenden, verschleiernden Grau-

(11) Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico- philosophicus, Logisch-philosophische Ab- handlung, 10. Auflage, Frankfurt am Main, 1964, S. 19, zitiert auch in: Gerhard Richter:

Atlas der Fotos, Collagen und Skizzen, Ausstel- lungskatalog, Krefeld, 1976. S. 3

malerei alles Typische oder besser das Gewohnte, an dem man sich emotional gern festhalten möchte.

Als Element in einem größeren Zu- sammenhang gerät jedoch darüber hinaus jedes noch so durchgeistigte Gesicht in Gefahr, für das Auge un- interessant zu werden. Man kann

Abbildung 11: Porträt Rainer Maria Rilke (1875-1926), 1971/72, 70 x 55 cm; Werk- verzeichnis 324/29; Sammlung Ludwig, Neue Galerie der Stadt Aachen

das schon angesichts einer größe- ren, mit Patina überzogenen Ahnen- galerie erfahren, auch wenn sich die Bilder durch Beigaben, Haltung, Farbgebung und Farbwahl unter- scheiden.

Die sorgfältige, regiehafte Präsen- tierung der Porträts auf der Biennale von 1972 oder auch in dem zugehö-

rigen Katalog schafft darüber hinaus den Eindruck, als wenn sich beim Vorübergehen oder Durchblättern verschiedene Gesichter des glei- chen Modells wie auf einem Film- band von einer Frontaleinstellung (Alfred Mombert) nach rechts und dann wieder nach links bis zu einer erneuten Frontalansicht bewegen (John Dos Passos). Während der Pop-Künstler Andy Warhol bei- spielsweise in den vielen Porträts der Marilyn Monroe durch unter- schiedliche Farbwahl der Siebdruk- ke vielfältige, fremdbestimmte Cha- rakterbilder erzielt, womit er noch in der klassischen Tradition des Ex- pressionismus steht, erreicht Ger- hard Richter mit vielen Gesichtern hochberühmter Männer den genau entgegengesetzten Standpunkt:

Die Aktualität erscheint bei Warhol grell und rasch wechselnd, bei Rich- ter in grauer, anonymer Vergäng- lichkeit. Ein intensivierter Aspekt wurde 1973 in der Richter-Ausstel- lung in Luzern offenkundig, als die gleichen Porträts großen Farbtafeln mit insgesamt hundert verschiede- nen Farben und einigen informellen Gemälden gegenübergestellt wur- den. Das eine wie das andere Bild bedeutet die nüchterne Suche nach einer malerischen Möglichkeit, das Seiende zu analysieren.

Angesichts einer solchen Reihe, die das schulbuchhafte Vorbild von Gei- stesgrößen zerstört, wird die empha- tische Verszeile Rainer Maria Rilkes bei der Beschreibung eines archai- schen apollinischen Torsos, „Du mußt dein Leben ändern" (1908), zur hohlen Floskel. Keine Illusionen spiegeln diese Bilder, sondern die Wiederholbarkeit menschlichen Le- bens schlechthin. Eine Hoffnungslo-

1104 Heft 16 vom 21. April 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Abbildung 12: Gerhard Richter im Atelier vor zwei Bildern der Porträtserie von den englischen Künstlern Gilbert und George, 1975 Foto A. H Murken

sigkeit und Unsicherheit gegenüber den Möglichkeiten einer positivisti- schen Sicht der Umweltphänomene kündigt sich hier an, wie sie auch die kritischen Theorien der Erfahrungs- wissenschaften durchzieht:

„Den Pseudo-Ereignissen um uns passen wir uns an im falschen Be- wußtsein, sie seien wahr, real und sogar schön. In der menschlichen

Gesellschaft liegt jetzt Wahrheit we- niger in dem, was die Dinge sind, als in dem, was sie nicht sind" (Ronald D. Laing) (12).

Menschenbilder der letzten Jahre Den Menschen als Subjekt und Ob- jekt, als Trajekt und Präjekt behan- delte der Maler schließlich in einem

neuen farb- und experimentierfreu- digen Ansatz in seiner jüngsten Porträtserie von den englischen Künstlern Gilbert und George aus dem Jahre 1975 (Abbildung 12).

Nach eigenen Fotos in Form von übereinanderprojizierten, doppelt belichteten Frontal- und Profilan- sichten sowie Nah- und Fernaufnah- men entstanden farbfreudig fluktu- rierende Menschenbilder.

Ähnlich wie in den Landschaftsbil- dern von 1968 bis 1971 bediente sich der Maler einer verhaltenen, grünen und braunen Farbtonskala, die dem fotografischen Medium die schein- bare Rationalität nimmt und eine ro- mantische Traumwelt schafft. Der Betrachter dieser Bilder kann nicht umhin, sich behutsam mit komple- xen malerisch-optischen Untersu- chungsmethoden über das fragliche Erscheinungsbild des Menschen auseinanderzusetzten.

Diesen wie auch den früheren Bild- nissen Gerhard Richters ist gemein- sam, daß man sie nur schwer mit den bisherigen kunsthistorischen Maßstäben messen kann. In dem Richterschen Oeuvre hat sich eine neue künstlerische, die Konventio- nen durchbrechende Formenspra- che entwickelt, die sich der Relativi- tät unseres Sehvermögens — ein- schließlich der optischen Hilfsappa- rate — bewußt ist. Ein Wald von fikti- ven und tradierten Wahrheiten wird gerodet, um „wirkliche" Bilder zu gewinnen (13).

Dabei bedeutet die Spiegelung des Menschen in seinem Werk ein zwar wesentliches, aber doch nur eines von vielzähligen Motiven und male- rischen Wegen, die Richter einge- schlagen hat. Doch wie beim Men- schenbildnis Cezannes entstehen

(12) Ronald D. Laing: Phänomenologie der Er- fahrung, 3. Auflage, Frankfurt am Main, 1970, S. 9

(13) Vgl. auch Marlis Grüterich: Gerhard Rich- ters Phänomenologie der Illusion — eine gemal- te Ästhetik gegen die reine Malerei, Ausstel- lungskatalog, Bremen, 1975, S. 16-101; S. 83:

„Die Methode eliminiert die bekannten For- meln, um unbekannte formulieren zu können, und zwar auf die einzig mögliche Art von Ge- schicklichkeit, nämlich durch das bewußte Überschreiten der akzeptierten Kultur"

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Künstler — die wichtigsten Leute der Welt

über bildformalen Zusammenhän- gen und malerischen Realitätsanaly- sen großartige Menschendarstellun- gen (14).

Die eigene unsichere Haltung bei der Befragung der Vorbilder wird bei diesem Künstler von einer wissen- schaftlich-nüchternen, sich experi- menteller Methoden bedienenden Mentalität getragen: „Ich kann über Wirklichkeit nichts Deutlicheres sa- gen als mein Verhältnis zu Wirklich- keit, und das hat dann was zu tun mit Unschärfe, Unsicherheit, Flüch- tigkeit, Teilweisigkeit oder was im- mer", sagt Gerhard Richter (7). Des- halb bevorzugte er bei seinen Bild- nissen von Alltagsmenschen ebenso wie bei anderen realistischen Sujets das Foto aus zweiter Hand, welches

„als Bild, das ohne all die konventio- nellen Kriterien, die ich vorher mit Kunst verband" (7), betrachtet wird.

Gefühlsmäßige, vorbelastete Stör- faktoren werden dadurch weitge- hend ausgeschaltet.

Man kann wohl annehmen, daß aus dem gleichen Grunde von ihm selbst im Gegensatz zu fast allen konven- tionellen Malern kein gemaltes Selbstporträt existiert (15).

Sucht man nach einer kurzen Cha- rakterisierung des Richterschen Menschenbildnisses, so könnte man sagen, daß sie unter Vermeidung tradierter Formeln klare, malerische Definitionen des Menschen unserer Zeit sind. Wahrscheinlich wäre Ger- hard Richter vor hundert Jahren Dichter, Musiker, Philosoph oder Naturwissenschaftler geworden.

Deshalb hat er wohl auch bei den beschriebenen 48 Bildnissen kultur- historischer Größen auf ein Maler- porträt verzichtet.

(14) Vgl. Walter Heß: Zum Bild des Menschen in der Kunst Cezannes; Die Kunst 55 (1957), S.

335-339, S. 335

(15) Zum graphischen Werk des Künstlers zählt ein Offsetdruck, Abbildung des Fotos ei- ner Büste Gerhard Richters (1970); vgl. Ger- hard Richter, Verzeichnis der Druckgraphik 1965-1971 in: Graphik des kapitalistischen Realismus, Hrsg. Rene Block, Berlin, 1971, R.

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(16) Rolf-Gunter Dienst: Noch Kunst. Neustes aus deutschen Ateliers, Düsseldorf, 1970, S.

198

Die gegenwärtige, richtungweisen- de Kunst — die bildende Kunst — ist, um ein inzwischen geflügeltes Wort des amerikanischen Konzeptkünst- lers Joseph Kosuth zu gebrauchen

„ad after philosophy"; oder um zum Schluß Gerhard Richter selbst zu zi- tieren: „Nachdem es keine Priester und Philosophen mehr gibt. sind die

Walter Harcken

„ ... geht es mir darum, ob meine Äußerung ein Echo hat ... Man kann nicht immer nur in sich und mit sich selbst reflektieren ... ", schreibt Walter Harcken, 2853 Dorum/Kreis Wesermünde.

Er arbeitet seit 1956 als Landarzt im gleichen Ort, in dem schon Vater und Großvater als Landärzte wirkten, und ist dort am 27. De- zember 1926 geboren. Das Staats- examen hat er 1952 in Göttingen abgelegt.

Er ist einer von denen, die Wesentli- ches sehen und in besonderer Weise aussprechen können.

„Als Kundin/der Zeit/zahlt die Ewig- keit/in Sekunden . ."

— so etwas sagt nur ein Mensch, der Sprachliches dichterisch empfinden kann.

„ . . . die gezeugte Sekunde/stirbt zwanglos . ."

„ ... Sekunden —/sie jagen wie Ban- den/und hetzen/die blaue Stunde/

ins tote Tal . . ."

Eine Variation auf das Thema Zeit- losig-keit. Und das empfunden und gedacht „beim Pulszählen": Es regt zum Nachdenken an.

Künstler die wichtigsten Leute auf der Welt" (16).

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med. habil Axel Hinrich Murken und Christa Murken-Altrogge, M. A.

Kinderhauserstraße 25 4400 Münster

Der Zeitnehmer oder

Gedanken beim Pulszählen

Leben und Leiden beschlossen

im schlagenden Puls ertastet des Arztes fühlender Finger Krankheit und Zeit die zerfloß

der Lebenslauf läuft

der Lebensbaum wächst

sorglos

die gezeugte Sekunde stirbt zwanglos die Zeit zählt

kein Verweilen wird vergönnt nur der Gedanke

gewinnt Zeit und Raum der Staub zerrinnt wie Sekunden die verticken

Zeiger die verrücken sich

und dich

Sekunden erfüllen Minuten ob böse

oder gute

Sekunden umrunden die Stunden wie rinnender Sand

Wie vielen Ärzten wird das alltäg- liche Tun (des Pulszählens) geistig derart fruchtbar?

Edith Engelke

Arzt — und Poet dazu

1108 Heft 16 vom 21. April 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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