Zur Fbrtbildung Aktuelle Medizin
KONGRESS-NACHRICHTEN
Aktuelle Influenza
Die Einwohner der Bundesrepu- blik sind zwar relativ gegen Influ- enza durchgeimpft, aber nicht im gleichen Maße vor den Erregern der „russischen Influenza" ge- schützt. Gefährdet sind vor allem kleine Kinder, abwehrge- schwächte sowie ältere Men- schen (Prof. Dr. E. K. Kuwert, In- stitut für Medizinische Virologie der Universität Essen). Die Viren der „russischen Influenza" ha- ben die Antigeneigenschaften H1 N 1 . Sie hatte — aus dem Osten kommend — im Herbst vergange- nen Jahres die europäischen Tei- le der UdSSR erreicht und sich später in der CSSR, in Ungarn, Großbritannien und in den USA breitgemacht. Sie kann sich bis zum Herbst weltweit verbreiten, und die Viren können dabei unter Umständen noch an Virulenz zu- nehmen. Schutzimpfung gegen den Stamm H1 N 1 ist deshalb dringend zu empfehlen (Ku- wert). WP
(Jahrestagung der medizinischen Fach- und Standespresse, April 1978, Wiesba- den)
Langsame Krebszellen
Entgegen bisherigen Vorstellun- gen teilen sich maligne entartete Zellen langsamer als gesunde Zellen. Eigentlich ist es ja immer nur eine maligne entartete Stammzelle, aus der sich die Ma- lignompopulation eines Tumors und seiner Metastasen rekrutiert.
Bei Leukämien wußte man das schon. Bei soliden Tumoren exi- stiert jedoch dieselbe Wachs- tumsverzögerung, teilweise so- gar auch ein Wachstumsstill- stand, letztere freilich im präklini- schen Stadium (Prof. Dr. L. G.
Lajtha, Christie Hospital and Holt Radium Institute, Patterson Laboratories, Manchester/GB).
Damit wird die Existenz soge- nannter „latenter Karzinome"
verständlich, die nur der Patholo-
ge posthum findet und die jahr- zehntelang klinisch stumm blei- ben können. Wenn man wüßte, durch welche Ereignisse eine solche ruhende maligne Zelle zur Teilung veranlaßt wird, könnte die Unterbrechung dieses Me- chanismus beinahe kausale The- rapie bedeuten. Darüber hinaus sind Krebszellen im Körper alles andere als gut gelitten. Die mei- sten malignen Zellen, die die transformierte Stammzelle er- zeugt, gehen zugrunde. Leider nicht alle! Und das wird im Laufe von Jahren und Jahrzehnten dem Körper zum Verhängnis. WP
(Deutscher Krebskongreß, April 1978, Mainz)
„Physiologie"
des Seelischen
Ebenso wie Anatomie und Phy- siologie gehören Psychologie und Soziologie zu den Grundla- gen ärztlicher Berufsausübung, auch wenn letztere noch weitge- hend vernachlässigt sind (Dr. H.
J. Welk, I. Medizinische Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Altona, und Dr. W.
Wunnenberg, Hamburg). Was da an Ausbildung fehlt, muß durch intensive Fortbildung so gut wie möglich nachgeholt werden, vor allem auch durch krankenhaus- interne Weiterbildung. — Dabei könnte Physiologie vielleicht als
„Anatomie der Seele" und Sozio- logie als deren „Physiologie"
verstanden werden. Ein solches Verständnis nimmt beiden Be- griffen die negativen Vorzeichen, die sie bei manchen konventio- nellen Medizinern noch haben. — Wenn im stationären Bereich die Konflikte zwischen somatisch und psychologisch orientierter Medizin gelöst sind, dürfte auch das immer häufiger gerügte su- permoderne Großkrankenhaus viel von seinem „fabrikmäßigen"
Eindruck verlieren. WP
(28. Lindauer Psychotherapiewochen, April 1978)
Prostatakarzinom mit 125Jod bestrahlt
In den vergangenen siebenein- halb Jahren wurden 350 Patien- ten mit Prostatakarzinomen in den Stadien T,, T2, T3 oder T4 durch beidseitige Beckenlymph- adenektomie und retropubische prostatische Einpflanzung von 125 Jod-Nadeln behandelt. Der Vor- teil des Isotops 125Jod liegt in sei- ner günstigen Halbwertzeit und vorwiegender Gammaausstrah- lung (W. Whitmore, Department of Urologie, Sioan-Kettering In- stitute, New York, U.S.A.).
16 000 R oder mehr können auf diese Weise direkt auf das Pro- statakarzinom und die Prostata u nd das periprostatische Gewebe eingestrahlt werden. Die einzige ernsthafte Komplikation waren Lungenembolien mit einem To- desfall unter diesen 350 Patien- ten. Prä- und postoperative Mini- heparinisation werden diese Komplikation wahrscheinlich in Zukunft vermindern. Impotenz als Behandlungsfolge war selten zu verzeichnen.
Unter den Patienten ohne positi- ve Lymphknoten im Beckenbe- reich lag die Fünf-Jahre-Überle- bensrate bei über 80 Prozent. Der Autor hofft, daß diese Behand- lungsart so effektiv oder effekti- ver als die radikale Prostatekto- mie oder die externe Hochvoltbe- strahlung (ca. 7000 R) sein wird, aber geringere Mortalität, Morbi- dität und Funktionsausfälle (be- sonders die Impotenz) zur Nach- folge haben wird.
Früherkennungsuntersuchung und Frühdiagnose, ehe das Pro- statakarzinom in die regionalen Lymphknoten metastasiert hat, sind auch bei dieser neuen Be- handlungsart die entscheidend- ste Voraussetzung. Krh
(Vortrag auf dem Kongreß der New Yorker Sektion der Amerikanischen Urologischen Gesellschaft (A.U.A.) in Monaco, Oktober 1977)
1746 Heft 30 vom 27. Juli 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT