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Archiv "Klinik-Tour: Hexe Flixi und der kleine Angsthase" (13.02.2004)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 713. Februar 2004 AA439

Nachdem er seine Beschwer- den am Telefon als so erheb- lich geschildert hatte, erwar- tete ich, ihn im Bett liegend vorzufinden. Ich traf ihn aber an der Haustür, und wir klet- terten zusammen die vier stei- len Treppen zu seiner Woh- nung hinauf. Das Steigen fiel ihm schwer, der Atem ging schnell, und sein Schritt wurde auf den letzten Stufen immer langsamer. Im Hausflur roch es schon in der frühen Vor- mittagsstunde nach gebrate- nen Zwiebeln. Die Treppe war ausgetreten, der Anstrich an den Wänden verblasst, der Putz an einigen Stellen abge- fallen. Überhaupt konnte man dem Haus, in dem er wohnte – auch von außen – ansehen, dass der Besitzer nichts mehr zur Unterhaltung tat, vielleicht schon mit einem Geldgeber verhandelte, der auf dem Grundstück ein Bürohaus oder ein Gebäude mit teuren Komfortwohnun- gen errichten würde.

Obwohl meinem langjäh- rigen Patienten der Atem knapp wurde, sprach er leb- haft, und ich erfuhr schon mancherlei über seine Vorge- schichte, wenn auch nichts von der Krankheit. Die schien ihm im Augenblick unwichtig zu sein. Dass er reden konnte und jemand zuhörte, war das Wichtigste. Mir kam der Ver- dacht, dass dies vielleicht der Grund für den morgend- lichen Anruf gewesen sein könnte und gar nicht seine Erkrankung. Fragen nach die- ser tat er jetzt mit einer Hand- bewegung ab. Dafür erzählte er umso mehr von seinem Sohn, in dessen Ausbildung er

jeden Groschen seines kleinen Arbeiterlohnes gesteckt hatte.

„Er sollte Anwalt werden, wissen Sie?!“

Den Ehrgeiz,aus den beeng- ten Verhältnissen herauszu- kommen, schienen Vater und Sohn gemeinsam zu haben.

„Er war schon auf der Schule ziemlich fleißig, auf der Universität auch. Aber er wusste auch zu leben, hat nebenher immer gearbeitet und sich von dem bisschen, was ich ihm schicken konnte, und dem Dazuverdienten auch noch Reisen zusammen- gespart nach Frankreich und nach England. Sprachen muss man können, hat er immer ge- sagt, auch als Rechtsanwalt, jedenfalls, wenn man in der Wirtschaft was werden will.

Die Johanna, was seine Freundin war, sie waren ja so gut wie verlobt, wohnten schon zusammen. Früher hät- te es das ja nicht gegeben, vor der Hochzeit. Aber, was wol- len Sie, jede Zeit ist anders, man muss mitgehen. Also die Johanna hätte uns schon als Schwiegertochter gefal- len. Gott sei Dank ist wenig- stens ihr nicht viel bei dem Unfall passiert. Sie hat bei der Beerdigung mehr geweint als meine Frau. Jetzt ist sie mit einem Architekten verheira- tet. Vorher war sie noch öfter zu uns gekommen.“

Zweimal in der Woche hat- te er anfangs seine Tochter –

„die Monika“ – in der Klinik besucht.

„Jetzt langt’s nur noch für ein Mal. Nicht nur, dass die Beine nicht mehr so wollen, es ist ja auch das Fahrgeld immer. Warum sie nur das

Krankenhaus so weit draußen gebaut haben? Hier in der Stadt gibt’s doch auch genug Geisteskranke, seelisch Kran- ke nennt man sie heute, hat der Arzt gesagt. Auch dass ich mich schonen soll, hat er gemeint. Die Monika würde mich sowieso nicht erkennen.

Aber ganz glaube ich ihm das nicht. Manchmal sieht sie mich so komisch an, wenn sie auch nicht spricht. Sie weiß vielleicht doch, wer ich bin.

Am liebsten isst sie ge- schmorte Pfirsiche. Davon sind noch ein paar Gläser da, noch von meiner Frau. Und dann muss ich eben Büchsen kaufen.“

Wir hatten die oberste Stufe erreicht. Beim Aufschließen zitterte seine Hand ein biss- chen. Es dauerte, bis er im Schlüsselloch war. Drinnen war alles dunkel, und als wir den Korridor betraten, rief er laut:

„Da bin ich!“

Dann waren wir in der Küche, wo er mir einen Stuhl anbot, während er in den bei- den Zimmern die Vorhänge zurückzog und die Fenster öff- nete. Ich sah mich in der klei- nen Wohnung um. Es war niemand da außer uns bei- den. Das Linoleum auf dem Küchentisch hatte schon Risse und Löcher, aber alles war sehr sauber, wie ich das bei dem kranken, alten Mann nicht erwartet hatte. Eine Unter- suchung im Bett lehnte er ab:

„So schlimm ist es auch nicht, Herr Doktor! Messen Sie man den Blutdruck, und wenn Sie unbedingt wollen, können Sie mir auch das Herz abhören. Da, sehen Sie mal“, er legte das rechte Bein auf einen Küchenstuhl:

„Dünner geworden!“,stellte er zu unser beider Befriedi- gung fest.

Das wenige, was er an ärzt- lichen Verrichtungen zuließ, war schnell getan. Ich ließ mir Zeit, denn die ihm zu schen- ken schien mir die wichtigste Medizin, und still bei mir beschloss ich, ihn von jetzt an auch ohne Anruf regelmäßig zu besuchen.

Aber die neugierige Frage, die mir seit dem Betreten

der Wohnung auf den Lippen lag, wollte ich doch noch los- werden:

„Warum haben Sie eigent- lich, als wir kamen, ,da bin ich . . . ‘ gerufen, es war doch niemand in der Wohnung?“

Er überlegte eine Weile und antwortete dann lang- sam: „Ja, wissen Sie, das ist so.

Meine Frau war lange bett- lägerig, bevor sie starb. Jedes Mal, wenn ich nach Hause kam und ,da bin ich!‘ in die Wohnung rief, hat sie sich gefreut und gesagt:

,Komm, setz dich ein biss- chen zu mir.‘

Und wenn ich jetzt laut sage: ,da bin ich‘, ist mir für eine Sekunde, als könnte sie wieder antworten: ,Setz dich zu mir‘, aber das ist ja nun nicht mehr.“

Er brachte mich zur Woh- nungstür. In sein Gesicht waren die Fältchen häufigen Lächelns eingegraben, das machte es so freundlich.

Dr. med. Werner Nieschke

Hausbesuch

Seit dem Heft 41/2003 veröffentlicht das Deutsche Ärz- teblatt regelmäßig in jedem vierten Heft eine Arzt- geschichte. Im Anschluss an die Veröffentlichung mehrerer literarischer Arztgeschichten beginnt das DÄ ab dieser Ausgabe mit der Veröffent- lichung von Beiträgen aus der Leserschaft.

Klinik-Tour

Hexe Flixi und der kleine Angsthase

Die Hexe Flixi und ihr Rabe Hexalus präsentieren das Mut- machstück „Das kleine Känguru und der Angsthase“, gespielt von der Augsburger Puppen- kiste. Die Tournee begann An- fang Februar im Olgahospital in Stuttgart. Damit startete die Hexal Foundation in die zweite Runde ihrer Klinik-Tour durch circa 20 Kinderkliniken. Das Stück „Das kleine Känguru und der Angsthase“ des Kin- derbuchautors Paul Maar soll Abwechslung in den Klinikall- tag bringen und den Kindern Kraft geben, ihre Krankheit zu bewältigen. Informationen:

Telefon: 0 80 24/9 08 11 68.EB

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