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Archiv "Die „ Männerliebe“ hat Tradition: Vordergründig" (10.10.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

BRIEFE AN DIE REDAKTION

Vordergründig

Der Artikel ... bleibt vor- dergründig: Homosexuali- tät ist Homosexualität. Da- von ist auszugehen. Selbst wenn viele Homosexuelle die Tendenz haben, sich phänotypisch mehr oder weniger zum Gegenge- schlecht zu halten, ohne indes zu transvestieren (!), tun sie dies doch nicht, um als das Gegengeschlecht zu imponieren. Der homo- sexuelle Mensch will sein Geschlecht nicht ändern, denn er liebt es und sich in ihm. Er liebt im Partner das Traumbild von sich selbst.

Fehlt ihm ein Partner, liebt er ersatzweise — und nicht so ungern — sich unmittel- bar. Offen und der Tiefen- psychologie überlassen bleibt die Frage, wo sich das Traumbild herschreibt, offen wohl als Anliegen an die Erbbiologie, wieso ge- rade dieser aus dem Ange- bot der frühen Kindheit ein gleichgeschlechtliches Traumbild „wählte".

Mit dem sexuellen Begeh- ren eines gleichge- schlechtlichen Partners fällt ein wesentliches Krite- rium der Liebe, des Eros im alten, abendländischem Sinn fort: Dieses meint, den Menschen zu lieben, der verlockend fremd, ge- rade nicht so ist, wie man selber. Homosexuelle Lie- be ist eben gerade nicht je- ne Liebe, die „nicht das ih- re sucht". (Paulus). Im Ge- genteil, gesucht wird Be- friedigung durch den Part- ner, der eben kein anderer ist, sondern Identifika- tionsobjekt. Es resultiert

doppelte Selbstbefriedi- gung. So gehört zur Homo- philie der Narzismus und eine tüchtige Portion Ego- zentri k.

Daß aus der relativen Se- xualität mit gleichförmigen Gameten und Gametenträ- gern in der Evolution die Heterosexualität wurde, kann auf eine Sinngebung der menschlichen Sexua- lität hinweisen: Mann und Frau wollen und müssen sich zusammenfinden zu einem ob ihrer nun doch gegebenen Verschieden- heit opferreichen Bündnis um der Liebe sowohl wie um des Nachwuchses wil- len. Dagegen ist das Bünd- nis Homophiler unverbind- lich, selbst wenn man den Unterschied der Ge- schlechter nur auf die Frau als Gebärende beschrän- ken wollte. So mag sich die menschliche Bereitschaft zur Nächstenliebe — ein Ideal, daß ja doch entstan- den ist — eingefahren ha- ben. Es ist zu bedenken:

Im heterosexuellen Akt verliert sich jeder Partner im Augenblick intensivster Selbstempfindung den- noch an den anderen, wenn immer der Coitus ge- lungen ist. Wenn Rölke sagt, homosexuelle Bin- dungen könnten intensi- ver, zärtlicher sein als an- dere, heterosexuelle, so muß gefragt werden: Wer will das erfahren haben?

Befriedigen können beide, konfliktbedroht sind beide Bindungen.

Bei der Frage Bundeswehr und Homosexualität geht es nicht um Moralvorstel- lungen, sie werden endlich

überwunden. Es geht um die Frage der wesensmäßi- gen Eignung. Aus dieser Problematik heraus sollte u. E. der Homosexuelle gar nicht in die engere Wahl zum Offizier kommen.

Aber seine oft vorhandene Neigung zur Adrettheit, Ex- aktheit, Ordnung und An- passung, zugleich auch seine hohe narzistische Selbsteinschätzung nicht eben selten verbunden mit guter Intelligenz, geistiger Beweglichkeit und anspre- chendem Wesen oft unver- hältnismäßig jugendlicher Art, führen doch dazu. Im Frieden kann er sich be- währen. Unter stärkerer Belastung drohen Störun- gen durch die starke Selbstbindung. — Wenn Rölke von seuchenartigem Auftreten (eine ebenso an- fechtbare Wortwahl wie der Ausdruck „Schwule"!) der Homosexuellen in den früheren Kadettenanstal- ten spricht, muß bedacht werden, daß Pubertieren- de bei passender Gelegen- heit — und mangelnder an- deren — gerne zu gleich- geschlechtlichen Befriedi- gungsbeziehungen nei- gen. Die Zahl der manifest Homosexuellen, die aus solchen Institutionen her- vorgehen, liegt aber nicht höher als bei jenen, die im Elternhaus aufwuchsen.

Freilich kann es gesche- hen, daß „schwache Cha- raktere" bei homosexuel- len Praktiken bleiben, doch kann hier — und nur hier — Verhaltenstherapie helfend eingreifen. Hier wird nun die Frage der Rei- fe und Reifung gestreift, eine Frage, die zu stellen heute freilich schon an Hä- resie grenzt. Ist das gern bewahrte jugendliche Ge- habe homophiler Wesen oder nur sekundäres Ver- halten? Da unverhältnis- mäßig viele geniale Men- schen zu den Homosexuel- len gehören, zur Genialität aber doch auch geistig jugendliche Beweglichkeit und Unabhängigkeit ge- hört, möchten wir zu der

Meinung neigen, daß hier ein erblich manifester We- senszug vorliegt, der frei- lich für Homosexuelle nicht Bedingung ist, wie es Magnus Hirschfeld wohl gern gehabt hätte. (Hirsch- feld: sicher nicht der einzi- ge homophile Sexualfor- scher, von Rölke leider nicht erwähnt, ist er doch grundlegend.)

Übrigens ist, wenn man die Zahlen aus der Zeit Hirsch- felds, also vor ca. 50 Jah- ren, mit den heutigen ver- gleicht, die Homosexuali- tät keineswegs häufiger geworden, doch tritt sie, aus dem Ghetto befreit, mehr in das Blickfeld. Ho- mosexualität, das wird heute hartnäckig betont, sei normal. Wir müssen die Frage offen lassen, da wir nicht wissen, was normal ist. Wenn man sich aber darauf beruft, daß sie auch bei Tieren vorkomme, müssen wir darauf hinwei- sen, daß keine Feldbeob- achtung bekannt ist, wo- nach Tiere homosexuell seien und auch onanier- ten. Domestizierte Tiere scheiden bei solchen Un- tersuchungen exakterwei- se aus.

Das dahinscheidende Abendtand, in diesen Fra- gen sittlich eben nicht an Platos Gastmahl, sondern an der Genesis (Moses I) orientiert, hat die Homose- xualität perhorresziert, wie es überhaupt ja dazu neig- te, Randgruppen nun eben an den Rand zu stellen.

Minderheit darf aber nicht Rand bedeuten. Dies wäre bezüglich der homosexu- ellen Menschen recht ei- gentlich Christenpflicht gewesen. Sind sie in man- cher Hinsicht anders, so doch nicht besser oder schlechter. Ihr Verhalten sei unnatürlich. Gewiß, doch ist Antikonzeption natürlich?

Dr. Dr. med.

Sigurd Hild Langenstraße 40 2120 Lüneburg

Die

„ Männerliebe" hat Tradition

Zu dem Artikel von Dr. med. Heinz-Walter Rölke in Heft 27/1984, Seite 2085 ff.

Fortsetzung von Heft 40/1984

2940 (12) Heft 41 vom 10. Oktober 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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