DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Ganzheitsmedizin FEUILLETON
Verbindungen, und es gab kei- nen gedanklichen Austausch mit August Bier. Auch ist sein ganz- heitliches System von keinem Schüler fortgeführt worden. Das mag an den Schwächen dieses Systems liegen, die vor allem in Biers schwer nachvollziehbarer subjektiver Argumentationswei- se und in der per se problemati- schen Verbindung von Philoso- phie und Medizin zu suchen sind. Sein „Harmonisch-Biologi- sches System" weist aber auf wichtige Determinanten einer sinnvollen und humanen Medi- zin hin, einer „Heilkunde statt Heiltechnik", die heute in zeitge- mäßen Konzepten wieder an Kraft gewinnen.
Im Jahre 1925 erschien August Bier auf der Vorschlagsliste für den Nobelpreis, 1937 erhielt er zusammen mit Ferdinand Sauer- bruch den Deutschen National- preis. Dennoch wurde er mehr und mehr als Sonderling be- trachtet, denn nachdem er 1932 in den Ruhestand getreten war, befaßte er sich fast nur noch mit philosophischen Fragen und mit seinem Waldexperiment. Zudem widersprach Bier damit grundle- gend dem Arztbild der national- sozialistischen „Biologischen Medizin". Nachdem Bier zu- nächst in bedenkliche Nähe zur nationalsozialistischen Rassen- ideologie geraten war, wandte er sich später gegen den Antisemi- tismus und mußte miterleben, wie seine Frau Anna nach dem 20. Juli 1944 wegen „staatsfeind- licher" Äußerungen verhaftet wurde.
August Biers letzte Lebensjahre wurden durch die Beschwernis- se der Nachkriegszeit und den Tod seiner Ehefrau getrübt, er starb im Alter von 87 Jahren am 12. März 1949 auf seinem Gut in Sauen.
Anschrift des Verfassers:
cand. med.
Claus Levacher Medardusstraße 24 5024 Pulheim-Brauweiler
Frage: Frau Chidolue, Sie haben ei- ne Lehre als Steuer- und Wirt- schaftsprüfergehilfin absolviert, Ab- itur nachgeholt, dann Jura und Poli- tische Wissenschaften studiert, sind verheiratet, haben zwei Kinder, ar- beiten hauptberuflich und ganztags in leitender Stellung in einem Ver- bandsunternehmen, feiern jedoch nebenberuflich als Jugendbuchau- torin die zunehmend größeren Erfol- ge. 1979 erhielten Sie den Hans-im- Glück-Preis und in diesem Jahr gar den Deutschen Jugendbuchpreis.
Wie bringen Sie das alles zeitlich und physisch unter den berühmten Hut?
Chidolue: Das ist eine Sache der Disziplin und der Organisation.
Das konnte ich früher nicht. Das habe ich lernen müssen. Wichtig ist auch, daß man in der Familie mein Schreiben akzeptiert. Ich schreibe pro Tag nur ein be- stimmtes Pensum, weil ich sonst ermüde oder Quatsch dabei her- auskommt.
Frage: „In ihren Büchern", so ist es in Klaus Doderers „Lexikon der Kin-
Interview
mit der Preisträgerin des Deutschen Jugend- buchpreises 1986
Dagmar Chidolue:
„Ich mag junge Leute
mit Träumen"
der- und Jugendliteratur" festge- schrieben, „arbeitet Dagmar Chido- lue vor allem die Jahre der Studen- tenbewegung von 1966 bis 1969 auf.
Sie verknüpft sie mit ihrer eigenen Lebensgeschichte". Wie war sie denn, Ihre eigene Lebensgeschich- te? Haben Sie zu den Barrikaden- stürmern gehört? Zu den Theoreti- kern? Oder nur zu den Beobach- tern?
Chidolue: Das ist zwar mal so geschrieben worden, was Sie gerade zitierten, aber das stimmt in dem Sinne nicht. Ich hatte da- mals, als an diesem Lexikon ge- arbeitet wurde, gerade das Buch
„Das Fleisch im Bauch der Kat- ze" herausgebracht. Da spielt die Studentenzeit, also die 67er, 68er Jahre, schon eine Rolle.
Das war damals. Ich schreibe na- türlich jetzt nicht mehr über die- se Zeit. Ich habe 1967/68 an der Frankfurter Uni studiert und be- kam einiges schon ziemlich hautnah mit.
Frage: Aber Sie gehörten nicht zum
„Harten Kern"?
Sie ist nicht unbedingt der Typ einer Karrierefrau. Und dennoch verbindet sie scheinbar mühelos all das, wofür andere vorgeben, gleich mehrere Le- ben zu brauchen: Sie ist (brot-)beruflich äußerst erfolgreich, ist Mutter, Haus- und Ehefrau und überdies auch noch dabei, sich in die allererste Reihe der deutschen Jugendliteratur-Autoren zu schreiben — Dagmar Chi- dolue, 1944 in Sensburg geboren, im westfälischen Gütersloh aufgewach- sen und heute im hessischen Neu-Anspach lebend. Ihr Buch-Debüt gab sie 1976 mit dem Titel „Das Maisfeld". Mittlerweile liegt rund ein Dutzend Bücher von ihr vor. Für „Lady Punk", bei Beltz & Gelberg erschienen, er- hielt sie in Göttingen den Deutschen Jugendbuchpreis 1986. Unser Mitar- beiter W. Christian Schmitt sprach mit der imponierenden Preisträgerin.
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 47 vom 19. November 1986 (73) 3307
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT FEUILLETON
Chidolue: Ich gehörte nicht zum
„Harten Kern". Ich glaube, ich gehörte zu gar keinem „Kern"
Ich bin auch heute noch mehr ein Typ, der nicht mitagiert. Für mich ist das Leben mehr oder weniger Kino.
Frage: Schreiben ist für Sie also so etwas wie Ersatz für den berühmten
„Marsch durch die Institutionen"?
Chidolue: Die Frage läuft jetzt wieder darauf hinaus: Was habe ich für eine Botschaft? Das ist diese typische Frage. Ich wehre mich dagegen, weil ich eigent- lich immer nur etwas erzählen möchte. Eine Sache, die sich auch abgespielt hat. Ich schrei- be so, wie ich eigentlich auch le- se. Ich lese Bücher, um Erfah- rungen zu sammeln, die ich nicht selber machen kann. Weil ich orts- oder familiär gebunden bin, oder beruflich.
Frage: Kommen wir zu „Lady Punk", einem bei Beltz & Gelberg er- schienenen Jugendroman, für den Sie den Deutschen Jugendbuch- preis erhielten. Um was geht es — in ein paar Sätzen — in diesem, ja schon eher heiter daherkommenden Problembuch?
Chidolue: Ich habe diese Person der Lady Punk kennengelernt.
Es war ein äußerst faszinieren- des Mädchen. Sie war sehr jung, und trotzdem hatte sie eine Aus- strahlung, ein Selbstbewußtsein, wie das oft Erwachsene nicht ha- ben. Sie war auch sehr mitteil- sam, auch über ihre Familienver- hältnisse. Eigentlich hätten die- se Familienverhältnisse ein tod- unglückliches Kind produzieren müssen. Das war aber nicht so.
Sie ließ sich von diesen Widrig- keiten, in denen sie lebte, nicht unterkriegen. Sie hatte sogar ei- nen Traum. Ich mag Leute mit Träumen. Der war in diesem Fall ihr Vater. Der Traum hat sich dann zwar zerschlagen, aber ich fand es trotzdem schön, weil Träume oft den Leuten Kraft ge- ben. Gerade in einer Welt wie heute, wo viele Jugendliche zwar alles haben, aber keine Ziele und damit auch keine Träume. ❑
Aktuelle Kulturnotizen
Signatur von Eugöne Ionesco
—Der französische Theaterautor Eugäne Ionesco hat die fünfte Ausgabe der im Verlag Rommers- kirchen erscheinenden „Signa- tur" mit eigens dafür konzipier- ten Texten und Zeichnungen ge- staltet. Theo Rommerskirchen, Herausgeber von „Signatur", konnte bisher den Poeten Arik Brauer, die Malerin Bele Ba- chem, den Zeichner Horst Jans- sen und den Schriftsteller Horst Bienek für seine jeweils als Ge- samtkunstwerk gedachten Zeit- schriften-Ausgaben gewinnen.
Verlag Rommerskirchen/Arno Karlholz
LL
Die Edition ist nur im Abonne- ment erhältlich bei Verlag Rom- merskirchen, Rolandshof, 5480 Remagen-Rolandseck. VR Amerika vor Kolumbus — Die große Ausstellung präkolumbi- scher Kunstschätze, die in Hil- desheim zu sehen war und vom 6. Dezember bis zum 1. März 1987 im Haus der Kunst in Mün- chen gezeigt wird, weckt neues Interesse an den alten Kulturen der Neuen Welt: Das Kulturma- gazin des DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATTES berichtete in Heft 41 vom 8. Oktober. Wer seine Kenntnisse noch vertiefen möch- te, sei auf den soeben erschiene- nen Band „Amerika vor Kolum- bus" aus der Reihe „Weltatlas der alten Kulturen" im Christian Verlag, München, verwiesen. Auf 240 Seiten mit mehr als 300
meist farbigen Illustrationen bie- tet dieser Band eine Gesamt- schau von Geschichte, Kunst und Lebensformen des präko- lumbischen Kontinents. DÄ Almanach Deutscher Schrift- steller-Ärzte 1987 und 1988
—Die Ausgabe 1987 des Alma- nachs deutscher Schriftsteller- Ärzte, herausgegeben von Dr.
med. Jürgen Schwalm ist im Th.
Breit-Verlag, Marquartstein, so- eben erschienen. Der Band ko- stet 22 DM und ist über den Ver- lag oder Buchhandel zu bezie- hen. Herausgeber Schwalm bit- tet bereits jetzt die Schriftsteller- Ärzte, für den Almanach 1988 Ly- rik- und Prosabeiträge in Ma-
Eugäne Ionesco gestaltete die fünfte Ausgabe der Kunstedition Signatur schinenschrift auf DIN-A4-Seiten (jeweils zwei Exemplare dieser Scripten) sowie eine Biographie und ein Publikationsverzeichnis bis zum 31. Januar 1987 zu sen- den an: Dr. Jürgen Schwalm, Sandstraße 16, 2400 Lübeck 1.S Kunstbuch über Maler-Ärzte
—Das „Forschungsinstitut Bilden- der Künste" bereitet in seiner Buchreihe „Zeitkunst" einen Band „Arzt und Maler" vor. Dem Institut, so teilt es mit, sind be- reits etwa zweihundert malende Ärzte bekannt, bei deren Werken man nicht von einer Hobbymale- rei sprechen könne. Malende Ärzte, deren künstlerisches Wir- ken in diesem Buch beschrieben werden soll, können sich wen- den an: Forschungsinstitut Bil- dender Künste, Winterstraße 1, 8500 Nürnberg 80. DÄ 3308 (74) Heft 47 vom 19. November 1986 83. Jahrgang Ausgabe A