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Archiv "GKV-Beitragsrecht: Entlastung für freiwillig versicherte Rentner" (08.02.2002)

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ie meisten der nach 1992 bei den gesetzlichen Krankenkassen frei- willig versicherten Rentner wer- den vom 1. April an in die Krankenver- sicherung der Rentner (KVdR) als Pflichtmitglieder einbezogen. Sie unter- liegen damit demselben Beitragsrecht wie jene Rentner, die schon bisher in der Rentner-Krankenversicherung pflicht- versichert sind. Das bedeutet für rund 850 000 freiwillig versicherte Rentner eine erhebliche Entlastung, auch weil Zins- und Mieteinnahmen nicht mehr beitragspflichtig sind. Die Gesetzli- che Krankenversicherung (GKV) rech- net mit Ausfällen von etwa 300 Mil- lionen A.

Der Erste Senat des Bundesverfas- sungsgerichts hatte am 15. März 2000 das 1993 mit dem Gesundheitsstruktur- gesetz (GSG) eingeführte Beitrags- recht für freiwillig versicherte Rentner wegen des Verstoßes gegen den Gleich- heitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) für verfassungswidrig, aber noch bis Ende März dieses Jahres für anwendbar er- klärt. Dem Gesetzgeber wurde die Möglichkeit eröffnet, für die Gleichbe- handlung der Rentner bei der Beitrags- bemessung zu sorgen (Az.: 1 BvL 16/96 und andere). Die Politik hat diese Frist von zwei Jahren nicht zu einer Neuord- nung des Beitragsrechts genutzt. Damit muss vom 1. April an wieder das vor 1993 geltende Beitragsrecht angewen- det werden.

Danach sind auch freiwillig Versi- cherte in die KVdR einzubeziehen, die vor dem Rentenantrag mindestens neun Zehntel in der zweiten Hälfte der Versicherungszeit pflicht- oder freiwil- lig versichert waren. Zudem würde der Beitrag von etwa 200 000 Rentnern, die nur von der Rente leben, steigen; diese werden durch einen um einige Zehntel-

punkte niedrigeren Beitragssatz be- günstigt. Auch würden viele Rentner, die heute bei ihrem Ehepartner bei- tragsfrei mitversichert sind, versiche- rungs- und beitragspflichtig. Das will die rot-grüne Koalition

verhindern. Sie hat da- her einen Gesetzent- wurf eingebracht, der schon Ende Februar vom Bundestag und am 22. März vom Bundesrat beschlossen werden soll.

Danach würden freiwil- lig versicherte Rentner, die vom 1. April an eine Mehrbelastung zu er- warten haben, das bis- herige, für sie günstigere Beitragsrecht beibehal- ten können.

Die höhere Beitrags-

belastung für freiwillig versicherte Rentner war Ende 1992 von der Lahn- steiner 3-Parteien-Koalition in einer

„Nacht- und Nebelaktion“ beschlossen worden. Sie sollte eine Finanzlücke im Reformkonzept schließen, nachdem die zunächst vorgesehene Erhöhung der Zuzahlung im Krankenhaus in der SPD-Fraktion nicht durchsetzbar war.

Nach dem vom früheren Gesundheits- minister Seehofer initiierten GSG wur- den von 1993 an pflichtversicherte und freiwillig versicherte Rentner, die ihre Rente nach 1992 beantragt hatten, sehr unterschiedlich mit Beiträgen belastet:

– Für Pflichtmitglieder gilt heute und künftig: Der Rentenbetrag sowie andere Versorgungsbezüge (wie Be- triebsrenten) und Arbeitseinkommen werden mit dem halben Beitragssatz der jeweiligen Krankenkasse belastet.

Von sonstigen Einkünften werden kei- ne Beiträge erhoben.

— Für die meisten freiwillig versi- cherten Rentner gilt seit 1993: Auf Ren- ten, andere Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen sowie auf sonstige Einkünfte, wie Zinsen und Mieten, wird der volle Beitragssatz angewendet. Die Hälfte des KV-Beitrags für die Rente trägt die Rentenversicherung.

Trotz des einheitlichen Leistungsan- gebots der GKV werden also seit 1993 freiwillig versicherte Rentner, die oft schon über Jahrzehnte hinweg Höchst- beiträge entrichtet hatten, zum Teil doppelt so hoch belastet wie pflichtver- sicherte Rentner mit gleichem Ein- kommen. Dies begründet die Verfas- sungswidrigkeit der Beitragsregelung.

1996 hat das Bundessozialgericht das Bundesverfassungsge- richt eingeschaltet. Die- ses verlangte dann die Gleichbehandlung der Versicherten spätestens vom 1. April 2002 an.

Die Betroffenen haben also bis zu neun Jahren einen verfassungswidrig überhöhten Beitrag ent- richtet.

Deshalb kann nicht von einem Wahlgeschenk an Rentner gesprochen werden, auch wenn die Entscheidung der Koali- tion wahlpolitisch be- stimmt erscheint. Das Verfassungsge- richt hatte es für vertretbar gehalten, die Gleichbehandlung durch die Bei- tragspflicht für Zinsen und Mieten auch bei den pflichtversicherten Rentnern zu erreichen. Das hätte dann aber wohl für alle Versicherten gelten müssen, was die paritätische Beitragsaufbringung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber infrage gestellt hätte. Die rot-grüne Koalition will aber keine Reform, durch die nur Pflichtversicherte bela- stet und Arbeitgeber entlastet würden;

daher verschiebt sie die Neuordnung des Beitragsrechts. Würden zusätzliche Einkommen allgemein beitragspflich- tig, so erhielte der Beitrag weitgehend den Charakter einer proportionalen Steuer, was die Forderungen nach Er- höhung oder Aufhebung der Beitrags- bemessungsgrenze und nach Einbezie- hung aller Bürger in die GKV verstär- ken müsste. Walter Kannengießer P O L I T I K

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A336 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 6½½½½8. Februar 2002

GKV-Beitragsrecht

Entlastung für freiwillig versicherte Rentner

Neun Jahre nach Seehofers Gesundheits-Strukturgesetz wird eine verfassungswidrige Bestimmung „repariert“.

Horst Seehofer : „Nacht- und Nebelaktion“ in Lahnstein

Foto: ddp

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