Ubungsblatt 4 zur Vorlesung Wahrscheinlichkeitstheorie ¨
Wahrscheinlichkeit P
Herausgabe des ¨Ubungsblattes: Woche 12, Abgabe der L¨osungen: Woche 14 (bis Freitag, 16.15 Uhr), Be- sprechung: Woche 15
Must Aufgabe 19 [absolut stetige Wahrscheinlichkeiten]
Beweisen Sie Korollar 1.21
Aufgabe 20 [kleine H¨angepartie Beweis Satz 1.19]
Zeigen Sie: wennP[C] = 1, dann gilt f¨ur alle Borel-MengenB: P[B∩C] =P[B].
Aufgabe 21 [kleine H¨angepartie aus WTS]
Zeigen Sie: es existiert keine Uniform-Wahrscheinlichkeit auf den nat¨urlichen ZahlenN0:={0,1, . . .}. Standard
Aufgabe 22 [fast sicher, Nullmengen][4 Punkte]
SeiP[Ai] = 1 f¨ur allei, dann gilt auch
P[∩∞i=1Ai] = 1.
Aufgabe 23 [bedingte Wahrscheinlichkeiten, false positive] [4 Punkte]
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, ohne Symptome, Brustkrebs hat, ist 1 %. Hat nun eine dieser Frauen in der Tat Brustkrebs, so ist die Wahrscheinlichkeit eines positiven Mammographiebefundes 80 % (positiv heisst hier, dass der medizinische Apparat Brustkrebs anzeigt). Falls eine dieser Frauen in der Tat keinen Brustkrebs hat, so ist die Wahrscheinlichkeit eines positiven Befundes 10 %. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau mit positivem Befund tats¨achlich Brustkrebs hat?
[Zahlen sind zur Zeit (2006) etwa realistisch]
Aufgabe 24 [bedingte Wahrscheinlichkeiten][4 Punkte]
Sei P die uniforme Verteilung auf einem endlichen Ω. SeiA eine Teilmenge von Ω. Zeigen Sie: P[.|A] ist eine uniforme Verteilung aufA.
Honours Aufgabe 25 [Ein- und Ausschlussprinzip][4 Punkte]
SeienA1, . . . , An Ereignisse. J ⊆ {1, . . . , n}, BJ :=∩j∈JAj. F¨urk≥1 definieren wirSk :=P
|J|=kP[BJ].
Dann gilt das sogenannte ”Ein- und Ausschlussprinzip”:
P[∪ni=1Ai] = Xn k=1
(−1)k−1Sk.
Schreiben Sie noch die beiden Formeln f¨ur den Falln= 2 undn= 3 explizit auf und machen Sie anschauliche Diagramme dazu, welche die Formel illustrieren. Beweisen Sie das ”Ein- und Ausschlussprinzip”.
Übungsblatt 4 zur Vorlesung “Wahrscheinlichkeitstheorie”
Olivier Warin 4. März 2012
Aufgabe 19 [absolut stetige Wahrscheinlichkeiten]
Behauptung: Eine WahrscheinlichkeitPaufRist genau dann absolut stetig, wenn es eine nicht-negative FunktionfP (Dichte vonP) aufRgibt mitR∞
−∞fP(s)ds= 1, so dass FP(t) =
Z t
−∞
fP(s)ds
für allet∈R.
Beweis: Nehmen wir zunächst an, dass wir eine absolut stetige WahrscheinlichkeitP aufRhaben. Laut Definition 1.20 gibt es daher eine nicht-negative (und integrierbare) Funktion fP :R→ R, so dass für alle reelle Zahlen a < b gilt P[(a, b]] = Rb
a fP(s)ds. Aus Aufgabe 18 können wir schliessen, dass es für jedesε >0eine positive reelle Zahlaε gibt, so dass
1−ε6P[(−aε, aε]] = Z aε
−aε
fP(s)ds 6 Z ∞
−∞
fP(s)ds.
Die rechte Seite hängt nicht vonεab, daher folgt mitε→0:R∞
−∞fP(s)ds>1. Andererseits gilt für alle positiven reellen Zahlena
1 =P[R] > P[(−a, a]] = Z a
−a
fP(s)ds,
und damit auchR∞
−∞fP(s)ds61. Wir schliessen Z ∞
−∞
fP(s) = 1.
Analog können wir einsehen, dass gilt
FP(t) =P[(−∞, t]] = Z t
−∞
fP(s)ds.
Nun nehmen wir umgekehrt an, dass es eine nicht-negative Funktion fP auf RmitR∞
−∞fP(s)ds= 1 gibt, so dassFP(t) =Rt
−∞fP(s)dsfür allet∈R. Seienaundbzwei reelle Zahlen mita < b. Ähnlich wie in Aufgabe 18, können wir schliessen
P[(a, b]] =FP(b)−FP(a) = Z b
−∞
fP(s)ds− Z a
−∞
fP(s)ds = Z b
a
fP(s)ds,
also istP gemäss Definition 1.20 absolut stetig.
Aufgabe 20 [kleine Hängepartie Beweis Satz 1.19]
Sei P eine Wahrscheinlichkeit auf (R,B(R)). Sei weiter C eine Borel-Menge mit P[C] = 1 und B eine beliebige Borel-Menge.
Behauptung: Dann giltP[B] = P[B∩C].
Beweis: Da C ⊆B∪C folgt sofort mit Lemma 1.8 c) P[B∪C] >P[C] = 1, alsoP[B∪C] = 1. Wir schliessen mit Lemma 1.8 d)
1 =P[B∪C] = P[B] +P[C]−P[B∩C] = P[B] + 1−P[B∩C].
Daraus folgtP[B] =P[B∩C], wie behauptet.
Aufgabe 21 [kleine Hängepartie aus WTS]
Behauptung: Es gibt keine Uniform-Wahrscheinlichkeit auf den natürlichen ZahlenN0={0,1, . . .}. Beweis: Nehmen wir an, es gäbe eine solche UniformwahrscheinlichkeitP aufN0. Dies bedeutet, dass es einp∈[0,1]geben muss mitP[{n}] =pfür allen∈N0. Nun können wir aberN0wie folgt als disjunkte abzählbare Vereinigung schreiben:
N0= ˙S∞
n=0{n}. Mit Definition 1.7 b) und c) folgt damit
1 =P[N0] = X∞ n=0
p =
(0, fallsp= 0
∞, fallsp >0.
Dies ist ein Widerspruch, also kann ein kein solchesP geben.
Aufgabe 22 [fast sicher, Nullmengen]
Es sei(Ai)i∈N eine folge von Ereignissen mitP[Ai] = 1für allei∈N. Behauptung: Dann giltP[T∞
i=1Ai] = 1.
Beweis: Mit Lemma 1.8 und den Gesetzen von de Morgan schliessen wir
P[T∞
i=1Ai] = 1−P[ T∞
i=1Aic
] = 1−P[S∞
i=1Aci] > 1− X∞
i=1
P[Aci]
= 1− X∞ i=1
(1−P[Ai]) = 1
und damit folgt die Behauptung.
Aufgabe 23 [bedingte Wahrscheinlichkeiten, false positive]
Wir definieren die folgenden zwei Ereignisse:
K={“Frauen zwischen 40 und 50 Jahren, ohne Symptome, die Brustkrebs haben”}
T ={“Frauen zwischen 40 und 50 Jahren, ohne Symptome, mit positivem Mammographiebefund”}. Aus dem Aufgabentext erhalten wir (unter Anderem) die folgende Informationen.
P[K] = 1%, P[T|K] = 80%, P[T|Kc] = 10%.
In dieser Formalisierung, ist nunP[K|T]gesucht. Um diese Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, verwenden wir die Formel von Bayes (siehe Seite 26 im Skript) und das Prinzip der Gegenwahrscheinlichkeit (für P[Kc]):
P[K|T] = P[T|K]P[K]
P[T|K]P[K] +P[T|Kc]P[Kc] = P[T|K]P[K]
P[T|K]P[K] +P[T|Kc](1−P[K])
= 7.476636%..
Aufgabe 24 [bedingte Wahrscheinlichkeiten]
SeiP die uniforme Verteilung aufΩ ={ω1, . . . , ωn}, d.h.P[{ωi}] = 1/nfür allei= 1, . . . , n.
Weiter seiAeine nicht-leere Teilmenge von Ωmit mElementen und damit alsoP[A] =m/n.
Behauptung: Die WahrscheinlichkeitP[· |A]ist die uniforme Verteilung auf A.
Beweis: Es sei a ∈ A. Wir müssen nun zeigen, dass P[{a}|A] = 1/m gilt. Da P auf Ω die uniforme Verteilung ist gilt aufgrund von Definition 1.22:
P[{a}|A] = P[{a} ∩A]
P[A] = P[{a}]
P[A] = 1/n m/n = 1
m.
Wir haben dabei beim zweiten Gleichheitszeichen benutzt, dassa∈Aund damit{a} ∩A={a}.
Aufgabe 25 [Ein- und Ausschlussprinzip]
Es seienA1, . . . , AnEreignisse und für eine TeilmengeJ ⊆ {1, . . . , n}seiBJ =T
j∈JAj. Weiter definieren wir für eine natürliche Zahlk Sk=P
|J|=kP[BJ].
Behauptung: Es gilt das sogenannte “Ein- und Ausschlussprinzip”:
P[Sn i=1Ai] =
Xn k=1
(−1)k−1Sk.
Bevor wir diese Behauptung beweisen, schreiben wir diese Formel noch für n = 2 und n = 3 einmal explizit auf und illustrieren diese mit Hilfe von entsprechenden Venn-Diagrammen.
Fürn= 2 erhalten wir die folgende Formel:
P[A1∪A2] =P[A1] +P[A2]−P[A1∩A2],
also genau die Formel aus Lemma 1.8 d). Das Folgende beschreibt diese Formel mit Skizzen.
P
" #
=P
" # +P
" #
−P
" # .
Fürn= 3 erhalten wir die folgende Formel:
P[A1∪A2∪A3] =P[A1] +P[A2] +P[A3]−P[A1∩A2]−P[A1∩A3]−P[A2∩A3] +P[A1∩A2∩A3].
Dies kann wie folgt mit Skizzen beschrieben werden:
P
=P
+P
+P
−P
−P
−P
+P
.
Kommen wir nun noch zum Beweis der Behauptung:
Beweis (der Behauptung): Wir beweisen die Aussage per Induktion. Fürn= 1ist die Behauptung klar.
Wir können also annehmen, dassn >1und dass die Behauptung fürn−1 stattnbewiesen ist.
Wir beginnen nun auf der rechten Seite der Gleichung.
Xn k=1
(−1)k−1Sk= Xn k=1
(−1)k−1 X
|J|=k
P[BJ] = Xn k=1
(−1)k−1 X
|J|=k n∈J
P[BJ] + Xn k=1
(−1)k−1 X
|J|=k n6∈J
P[BJ]
=P[An] + Xn k=2
(−1)k−1 X
|J|=k−1 n6∈J
P[An∩BJ] +
nX−1 k=1
(−1)k−1 X
|J|=k n6∈J
P[BJ]
=P[An]−
n−1
X
k=1
(−1)k−1 X
|J|=k n6∈J
P[T
j∈J(An∩Aj)] +
nX−1 k=1
(−1)k−1 X
|J|=k n6∈J
P[BJ].
Damit folgt aufgrund der Induktionsannahme Xn
k=1
(−1)k−1Sk =P[An]−P[Sn−1
i=1(An∩Ai)] +P[Sn−1
i=1Ai] = P[An] +P[Sn−1
i=1Ai]−P[An∩Sn−1
i=1Ai].
Wir schliessen mit Lemma 1.8 d) Xn k=1
(−1)k−1Sk =P[An∪Sn−1
i=1Ai] = P[Sn i=1Ai].