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Die Unsterblichkeitslehre der alten Chinesen.
Von Dr. J. H. Plath.
Man hat vielfach die Religionen der alten Völker miteinander
zu vergleichen und eiue aus der andern herzuleiten versucht. Es
leuchtet aber ein , dass die nothwendige Bedingung jedes Ver¬
gleiches die ist, dass man die einzelnen Religionen selbst aus
den sichern Originalquellen kenne; sonst kommt man zu den ver¬
kehrtesten Resultaten. So glaubt jetzt die Masse der Chinesen,
wie die alten Aegypter, an die Lehre von der Seelenwanderuug und
man hat daher -den Glauben derselben von den alten Aegyptern
herleiten wollen. Dies fällt aber sofort weg , wenn man weiss, dass
die alten Chinesen an eine Seelenwanderung gar nicht geglaubt
haben, soudern dieser Glaube erst mit dem Buddhaismus unter der
öten Dynastie Han (seit 65 n. Chr.) aus Indien in China einge¬
drungen ist. So — wird man nun sagen — hängt doch die Seelen¬
wanderungslehre der Inder wohl rait der der alten Aegypter zusam¬
men. Aber auch das ist Nichts; denn, abgesehen von der verschie¬
denen Gestaltung dieser Lehre bei beiden Völkern im Einzelnen,
war die Lehre von der Seelenwanderung — wie das Kastenwesen,
das auch dem ägyptischen ähnlich scheint — den alten Indern zur
Zeit der Veda's noch gänzlich fremd und hat sich erst, als die
arischen Inder vom Indus und der Saraswati an den Ganges ge¬
zogen waren, offenbar unter den Eindrücken der dortigen Natur,
ausgebildet.
Da wir über die alte Religion der Chinesen gar kein
aus den Quellen geschöpftes Werk besitzen, habe ich in 2 Abhand¬
lungen der Abhandl. der k. bayer. Acad. d. W. I. Cl. IX. B. III.
Abth., die auch einzeln erschienen sind'), über die Religion und
den Cultus der alten Chinesen gehandelt. In diesen Abhandlungen
ist natürlich auch von ihrem Glauben an die Fortdauer nach
dem Tode und von den Ahnen die Rede. Ich hatte aber damals
l'l Die Religion und der Cultus der alten Chinesen. Abth. I:
Die Religion der alten Chinesen, mit 23 lithogr. Tafeln. München 1862. 4.
Abth. II. Der Cultus der alten Chinesen. München 1863. 4. Chinesische Texto zu Dr. J. H. Pin t h's Ahtb. 2. der Cultus der alten Chinesen. MUnchen 1864. 4.
Bd. XX. 31
Plath, die ünsterblichkeitslehre der alten Chinesen.
vornebmlich die sog. classischen Schriften der Chinesen (King) zum
Grunde gelegt, aber auch schon bemerkt, dass zur Zeit des Con¬
fueius, von dem bekanntlich die Redaktion derselben herrührt, dieser
Glaube, wenn nicht zweifelhaft geworden, doch bei diesem Weisen
und seinen Schülern gegen die ■moralischen Lehren sehr zurück¬
getreten war. Ich habe seitdem noch einige alte Schriften, worin
die Volksvorstellungen mehr enthalten sind, namentlich die von
seinem Zeitgenossen Tso-kieu-ming oder, wie man ihn kürzer
blos mit seinem Familiennamen bezeichnet , T s o - s c h i , und den
Sseki von Sse-ma-tsien durchforschen können. Indem ich mich
was die früher in meiner Abhandlung schon benutzten Stellen be¬
trifft, der Kürze wegen auf diese beziehe, will ich, was diese eben
erwähnten Schriften namentlich noch Neues enthalten, etwas aus-
fttlirlicber mittheilen und so jene Abhandlung ergänzen.
Die Chinesen haben wohl von jeher an eine Fortdauer nach
dem Tode geglaubt und der Ahnencultus, aus dem die Religion des
Einzelnen in alter Zeit fast ansschliesslich bestand, datirt schon aus
der Ältesten Zeit. Die Pietät, welche die Grundlage des ganzen
chinesischen Lebens immer war, dauerte auch nach dem Tode
der geliebten Eltern uoch fort ; man gedachte ihrer in Liebe, brachte
ihnen Gaben und Opfer dar und setzte eine TheVnahtne derselben
an den Vorkommnissen des Lebens nnd ihren Schutz nnd Beistand
vorans und Nichts ist verkehrter als wenn Adolph Wuttke ')
sagt, „das chinesische System hat keine Unsterblichkeit". Den
Volksglauben an Fortdauer kann er selber nicht leugnen, „es soll
aber nur eine gemüthliche Inconsequenz sein, eine dem Grund-
bewnsstsein znm Trotze mit Liebe gepflegte fremdartige Vorstellung,
als ein Knkuks-Ei, dessen Sprössling sich in dem fremden Neste
bald breiter macht, als es den rechten Bewohnern desselben gut
ist." Sein einziger Grund ist , Confueius weiche ängstlich jeder
Frage und jeder Antwort darüber aus, was doch nur beweist, dass
zu seiner Zeit bei den Philosophen der Volksglaube zwar nicht
aafgegeben, aber doch zurückgedrängt und geschwächt war. Wir
erörtern zunächst die chinesischen Ausdrücke für Ahn und Geist.
Man verbindet sehr oft die Ausdrücke Kuei und Schin. Speciell
bezeicbnet jenes den Ahn, dieses die Geister Uberhaupt. Die Men¬
schengeister und Naturgeister werden nämlich von den Chinesen
nicht so getrennt gedacht und wenigstens später die Geister einzel¬
ner verstorbener Menschen als Vorsteher der Elemente u. s. w. be¬
trachtet. Die ganze Natur, die Berge, Flüsse u. s. w. sind nach
ihnen von Geistem (Schin) belebt Die ehines. Betrachtung geht
nun vom Himmel (Thien) und der Erde (Ti) aus. Der Himmel ist
das Höhere , die Erde das Niedrigere. An der Spitze aller Geister
steht der Himmel oder wie man auch sagt der Schang-ti, das ist:
der obere Kaiser oder Gott. In der philosophischen Sprache wer-
1) Oeschichte des Heidenthums. Breslau 1853. 8. B. 2. S. 48.
Plath, üif^terblichkeitalehre des alten Chinesen.
den die beiden Principien durch Yang und Yn, etwa das lichte
und dunkle Princip ausgedrückt. Nach dieser Erörterung werden
die folgenden Erklärungen der betreffenden Ausdrücke verständlich
werden.
Wir können im Chinesischen zwei Sprachen unterscheiden, die
ältere Tonsprache und die spätere Schriftsprache. Manchmal decken
sie sich, ein andermal ergeben die Ausdrücke für eine und dieselbe
Sache aber auch eine verschiedene Bedentung. Das Wort Kuei
erklärt nun das alte Wörterbuch Schue-wan durch einen gleichläu¬
tenden, aber verschieden geschriebenen Charakter: Jin so kuei,
d. i. wozu der Mensch zurückkehrt; der Charakter Kuei (Cl. 194)
ist ursprünglich ein altes Bild von einem Dämon oder so etwas.
Uas Wort Schin hat viele Bedeutungen, unter anderm die von
„Ausdehnen"; der Charakter Schin ist zusammengesetzt aus der
Gruppe Schin, die auch ausdehnen heisst, mit Cl. 113 Schi,
ursprünglich aus einer geraden Linie bestehend, welche den Himmel
andeuten soll, und 3 perpendikulären Strichen, welche das Licht
bezeichnen sollen, das vom Himmel oder von Sonne, Mond und
Sternen herabkommt, und es bezeichnet dann ein Zeichen vom
Himmel, eine Kundgebung des Himmels. Statt des Einen horizon¬
talen Striches oben macht man jetzt 2, das alte Zeichen für „Oben";
es weiset also dieser Charakter schon auf das Himmlische, Was
nach oben sich erstreckt, hin.
Durch die Zusammenwirkung von Himmel nnd Erde entstehen
nach den Chinesen alle Wesen und die Quintessenz derselben,
der Mensch. Die Annahme liegt also nahe, dass beim Tode
an eine Auflösung des Menschen in den himmlischen und irdischen
Theil desselben gedacht wurde. „AHes was zwischen Himmel und
Erde entsteht — sagt der Li-ki — hat seine Bestimmung (Ming).
Alle Dinge werden vernichtet (Tsche); der Charakter besteht aus
Hand und Axt Cl. 64-{-69; wenn der Mensch stirbt, heisst er
Kuei; darin haben die 5 Familien (Dynastien) nichts geändert."
Kuei ist also der allgemeine Ausdruck für den Menschen nach
dem Tode, während Schin auch die Naturgeister in sich begreift.
Man unterscheidet nun aber zweierlei im Menschen. Mit Zusatz von
Cl. 105 Pe zu Cl. 194 Kuei wird die animale Seele bezeichnet
oder der irdische Theil. Das Wort und auch der hinzugesetzte
Charakter Pe heissen „weiss", also der weisse, vielleicht blasse
Dämon. Der Schue-wen erklärt es, „der Pe ist der Geist (Schin)
von des Mannes Yn oder dunklem Prinzip." Abweichend sagt der
Li-ki: „es sei die Fiille oder Vollendung (Tsching) des Kuei".
Der Scholiast sagt, es sei der Geist (Ling), welcher an der Ge¬
stalt (Hing) des Menschen hafte.
Das höhere, geistige Wesen bezeichnet dann in der Tonsprache
das Wort Hoen (das Wort — aber anders geschrieben — heisst
unter andern : dunkel, trübe), in der Schriftsprache ist der Charakter
zusammeiigesetzt wieder :Mi, der Cl. 194 Kuei, Dämon, mit der
3 i 31 *
474 Plath, die VnsterblichJceitslehre der alten Chinesen.
Gruppe Yün. Einzeln heisst diese jetzt nur „sprechen"; die
gewundenen Striche deuteten ursprünglich den „Odem" an, aber auch
die Windungen der Luft, daher mit Cl. 173 „Regen" Yün noch
„die Wolke " _ bezeichnet. Man denke an das lat. spiritus und
animus, von ävefiog. Der Schue-wen sagt: „der Hoen ist der
Odem (Khi) des Yang"; der Schol. zu Hoai-nan-tseu sagt
dafür, „der Hoen ist der Geist (Schin) des Yang". Eine andere
Vorstellung liegt der Aeusserung des Tso-schi zu Grunde: „Wenn
der Mensch geboren wird, entsteht bei der Umwandlung (Hoa) der
Pe; nachdem er geboren, verwandelt sich „der Pe in den Hoan"
und der Li-ki sagt: „Nichts ist was der Ho an-khi nicht durch¬
dringt". Tso-schi setzt noch hinzu, wenn an den Dingen, die zu
Gebote stehen. Vieles fein wesenhaft ist (Tsing), so werden Geist
und Seele (Hoen-Pe) stark; daher erreicht das feine Durchscheinende (Tsing schoang) die göttliche (geistige) Einsicht (Schin ming)."
Wir haben neben den Ausdrücken Kuei mit seinen Zusam¬
mensetzungen und Schin noch die Ausdrücke Ling und Khi ge¬
funden. Das Wort „Ling", das vom hellen Tone ausgeben mag,
ist sehr vieldeutig; der Charakter für ling ist zusammengesetzt aus
dem Zeichen für „Wahrsager" (Wu) und der Gruppe „Ling", aus
Cl. 173 Regen, unten anscheinend mit 3mal Cl. 30 Mund; das alte
Bild zeigte aber die Regentropfen, und es bezeichnet wohl ursprüng¬
lich den Geist, den der Wahrsager (Wu) herabruft, dann überhaupt
Geist und Verstand. Wir sahen es oben später die Seele des Pe
bezeichnen. Der Ta-tai-li-ki sagt ähnlich: „der reine Odem (Khi)
heisst Ling." Aus neuerer Zeit führt aber Morrison die Stelle
an, (Kaiser Kia-king's) Seele (Ling) ist im Himmel (tsai thie,n).
Der andere Charakter Khi (Cl. 84) besteht ursprünglich aus
einigen krummen Linien, welche die Luft andeuten und bezeichnet
dann den Dampf, den Aether, auch den Odem, die anima der gan¬
zen Natur, die animale Seele von Menschen und Thieren. Bei
Lao-tseu bedeutet es die Lebenskraft; Meng-tseu nennt den Willen
(Tschi) den Führer (Sse) dieser Lebenskraft ; vom Sterben sagt der
Li-ki im Kap. Sang-ta-ki cap. 22 f. 1 tsiue khi, d. i. den Lebensodem abschneiden ; Blut und Lebenskraft (hiue-khi) werden öfter verbunden.
Es herrscht in allen diesen und manchen andern Aeusserungen, wie
man sieht , wenig Klarheit. Dass auch die alten Chinesen dies nicht
besser verstanden, sieht man aus dem angeblichen Gespräche des Con¬
fueius mit seinem Schüler Tsai-ngo im Li-ki und in den Haus¬
gesprächen (Kia-iü), die ich Abh. L S. 59 angeführt habe. Der
Schüler fragt da den Meister, er habe oft die Worte Kuei-schin
gehört, wisse aber nicht, was sie besagten. Confueius angebliche
Antwort ist aber auch wenig klar: „Wenn der Mensch geboren
wird, sagt er hier, hat er einen Khi, hat er einen Pe; der Khi
ist des Geistes (Schin) Erfüllung (Tsching). Alle die geboren wer¬
den, sterben sicher auch ; was stirbt, kehrt gewiss zur Erde zurück ;
dies heisst Kuei. Der Hoen-khi aber kehrt zum Himmel zurück
Plath, die Unsterblichkeitulchre der alten Chinesen.
und dieser lieisst Schin . Knochen und Fleisch, die todt
niederfallen, werden in Erde verwandelt, ihre Lebenskraft (Khi)
aber breitet sich nach oben aus und dies ist des Geistes (Schin)
Manifestation (Tschu)."
Beim Tode des Menschen wartete man nach dem Li-ki Kap.
Wen-Sang 35, f. 2. v. drei Tage, ob der Todte sich nicht wieder
belebe; so lange lag die Leiche im Bette und hiess Schi, später
legte man sie in den Sarg; nach den Seholiasten zum Li-ki und
Tscheu-li lud man, wenn ein Mensch starb, den Geist (Hoen) ein,
in den Körper zurückzukehren; beim Tode eines Graduirten nahm
einer sein Staatskleid und seine Staatsmütze, stieg auf das Ostende
des Daches, stellte sich mitten auf das Gebäude und das Gesicht nach
Norden gewandt, lud er den Verstorbenen ein, doch seine Kleider
wiederzunehmen, indem er ihm dreimal zurief: „N. N. korame zu¬
rück". Da das nicht geschieht, wirft er die Kleider hinab und
man kleidet den Todten au. Dies soll in China noch geschehen.
Nach dem Tscheu-li rief der Vorstand der Leichenbegängnisse
die Seele des verstorbenen Kaisers im Saale des grossen Ahnen
(wo er zu opfern pflegte), zurück, bestieg dann einen Wagen und
rief die Seele des Verstorbenen in den vier Weichbildern der Re¬
sidenz zurück.
Fragen wir aber nun nach den bestimmten Vorstellungen,
welche die alten Chinesen sich von den Todten machten, so erhal¬
ten wir darüber nur wenige, unbestimmte Angaben. Im Schu-king
heisst es beim Tode Kaiser Yao's, „er stieg hinauf, er ging hinab"
(Tsu-lo 0) und der Scholiast desselben und der des Meng-tseu, wel¬
cher die Stelle anführt, erklärt dies: „Wenn der Mensch stirbt, so
steigt der Geist (Hoen) aufwärts (sching); die Seele (Pe) geht
abwärts (hiang); daher brauchten die Alten für „Sterben" den Aus¬
druck Tsu-lo; der Ausdruck lo ist von herabfallenden Blättern
entlehnt und bei der Beerdigung wandte man die Blicke aufwärts
gen Himmel, wo der Geist, und abwärts zur Erde, wo die Seele
bleibt. Der Li-ki sagt dafür, die Geisteskraft (hoen-khi) kehrt
zum Himmel, die Körperform (hing-pe) zur Erde zurück, was denn
aber schon wieder die spätere philosophische Deutung enthält. In
der Chronik des Bambubuches (Tschu-schu) ^) heisst es immer, wenn
ein Kaiser stirbt: „Er ist aufgestiegen" (Tschi) »), d. h. nach dem
Philosophen Han-tseu: er ist in den Himmel aufgestiegen (sching
1) Legge T. IU. p. 40 will tsu auch hloss für wang, davon gehen, nehmen..
Der Charakter ist zusammengesetzt aus CI. 78 Skelet ^ und _ jetzt thsiei, eine Partikel und u. s. w. , ursprünglich aber Bild eiues (Opfer-)Gefässes.
2) Sie ist jetzt chinesisch mit eiuer Uebersetzung herausgegeben von Legge, The Chiuese Classics P. III. P. 1. Hongkong 1865. 8. Proleg. c. 4. p. 105—183.
3) Der Ausdruck wird im Schu - king Cap. Schuu - tien zu Ende bei Schun's Ende gebraucht ; die Auslegung ist aber da verschieden. S. Legge T. UI. p. 51.
476 Plath, die Unaterblichkeitulehre der alten Chinesen.
thien-ye). Nach dem Li-ki meldete man den Tod des Kaisers
mit der Formel: „der Beherrscher des Reiches ist aufgestiegen"
(kia), mit einem andern Ausdrucke. Im Schu-king heisst es:
„der Dynastie Yn viele früheren erleuchteten Kaiser sind im Him¬
mel (thsai thien)" und im Liederbuche : „die drei Fürsten (die Ahnen
der 3ten Dynastie Tscheu) sind im Himmel" und an einer andern
Stelle von Kaiser Wen-wang: „er ist jetzt oben im Glänze des
Himmels. — Er mag auf- oder absteigen, immer ist er zur Linken
oder Rechten des (Schang-)ti" (das ist des oberUen Kaisers oder
Gottes). Hier, sehen wir, werden die verstorbenen früheren Herr¬
seher als dem obem Kaiser (Gott) zur Seite stehend im Himmel
gedacht. Es ist hier allerdings nur von den alten Kaisern die
Rede; doch wäre es irrig, wenn man meinte, wie einige frühere
katholische Missionäre es thaten, dass nur einige ihrer grossen Kai¬
ser dem Schang-ti zugesellt fortlebend gedacht würden. Dies ergibt
sich aus der merkwürdigen Stelle im Schu-king Kap. Pan-keng.
Dieser alte Kaiser der 2ten Dynastie (seit 1401 v. Chr.) wollte seine Residenz verlegen, das Volk war unzufrieden damit und murrte;
er suchte es nun dazu zu bereden und es heisst da: „Ich denke
an die Mühen meiner frühern Geisterfürsten (Schin-heu, d. i. Vor¬
fahren) um eure Vorfahren ; ich liebe euch ebenso ; würde ich nun
länger hier bleiben, so würde mein hoher Fürst (Ahn) schwere
Strafen für mein Verbrechen herabsenden und sprechen: „Was bist
du so grausam gegen mein Volk ?" Wenn aber du zahlreiches Volk
jetzt dein Leben nicht erhalten willst und mit mir einem Manne
eines Sinnes sein, dann werden die früheren Fürsten über euch
grosse Strafen herabsenden (hiang) für euer Verbrechen und spre¬
chen: „Warum stimmt ihr nicht überein mit meinem jungen Enkel
und verlässt die Tugend?" — „Da meine früheren Fürsten
(Vorfahren) eure Ahnen und Väter glücklich machten, werden eure
Ahnen und Väter euch verlassen und aufgeben und euch nicht vom
Tode erretten. Wenn aber einige meiner Beamten jetzt nur an
Ansammlung von Geld und Kostbarkeiten denken, dann werden eure
Ahnen und Väter meinen erhabenen Fürsten (Ahn) dringend an¬
gehen und sprechen: „Verhänge schwere Strafen über unsere Enkel
und sie gehen meinen erhabenen Fürsten an, grosse Calamitäten
(auf euch) herabzusenden." Aus dieser Stelle sieht man deutlich,
dass nicht nur die früheren Kaiser, sondern auch die Ahnen aller
als fortdauernd, theilnehmend und wirksam in Bezug auf das Schick¬
sal ihrer Nachkommen auf Erden gedacht wurden. Sie stehen auch
dort noch in denselben Unterthanenverhältnissen zu ihren Fürsten,
wie auf Erden, und beide üben eine Macht und einen Einfluss über
ihre Nachkommen hier aus; die Ahnen der Leute aus dem Volke,
indem sie sich an die Ahnen der Kaiser wenden und diese — was
übrigens hier nicht ausgedrückt ist — wohl mittelst des Schang-ti.
Wenden wir uns jetzt zu den Einzelheiten ! Es ist hier nicht aus¬
drücklich gesagt, wie in den früheren Stellen, dass alle diese Ahnen
Plath, tlii' Un!,le,rljlichkeitslehre der alten Chinesen. All
im Himmel siud; doch weist der Ausdruck „hiang" herabkommen-
lassen, oflFenbar daraufhin. Eine audere Vorstellung über den
Aufenthaltsort derXodten zeigt eine Stelle Tso-schi's Yn-kung
A. 1 f. 2, W. S. B. 13 S. 296. Da verbannt der Fürst von Tsching
seine Mutter und schwört: „Bevor wir nicht an die gelben Quellen
kommen, sehen wir uns uicht wieder." Die gelben Quellen werden
unter der Erde gedacht und da ist demnach der Aufenthalt der
Verstorbenen ; gelb ist die Farbe der Erde ; gleich darauf heisst es : Ihr geht dahin und seht einander wieder. So heisst es im Sse-ki B. 43
f. 6v. sq., Tsching-ing tödtete sich, um sich unter dieErde zu
begeben, und Siuen-meng und Hiu-khieu zu melden, dass die
Waise des Hauses Tschao wieder eingesetzt sei. Melde ich es
nicht, so meinte er, die Sache sei nicht ausgeführt worden. Siehe
Pfitzmaier's Geschichte von Tschao S. 9; s. auch unten S. 486
uoch eine Stelle. Noch eine andere Vorstellung scheint im Li-ki
Kap. 4 Tan-kung-hia F. 55 v. enthalten. Da heisst es, die Geister
(Kuei-schin) bewohnen das Dunkel (yeu); dies ist die Nordgegend.
Man wendet sich daher nach Norden, wenn man im Dunkeln die
Mahnen und Geister sucht. Es wird wohl hier niclit an ihre Ge¬
genwart ira Ahnentempel (Miao) gedacht sein; sonst sagt der
Scholiast zu einer Stelle des Li-ki: „die Geister lieben das Dun¬
kel", raan öffne daher die Thüre des Ahnentempels nicht, wenn
man nichts darin zu thun habe, s. ra. Abh. II S. 92.
Dass die Ahnen auch nach dera Tode noch Bewusstsein
haben, auch dessen, was auf Erden vorgeht und Theil daran ueh¬
men, ergibt sich schon aus dera Vorigen und auch aus dem Fol¬
genden. Die einzige Stelle, die man dagegen anführen köunte, wäre
das angebliche Gespräch des Confueius mit seinem Schüler Tseu-
kung iu den Hausgesprächen (Kia-iü). Als dieser ihn fragt, ob die
Todten von dem wüssten, was sich unter den Lebenden begeben
oder nicht, wich er angeblich der Beantwortung der Frage aus und
erwiderte: „Wollte ich sagen, die Todten hätten ein Wissen davon,
so fürchte ich, dass fromme Söhne und folgsame Enkel (ihr) Leben
wegwerfen möchten, ura zu den Todten zu gelangen. Wollte ich
sagen, dass die X'odten keine Kunde davon hätten, so fürchte ich,
dass unfromme Söhne ihre Verwandten vernachlässigen und sie nicht
beerdigen möchten. Er möge daher das zu wissen nicht verlangen.
Wenn er jetzt nicht zu hastig sei, werde er es später schon er¬
fahren." Dies ist indess sichtlich blos eine eigenthümliche Aeusse¬
rung des Philosophen in einer Zeit des Zweifels, nicht der Volks¬
glaube, was wohl zu unterscheiden ist. Die Ahnen werden, wie
wir sehen werden, offenbar auch bei den Opfern als gegenwärtig
gedacht.
Der Sterbende gelangt zu den früher Gestorbenen. Dies er¬
giebt schon die oben angeführte Stelle des Sse-ki. Ira Reiche
Yuei in Tsche-kiang verdankte der Fürst Keu-tsien (496—464 v.Chr.)
seine Erfolge naraentlich seinem Minister Tschung, durch den das
3 4 *
478 Plath, (lie XJttateirhlichkdtslehre der allen Chinesen.
Reich U in 0. Kiang-nau 472 unterworfen wurde; später verläum¬
det, sandte Keu-tsien nach dem Sse-ki B. 41 F. 8 ihm ein Schwert,
sieh zu tödten und liess ihm sagen: „Du hast raich 7 Vortheile
gelehrt, mittelst welcher das Reich U anzugreifen sei ; drei habe
ich angewandt und es besiegt, vier sind noch in deinem Besitze;
geselle dich nun in meinem Namen zu den früheren Königen, sie
zu versuchen." Der Minister gab sich darauf den Tod. Als der
letzte König von U Fu-tschai, welcher seines weisen Ministers Tseu-
siu Rath verachtet und dadurch sein Reich verloreh hatte 472 v.Chr.,
sich umbrachte, verhüllte er nach F. 7 sein Gesicht und sagte, er
könne Tseu-siu nicht ansehen.
Dass die Ahnen sich um ihre Nachkommen kümmern und sich
ihrer annehmen, erhellt uoch aua anderen Stellen, so namentlich aus
Schu-king Kap. Kin-teng. Der Kaiser Wu-wang ist da erkrankt
und sein Bruder Tscheu-kung vrill sich für ihn dem Tode weihen.
Er ruft nun seine Ahnen (Tai-wang, Wang-ki und Wen-wang) an:
„Euch drei Kaisern ist vom Himmel die Sorge für den Kaiser an¬
vertraut; ich (Tan) weihe mich fttr ihn dem Tode. — — — Ich
hahe mancheriei Geschicklichkeiteuj euer erstgebomer Enkel hat
diese nicht so und ist niclit so fähig den Geistern und Manen (Schin-
kuei) zu dienen. Indess erhielt er das Mandat (die Kaiserwürde) im
Kaiserpalaste , den "vier Weltgegenden beizustehen, und er vermochte
euren Enkeln hier auf Erden unten einen festen Wohnsitz zu be¬
reiten; das Volk der vier Weltgegenden bliclrt voll Ehrfurcht auf
ihn , 0! lasst doch das kostbare Mandat, das der Himmel ihm herab¬
sandte, nicht zu Grunde gehen! So werden unsere früheren Kaiser
einen Platz haben, zu dem sie immer zurückkehren können u. s. w."
Hier ist die Theilnahme und der Einfiuss der Ahnen auf das Schick¬
sal der Nachkommen wieder sehr deutlich.< Es heisst auch wohl,
wie im Sse-ki 40 F. 17, S. B. 44 S. 99: „seine früheren Geister
(Schin d. i. die Ahnen) haben ihm das Mandat (die Herrschaft) ver¬
liehen" (indess immer nach dem Beschlüsse des Himmels; nnd nur
wenn man dessen Geboten gemäss lebt, vermögen auch die Ahnen
etwas). Dies ergibt sich deutlich aus Schu-king Kap. Si-pe-kan-li
(vom J. 1123 V. Chr.). Da steht der Sturz der 2ten Dynastie bevor
und es vrird dem letzten Herrscher derselben verkündet nnd ihm
gesagt; „Nicht dass nnsere früheren Kaiser uns spätere Menschen
nicht unterstützten, aber du, Kaiser, indem du dich allen Ausschwei¬
fungen ergabst, unterbrächest selbst (tsiue, eigentlich schnittest ab)
das Mandat, daher verwarf uns der. Himmel; wir haben keinen
Frieden mehr,'"denken nicht an des Himmels Natur und befolgen
keine Ordnung mehr." Man wendet sich daher an die Ahnen um
Hilfe mit Gebet und Opfern; helfen die nicht, so wird man wohl
gar zweifelhaft an ihrer Fortdauer; so in einem Liede des Schi-
king, als bei einer Dürre trotz aller Opfer keine Hilfe kommt:
,N ichts hilft unser Ahn (Heu-tsi); der Schang-ti blickt nicht herab
lin), — — — unsere Ahnen sind gewiss vernichtet, ' wie hätten
Plnth, die JJnnterblichkeitslehre der alten Chinesen. 479
sonst Vater nnd Mutter dies ruhig leiden können" (.- dass wir in
solches Ungemach geriethen). In einer andern Ode ruft einer bei
einer Dtlrre: „Mein Ahn muss kein Mensch sein, wie könnte er
sonst mich ruhig leiden lassen."
Von Belohnung oder Strafe nach dem Tode ist aber nirgends
die Rede.
Die Verstorbenen geben sich den Lebenden kund durch
Ahnungen, Träume und persönliche Erscheinungen. Von ersteren
ist ein Beispiel in Tso-schi Tschuang-kung a. 1 f . 1: Wu-wang von
Tschu will gegen Sui ziehen , vorher opfert er ; sein Herz ist un¬
ruhig und die Königin seufzt : „das Leben des Königs hat ein Ende".
Voll sein und hierauf unruhig ist der Weg (tao) des Himmels. Die
früheren Fürsten (seine Vorfahren) wussten dieses (dass er sterben
werde), drum sandten sie am Vorabende des Krieges Unruhe in das
Herz des Königs." Dem Volksglanben näch erscheinen die Ahnen
auch den Lebenden im Traume. Nacb¬dem Sse-ki B. 37 F. 8 v.
erscheint Kang-scho, der Ahn der Fürsten von Wei, der 2ten Frau
des Fürsten von Wei , Siang-kung , im Traume und sagt ihr : „ ich
bin Kang-scho und befehle (ling), dass dein Sohn Wei besitzen soll".
Nach Tso-schi Tsching-kung a. 10 f. 18,- S. B. 17 S. 287. hatte
der Fürst von Tsin Tschao-tnng und Tschao-ko 2 Jahre zuvor un¬
schuldig hinrichten lassen. Da erscheint ihm nun ira Traume ein
Dämon (Li), schlug sich auf die Brust und sprang auf (es war der
Ahnherr der Farailie Tschao) und sagte: Du hast meinen Enkei
gegen das Recht getödtet ; ich habe nun meine Bitte beim (Schangr)
ti durchgesetzt (dass du sterbest). Der Fttrst gerieth in Furcht
und berief den Wahrsager von Sang-tien, der sagte aber: der Traum
ist richtig; du isst nichts Neues (reifes Getraide) mehr.
Der Fürst träumte wieder, dass die Krankheit (der Dämon der
Krankheit) zu zwei Jünglingen wurde und berief einen guten Arzt,
der konnte aber auch nichts machen; als der Fttrst den neuen
Waizen essen wollte, schwoll ihm der Bauch auf und er stürzte
zusammen und starb. Was die Li betrifft s. meine Abh. II S. 36.
Tso-schi Tschao-kung a. 7 f. 44 sq. sagt da : die Kuei haben einen Ort,
zu dem sie zurückkehren können (den Ahnensaal). Die Geister (die
keinen Ort haben, wohin sie zurückkehren können) sind nun die
Li. Daher bringen der Kaiser, die Vasallenfürsten nnd Grossen
solchen aus dem ganzen Reiche, aus ihrer Grafschaft oder der Fa¬
milie Opfer dar. Zu solchen Wandergeistern gehörten auch die
Schang, ursprünglich Kinder, die gestorben waren, ehe sie mündig
wurden. Man unterschied nach dem Li-ki nach dem Alter drei
verschiedene Klassen und der Kaiser, die Vasallenfürsten und das
Volk opferten auch diesen.
Einige solche Spukgeschichten sind noch folgende: Nach Tso-
schi Tschao-kung a. 7 f. 44 fg., S. B. 21 S. 175 schreckten die
Leute im Reiche Tsching einander mit Pe-yeu (oder Liang-siaö).
Dieser hatte in Folge eines Strötes mit dem Fürsten-Enkel fn das
480 Plath, die Ünsterblichkeitslehre der alten Chinesen.
Reich Hiü flüchten müssen. Ein Angriff, den er von da auf Tsching
machte, misslang und er fiel im Kampfe. Seitdem fürchteten die
Einwohner von Tsching sich vor dessen Geiste. Wenn Jemand
sagte: Pe-yeu ist gekommen, so ergriffen alle die Flucht, ohne zu
wissen wohin. Im 2ten Monate träumte Einer, dass Pe-yeu ge¬
panzert einherging und sprach: „Am 49. Tage bringe ich den Tod
über Tai und das nächste Jahr am 39. Tage auch über Tuan,"
(Diese beiden hatten gegen ihn gekämpft und seinen Tod veranlasst).
Beide starben dann auch an dem bestimmten Tage. Die Leute ira
Reiche fürchteten sich jetzt noch mehr. Der Minister Tseu-tsclian
erhob nun den Fürstenenkel Y (dessen Vater von ihm getödtet wor¬
den war) und Liang-tschi , den Sohn Pe-yeu's , zur Würde von Gro¬
ssen des Reiches (um die Manen ihrer getödteten Väter zu versöh¬
nen) ; hierauf hatte Alles (die Geistererscheinung Pe-yeu's) ein Ende.
Der Minister erklärte sich darüber: „wenn der Verstorbene weiss,
wo er einkehren kann, so erscheint er nicht als böser Dämon (li).
Ich verschaffte ihm diese Einkehr (einen Platz im Ahnenterapel, wo
seine Nachkommen ihm opfern). — Die eines gewaltigen Todes ster¬
ben, deren Seelen sind im Stande, in Gestalt böser Dämonen (li)
zu erscheinen."
Um die folgende Geschichte zu verstehen, muss man wissen,
dass im Reiche Thsin (in Schen-si) die barbarische und wie es
scheint unchinesische Sitte aufgekommen war, Menschen mit dem
gestorbenen Fürsten zu begraben, ura ihn in der anderen Welt
zu bedienen. So geschah es 621 vor Chr. Der Schi-king (I, 11, 6)
beklagt die Opfer, welche beim Tode Mu-kung's so den Tod fanden.
Auch in einigen andern kleinen Reichen drohte die Sitte einzu¬
reissen; Tso-schi Wen-kung a. 6, f. 10, S. B. 15 S. 438 ff. er¬
wähnt dieser Sache und ira Li-ki wird erzählt , wie auch im Reiche
Tschin etwas Aehnliches beabsichtigt wurde. Tseu-tsche von Tschin
starb in Wei; seine Gattin und sein Haushofmeister kamen überein,
Menschen mit ihm zu begraben und hatten diese schon bestimmt;
als des Verstorbenen Bruder (Tseu-king) ankam, sagten sie ihm:
„Der Verstorbene war krank und hat keine Pflege unter der
Erde; wir bitten daher, Menschen rait ihm begraben zu dürfen."
Tseu-king aber sagte, das sei gegen die Gebräuche, cr wünsche
also, dass man es unterlasse. Sollte es aber geschehen, dann möge
raan seine Gattin und den Haushofraeister (die es beabsichtigt hat¬
ten !) rait ihra begraben; wer könne ihn besser pflegen als jene und
sein erster Diener. Nun unterliessen sie es natürlich. Allgemein
herrschte übrigens die Sitte, hölzerne Menschengestalten (Yung)
mit dera Verstorbenen zu begraben. Nach Li-ki Kap. 4 Tan kung hia
f. 61 V. und Kia-iü 44 f. 28 eiferte Confueius aber dagegen (fürchtend,
man möge in der Folge wirkliche Menschen mit begraben). Passi¬
ren liess er die sogenannten Strohgeister (Tseu-ling), d. h. rohe
Figuren aus Stroh , die raan dera Todten raitgab. Der Fall , den wir
speziell im Auge hier haben, tindetsich bei Tso-schi Siuen-kung a. 15
Plnth, die IJnsterlilichkeitdehre der allen Chinesen. 4^1
f. 22 V., S. B. 17 S. 57. Als Wei-tseu erkrankte, befahl er seinem
Sohne Kho erst seine begünstigte Nebengemahlin nach seinem Tode
zu heirathen ; als er aber schwerer erkrankte, sie mit ihm begraben
zu lassen. Nachdera jener gestorben war, verraählte der Sohn sich
mit ihr (und liess sie nicht mit'seinem Vater begraben), indem er
sai'te: „wenn man schwer erkrankt ist, ist man unvernünftig; ich
befolge das Vernünftige". Als der Fürst von Thsin nun Tsin (in
Schan-si) angriff, schlug Wei-po sein Heer in Fu-schi, und nahm
den stärksten Mann von Thsin Tu-hoei gefangen. Bei jener Waffen¬
that sah nun Wei-kho einen alten Mann, der Pflanzen zusammen¬
flocht und sich Tu-hoei gegenüberstellte, dass dieser strauchelte,
fiel und so gefangen wurde. In der Nacht träurate ihm, dass eine
Stirarae zu ihm sprach : „Ich bin der Vater des Weibes, rait welchem
du dich vermählt hast; du hast dich nach deines Vorfahren ver¬
nünftigem Befehl gerichtet ; durch dieses habe ich dir vergolten." —
Belehrend ist auch noch Tso-schi Hi-kung a. 10 f. 12 v., S. B. 14
S. 442, auch im Sse-ki B. 39 f. 13 v., S. ß. 43 S. 96 ff. In
Tsin hatte der Thronfolger Schin-scng, von seiner Stiefmutter ver¬
folgt, sich umgebracht. Nachdem ihr Sohn ermordet und sein Bru¬
der Y-ngu als Hoei-kung (seit 650 v. Chr.) nachgefolgt war, liess
dieser ihn nach den Gebräuchen begraben. Ira Herbste ging Ku-tho
(der frühere Wagenlenker des Prinzen Schin-seng) in das untere
Reich (nach Khio-uo) und begegnete ihm, hiess ihn auf den Wagen
steigen und sprach zu ihm: Y-ngu (der damalige Fürst) verstösst
gegen die Gebräuche (er soll mit der Gemahlin des Thronfolgers
heimlichen Umgang gehabt haben). Ich habe raeine Bitte beira
(Scbang-)ti durchgesetzt, er wird Tsin an Thsin verleihen und dieses
Reich wird mir opfern. Jener antwortete: „Ich habe gehört, die
Geister (Schin) trinken den Opferdult nicht, ausser den von ihrem
Geschlechte, und das Volk bringt nur seines Gleichen Opfer dar.
Wird dein Opfer, o Herr, nicht auch aufhören? und danu was hat
das Volk verschuldet, dass die Strafe verhängt und das Opfer ver¬
nichtet werden soll? Ueberlege es wohl." Schin-seng sprach: Es
mag sein; ich werde den (Schang-)ti noch einmal bitten; nach 7
— der Sse-ki hat 10 — Tagen wird an der Westseite der neuen
Stadt ein Zauberer (wu) sein und du wirst mich sehen. Ku-tho wil¬
ligte ein, der Geist verschwand und nach 7 Tageu erschien Schin-
seng an der bestimmten Stelle wieder und sagte: „Der-(Schang-)ti hat zugesagt (mich erhört), dass er (nur) den Schuldigen (Fürsten)
strafen will und niclit auch das Volk ; er wird in Han zu Grunde
gehen" und 5 Jahre darauf wurde dann auch Y-ngu in Hau in einer
Schlacht geschlagen und gefangen.
Wir haben Abh. I. S. 47 schon erwähnt, dass die Geister der
Menschen nach dem Volksglauben der alten Chinesen auch iu Thier¬
formen erscheinen. Findet dies auch bei Geistern von verstorbenen
Menschen statt? Allerdings erzählt der Sse-ki B. 32, f. 6v. ff.,
S. B. 40, S. 656 Siang-kung von Thsi hatte Peng-seng ungerechter
482 Plath, die Unaterbliclkeitslehre der alten Chinesen.
Weise hinrichten lassen; auf der Jagd folgte ihm ein wildes Schwein.
Er meint, es sei Peng-seng's (Geist) ; zornig schiesst er auf ihn ; da
steht das wilde Schwein in Menschengestalt vor ihm und weint.
Entsetzt stürzt er aus dem Wagen und verletzt sich den Fuss;
doch ist hier wohl mehr eine Fantasmagorie des Fürsten anzuneh¬
men als der Glaube an eine wirkliche Erscheinung eines Todten
in Thiergestalt.
Die Geister'der Ahnen werden bei den Opfern offenbar als
anwesend gedacht. Wenn der Li-ki (s. Abh. L S. 61) sagt: „man
bringe das Opfer an 3 verschiedenen Stellen dar, denn wir suchen
den Geist und haben ihn noch nicht gefunden," so geht diese Stelle
offenbar nur auf die Anwesenheit des Geistes beim Opfer, dessen
sie entweder nicht ganz gewiss waren oder wo sie doch über das
„Wo" zweifelhaft blieben, beweist aber nicht, wie einige kath. Mis¬
sionäre geglaubt haben, dass man nicht wusste, wo der grosse Haufe
nach dem Tode eigentlich bleibe. Nach einer SteUe des Li-ki ge¬
niessen die Ahnen die Opfergaben (s.^ Abh. I S. 64) eigentlich nicht.
Sie nehmen aber die Spenden doch gerne an und im Schu-king
Kap. Y-tsi sagt der Vorstand der Musik Kuei : „ Wenn ich das '
Stein-Instrument (Ming-kieu) ertönen lasse, die Leier (Khin) und
Harfe (Sse) anschlage und sie mit Gesängen begleite, kommen der
Grossvater und der Vater herbei"; auch im Liederbuche wird es
ausgesprochen, dass die Musik beim Opfer den Ahnen erfreut, und
am Schlüsse einer Ode, worin ein Ahnenopfer beschrieben wird,
sagt der Vorstand schliesslich: „Der erhabene Ahn" wird dir (zum Lohn) viel Gutes bringen". Auch bei eidlichen Verträgen heisst es
bei Tso-schi Hi-kung a. 28 f. 43, S. B. 14 S. 504: Sollte einer
den Vertrag ändern und ihm zu nahe treten, so mögen die lichten
Geister (Ming-schin) und die früheren Fürsten (Sien-kiün) ihn rich¬
ten und ihn strafen, und beim Vertrage zwischen Thsin und Tschu
meldet man nach Tso-schi Tsching-kung a. 13. f. 21, S. B. 17
S. 299 es dem erhabenen Himmel, dem Schang-ti und den 3
Fürsten (Mu- , Khang- und Kung-kung) von Thsin und den 3 Köni¬
gen (Tsching-, Mu- nnd Tschuang-wang) von Tschu.
Ueber den Ahnendienst habe ich in Abh. II S. 89—128
ausführlich gehandelt. Ich hebe hier nur noch hervor, was die
Vorstellung von den Ahnen und deren Beziehung zu ihren Nach¬
kommen erläutert. Wir haben leider über die Religion und den
Cultus der Privaten im alten China nur wenig Nachrichten; diese
beziehen sich fast ausschliesslich auf die Fürsten ; aber wie es noch
jetzt ist, kann man annehmen, dass der Ahnensaal das Familien-
heiligthum war. Alle wichtigen Begebenheiten wurden hier den
Ahnen angezeigt und sie um ihren Beistand angegangen. Die neue
Speise (das Kom) wurde zuerst den Ahnen dargebracht nach dem
Liki Kap. Schao-i 17 f. 82; die Anlegung des männlichen Hutes, —
ein wichtiger Akt, wie die Anlegung der Toga virilis hei den Rö¬
mern, — fand nach dem Li-ki im Ahnensaale statt, ebenso wurde
Plath, die Unaterblichheitalehre der alten Chineeen. 483
die Eingehung einer Ehe u. s. w. den Ahnen gemeldet. Im Ahnen¬
tempel des Kaisers und der Fürsten wurden den Ahnen auch alle
Staatsaffairen angezeigt; so wurde Sehün und ebenso Yü nach dem
Schu-king im Ahnensaale (Wen-tsu) als Thronfolger installirt ; ebenso
opferte der Minister Yn (nach Tsching-tang's Tode 1753 v. Chr. als
Eeichsregent) dem Kaiservorgänger und stellte respektvoll seinen
Nachfolger (Tai-kia) dessen Ahnen vor. Nach dem Li-ki erhielten
auch die Vasallenfürsten vom Kaiser im Tai-miao die Investitur.
Der Anführer des Heeres empfängt nach Tso-schi Min-kung a. 2
f. 6v. ff., S. B. 13, S. 476 den Befehl im Ahnentempel. V^^enn das
Heer , auszieht , wird ihnen geopfert und der Anführer erhält vom
Opferfleische nach Tso-schi Tsching-kung a. 13 f. 19, S. B. 17 S. 291.
Nach Beendigung des Krieges will nach Tso-schi Siuen-kung a. 12
f. 17, S. B. 17 S. 45 der König von Tschu in Hu-kuang 597 den
früheren Landesfürsten einen Tempel bauen und ihnen melden, dass
die Sache (der Krieg mit Tsin) zu Ende ist u. s. w. Zwischen den
Nachkommen und den Ahnen findet also eine beständige Verbindung
statt und es scheint fast, als wenn die Existenz der Ahnen selbst
durch die Opfer mitbedingt gedacht wurde. Daher die grosse Sorge,
dass die Opfer nicht aufhören mögen bei Tschao-so im Sse-ki B. 43
f. 4 v., vgl. Pfitzmaier, Geschichte von Tschao S. 7 und Ki-tscha
in dessen Geschichte von U S. 15. l)ahin zielt auch, wenn allen
alten Kaisern Opfer dargebracht werden und die Kaiser und Fürsten
denen opferten, die ohne Nachkommen gestorben waren.
Wenn also Louis Büchner (Kraft und Stoff 7te Aufl. 1862.
S. 201) irrig sagt: „die ursprüngliche Religion des grossen Confuce
weiss nichts von einem himmlischen Jenseits", und der Glaube an
eine Fortdaujer nach dem Tode bei den Chinesen nicht zu bezwei¬
feln ist, so ist doch eine andere Frage, ob sie eine ewige Fort¬
dauer der Seele angenommen haben. Ohne eine vorgebliche
Offenbarung und nur von der Naturbetrachtung ausgehend, wird dies
wohl nicht der Fall gewesen sein, wenigstens scheint Confueius dies
nicht angenommen zu haben; dafür spriclit die Stelle in seinem
Commentare Toen zum Y-king: „Wenn die Sonne den Mittag er¬
reicht hat, neigt sie zum Untergange; wenn der Mond voll gewesen
ist, nimmt er ab. Himmel und Erde sind abwechselnd voll und
leer; mit der Zeit erschöpfen sie sich und athmen aus; um wie
viel mehr ist dies beim Menschen und bei den Manen und Gei¬
stern (Kuei-schin) der Fall. Aehnlich äussert sich Lao-tseu.
Ueberblicken wir das Ganze, so sehen wir eine wenig ausge¬
bildete Lehre von der Fortdauer nach dem Tode bei den alten
Chinesen. Es begreift sich das auch, da das alte China keinen
Priesterstand hatte, sondern, wie bei den Römern, ursprUnglich der
Kaiser die Vasallenfürsten, zuletzt der Hausvater auch die religiösen
Ceremonien mit versahen. Es konnte sich daher auch keine Dog¬
matik und Mythologie dort ausbilden. Es gilt von den alten Chi-
484 Plath , die TJiisterhlichkeitslehre der alten Chinesen.
nesen, was Preller von den Römern sagt, dass wir sie in allen
Sachen des Glaubens weit mehr zum Cultus und zur Religiosität
als zur Mythologie aufgelegt finden, d. h. sie waren peinlich genau
in der Ausübung heiliger Gebräuche, durch die man sich der Gunst
oder des Rathes der Götter und Geister zu versichern glaubte,
ohne dass man sich desshalb um das "Wesen und die Natur der¬
selben viel mehr als die praktischen Lebensbedürfnisse es mit sich
brachten, bekümmerte. Man liess die Eigenschaft, derselben lieber
im Unklaren, als dass man in deren Bestimmung, also in der In¬
dividualisirung der Götter, zu weit ging. Dieses musste von selbst
zu einem sehr ausgebildeten, aber immer streng rituellen Gottes¬
dienst führen, zu vielen genau formulirten Opfern, Gebeten, einer
künstlichen Divination, sammt andern Observanzen und Ceremonien
des öffentlichen und privaten Lebens, aber einer dogmatischen und
mythologischen Entwicklung konnte eine solche Religiosität unmög¬
lich förderlich sein."
Bei der Unausgebildetheit dieser Lehre ist es nicht zu ver¬
wundern, wenn einerseits schon zu Confueius Zeiten der alte Glaube
wenn auch nicht unsicher und zweifelhaft geworden, doch von den
Lehren der Moral zurückgedrängt wurde und andrerseits dann später
die Sekte der Tao-sse mit ihrem Geisterglauben und besonders als
seit 65 n. Chr. der Buddhaismus aus Indien in China eindrang, die
ausgebildete Lehre ihrer Mönche von der Seelenwanderung und den
Freuden der Himmel und den Schrecken der Höllen bei der Masse
des ungebildeten Volkes mehr und mehr Eingang fand, zumal sie
schlau genug waren, die Lehre der Literaten (Jü-kiao) nicht
zu verdammen , indem sie sagten j deren Moral sei ganz gut für
dieses Leben, aber nun gäbe es auch noch ein jenseitiges, von
welchem die nichts wüssten und worüber der Buddhaismus Auf¬
klärung gäbe, der so eine Ergänzung der alten Lehre enthalte.
1) Preller, Römische Mythologie. Berlin 1858. S. 12.
485
Gaubari's „entdeckte Geheimnisse".
Von Dr. M. J. de Goeje.
Herr Steinschneider spricht in seinem Aufsatz über Gau¬
bari's Buch (Bd. XIX, S. 567) den Wunsch aus, bei der Besclirei¬
bung des Leydner Codex des Hauptwerkes möge man die Ueber¬
schriften sämmtlicher Abschnitte und Capitel geben, damit das in¬
teressante Buch besser bekannt werde. Da der dritte Band des
Catalogs , in welchem ich der Beschreibung der in Rede stehenden
Handschrift nur wenige Zeilen (S. 175) widmen konnte, bereits ge¬
druckt war, konnte ich dem gerechten Wunsche des Herrn St. nicht
mehr nachkommen. Doch glaube ich mich seiner Aufforderung um
so weniger entziehen zu dürfen, als die-Hammer'sche Inhaltsangabe,
auf welche ich im Cataloge verwiesen habe, wie gewöhnlich, nicht
fehlerfrei ist. Dabei bedarf der Text des von Herrn St. veröffent¬
lichten Abschnittes im höchsten Grade einer Collation, die ich in¬
dessen lieber dem Leser überlasse, indem ich den Text nach dem
Leydner Codex mittheile. In der That muss ich gestehn, dass ich
nicht begreife , warum denn Herr St. , der ohne Schwierigkeit den
Leydner Codex hätte benutzen können '), sich mit seinen zwei
fehlerreichen und lückenhaften Compendien begnügt hat, aus welchen
sich kein lesbarer Text constituiren lässt, und die nicht einmal die
Daten richtig wiedergeben. Den grösseren Theil des ganzen Auf¬
satzes hätte Herr St. ohne Zweifel getilgt, oder ungedruckt gelassen,
wenn er unsere Iis. auch nur oberflächlich gelesen hätte.
Der Name des Verfassers lautet auf dem Titel des Buches
Gamäl-ud-din 'Abd-ur-rahim bin'Umar b,Abi-Bakr ad-
Dimiski, beigenannt al-Gaubari. Im Anfange der Einleitung
nennt er sich selb.st Abdu'r-Rahim ibn-abi Bakr ad-Dimisld, bei¬
genannt al-Gaubari, und im fünften Capitel des 27ten Abschnitts
(f., 86v.) Abdu'r-Rahim ibn-'Umar. Bei Hägi-Khalfa V, 438 heisst
1) Herr St. sagt (S. 570), die Pariser und Leydner HSS. seien ihm unzu¬
gänglich. Ich erinnere mich nicht, dass Herr St. nach dem Tode Juynboll's sich entweder diese oder eine andere HS. ausgebeten hat. Sollte ihm aber von dem sei. Juynboll die Zusendung einer Hand.schrift wirklich verweigert wor¬
den sein, dann hat dieser gewiss seine guten Griinde dazu gehabt.