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Wie die Bündner Nusstorte nach Korea kam | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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EXPORTFÖRDERUNG

Die Volkswirtschaft  4 / 2019 51

Wie die Bündner Nusstorte nach Korea kam

Die Exportunterstützung für KMU muss individuell ausgestaltet sein und ist nur im Netz- werk erfolgreich. Das zeigt das Beispiel einer Bäckerei aus den Bündner Bergen. 

Martina Gmür

H

och oben in den Bündner Bergen, im kleinen Skiort Sedrun, verkaufte die Bä- ckerei La Conditoria lange Zeit erfolgreich Ge- bäck an die Dorfbewohner, die Touristen und die zahlreichen Bauarbeiter des Gotthard- Basistunnels der Neat. Doch als der Bau abge- schlossen war und sich auch die touristische Situation schwieriger gestaltete, fragte sich der Inhaber Reto Schmid: Was nun?

Der dynamische Bündner glaubte vor al- lem an eines: seine mehrfach ausgezeichne- ten und sehr beliebten Bündner Nusstorten.

Da aber eine ganze Torte seinen Kunden häu- fig zu viel war, verkleinerte Reto Schmid sein wichtigstes Produkt auf Biskuitgrösse, ver- packte es, um es länger haltbar zu machen, und machte sich auf den Weg, den Weltmarkt zu erobern.

Sprungbrett ins Ausland

Seine ersten Schritte auf dem internationa- len Markt tat Schmid als Teilnehmer eines so- genannten Swiss Pavillons an zwei Messen in Köln: der Internationalen Süsswarenmesse und der Lebensmittelmesse Anuga. Die Swiss Pavillons organisiert die Exportförderungs- organisation Switzerland Global Enterprise (S-GE, siehe Kasten 1) seit Jahren gemeinsam mit den Nahrungsmittel-Branchenverbänden Fial und Switzerland Cheese Marketing. Die Messe- und Projektkommission (MPK, sie- he Kasten 2) unterstützt sie dabei. In einem nächsten Schritt nutzte Schmid das Sprung- brett einer sogenannten Einkäufermission.

Abstract  Das Beispiel von La Conditoria, einem kleinen Lebensmittelunternehmen aus Graubünden, zeigt auf, dass individuelle Unterstützung auch kleinsten Unter- nehmen aus peripheren Regionen zum Erfolg auf dem Weltmarkt verhelfen kann. Als Netzwerkorganisation arbeitet Switzerland Global Enterprise (S-GE) mit vielen ex- ternen Exportdienstleistern zusammen, um KMU die relevanteste Hilfe zu leisten. Die Wünsche der exportierenden KMU nach möglichst passgenauer Unterstützung stei- gen angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Unsicherheit und des Trends zu mehr Protektionismus weltweit. Mit Investitionen in digitale Technolo- gien lässt sich die Exportförderung noch wirksamer auf die einzelnen Bedürfnisse der KMU zuschneiden und das Support-Netzwerk noch besser einbeziehen. Dies sind die Rezepte für die Zukunft der subsidiären Schweizer Exportförderung.

Dafür hatte S-GE Einkäufer der US-Super- marktkette Fairway in die Schweiz eingela- den. Gemeinsam mit dem Branchenverband Fial brachte S-GE diese dann in Kontakt mit Schweizer Firmen. So auch mit La Condito- ria. Die Sedruner Konditorei wurde dabei von Fairway ausgewählt und konnte erstmals in die USA liefern. Den deutschen Markt ging La Conditoria anschliessend systematischer an. Gemeinsam mit S-GE wurden vorgängig potenzielle Geschäftspartner identifiziert.

Inzwischen kann Reto Schmid bereits in über zehn Länder liefern: von den USA über Dubai und Israel bis nach Südkorea. Mit sei- nen 30 Mitarbeitenden kommt er kaum mehr mit der Produktion nach. Deshalb wird der- zeit eine neue Produktionsanlage mit einer Kapazität von 20 000 Törtchen pro Stun- de aufgebaut, und es werden neue Arbeits- plätze im Berggebiet geschaffen. Den inter- nationalen Erfolg errang Reto Schmid trotz vielfältiger Handelshürden. Der Export in die USA etwa zog eine zeitintensive Abwicklung durch die amerikanische Lebensmittelbehör- de nach sich. Diese verbot etwa die Abbil- dung eines Enzians auf der Verpackung mit der Begründung, dass dies nicht Teil des Le- bensmittelproduktes in der Packung sei.

Passende Unterstützung

Am Beginn von Reto Schmids Erfolgsge- schichte stehen natürlich eine clevere Ge- schäftsidee und unternehmerische Ener- gie. Doch auch andere kleine Unterneh-

men können aus dem Beispiel lernen. Denn zusätzlich nahm Reto Schmid auch Unter- stützung in Anspruch, die zweifach genau auf seine Bedürfnisse zugeschnitten war.

Erstens: die Einkäufermission, an der La Conditoria teilgenommen hat. Sie ist ein Format, das sich speziell für Exporteure mit wenig Erfahrung eignet. Durch den Kon- takt zum ersten Kunden können die teil- nehmenden KMU so einen noch unbekann- ten Markt ohne grosses Risiko testen und sich allenfalls auch wieder zurückziehen.

S-GE begleitet jeden dieser Schritte und vermittelt Experten, zum Beispiel für den Umgang mit der amerikanischen Lebens- mittelbehörde.

Zweitens waren die Unterstützungsan- gebote in hohem Masse branchenspezifisch.

Das war nur durch die Kooperation mit dem Branchenverband Fial möglich. Der Dachver- band der Lebensmittelhersteller hilft S-GE, Messen und Einkäufermissionen für Lebens- mittelunternehmen wie La Conditoria noch relevanter und bekannter zu machen.

Nur indem S-GE seine Dienstleistungen genau auf die Bedürfnisse der KMU zuschnei- det und mit anderen Exportdienstleistern

Kasten 1: Switzerland Global Enterprise

Switzerland Global Enterprise (S-GE) betreibt ausschliesslich Service public für Schweizer KMU und ergänzt so die Angebote von Handels- kammern, Verbänden oder Privatunternehmen beim Eintritt in ausländische Märkte. Der grösste Teil der Dienstleistungen ist kostenfrei.

So werden den KMU beispielsweise erste Infor- mationen zu den Absatzmärkten zur Verfügung gestellt. Individuelle Detailprojekte für KMU – etwa zur Suche nach Vertriebspartnern im Ausland – verrechnet S-GE kostendeckend und bezieht in zwei Dritteln der Fälle externe Exper- ten im In- und Ausland mit ein. S-GE ist also eine Netzwerkorganisation. Insgesamt stammen rund 95 Prozent der Betriebsmittel des privaten Vereins S-GE vom Bund oder werden bei der Ausführung der Bundesmandate generiert.

Für die Exportförderung beantragt der Bundes- rat insgesamt 90,5 Millionen Franken für die Jahre 2020–2023. Davon sind 80,5 Millionen Franken für das Mandat von S-GE bestimmt.

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EXPORTFÖRDERUNG

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zusammenarbeitet, gelingt es, die rund 5000 Unternehmen, die es jährlich unterstützt, op- timal zu betreuen. Beide Prinzipien sind also zentral für die tägliche Arbeit bei S-GE. In einer von einem unabhängigen Institut re- gelmässig durchgeführten Befragung ge- ben 80 Prozent der Unternehmen an, dass die Unterstützung, die sie von S-GE erhalten ha- ben, wirksam war. Die Ausrichtung auf die in- dividuellen Erfahrungen und Bedürfnisse der KMU sowie die stärkere Einbeziehung von an- deren Exportdienstleistern zu diesem Zweck sind denn auch die beiden Schwerpunkte, in die S-GE in der kommenden Leistungsperio- de 2020–2023 verstärkt investieren möchte.

Engere Begleitung erwünscht

Die Schweizer Exporteure haben lange Jah- re des Margen- und Preisdrucks hinter sich.

Der weltweite Trend zu mehr Protektionis- mus und politischer Unsicherheit lässt sie zusätzlich vorsichtiger werden beim Ausbau ihres Geschäfts in neuen und in bestehen- den Absatzmärkten – auch wenn die Stim- mung derzeit noch gut ist.

KMU setzen Exportprojekte heute in klei- nen Schritten um, um Zeit und Geld zu spa-

ren und keine unnötigen Risiken einzugehen.

Sie wünschen sich, dass die für sie relevan- ten Daten und Fakten aus dem weltweiten Informationsüberangebot so herunterge- brochen werden, dass sie die Unsicherheit für ihre Exportprojekte besser einschätzen können. Aus demselben Grund wünschen sie sich einen persönlichen Ansprechpartner für ihre Anliegen; auch über einzelne Exportpro- jekte hinaus. Kurz: Ihr Bedürfnis nach einem Unterstützungsangebot, das sie genau bei ihrem Export-Erfahrungsniveau und in ihrer Branche abholt, ist in den letzten Jahren ge- stiegen und wird angesichts zunehmender Unsicherheiten noch weiter steigen. Unter- nehmen wollen ein Angebot, das einfach, günstig und effizient und doch so individu- ell wie möglich ist.

Partner zusammenbringen

Digitale Technologien ermöglichen es, die- se Bedürfnisse besser zu erfüllen: Infor- mationen genauer zuzuschneiden, einfach zur Verfügung zu stellen sowie das Sup- port-Netzwerk und die KMU gezielter zu- sammenzubringen. So finden Exportein- steiger auf der Website von S-GE zum Bei-

spiel ein ausführliches Handbuch, das in den Internationalisierungsprozess einführt. Er- fahrene Exporteure etwa können sich kos- tenfrei und punktuell in der digitalen Zoll- datenbank sämtliche weltweiten Zoll- und Einfuhrangaben beschaffen. 2018 gab es dafür bereits 85 000 Anfragen. Unterneh- men stellen sich heute die ersten Informa- tionen, die sie benötigen, selbst zusammen.

Und zwar so, wie es ihren individuellen Be- dürfnissen entspricht. Dies schafft wieder- um Kapazitäten, um Firmen enger und per- sönlicher zu begleiten.

Die gemeinsame Erbringung von Dienst- leistungen für Exporteure im Netzwerk heben digitale Technologien zudem auf ein neues Niveau. Bereits heute finden sich auf der Website von S-GE Kontakte zu einem breiten Expertennetzwerk, auf das Unter- nehmen zugreifen können. S-GE arbeitet zu- dem an einem ersten Pilotprojekt für ein di- gitales Matchmaking. Will heissen: Künftig sollen sich Exportexperten und KMU hier gegenseitig finden können.

Eine wirksame Exportförderung wird in Zukunft also individueller, bietet auf digita- lem Wege ein breites Unterstützernetzwerk und erreicht so noch mehr exportierende KMU. In diese Rezepte lohnt es sich zu inves- tieren – damit die international orientierte Schweizer Wirtschaft auch in Zeiten zuneh- mender Unsicherheit und von mehr Protek- tionismus auf Erfolgskurs bleibt.

Kasten 2: Messe- und Projektkommission

Auch in Zeiten der Digitali- sierung bleibt die Teilnahme an Messen ein wichtiges Instrument für viele Firmen.

Entsprechend fördert die Messe- und Projektkommission (MPK) mit den Swiss Pavillons einerseits den Gruppenauf- tritt von Schweizer Firmen auf Messen. Andererseits unterstützt sie weitere Markt- förderungsmassnahmen im Ausland wie etwa Fact-finding Missions, Unternehmerreisen oder Projekte zur Förderung von Branchenaktivitäten. Die Fördermittel sind dazu be- stimmt, den gemeinwirtschaft- lichen Teil einer Messe oder

eines Projekts zu unterstützen, also jene Leistungen, die nicht einer einzelnen Firma, sondern einer ganzen Branche oder der gesamtschweizerischen Wirt- schaft zugutekommen. Der Auf- wand (Administration, Organi- sation) für die Firmen, an einer Messe oder an einem Projekt im Ausland teilzunehmen, wird dadurch deutlich minimiert.

Gleichzeitig profitieren die Fir- men vom gemeinsamen Auftritt unter der Marke «Schweiz».

Die MPK setzt sich aus fünf bis sieben Mitgliedern zusammen, die verschiedene Industrien und Branchen der Schweizer und der Liechtenstei-

ner Exportwirtschaft vertreten.

Die MPK verfügt derzeit über ein Jahresbudget von rund 2 Millionen Franken. Jähr- lich werden über 90 Projekte unterstützt, die von Verbänden, Handelskammern oder Firmen in vielen Märkten weltweit durchgeführt werden. Davon profitieren pro Jahr mehrere Hundert Unternehmen. Die Angebote der MPK sind heute breit anerkannt. Für die Jahre 2020–2023 sollen der MPK zusätzlich 2 Millionen Franken zur Förderung von modellhaften und erfolgversprechenden Pro- jekten zur Verfügung stehen.

Martina Gmür

Leiterin Exportpromotion und Mitglied der Geschäftsleitung, Switzerland Global Enter- prise (S-GE), Zürich

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