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Es werde Licht! Die Hintergründe der Studie

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Academic year: 2022

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Stimmungsbild

Zur Verhandlungsführung In Deutschland

Zusammenfassung der Studie 2016/2017

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STIMMUNGSBILD VERHANDLUNGSHRUNG DEUTSCHLAND 2

Als wir die Umfrage „Stimmungsbild Negoti- ation Deutschland“ gestartet haben, verfolgten wir ein Ziel: Wir wollten herausfinden, was in Deutschland Tätige über Verhandlungsführung wissen, und erste Erkenntnisse über die Ver- handlungskompetenz der Befragten gewinnen.

Bisher gibt es keine Studien, die sich auf diese Aspekte und speziell auf Deutschland als Stand- ort konzentrieren.

Die Indikationen, die sich aus der Umfrage herauskristallisieren, sollen als Fundament für weitere Untersuchungen gelten. In der Zwischen- zeit ist die Bedeutung von Negotiation global in den Fokus gerückt. Mit US-Präsident Trump, der sagt, alles sei verhandelbar, darunter aber fast nur distributive Verhaltensweisen versteht, stieg die Notwendigkeit sogar, in Politik und Wirtschaft integrativ und interessenbasiert ver- handeln zu können.

An der Umfrage nahmen 214 Personen teil.

Nach einer Datenbereinigung und der Eliminie- rung von inhaltlich und zeitlich nicht plausiblen Angaben (16,4 %) bildeten 179 Fragebögen die Grundlage für die Datenauswertung. Wir streb- ten eine ausgewogene Geschlechteraufteilung an, was mit 42 % weiblichen und 58 % männ- lichen Befragten erreicht wurde. Angestellte, Führungskräfte und Freiberufler verschiedener Altersklassen aus insgesamt 12 Berufsfeldern nahmen an der Umfrage teil.

Es werde Licht! – Die Hintergründe der Studie

Alter Arbeit Geschlecht

Unternehmensbereich

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Mihai Isman ISMAN & Partner Frankfurt, Germany Negotiations. Be prepared.

Die Ergebnisse der Studie stimmen uns grundsätzlich optimistisch. Im Durchschnitt ist das Negotiation-Know-how unter den Befrag- ten zufriedenstellend. Gleichzeitig wird auch erkennbar, dass im Bereich der Schaffung von Mehrwert in einer Verhandlungssituation noch eindeutig Handlungsbedarf besteht. Personen, die eine Einigung über einen bestimmten Sach- verhalt erzielen möchten, müssen zwei Dinge richtig umsetzen:

1) Mehrwert schaffen und

2) Mehrwert für sich beanspruchen.

Beide Ziele sind gleichwertige und essentielle Bestandteile einer Verhandlung. Gerät eines der beiden aus dem Gleichgewicht, wird die Einigung nicht von Dauer sein. Die zugrunde gelegte Hypothese, dass Mehrwert am Verhandlungs- tisch „liegen gelassen“ wird, kann durch diese Grundlagenstudie verifiziert werden.

Lassen Sie mich kurz auf die Frage „Was ist überhaupt eine Negotiation?“ eingehen.

Selbstverständlich gibt es Berufsgruppen, die sich hauptsächlich mit Verhandlungsführung beschäftigen: Einkäufer, Vertriebsmitarbeiter, Anwälte oder berufsmäßige Verhandler. Aber jeder von uns verhandelt im unternehmerischen Alltag unzählige Male. Denken Sie dabei an Situationen, in denen HR-Verantwortliche mit Betriebsräten verhandeln, in denen das Manage- ment eines Unternehmens untereinander sowie mit der Belegschaft bei Reorganisationen Ver- handlungen führt, Führungskräfte miteinander um Ressourcen und Budget ringen, Projektleiter sich mit unterschiedlichen Stakeholdern einigen müssen etc. Doch lassen Sie uns auch einen Blick ins Private werfen. Jedes Mal, wenn Sie mit Freunden am Wochenende etwas Beson- deres unternehmen möchten, sich mit Ihren Verwandten auf ein gemeinsames Geschenk für Ihren Vater einigen müssen oder mit Ihrem Partner ein gemeinsames Urlaubsziel festlegen

wollen… verhandeln Sie. Und manche dieser Verhandlungen, wie beispielsweise über die

„Aufenthaltsdauer“ der Schwiegermutter bei Ihnen zuhause, sind ungleich komplexer und herausfordernder als Verhandlungen in Wirt- schaft und Politik.

Deshalb ist Verhandlungsführung nicht erst seit dem „Rise of Trump“ wichtig; sie ist eine Kompetenz, die wir ständig anwenden müssen.

Die Studie zeigt aber auch, dass wir dazu neigen, unsere Kompetenz zu überschätzen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen der Studie, und ich freue mich, mit Ihnen in Kontakt zu treten.

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STIMMUNGSBILD VERHANDLUNGSHRUNG DEUTSCHLAND 4

Es werde Licht! – Die Hintergründe der Studie Viel gelernt. Wie geht es weiter?

Auswertung nach Fragen

Frage 1: „Das Angebot“

Frage 2: „Der Basar“

Frage 3: „Der Flug“

Frage 4: „Der Mercedes“

Frage 5: „Der Apparat“

Frage 6: Phasen einer Verhandlung Frage 7: Die Vorbereitung

Frage 8: Dokumentation

Frage 9: Subjektive Verhandlungswirklichkeit Frage 10: Post-Negotiation Issues

Fragen 11 bis 19: Zustimmungswerte zu ausgewählten Merkmalen Der NegoScore

2 5 7

7 10 14 17 20 23 26 30 33 35 37 45

Herausgeber: Dieser Ergebnisbericht beinhaltet empirische Analysen

und Interpretationen des Verfassers. Das vorliegende Material ist damit geistiges Eigentum des Autors.

Veröffentlichung: Mai 2017.

Gerne können bei genauer Verwendung der nachfol- genden Quellenangaben die Inhalte und Ergebnisse der Studie zitiert sowie Grafiken auszugsweise abgedruckt werden:

Isman, C.-M.: Stimmungsbild Zur Verhandlungsführung In Deutschland. Zusammenfassung der Studie 2016/2017.

Frankfurt 2017.

Für die Nutzung von Abbildungen:

Quelle: Isman, C.-M. 2017 (Frankfurt) Layout, Design und gestalterische Umsetzung der Grafiken:

Maria Weber Graphic Design

(www.mariaweber-graphicdesign.com) Isman & Partner

Gebrüder-Wright-Str. 11 60486 Frankfurt a.M.

www.ismanundpartner.com Calin-Mihai Isman

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Die durchgeführte Studie ist als Grundlagen- studie gut geeignet. Auf Basis der Analyse lassen sich verschiedene weiterführende Hypo- thesen ableiten. Diese wiederum könnten in ei- ner zweiten Studie detailliert verifiziert werden.

Denkbar ist ebenfalls eine parallele, online- basierte Langzeitstudie, um die „deutsche Ver- handlungskompetenz“ weiterführend zu unter- suchen.

Einige Erkenntnisse

Bevor wir uns die Beantwortungen der ein- zelnen Fragen im Detail anschauen, möchten wir einige ausgewählte Erkenntnisse und Ten- denzen – vor allem unter Betrachtung verschie- dener Unternehmensbereiche – als Denkanstoß zusammenfassen.

Distributive Verhandlungstaktiken (Drohun- gen, Ultimaten, Unterbrechen, Theater etc.) werden am meisten von Verhandelnden im Alter von 46–55 bevorzugt. Jene sehen auch Feil- schen als eigene Phase an. Distributive Taktiken werden außerdem gern von Führungskräften und Personen aus den Bereichen Einkauf, Sales, Geschäftsentwicklung, Produktmanagement, Projektmanagement sowie Politik und öffent- licher Dienst verfolgt. Sales Representatives erachten Feilschen ebenfalls als eigene Ver- handlungsphase. Damit sind sie jedoch in guter Gesellschaft: Derselben Ansicht sind auch Frei- berufler, Führungskräfte und Personen aus dem Marketing.

Einkäufer haben tendenziell am meisten Freude an Drohungen und Ultimaten. Personaler, Projektmanager und Personen aus Politik und öffentlichem Dienst haben hingegen Spaß am Unterbrechen des Gegenübers, um diesen aus dem Konzept zu bringen.

Deshalb verwundert es nicht, dass Frei- berufler, Produktmanager und Personaler am häufigsten nach einer Verhandlung das Gefühl haben, es wäre mehr „drin“ gewesen.

Wendet man distributive Taktiken an, wird der Verhandlungspartner in der Regel nicht den Eindruck haben, der Prozess sei fair verlaufen, und nicht das subjektive Gefühl haben, das Beste für sich herausgeholt zu haben. Dies wiederum vermindert zum einen den Wunsch nach einer erneuten Verhandlung mit dem Gegenüber und vermehrt zum anderen Rachegefühle des Ver- handlungspartners. Letzteres kennen Einkäufer und Personen aus Politik und öffentlichem Dienst am ehesten, so die Ergebnisse.

Die Bedeutung von Standards für eine Ver- handlung wird von Befragten aus dem Marke- ting als niedrig eingestuft. Deshalb ist es nicht überraschend, dass diese auch oft das Gefühl haben, „Äpfel mit Birnen“ verglichen zu haben.

Personaler und Personen aus Politik und öffent- lichem Dienst haben dasselbe Gefühl, obwohl sich jene der hohen Bedeutung von Standards bewusst sind.

Viel gelernt. Wie geht es weiter?

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Wenden distributive Taktiken an und / oder sehen Feilschen als eigene Phase und / oder haben das Gefühl in der Ver- handlung mehr drin gewesen zu sein

46 – 55 Jährige Geschäftsentwicklung Führungskräfte Marketing

Freiberufler Produktmanagement Einkauf Projektmanagement Sales Personal / HR

Sich adäquat und ausreichend auf den Verhandlungspartner als Person vorzubereiten, sehen Produktmanager zwar als wichtig an, sie finden sich dennoch oft in der Situation wieder, dass ihr Gegenüber keine Entscheidungsgewalt besitzt. Beide Aussagen stehen in gewisser Diskrepanz zueinander, denn eine angemessene Vorbereitung würde solche Lücken, die im Pro- zess auftauchen, decken. Ganz anders verhält es sich im Bereich Politik und öffentlicher Dienst. Die Befragten aus diesem Bereich sehen es als nicht so wichtig an, sich auf die verhan- delnde Person vorzubereiten. Das verhindert bei den meisten Spontaneität.

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Auswertung nach Fragen

Frage 1: „Das Angebot“

„Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Konzept von einer unternehmensexternen Firma auf den Schreibtisch bekommen, das fachlich wirklich gut ist und Ihre Ansprüche voll erfüllt. Der Angebotspreis übersteigt jedoch bei Weitem Ihre Preisvorstellung.

Sie sind der Letztentscheider. Was tun Sie?“

Mit dieser Frage wollten wir einen ersten Indikator gewinnen, ob und wann die Befragten

„den Tisch verlassen“. In der Regel muss man, um diesen Schritt zu unternehmen, eine gute Alternative zum Verhandlungsergebnis (BATNA) besitzen und genau im Auge behalten, ab wann die Angebote des Gegenübers unvorteilhafter als die Alternative werden. Ein zu frühes Ver- lassen des Verhandlungstisches hat zur Folge, dass man Mehrwert sprichwörtlich liegen lässt.

In der beschriebenen Situation wäre ein zu frühes Ablehnen des Angebotes nicht die opti- male Lösung, es sei denn, der Anfragende hat ein qualitativ gleichwertiges Angebot zu einem

geringeren Preis auf dem Schreibtisch. Dies war jedoch der Fragestellung nicht zu entnehmen.

Der logische nächste Schritt in dieser Situation wäre es, zu verstehen, welche Parameter die- sem Preis zugrunde liegen, und in Verhandlung mit dem Abgebenden zu treten.

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Grundsätzlich lässt sich bei den Befragten eine hohe Verhandlungsbereitschaft feststel- len (79,9 % würden den Preis mit dem Anbieter nachverhandeln). Dabei konnten signifikante Unterschiede bezüglich des Alters festgestellt werden. Während die Verhandlungsbereitschaft bei den Jüngeren (25 bis 35 Jahre alt) unter dem Durchschnitt liegt, nimmt sie mit zunehmenden Alter der Befragten zu. Weitere signifikante Unterschiede bestehen bei den freiberuflich Tätigen im Vergleich mit Arbeitnehmern und Führungskräften. Die Freiberufler zeigen eine höhere Verhandlungsbereitschaft. Dies ist nicht überraschend und könnte auf ein Charakteristi- kum der Freiberuflichkeit zurückzuführen sein:

Freiberuflich Tätige müssen ihre Leistungen oft ganz unterschiedlichen Kunden offerieren und mit jenen über die Leistungen und die Tagessät- ze verhandeln.

Verhandlungsbereitschaft

Das Angebot – nach Alter (links) und nach Beruf (rechts)

“Ich würde mit dem Anbieter den Preis nachverhandeln”

Gesamt (N=143; 79,9 %)

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Das Unterbreiten des ersten Angebots stellt in Verhandlungen immer ein Dilemma dar. Kaum eine andere Frage im Zusammenhang mit Ver- handlungstechniken und -strategien hat mehr Aufmerksamkeit seitens Akademikern und Prak- tikern erhalten. Eine gängige Praxis unter Ver- handlungsführern ist, ein Angebot nicht als Erster zu unterbreiten, um sich nicht „in die Karten schauen zu lassen“. Es gibt allerdings auch empirische Untersuchungen, die aufzeigen, dass gerade das „Ankern“ von Vorteil sein kann, vor allem, wenn Sie den Verhandlungsspielraum gut einschätzen können.

Forscher haben in einer Reihe von Studien belegt, dass sich beide (vermeintlich konkurrie- rende) Perspektiven nicht widersprechen müs- sen. Sie baten MBA-Studenten, einen „Single- Preis-Deal“ zu verhandeln, und zeichneten auf, wer das erste Angebot unterbreitet hat, zudem die Höhe des Angebots und das Endergebnis.

Die Befragten mussten anschließend einige Fragen zu ihrer emotionalen Befindlichkeit beantworten (z.  B. ob sie sich während der Verhandlung ängstlich gefühlt hatten, ob sie glücklich mit dem Endergebnis waren etc.).

Wann sollte man als Erster ein Angebot unterbreiten?

Diejenigen Verhandlungsführer, die als Erste ein Angebot unterbreitet hatten, fühlten sich ängst- licher als die anderen Teilnehmer, und waren demzufolge auch unzufriedener mit dem End- ergebnis – obwohl es empirisch bewiesen ist, dass frühe Angebote zu besseren wirtschaftli- chen Lösungen am Verhandlungstisch führen.

Wenn für Sie nur das wirtschaftliche Er- gebnis Ihres Deals im Vordergrund steht, dann sollten Sie als Erster ein Angebot unterbreiten, um die Verhandlungen zu Ihren Gunsten zu

„ankern“. Wenn Sie jedoch mehr Wert auf die Zufriedenheit Ihres Gegenübers mit dem Ver- handlungsprozess legen, können Sie sich dem Stress und dem Druck der ersten Angebots- unterbreitung entziehen. In diesem Fall (Ihr Gegenüber macht das erste Angebot) sollten Sie sich jedoch eine Strategie überlegen, um dem Anker Ihres Verhandlungspartners nicht zu verfallen. Das können Sie durch eine Simulation üben, um sich auf die „echte“ Verhandlungs- situation vorzubereiten.

Bei der geschlechtsspezifischen Betrachtung zeigen Frauen und Männer eine ähnliche Ver- handlungsbereitschaft, wobei Frauen in der be- schriebenen Situation tendenziell öfter (+ 5 %) in Verhandlungen treten würden.

Berufsgruppen mit besonders hoher Verhand- lungsbereitschaft stellen Geschäftsentwickler (83,3 %), Sales Representatives (88,9 %), Projekt- manager (93,8 %) und Juristen (100 %) dar. Im Ver- gleich der Berufsgruppen weisen Einkäufer die größte Bereitschaft auf, die Idee des Angebots aufzugreifen und zu versuchen, es selbst – mit eigenen Ressourcen – umzusetzen (30 %).

Insgesamt 12,8 % würden überhaupt nicht in eine Verhandlungssituation eintreten, sondern sich auf ihre Alternativen zurückziehen (2,2  % würden einen günstigeren Anbieter suchen, 10,6 % würden versuchen, es selbst umzusetzen).

6,7 % der Befragten würden beginnen, Leistun- gen aus dem Angebot zu kürzen, um den Preis zu senken. Dadurch wird jedoch auch die Wer- tigkeit der Leistung gemindert. Somit kann man festhalten, dass 19,5 % der befragten Personen es nicht schaffen würden, den vollen Mehrwert der Zusammenarbeit zu kreieren und für sich in Anspruch zu nehmen.

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Frage 2: „Der Basar“

„Stellen Sie sich vor, Sie machen Urlaub und befinden sich gerade auf dem Basar in Marrakesch. Sie würden gerne einen kleinen, handgewebten, runden und bunten Teppich als Andenken kaufen. Der würde sich total gut im Wohnzimmer machen.

Bereits nach 10 Minuten auf dem Basar werden Sie in einem Laden fündig. Der Ver- käufer möchte für den Teppich 200 EUR haben. Was machen Sie?“

Die Basar-Frage spiegelt eine für zahlreiche Deutsche unangenehme Situation aus so man- chem Urlaub wider. Somit ist die Wahrschein- lichkeit, dass viele bereits ähnliche Begeben- heiten erlebt haben, groß. Es handelt sich hier um ein Beispiel, das ich zuerst, in abgewandelter Form, bei Prof. Barry Nalebuff von der Universität in Yale gehört habe. Es tangiert auch den Be- reich der interkulturellen Verhandlungsführung, bei der ganz unterschiedliche Verhandlungsstile aufeinandertreffen und die einer besonderen Vorbereitung bedarf.

Auch hier wiesen die Befragten eine Ver- handlungsbereitschaft auf, wobei diese je nach Geschlecht, Alter und Beruf unterschiedlich aus-

geprägt ist. Nur knapp die Hälfte der Personen (42 %) würde sich ein Maximum überlegen und lediglich ein Drittel (29,6 %) würde ein Gegenan- gebot unterbreiten. Somit ist eine Bereitschaft zur Verhandlung zu erkennen, sie ist jedoch nicht besonders ausgeprägt.

Männer sind tendenziell eher bereit, sich auf ein Preisspiel einzulassen und direkt mit dem Feilschen zu beginnen. Frauen hingegen über- legen sich häufiger zunächst ein Maximum, be- vor sie das Gespräch mit dem Verkäufer suchen.

Die eigene Bereitschaft, einen Preis festzulegen (Maximum), nimmt auch mit steigendem Alter zu. Führungskräfte sind das Schlusslicht, wenn es darum geht, sich ein Maximum zu überlegen

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(36,7 %), jedoch führend beim Einsatz von dis- tributiven Taktiken wie Theater machen (25 %).

Die erste Antwortoption, den Teppich für 200 Euro zu kaufen (für die sich 1,2 % der Be- fragten entschieden haben), ist für den Käufer eine nachteilige Vorgehensweise. In Basar-Situ- ationen ankert der Verkäufer stets mit einem unrealistisch hohen Anfangsgebot. Darauf ein- zugehen bedeutet mit an Sicherheit grenzen- der Wahrscheinlichkeit, zu viel zu bezahlen.

Wenn der Verkäufer direkt dem Kauf zustimmt, kommt es hingegen oft vor, dass man eine ge- wisse Kaufdissonanz erfährt. Statt dass Sie sich freuen, wird Ihnen eventuell der Gedanke im Kopf herumspuken, dass Sie den Teppich auch günstiger hätten haben können oder dass die Qualität doch minderwertiger ist, als Sie ange- nommen hatten.

Da Sie zumeist den wahren Wert der Ware (besser gesagt die Spanne zwischen Maximal- und Minimalpreis für die gebotene Qualität) nicht kennen, können Sie auch ein sehr niedriges Gegengebot machen. Für diese Option entschie- den sich 29,6 % der Befragten. Käufer und Ver- käufer ankern sich gegenseitig und signalisieren, das Spiel des Gegenübers zu verstehen.

Danach beginnt das Feilschen, indem man sich von „beiden Enden“ annähert. Wichtig für Sie als Käufer ist jedoch, den „Walkaway-Preis“ zu kennen und im Vorfeld für sich zu bestimmen –

42 % der Befragten würden dies tun. Als Ver- käufer können Sie sich z. B. fragen, was die ge- ringste Menge ist, die Sie akzeptieren würden.

Als Käufer sollten Sie sich im Vorfeld Gedanken machen, was Sie maximal zu zahlen bereit sind.

Diese beiden Zahlen werden als BATNA (Best Alternative To a Negotiated Agreement) bezeich- net, als die jeweils beste Alternative zu einem verhandelten Ergebnis. Ökonomen bezeichnen sie auch als Reservation Value. Auch wenn Sie in Ihrem Leben schon zwei, drei Teppiche ge- kauft haben, sind Sie i. d. R. kein Experte für diese Ware. Somit wird es Ihnen schwerfallen, den Wert des Teppichs richtig einzuschätzen und somit einen realistischen „Walkaway-Preis“ zu bestimmen. 21,6 % der Befragten behelfen sich dabei mit distributiven Strategien, um den Ver- käufer unter Druck zu setzen. Durch Ultimaten,

Verhandlungsbereitschaft

Basis n=162

Verhandlungsverhalten – nach Alter

25–35 Jahre alt 36–45 Jahre alt

0 20 40 60

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Drama, das Verlassen des Verkaufsortes, mehr- maliges „Das ist mein letztes Angebot“ (obwohl Sie dennoch weiterverhandeln) etc. minimieren Sie jedoch Ihre Erfolgschancen. Wenn Sie solche Taktiken einsetzen, müssen Sie sie konsequent fortführen, ansonsten büßen Sie Glaubwürdig- keit ein und die Maßnahmen laufen ins Leere.

Das oben beschriebene Gefühl der Kaufdis- sonanz heißt in der Verhandlungstheorie „der Fluch des Gewinners“ („The Winner’s Curse“).

Es beschreibt ein gängiges Paradoxon in einer Verhandlung: Sie erzielen etwas, das Sie woll- ten, und die sofortige Zustimmung des Ver- handlungspartners weist auf enttäuschende Neuigkeiten über das gerade gekaufte Produkt hin. Es gibt zwei Hauptgründe dafür, dass es selbst für professionelle Verhandlungsführer eine häufige und gefährliche Falle darstellt:

1. Ihr Gewinn hängt von der Angebotsan- nahme der anderen Seite ab. Die Umstände bei der Annahme sind jedoch oft für den Bieter unvorteilhaft und für den Verkäufer günstig.

Bei vielen Verhandlungsarten missachten wir das.

Der amerikanische Schauspieler Julius Henry

„Groucho“ Marx (1890–1977) veranschaulichte dies schön, indem er sagte, dass er keinem Klub angehören wolle, der ihn als Mitglied haben möchte.

2. Die andere Seite weiß mehr als Sie. Nach- dem Sie Opfer des „Fluchs des Gewinners“

wurden, erkennen Sie wahrscheinlich, dass die andere Partei – fast immer der Verkäufer – viel besser als Sie über relevante Sachverhalte in- formiert war (Informationsasymmetrie). Wenn Sie für eine Sache, von der Sie wenig Ahnung haben, ein Angebot unterbreiten, erhöht sich Ihre Unsicherheit. Wenn Sie dieses Angebot ei- nem gut informierten Gegenüber unterbreiten, wird sich Ihr Mehrwert aus der Transaktion signifikant verringern. Der durchschnittliche Teppichhändler wird Ihr Angebot nur akzeptie- ren, wenn der Teppich weniger wert ist, als Sie es schätzen.

In unserer Studie entziehen sich 5,6 % der Befragten einer solchen Situation. Dies kann dadurch erfolgen, dass sie den Laden verlassen und keine Verhandlung eingehen. Dies mag eine legitime Option darstellen, kann aber auch als eine vorzeitige Kapitulation vor der Situation angesehen werden. Eine Alternative zur Kapitula- tion und eine gute Gegensteuerungsmaßnahme, um das Phänomen des „Winner’s Curse“ zu ver- meiden, ist es, die andere Partei in Ihre eigene Entscheidungsfindung einzubeziehen. Leider ist dies oft leichter gesagt als getan. Nachfolgen- de Verhandlungsstrategien können Ihre Erfolgs- chancen erhöhen:

Verhandlungsverhalten – nach Geschlecht

weiblich männlich

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Wie Prof. Nalebuff (Yale) die Wertigkeit des Teppichs einschätzen konnte:

In seinem Beispiel bat ihn der Verkäufer mit dem Teppich auf den Basar spazieren zu gehen. Wahr- scheinlich damit er eine Beziehung zum Objekt aufbaut. Der Verkäufer wollte 500 USD für den Teppich haben.

Auf seinem Spaziergang wurde der Professor von drei weiteren Teppichverkäufern angesprochen.

Diese lobten die Qualität des Teppichs und fragten nach dem Preis, der der Professor bezahlt habe.

Dem Ersten erwiderte er: „400 USD“. Daraufhin bat ihn der Verkäufer zu sich in den Laden zu kommen, da er auch ähnliche Teppiche habe. Beim zweiten Verkäufer antwortete der Professor mit „300 USD“ – mit der gleichen Reaktion des Verkäufers.

Als der dritte Verkäufer ihm die Frage nach dem bezahlten Preis stellte, antwortete der Professor – sichtlich genervt – „200 USD“. Daraufhin bot ihm der Verkäufer an, ihm den Teppich abzukaufenl Somit wusste Professor Nalebuff, dass der realis- tische Wert des Teppichs zwischen 200 USD und 299 USD lag.

1. Versetzen Sie sich in die Lage des Gegen- übers. Forschungen deuten darauf hin, dass der

„Fluch des Gewinners“ nicht aus einer Unfähig- keit resultiert, über die Entscheidungen anderer Parteien nachzudenken, sondern aus unserem Versagen, dies in bestimmten Situationen zu tun. Gleichgültig, ob Sie über ein Auto, ein Haus oder eben einen Teppich verhandeln, stellen Sie sich vor – bevor Sie ein Angebot machen –, dass Ihr Gegenüber es sofort annehmen würde. Wie würden Sie darauf reagieren? Würden Sie sich glücklich oder beunruhigt fühlen? Dann fragen Sie sich: „Hat seine sofortige Annahme meines Angebots mir etwas über den Wert der Ware verraten? Weiß er etwas, das ich nicht weiß?“

Indem Sie sich diese Fragen stellen, werden Sie erkennen, wann Sie ein Informationsdefizit haben, und Ihr Gebot entsprechend anpassen – oder gar keine Gebote abgeben.

2. Eignen Sie sich Expertenwissen an, oder konsultieren Sie Experten. Bei einem Hauskauf wäre das ein unabhängiger Sachverständiger, beim Autokauf ein befreundeter Kfz-Mechaniker usw. Generell gilt, dass Sie alles Erdenkliche unternehmen sollten, wenn Sie merken, dass Sie einen Informationsnachteil haben.

3. Verhandeln Sie face-to-face. Die zwi- schenmenschliche Beziehung, die während ei- nes persönlichen Treffens aufgebaut wird, kann

Angebote für Käufer und Verkäufer gleicher- maßen verbessern und verringert das Risiko, dass einer oder beide den Verhandlungstisch ver- lassen. Kommunikation schafft Vertrauen und ermöglicht die Art des Informationsaustauschs, die bei Angeboten aus der Ferne nicht entste- hen kann. Nicht zuletzt kann der Käufer, also die i. d. R. weniger informierte Partei, wertvolle Erkenntnisse durch das persönliche Gespräch mit dem Verkäufer gewinnen.

Verhandlungsverhalten – nach Geschlecht

Angestellter Führungskraft Freiberufler

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Frage 3: „Der Flug“

„Sie leiten einen Bereich eines großen amerikanischen Unternehmens – als ein- ziger Deutscher. Das macht Sie besonders stolz. Der Bereich, den Sie leiten, sitzt in Houston. Eines Tages laden Sie einen Speaker ein. Dieser hält den gleichen Vortrag bei Ihrem Bereichsleiter-Kollegen in New York City. Der Speaker konnte seine Reise als Rundreise planen (San Francisco – Houston – NYC – San Francisco). Der Flug von SF nach HOU kostet 666 USD. Der Flug von HOU nach NYC kostet 909 USD. Der Flug von NYC nach SF kostet 1.243 USD. Die gesamten Flugkosten belaufen sich auf 2.818 USD. Ihr Bereichsleiter-Kollege aus NYC und Sie sind für die Aufteilung der Kosten untereinander verantwortlich. Die Vorträge (und folglich die Flüge) fanden bereits statt, an den Kosten können Sie nichts ändern. Was machen Sie?“

Eine Verhandlung spielt sich immer im Span- nungsfeld, einen Mehrwert durch die gemein- same Kooperation zweier Akteure zu schaffen und einen fairen Anteil des geschaffenen Mehr- werts für sich selbst zu beanspruchen, ab.

„Der Flug“ ist ein klassisches Beispiel dafür.

Es handelt sich dabei um eine einfache Nego- tiation-Simulation von der Universität Yale. Die erste zu beantwortende Frage ist die nach der

„Größe des Kuchens“, nach dem Mehrwert der Kooperation.

Die Kollegen in New York (NYC) und Hous- ton (HOU) sind gemeinsam für das Aufteilen der 2.818 Dollar verantwortlich und sind sich dessen bewusst. Nichtsdestoweniger wird jeder der beiden zunächst danach streben, so wenig wie möglich davon bezahlen zu müssen.

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STIMMUNGSBILD VERHANDLUNGSHRUNG DEUTSCHLAND 15

New York könnte eine auf den ersten Blick sehr einfache Option vorschlagen: die Kosten 50:50 aufzuteilen, sodass jeder der Standorte 1.409 Dollar der Kosten übernimmt. Die Mehr- zahl der Befragten (46,4 %) wären – als Vertreter von Houston – diesen Deal eingegangen. Was fair klingen mag, wäre für Houston jedoch ein Verlustgeschäft. Denn hätten sie den Hin- und Rückflug von San Francisco nach Houston be- zahlt, wären das zwei Mal 666 Dollar, also 1.332 Dollar Gesamtkosten gewesen. Bei dem ver- meintlich fairen Vorschlag, die Gesamtkosten hälftig aufzuteilen, würde Houston mehr bezah- len, obwohl der Rundflug Kosten sparen sollte.

New York könnte das Problem nachvollzie- hen und als nächstes Angebot vorschlagen, dass jeder die Kosten seiner Verbindung trägt und lediglich die 909 Dollar für den Flug von Houston nach New York geteilt werden. Bleibt die Frage zu verhandeln, nach welchen Kriteri- en diese Aufteilung erfolgen soll. Die 909 Dollar könnten z. B. hälftig geteilt werden. Dies ist die Option, welche die Befragten am zweithäufigs- ten wählten (28,8 %). Houston könnte jedoch ar- gumentieren, dass ihr Standort ja näher an San Francisco liegt als New York, und dass New York, selbst wenn sie die 909 Dollar komplett über- nehmen würden, günstiger davonkommen, als wenn sie den Hin- und Rückflug San Francisco – New York bezahlt hätten. New York würde den Vorschlag selbstverständlich nicht fair finden und wahrscheinlich vorschlagen, dass sie die 909 Dollar nach dem Entfernungsprinzip bezah- len. Da Houston näher an San Francisco liegt, übernehmen sie 35 % und New York 65 % der 909  Dollar, plus die jeweiligen Flugkosten zwi- schen San Francisco und den eigenen Stand- orten. Diesen Deal wären 7,8 % der Befragten eingegangen.

Das Verteilungsspiel könnte noch lange so weitergehen und verschiedene Kriterien könn- ten ins Spiel gebracht werden (Zugehörigkeit zum Unternehmen in Jahren, Anzahl der un- terstehenden Mitarbeiter, Höhe des eigenen Budgets usw.). Doch welche wäre die fairste Lösung für beide Seiten? Um diese Frage zu be- antworten, muss zunächst die Frage nach dem Mehrwert, der durch die Kooperation entstan- den ist, beantwortet werden.

Die angefallenen Gesamtkosten betragen 2.818 Dollar. Sowohl NYC als auch HOU müssten als theoretische Alternative (BATNAs) die Hin- und Rückflüge zu den eigenen Standorten be- zahlen. Addiert man diese, entstünden Kosten in Höhe von 3.818 Dollar. Der Mehrwert der Zusammenarbeit beträgt also 1.000 Dollar. Es wurden dem Unternehmen 1.000 Dollar durch den Rundflug gespart. Und die fairste Art, die- sen Mehrwert aufzuteilen, ist 50:50, da sowohl HOU als auch NYC den gleichen Anteil an der Schaffung dieser Einsparung haben.

Der Flug

Basis n=179

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Somit wäre die für beide Seiten fairste Lösung, dass HOU 832 Dollar übernimmt (2 x 666 USD BATNA - 500 USD Anteil am Mehrwert) und NYC 1.986 Dollar trägt. Dafür haben sich die wenigs- ten Befragten (3,4 %) entschieden.

15,7 % der Befragten würden sich für eine destruktive Lösungsoption entscheiden. Dar- unter fällt die Kapitulation, indem HOU sowohl die eigenen Kosten wie auch die des Fluges von HOU nach NYC übernehmen würde (11,2 %). Der hauptsächliche Beweggrund bei der Wahl die- ser Option war, die Beziehung zu den Kollegen aus NYC nicht aufs Spiel zu setzen. Eine wei- tere destruktive Option wäre es, komplett zu blockieren und lediglich die eigenen Kosten zu übernehmen. Dafür entschieden sich 4,5 % der Befragten.

Im Vergleich lassen die Führungskräfte den meisten Mehrwert am Verhandlungstisch liegen.

Die Gesamtkosten 50:50 aufzuteilen wird am häufigsten von den Führungskräften (55,4 %) und am wenigsten von den Angestellten (39,4 %) gewählt. Führungskräfte sind tendenziell am ehesten bereit, den größten Anteil der Kosten (666 USD + 909 USD) zu übernehmen. Signifi- kante Unterschiede gibt es hinsichtlich des Unternehmensbereichs. Die hälftige Aufteilung der Gesamtkosten wird von Politik und öffent- lichem Dienst (71,4 %), von der Geschäftsent- wicklung (58,3 %) und vom Projektmanagement (56,3 %) bevorzugt.

Signifikante Unterschiede sind auch bezüg- lich des Alters festzustellen: 36- bis 45-Jährige wählen überdurchschnittlich häufig (61 %), die Gesamtkosten 50:50 aufzuteilen. Die 46- bis 55-Jährigen sind am ehesten bereit, mehr Kosten zu übernehmen, und lassen somit den größten Mehrwert liegen. Im Vergleich zu den Ersteren wählen Ältere mehr als doppelt so häufig die Kapitulations-Option.

0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50%

Der Flug – nach Arbeit

Angestellter Führungskraft Freiberufler

Der Flug – nach Alter

25–35 Jahre alt 36–45 Jahre alt 46–55 Jahre alt

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STIMMUNGSBILD VERHANDLUNGSHRUNG DEUTSCHLAND 17

Frage 4: „Der Mercedes“

„Sie möchten sich einen gebrauchten Mercedes kaufen. Sie haben ein interessantes Inserat gesehen, bei dem das Modell, die Ausstattung und die Extras passen.

Das Angebot ist schon seit 3 Monaten online. Eigentlich ist der Preis 1.500 EUR über dem Durchschnittspreis dieses Wagens und über dem Betrag, den Sie sich gewünscht hatten, zu zahlen. Sie treffen sich mit dem Verkäufer. Was machen Sie?“

Diese Frage mag einigen Deutschen aus dem Herzen sprechen, da das Auto für viele Personen eine besondere Stellung einnimmt. Die Mehr- zahl der Personen in den Zielgruppen der Studie hat entweder schon mindestens einmal selbst ein Auto erworben oder kann sich leicht in die beschriebene Situation hineinversetzen. Die Untersuchungsfrage deckt ebenfalls bestimmte theoretische Hintergründe ab. Auch bei dieser Frage ist eine Verhandlungsbereitschaft der Befragten erkennbar.

Hier spielen Standards (d. h. allgemein zu- gängliche und akzeptierte Informationen) eine besonders bedeutende Rolle. In dem gewähl- ten Beispiel ist es ein Durchschnittspreis, der

leicht von jedermann ermittelt werden kann. Die Online-Recherche ermöglicht dem potentiellen Käufer, ein gutes Bild vom „Walkaway-Preis“

des Verkäufers zu bekommen. In der Umfrage würde die Hälfte der Befragten den Preis um 1.500 Euro zu reduzieren versuchen, um auf den Durchschnittspreis des Wagens zu kommen.

Das Ergebnis ist nicht besonders überraschend.

Die interessante Frage ist jedoch, ob dabei nicht zusätzlicher Mehrwert liegen gelassen wird.

Die Frage untersucht ebenso die Bereitschaft der Teilnehmer, „den Kuchen zu vergrößern“, d. h. sich nicht lediglich auf das Fahrzeug zu kon- zentrieren, sondern auch auf andere mögliche Zusatzleistungen. Des Weiteren untersucht sie

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den Umgang mit einem selbst gesetzten Maxi- mum. Der Preis des Wagens ist überteuert. Falls die Verhandlung mit dem Automobilverkäufer keine Preisreduzierung mit sich bringt, müsste jeder Käufer folgerichtig die Verhandlung abbre- chen und sich auf seine BATNA (Kauf des Wagens von einem anderen Händler, wie im Internet recherchiert) beziehen. Der potentielle Käufer hat in der Regel einige Alternativen (andere Händler), während die Alternative des Verkäufers (keinen Verkauf generieren) viel schlechter ist.

Eine weitere Frage ist, ob die Befragten das Prinzip „The Nibble“ einsetzen. Dieses besagt, dass Menschen, je mehr sie in einen Verhand- lungsgegenstand investiert haben (Zeit, Geld, Energie, Ressourcen, Emotionen etc.), sich umso schwerer von einem fast abgeschlossenen Deal verabschieden können. In dem beschriebenen Fall des Autokaufes kann der Verkäufer „The Nibble“ zum Opfer fallen, wenn er viel Zeit in die Vorführung des Wagens investiert hat und merkt, dass der Kunde kurz vor Abschluss steht.

Er sieht bereits förmlich seinen Bonus. Und ein gewiefter Kunde wird ihm in diesem Augenblick

noch zusätzliche (kostenlose) Goodies – Winter- reifen, Inspektion etc. – abverlangen. Dadurch generiert der Käufer für sich den größtmög- lichen Mehrwert. Jeder fünfte Befragte (22 %) würde diesen Weg einschlagen. Und der Ver- käufer würde mit großer Sicherheit darauf ein- gehen. Manche Käufer nutzen die Ehefrau als

„Argument“ und sagen dem Verkäufer, dass sie keinen Deal abschließen können, bevor sie sich nicht mit ihrer Partnerin beraten haben. Oft fragt dann der Verkäufer: „Um wieviel müsste ich denn runtergehen, damit Sie sofort zuschla- gen?“ – Das ist das „The Nibble“-Prinzip.

Männer zwischen 46 und 55 Jahren wie auch Führungskräfte würden diese Option am ehes- ten wählen und damit den meisten Mehrwert generieren. Das kann natürlich an einer hohen Affinität dieser Personen zu Autos liegen. Füh- rungskräfte verhandeln in diesem Beispiel dop- pelt so häufig wie Angestellte und dreimal so oft wie Freiberufler über die reine Reduzierung des Kaufpreises hinaus. Betrachtet man die Antworten rein nach Geschlechtern, so sind signifikante Unterschiede erkennbar. Männer Der Mercedes

Basis n=179

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würden doppelt so häufig über den tatsächli- chen Preis hinaus einen zusätzlichen Mehrwert generieren. Bezüglich des Alters ist die Tendenz erkennbar, dass je älter eine Person ist, sie umso eher die Bereitschaft zeigt, das meiste herauszuholen. Für die Älteren sind zusätzliche Sachwerte/Goodies wie Winterreifen oder Ins- pektion interessanter als für Jüngere.

Knapp ein Drittel der Befragten (26 %) würde ebenfalls nach Zusatzleistungen streben, aber erheblichen Mehrwert liegen lassen. Diese Be- fragten würden versuchen, den Preis um ledig- lich 500 Euro zu senken. Das Einsparpotential von weiteren 1.000 Euro würden sie nicht nut- zen. Dadurch gehen sie einen schlechteren Deal als bei ihrer BATNA ein. Einige wenige Befragte (2,8 %) würden sogar den Wagen wie inseriert kaufen.

Fahrzeugkauf – nach Arbeit

Angestellter Führungskraft Freiberufler

Fahrzeugkauf – nach Geschlecht

weiblich männlich

Der Flug – nach Alter

25–35 Jahre alt 36–45 Jahre alt 46–55 Jahre alt

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Frage 5: „Der Apparat“

„Sie haben sich mit Ihrer Firma selbstständig gemacht. Das Geschäft läuft sehr gut.

Sie benötigen jedoch einen Apparat, der nur von 3 Herstellern weltweit angeboten wird und der erst seit einem halben Jahr auf dem Markt ist. Leider haben Sie aktuell keine liquiden Mittel, um den Apparat zu kaufen. Das Gerät würde jedoch, sobald eingesetzt, Ihr Geschäft noch weiter ankurbeln. Was machen Sie?“

Diese Frage verfolgte das Ziel herausfinden, ob Verhandeln als präferierte Option genannt wird. Die anderen Antwortoptionen waren Spa- ren, was in der deutschen Mentalität einen hohen Stellenwert besitzt, sowie einen Kredit aufzunehmen, was aufgrund der aktuellen zins- politischen Entwicklung eine ökonomisch at- traktive Alternative darstellt.

Bei der Interpretation der Ergebnisse muss im Hinterkopf behalten werden, dass zum Teil so- zial Erwünschtes geantwortet werden konnte.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die wenigs- ten Befragten sparen würden, bis sie sich einen Apparat würden kaufen können. Knapp ein Drit- tel der Personen würde eine Finanzierungsform

anstreben. Die deutliche Mehrheit (64,2 %) würde jedoch mit den Herstellern verhandeln, um sich das Gerät zu leihen. Dadurch würde die Mehrheit nach dem ökonomischen Prinzip handeln, mit minimalem finanziellen Aufwand einen maximalen Ertrag zu erzielen. Bei der Unterscheidung nach Geschlechtern sind keine Unterschiede erkennbar.

Signifikante Unterschiede treten jedoch bei den verschiedenen Altersklassen auf. Die 36- bis 45-Jährigen tendieren im Vergleich zu den Jüngeren und Älteren deutlich häufiger dazu, den Apparat über einen Kredit finanzieren zu wollen. Sie handeln demnach seltener nach dem ökonomischen Prinzip. Mit zunehmendem Alter

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(46–55 Jahre und 56–63 Jahre) wird die Option

„das Maximum verhandeln“ gewählt, was ein möglicher Hinweis auf zunehmende (Verhand- lungs-) Reife sein könnte.

Der Apparat

Basis n=179

Führungskräfte wählen tendenziell am häu- figsten den wirtschaftlich optimalen Weg.

Freiberuflich Tätige ziehen im Vergleich zu Führungskräften und Angestellten öfter die

Der Apparat – nach Alter

25–35 Jahre alt 36–45 Jahre alt 46–55 Jahre alt 56–63 Jahre alt

0%

20 % 40 % 60 %

Ich spare, bis ich mir das Gerät kaufen kann. Ich versuche einen Kredit zu guten Konditionen zu bekommen, um den Apparaten zu finanzieren. Ich kontaktiere alle drei Hersteller und frage nach, ob sie mir ein Gerät kosten- frei zur Vergung stellen.

Der Apparat – nach Arbeit

Angestellter Führungskraft Freiberufler

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Finanzierung einem Kredit vor. Mit Blick auf den insgesamt geringen Anteil der „Sparer“ zeigt die Gruppe der Angestellten das defensivste Verhandlungsverhalten. Jeder 10. Angestellte würde statt den aktiven Weg (Apparat anschaf- fen) den defensiven Weg (sparen) bevorzugen.

Betrachtet man die Unternehmensbereiche, in denen die Befragten tätig sind, lassen sich ebenfalls Erkenntnisse ableiten, wobei es sich aufgrund der Stichprobengröße hierbei ledig- lich um Zufallsbilder handelt. Auffällig niedrig fällt im Vergleich der Bereich „Geschäftsent- wicklung“ auf. Hier wird eine Finanzierungs- form deutlich bevorzugt und die Verhandlungs- option mit Abstand am wenigsten gewählt.

Mitarbeiter aus dem Bereich „Produktmanage- ment“ würden viermal so häufig wie der Bereich

„Geschäftsentwicklung“ den wirtschaftlich op- timalen Weg wählen.

Allgemein lässt sich festhalten, dass Ver- handeln in vielen Bereichen und bei zahlreichen Angelegenheiten eine legitime und zielführende Option ist. Selbst bei der Anschaffung einer Maschine, wie in der Fragestellung, gibt es mehr als nur Kaufen, Finanzieren oder Sparen.

Sponsoring fällt hierbei ebenfalls unter Verhan- deln. Dabei ist es besonders relevant, sich in die Position des Gegenübers zu versetzen, um mögliche Vorteile für den Verhandlungspartner herauszufinden. Dadurch erweitern Sie automa- tisch den Verhandlungsspielraum und können so Deals abschließen, die für beide Seiten gut sind.

Der Apparat nach Unternehmensbereich

Ich versuche einen Kredit zu guten Konditionen zu bekommen, um den Apparaten zu finanzieren.

Basis n=179

Der Apparat nach Unternehmensbereich

Ich kontaktiere alle drei Hersteller und frage nach, ob sie mir ein Gerät kostenfrei zur Verfügung stellen.

Schließlich möchten sie auch ihre Marktdurchdringung erhöhen. Und ich wäre der erste Kunde in der Branche.

Basis n=179

0 % 20 % 40 % 60 % 80 %

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Frage 6: Phasen einer Verhandlung

„Welche Phasen einer Verhandlung kennen Sie?“

Eine Verhandlung hat, unabhängig vom Verhandlungsgegenstand, immer vier Phasen:

Analyse, Vorbereitung, Durchführung und Eva- luation/Dokumentation. Die ersten beiden Pha- sen sind dabei nicht immer klar voneinander abzugrenzen. Diese Schritte einzuhalten ist für den Erfolg einer Verhandlung elementar wich- tig. Ohne adäquate Vorbereitung scheitern Sie in der Durchführung, wenn Sie Ihrem Verhand- lungspartner face-to-face begegnen. Sie brau- chen eine zeitlich ausreichende und inhaltlich ausschöpfende Vorbereitung, um in der Durch- führung bestimmte Fehler nicht zu begehen.

Eine nur rudimentäre Evaluation und Doku- mentation wird Ihnen spätestens dann „auf die Füße fallen“, wenn Sie die Vereinbarung imple- mentieren möchten. Überspringen Sie diese letzte Phase, wird das Unternehmen nicht von den Erkenntnissen profitieren können und Sie fangen bei jeder Vorbereitung immer wieder am

Nullpunkt an. Dadurch verschenken Sie wertvol- le Ressourcen des Unternehmens und nehmen der Organisation die Chance, in Verhandlungs- führung besser zu werden und mehr Know-how aufzubauen.

Die Frage hatte zum Ziel herauszufinden, welche der Phasen bekannt sind. Wären nur die genannten vier Phasen zur Auswahl gestanden, wäre das Risiko groß gewesen, keine interpre- tierbare Antwort zu erhalten. Deshalb wurden als „Störer“ weitere vermeintliche Phasen auf- geführt. „Norming“, „Storming“ und „Performing“

sind gruppendynamische Phasen. In Verhandlun- gen mit mehreren Beteiligten ist es zwar nicht unüblich, dass gruppendynamische Prozesse entstehen und von Bedeutung sind, sie stellen jedoch keine Phasen einer Negotiation dar.

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Ein weiterer „Störer“ war die Antwort-Option

„Feilschen“. Die Hypothese war, dass diese Op- tion viel eher mit einer Phase verwechselt wird.

Diese Annahme wurde bestätigt. Feilschen kann als „Angebot und Gegenangebot“ verstanden werden. Das Feilschen findet in der Phase der Durchführung statt – oft, wenn es um monetäre Aspekte geht. Es ist aber nicht immer ein rei- nes Austauschen von Zugeständnissen („wie du mir, so ich dir“). Sonst ist die erzielte Einigung ein Kompromiss, bei dem beide Seiten nicht ihr Optimum erzielen, und keine einvernehmliche Lösung. Das Feilschen sollte vielmehr als Tausch von Interessen und Präferenzen angesehen wer- den. In einer Verhandlung haben selten beide Parteien hinsichtlich aller Punkte dieselben Prä- ferenzen. In der Durchführungsphase geht es darum, Präferenzen des Gegenübers zu erkennen, mit den eigenen abzugleichen und Zugeständ- nisse bei sich nicht ausschließenden Interessen zu machen. Feilschen als tatsächliche Handlung fällt somit in die Durchführungsphase, wobei man sich in der Vorbereitungsphase darauf ein- stellt.

Die Analyse der Beantwortungen nach Ge- schlecht ergaben keine signifikanten Unterschie- de. Es fällt jedoch auf, dass Männer tendenziell häufiger sowohl die tatsächlichen als auch die Störer als Verhandlungsphasen ansehen. Die Vorbereitungsphase ist in allen Altersklassen am bekanntesten und die Phase der Evaluation ist über alle Altersklassen hinweg die am wenigs- ten bekannte. Diese Erkenntnis ist alarmierend, spiegelt jedoch unserer Einschätzung nach die Lebenswirklichkeit in vielen deutschen Unter- nehmen wider.

Phasen einer Verhandlung – nach Geschlecht

weiblich männlich Basis n=179

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Phasen einer Verhandlung – nach Alter

25–35 Jahre alt 36–45 Jahre alt 46–55 Jahre alt

Phasen einer Verhandlung – nach Arbeit

Angestellter Führungskraft Freiberufler

Signifikante Unterschiede gab es in der Al- tersklasse der 46- bis 55-Jährigen, welche die Störer „Storming“ und „Norming“ weniger häufig und „Performing“ deutlich häufiger nannten.

Freiberuflich Tätige sehen im Vergleich zu Füh- rungskräften und Angestellten häufiger die

nicht zu einer Verhandlung gehörenden Phasen als dazugehörig an. Insbesondere werden „Per- forming“ und „Feilschen“ fälschlicherweise als Verhandlungsphasen (signifikant häufiger) an- gesehen.

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Frage 7: Die Vorbereitung

„Wie bereiten Sie sich auf eine Verhandlung vor?“

Die adäquate Vorbereitung auf eine komplexe Verhandlung legt den Grundstein für eine erfolg- reiche Durchführung. Je komplexer die Situation (hinsichtlich Zeit, Themen oder Anzahl der in- volvierten Parteien), umso sorgfältiger sollte die Vorbereitung verlaufen. Eine Verhandlung, von der Sie annehmen, dass ihre Durchführung viel Zeit in Anspruch nimmt, wird – entgegen dem gängigen Irrglauben – eine ähnlich lange Vorbereitungszeit erfordern.

Die in der Forschungsfrage zur Auswahl ge- stellten Antwortoptionen sind alle zur Vorbe- reitung einer komplexen Verhandlung wichtig und notwendig. Während die Vorbereitung der eigenen Wünsche (92,7 %), die Vorbereitung auf die möglichen Wünsche des Gegenübers (83,2 %) sowie eine faktenbasierte Vorbereitung hin- sichtlich Zahlen, Daten, und Fakten zu den Verhandlungsthemen (61,5 %) eingängig und

bekannt sind, werden andere Faktoren in der gelebten Praxis übersehen. Bereiten Sie sich lediglich auf das Zahlenmaterial vor, können zwei wichtige Hindernisse auftreten: Zum einen zementieren Sie die eigene Sicht. Oft kommt es vor, dass die eigenen Berechnungen als einzig geltende Wahrheit angesehen werden. „Es kann nur xy rauskommen!“ ist eine Aussage, die häu- fig getroffen wird. Dass viele Sichtweisen durch ganz unterschiedliche Zahlenbasen untermau- ert werden können, wird missachtet. Zum an- deren gehen Sie im Hinblick auf die beteiligten Personen „blind“ in die Verhandlung hinein.

Wenn Sie sich z. B. nicht darauf vorbereiten, wer am Tisch sitzt, wer zu welchem Zeitpunkt einen wichtigen Beitrag leisten kann, welche Stakeholder direkt und indirekt von dem Ergeb- nis betroffen sind und demzufolge eingebunden werden müssen, erhöhen Sie das Risiko des Scheiterns erheblich.

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Die Antwortoption „so viel wie möglich über den Verhandlungspartner in Erfahrung zu brin- gen“ setzt genau an diesem Punkt an. Sie soll- ten ein Gefühl bekommen, mit welcher Person Sie verhandeln werden. Was ist dieser Person wichtig? Welche Wertvorstellungen des Gegen- übers können Sie erkennen? Hat jemand aus Ihrer Organisation bereits mit derselben Person verhandelt? Worüber? Mit welchem Ergebnis?

Wie verlief die Interaktion? Je mehr Informati- onen Sie über das Individuum sammeln, umso besser können Sie daraus Folgerungen für Ihre eigene Verhandlung ziehen. Diese Folgerungen sollten Sie aber stets hinterfragen und einge- hend (in der persönlichen Interaktion im Ver- lauf der Zeit) nach Hinweisen suchen, die Ihre Annahmen widerlegen. In der Befragung sehen sowohl Männer (72,1 %) als auch Frauen (60 %) diese Vorbereitung als notwendig an, über alle Altersgrenzen hinweg. Betrachtet man das Ar-

beitsverhältnis der Befragten, sind die Werte ebenfalls hoch, wobei Führungskräfte am schlechtesten (also unterdurchschnittlich) ab- schneiden (61,5 %). Produktmanager (88,9 %) und Sales Representatives (85,2 %) erkennen die Bedeutung dieser Vorbereitung am häufigsten.

Alarmierend ist, dass sich lediglich 23,5 % der Befragten darauf vorbereiten, eine Ver- handlung abzubrechen (Antwortoption „Tisch verlassen“). Dies bedeutet, dass die Mehrzahl der Personen keine Vorstellung davon hat, wann sie aussteigen und sich auf ihre BATNA zurückziehen sollte. Dadurch steigt das Risiko, dass wirtschaftlich schlechte Deals eingegan- gen werden. Besonders (unterdurchschnittlich) schlecht schneiden hier Produktmanager (11,1 %) und Personen aus Politik und öffentlichem Dienst (14,3 %) ab. Wenn Sie sich lange auf die Verhandlung vorbereitet und auch intensiv mit Vorbereitung auf eine Verhandlung – nach Alter

25–35 Jahre alt 36–45 Jahre alt 46–55 Jahre alt

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dem Gegenüber interagiert haben, ohne jedoch besser als mit Ihrer BATNA dazustehen, ist die Gefahr groß, dass Sie dennoch weiterverhan- deln, wenn Sie sich keinen Ausstiegspunkt über- legt haben. Menschen tendieren dazu, etwas, in das sie viel Zeit, Energie oder Geld investiert haben, nur sehr schwer loszulassen. Der Fach- begriff dazu lautet Sunk Cost Fallacy.

Unternehmensinterne Stakeholder auf eine potentielle Eskalation vorzubereiten, würden nur 38 % der Befragten in Betracht ziehen.

Grundsätzlich gilt, dass Sie selten im luftleeren Raum verhandeln. Von dem Ergebnis Ihrer Ne- gotiation sind verschiedene Personen in Ihrer Organisation betroffen, auch Vorgesetzte oder das Topmanagement. Eskalationen sollten als Instrument zwar sparsam und zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden, sie stellen je- doch per se nichts Negatives dar. Indem Sie die

„nächsthöheren Instanzen“ auf mögliche Eska- lationen vorbereiten, halten Sie diese Personen auf dem Laufenden und vermindern gleichzei-

Vorbereitung auf eine Verhandlung – nach Arbeit

Angestellter Führungskraft Freiberufler

tig das Potential für Irritationen und Empörung.

Diese wiederum sind der Nährboden für jeden Konflikt. Eine klassische Verhandlungssituation, bei der unternehmensinterne Eskalationsstellen vorbereitet werden müssen, sind Verhandlungen zwischen dem Management einer Organisation und den zugehörigen Interessenvertretern (Be- triebsräte, Gewerkschaften). Wir bei I&P haben gute Erfahrungen damit gemacht, dass beide Parteien Eskalationen über die Öffentlichkeit mitverhandeln (Welche Botschaften zum Ver- handlungsverlauf werden durch welche Partei medial der Öffentlichkeit mitgeteilt). Dadurch ist keine Partei über die medialen Äußerungen des Gegenübers überrascht, Empörung und Konflikte werden vermieden und nächsthöhere Eskalationsstellen sind darüber informiert.

In der Befragung konnten die Teilnehmer auch auswählen, ob sie sich auf distributive Verhandlungstaktiken vorbereiten, d. h. ob sie sich überlegen, an welcher Stelle sie Drohun- gen aussprechen (16,8 %) oder Ultimaten setzen

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(22,9 %) könnten. Es ist ratsam, sich darüber im Vorfeld der Durchführungsphase Gedanken zu machen. Aber ebenso, sich die Frage zu stellen, welche dieser Taktiken der Verhandlungspartner einsetzen könnte. Der Einsatz von Drohungen und Ultimaten sollte, wenn überhaupt, nur mit Bedacht erfolgen, und Sie sollten bereit sein, das Angekündigte auch tatsächlich umzusetzen.

Ansonsten werden diese Taktiken als „Blindgän- ger“ enttarnt und Ihre Verhandlungsposition ist nachhaltig geschwächt. Sobald Sie erneut eine Drohung aussprechen oder ein Ultimatum stel- len, werden Sie nicht mehr ernst genommen.

Hinsichtlich der Option „Drohungen aus- sprechen“ konnten signifikante Unterschiede festgestellt werden. Männer ziehen Drohungen mehr als doppelt so häufig in Erwägung als Frauen. Generell sind Drohungen, Macht und Rachegefühle als potentielle Merkmale einer Verhandlung bei Männern signifikant stärker ausgeprägt.

Vorbereitung auf eine Verhandlung – nach Geschlecht

weiblich männlich

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Frage 8: Dokumentation

„Ich finde es wichtig, folgende Sachverhalte schriftlich zu dokumentieren.“

Die Dokumentation einer Verhandlung ist eine oft unterschätzte Phase einer Negotiation.

Die tägliche Praxis lässt vermuten, dass ledig- lich die Schlussvereinbarung festgehalten wird.

Die Befragung bestätigt diese Annahme: 92,7 % der Befragten dokumentieren das Endergebnis.

Eine darüber hinausgehende Dokumentation hat zwei essentielle Vorteile: 1. Die gesamte Organisation lernt und verbessert sich, und 2.

Die Implementierung der Vereinbarung wird er- heblich vereinfacht.

Verhandlungen sind in der Regel stark per- sonenabhängig. Ein Personalleiter verhandelt oft mit demselben Betriebsratschef, ein Vertriebs- mitarbeiter mit seinem Pendant auf der Ein- kaufsseite. Dies ermöglicht es zwar, starke Bindungen, Vertrauen und Beziehungen aufzu- bauen, kann aber auch – wie Studien belegen – zu einer Reihe von Nachteilen führen. Beispiels- weise neigen Verhandler, die sich sehr gut kennen, zu verfrühten Zugeständnissen um der Beziehung willen, oder dazu, bestimmte Annah- men über ihr Gegenüber nicht mehr zu hinter- fragen.

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