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Lexikalische Studien.
(FoTtietzung.) Von Friedrich Schwall^.
1. ■
Ich stelle hier eine Anzahl von Lehnwörtem zusammen, die
bei Fraenkel fehlen. Selbstverständliche Entlehnungen, die auch
gewiss Andere erkannt haben, sind »Sessel' = I^OB^Ö,
^lAc »Zeit« = T^y. »Docht" = jÄUiÄ, »um¬
sonst" = e)!^^ .interior pars domus" =a i^JÄ^. —
sJw>jfcÄ .Zauberei", z. B. Fihrist 3, si; jL*.i; »Zauberer" Tabari
I 1796, 1 (sOy*Ä etc.). Da qv, im litterariscben Syrisch nur in
der Bedeutung „unterwerfen" nachzuweisen ist, so wird der ara¬
bische Gebrauch des Wortes aus der Vulgärsprache stammen*). —
^jLl „Leiter" = dVd, das ausser dem Hebräischen nur noch im
jüdischen Aramäisch vorkommt. Assyrische Herkunft des Wortes
ist sehr wahrscheinlich. — Die .Wurzel ^y enthält nur Deri¬
vate von ^J<*JJ*< »Kastrat". Dieses Wort, muss dem syr. Jnn.' ,nrt
entlehnt sein, dessen assyrisches Vorbild noch nicht sicher nach¬
gewiesen ist. — Bei der Annahme, dass »Weg" echt arabisch
ist (z. B. Näbigha V 18), scheint es mir auffallend zu sein, dass
unter den verschiedenen Synonymen gerade dieses dem Aramäischen
und Hebräischen gleiche Wort für den religiösen Sprachgebrauch
ausgesucht ist. Ich kann mir diese Erscheinung nur aus Entlehnung
erklären. — Entlehnt ist auch ^LjJ^ „Brauch* z. B. Qoran 5, 62.
Tabari I 1065, i. 2 aus jüd.-aram. an:u. Das Syrische kennt die
betreffende Wurzel nicht Im A. T. kommt das Wort nür einmal
1) Die Nebenformen ÜiJ^jlm' etc. lassen sich aus dem AramSischen nieht erklttren und sind desbalb vielleicht als Angleichungen an die Wurzel i3Lc (vgl. „Amulett") zu verstehen.
Bd. LIII. 14
198 SchwaUy, Lexihalisefie Studien.
(n Reg. 9, 20) vor in der Bedeutung ,Art und Weise zu fahren*.
Die Grundbedeutung „Weg*, welche man Ln den nordsemitischen
Sprachen erwarten sollte, ist niu- im Arabischen erhalten, z. B.
Näbigha XV 1. Tabari I 2488, 10. Ibn Hishäm 420, 5. 525, 4. 618,7.
Kämil I 393, i«. Baihaqi cod. Lugd. II**, 17, synonym ^Lg^ Kämil
n 173, 4. Während das derselben Wurzel angehörende »Weg"
echt arabisch sein muss (z. B. Kämil II 177, 19. Hishäm 836, 2 v.u.
1023, 9. Abu Zaid 77, 17), ist gvjÄ/o vielleicht auch in der Bedeutung
„Weg* entlehnt. Diese Entlehnung müsste aber dann schon in
sehr alter Zeit erfolgt sein, als das Aramäische noch jene eigent¬
liche Bedeutung von ansn kannte. Übrigens ist, soweit ich das
Material übersehe, die Zahl der mit präfigirtem n gebildeten Sub¬
stantiva — die Partizipialbildungen der abgeleiteten Verbalstämme
ausgenommen —, für welche Urverwandtschaft zu behaupten ist,
relativ gering.
2.
Unter den hebräischen Wurzeln der Klasse N'd giebt es einige,
deren Beziehungen zu anderen Dialekten sehr unsicher sind. Ich
lege im Folgenden einige Kombinationen vor, in denen ich glaube,
über meine Vorgänger hinausgekommen zu sein.
Hebr. yitt „Postament, Fundament" ist nicht nur zu a.ssjr. adattu
zu stellen, sondern wahrscheinlich assyrischer Herkunft. — iinN
„Herr" ist weder von noch herzuleiten, seine Wurzel ge¬
hört vielmehr zu assyr. danänu „mächtig sein". Die hierbei zu
konstatierende Entsprechung einer Wurzel N'd und einer anderen
y'y scheint mir einen prinzipiellen Wert zu besitzen, da sie mit
mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit noch für eine Reihe anderer
Beispiele behauptet werden kann. So stelle ich an« „lieben* nicht
zu naN, sondern zu arab. :_jS> „wehen* (vom Winde). Eine nahe
Analogie liegt vor in dem Verhältnis von ^J;Jp „lieben" zu s.\yS>
„Luft". — 5TN „weggehen" hat nichts mit ^jc zu thun, sondem
gehört eher zu „ausgleiten" (wenn nicht zu Jij). — Des¬
gleichen weist hebr. bbWN „verwelken" nach arabisch J^o, dessen
Grundbedeutung in jX« „Fieberhitze", ■sIa „glühende Asche" (vgl.
Hamäsa 276 v. 1. IHishäm 891 v. 2. Tarafa Muallaq. 93. Urva ibn
al Vard 22, 4. Kämil II 334, u) , noch deutlich zu erkennen ist. —
Da hebr. ya« kein syrisches Äquivalent hat, so ist nicht genau zu
sagen, ob im Arabischen eine Wurzel mit Jo oder tjo oder
entsprechen muss. Dem Sinne nach liesse es sich nicht schwer
mit zusammenbringen. —: DEN „aufhören" darf man vielleicht
zu assyr. pasüsu „vertilgen" stellen.
Schwally, LexihaMgche Studien. m
3. ^jö
Arab. |.Jo beisst „bereuen", , Zechgenosse «. Die Deri¬
vate der Wurzel gehen in diesen beiden Bedeutungen ohne Eest
auf. Die einzige Ausnahme ist in der von den Original-
Lexika behaupteten Bedeutung ,Spur". Ich kenne dafür nur einen
Beleg Aghäni I 155, 15, und der ist nicht einmal über jeden Zweifel
erhaben. Schon die arabischen Philologen haben die Schwierigkeit,
die jene beiden disparaten Bedeutungen in einer Wurzel neben¬
einander bereiten, deutlich empfunden und sind so auf die Aus¬
kunft geraten, |^Lj aus ^_jtj^t yJ~i zu erklären. Darauf
ist natürlich gar nichts zu geben. Da andererseits kein Grund vor¬
handen ist, irgendwelche Entlehnung anzunehmen, nocb eine Spaltung
der Wurzel zu behaupten, so muss der Versuch gemacht werden,
die beiden Bedeutungen aus einander abzuleiten oder auf eine ge¬
meinsame dritte zurückzuführen. Und zwar hat sich die historische
Sprachvergleichung die Prage vorzulegen, ob es im arabischen
Heidentume eine Institution gegeben hat, bei der Reue und Zechen
in irgend einer Weise verbunden sind. Eine derartige Einrichtung
hat es m. E. in der That gegeben, nämlich das Leichenmahl. ^Ju
war nach meiner Vermutung ursprünglich der Name für die Teil¬
nehmer an einem solchen Gelage. Dabei lasse ich dahingestellt, welches
die eigentliche Bedeutung ist , die diesem Gebrauche von j^Jü zu
Grunde liegt. Indessen glaube ich im stände zu sein, die Wahr¬
scheinlichkeit meiner Kombination durch eine gute Analogie zu
stützen. Im Hebräischen heisst Dn: „trösten", und Dimn:n oi3
ist der Becher, welcher beim Leichenmahl für den Toten aus¬
gegossen wurde (Jer. 16, 9). Dn: (Niphal) aber bedeutet „bereuen".
4. ß>
Die Bedeutungen, welche in den arabischen Wörterbüchern
unter der Wurzel Jai aufgezählt werden, lassen sich in vier Gruppen teilen: I.Ja: „spalten"; 2. Jos „Fastenbrechen" und seine Derivate;
3. jaLs „ungesäuert" und seine Derivate; 4. Jxi „schaffen".
1. In der Bedeutung „spalten" ist die Grundbedeutung der
Wurzel zu erblicken, was nicht nur durch das Assyrische bestätigt
wird, sondem auch durch hebr. Dn"i "iDB und "nuo I Kön. 6, s ff,
das docb wahrscheinlich „Knospe" heisst. Über die hierher ge¬
hörenden arabischen Bedeutungen der Wurzel kann nicht gut ein
Zweifel möglich sein. Von ganz nahe Liegendem zu schweigen,
O J
hebe ich besonders hervor Joi „melken" als denominiert von Jos
14»
200 Schwally, Lexikalische Studien.
,die aus den Eutern durchbrechende (tropfende) Milch", jaLs
„voreilig', z. B. Gähi§ Bajän I 157, e v. u. , und j-JoLü"
5utai'a Divan ed. Goldziher Nr. 78, 8, nach dem Scholion = j^l
iLfwj yi _jLäj Lo jOxi. Docb geben die Lexika (Täg al 'Arüs,
Lisän al Arab) als Singular auch jjjosü an, das sie von einer
Wurzel jhä.i ableiten jJU ^^^^ ^| J^jt ^,
Die Bedeutungsgruppen Nr. 2—4 können natürlich alle von
der Grundbedeutung abgeleitet werden und gehen sicher in letzter
Linie auf diese zurück. Es fragt sich aber doch, ob diese abstrakten
Beziehungen dem Verlaufe der arabischen Sprachentwickelung auch
wirklich entsprechen.
2. Die Ableitung von^Li „Fastenbrechen' istnicht ohne Schwierig¬
keit, da die Sprache andere Wurzeln besitzt, deren Gebrauch für
jene Bedeutung anscheinend viel näher gelegen hätte , z. B. (jiaftj .
„Die Fasten entlassen' kann aber Jai\ nicht heissen, da die Be¬
deutung „weggehen, sich entfernen' nur im Hebräischen und Ara¬
mäischen entwickelt ist. Nun ist es ja nicht nötig, dass alle
Nominalbedeutungen noch im Verbum lebendig sind, aber diese
Forderung sollte doch bei einem Worte erfüllt sein, das Wahrschein¬
lich erst islamischen Ursprungs ist. Um die Wahl gerade dieses
Ausdruckes zu erklären, glaube ich auf das syrische )v«^ÄJ JjJ\.
verweisen zu dürfen, aber nicht im Sinne des jüdischen Mazzot-
festes, sondem des christlichen Passah, z. B. Joh. Ephes. p. 23, s.
Zwar kennt die Kirche kein eigentliches Pest des Fastenbrechens,
aber thatsächlich bedeutete Ostem den Anfang des normalen Lebens¬
genusses nach den grossen Quadragesimalfasten. Diese Beziehung
würde noch einleuchtender sein, wenn die Ramadhanfasten wirklich
eine Nachahmung jener christlichen Fasten wären.
3. yhi „ungesäuert' (z. B. Hutai'a Nr. 13, 2 Scholion) ent¬
spricht aram. J*^«.^kS- Wenn diese Bedeutung aus der anderen
„sich entfemen' abgeleitet wäre, so müsste das arabische Wort
entlehnt sein. Vgl. oben. Da Jv^^^ ^^^^ wahrscheinlich eigentlich
„eben durchgebrochen , frisch' auch „ungegerbt* heisst , so ist in
dieser Beziehung nur auf die Möglichkeit der Entlehnung
zu sehliessen. Gegen eine Urverwandtschaft sprechen in der
That gewichtige Gründe. Das arabische Wort wird nämlich genau
wie das aramäische nicht nur vom Teige, sondem auch vom un¬
gemischten, d. h. nicht mit Häcksel oder Stroh vei-setzten Lehme
gebraucht. Ausserdem ist das Wort für den entgegengesetzten
BegrifF, ^A+i- „gesäuert", schon längst von S. Praenkel (Fremd¬
wörter S. 33 f) nach dem Vorgange Guidis als Lehnwort aus dem
Schwally, Lexikalische Studien. 301
Aramäischen erkannt. Deshalb wird man auch jjJL» „gesäuert"
für entlehnt halten müssen.
4. Jli „creare" gehört theoretisch ziemlich nahe zu „spalten, durchbrechen, beginnen". Indessen haben schon die alten arabischen
Philologen an dieser Bedeutung Anstoss genommen. Dies geht aus
einer Überlieferung hervor, die nach dem übereinstimmenden Texte
von Zamachshari I 446 zu Sure 6, n, Beidhäwi bei Häschiat al
Shihäb IV 37 margo, Gauhari, Lisän al 'Arab, Tag al 'Arüs so
lautet: ^U*aÄic: ^jLÄjijcl lilil U^j^ls ot^UwJ! Jois U vi>»jjC U
LjXcJCü? Lpyis L»( IJ^Xs»-! iJU» J^ ^5, Wenn wir nun weiter
die Beobachtung machen, dass unter allen semitischen Sprachen die
Bedeutimg „creare, formare" allein im Äthiopischen, und zwar sehr
stark, ausgebildet ist, und wenn wir uns weiter daran erinnem,
dass aus Abessynien eine ganze Reihe von Wörtem für religiöse
Begriffe oder kultische Gegenstände nach Arabien importiert worden
ist, so wird die Entlehnung von J^ .creare" keinen Augenblick
£
zweifelhaft sein. Das synonyme !y ist aus dem Norden ein¬
gewandert, während Uüj> echt arabisch ist.
So hat sich von den vier Bedeutungsgrappen der Wurzel Ja»
nur eine einzige als original - arabisch erwiesen , während die drei
anderen auf Entlehnung aus dem Aramäischen bezw. Äthiopischen
beruhen.
Aus dem Rahmen der angegebenen Bedeutungsgruppen Mit
nur (jr^lte „Schwaam" heraus. Das ist das syrische JJjk^io^Ä.
Über dessen Etymologie wage ich nichts zu sagen.
181
Über das babylonische Vokalisationssystem des
Hebräischen.
Von Frauz Praetorius.
Man hat bisher, soviel mir bekannt, allgemein angenommen,
der dem Konsonanten übergesetzte wagerechte Strich bedeute in
den Petersburger Propheten und in den wenigen, sonst noch zugäng¬
lich gemachten Bruchstücken des komplizierten babylonisch-hebrä¬
ischen Vokalisationssystems 1) (ausser Rafe) sowohl Schwa mobile wie
Schwa quiescens. ünd in der That, wenn man an das babylonische
Vokalisationssystem herantritt mit dem Maassstab des tiberiensischen
und der für letzteres überlieferten Aussprache, so muss man aller¬
dings sagen, dass der übergesetzte Schwastrich bei den Babyloniern
ausserordentlich häufig auch da steht, wo bei den Tiberiensern
völlige Vokallosigkeit, also Schwa quiescens verlangt ist.
Aber er steht hier durchaus nicht immer. Vielmehr lässt
sich erkennen, dass der Schwastrich, wo man ihn als Schwa quies¬
cens suchen sollte, in bestimmten Formen und in bestimmten Laut¬
verbindungen fehlt , teils so gut wie ausnahmslos , teüs doch mit
auffallender Häufigkeit.
Ich will, das hier nur an den durchgreifendsten und somit
schlagendsten Fällen nachweisen, einen erheblichen Teil meiner
Beobachtungen zurückstellend.
Wir finden mit grosser Regelmässigkeit üfifibö, oribS, nsTibN,
fiijttbN, mb5, fflabti, rnSab^i, ■isbi, •'nba, bäbü, nbc;, nbibn:,
btb;., nsbD, iJsbw, risbDNn, D^p^bA, in^^bn, riSb! u. s. f. Ferner
mit gleich grosser Regelmässigkeit bSSizr, DiTOS, D"'"ii233', li'iffly, ä5to3, 'laaTUö, nSic^, Däio3, <ib^5i25\ ip^Eto\ Dniacn, £^'^iB^ ii'iioln u. s. f. Also überall wo der erstere von zwei zusammenstossenden
Konsonanten b oder b ist, haben die babylonischen Punktatoren
das vermeintliche Schwa quiescens bei dem b und ffi nicht bezeichnet.
1) Durch die GUte des Herrn H. Ij. Straclc lionnte ich dessen Abschriften ans cod. Tschufutkale 8a benutzen, aus welchem Hiob 36, 1—11 in S. Baers Liber Jobi mitgeteilt sind.
Bd. LIII. 13