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Österreichische Zeitschrift für Physikalische Medizin und Rehabilitation 12. Jahrgang, 2002, Heft 1

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Österreichische Zeitschrift für Physikalische Medizin und Rehabilitation 12. Jahrgang, 2002, Heft 1

Organ des Berufsverbandes Österreichischer Fachärzte für Physikalische Medizin und Rehabilitation

Schriftleiter: K.Ammer, Wien Wissenschaftlicher Beirat:

T.Bochdansky, Feldkirch, A.Falkenbach, Badgastein, A.Guth, Bratislava, O.Knüsel, Valens, H.Mayr, Wien Chr.Prager, Wien O.Rathkolb, Wien

3 Schlaganfallrehabilitation, Teil 2

Y. Alacamlioglu, H. Amann- Griober, A. Korger, C. Prager

9 Konservatives Mangement des Bandscheibenvorfalls

B.Arbes Sertl, K.Ammer

15 Ergebnisse der Konsensuskonferenz Physikalische Medizin und Rehabilitation Berufsbild des Facharztes für Physikalische Medizin und Rehabilitation

K. Ammer, M. Berliner, T. Bochdansky, O. Knüsel, C. Prager, M. Schmidt-Dumbacher, U. Smolenski, W. Schneider

18 Ambulante Rehabilitation in Wien

K.Hohenstein, K.Ammer, B.Engelbert, Y. Alacamlioglu, H-Amann-Griober, A. Korger, E.Thalhammer, M. Weiss-Grein, Ch. Prager, M. Hohenstein M, B.Arbes-Sertl

21 EDV-Projekt des Institutes für Physikalische Medizin und Rehabilitation Donauspital / SMZO Wien 1999-2002

E.Thalhammer

24 Iontophorese- eine Übersicht

K.Ammer

32 10.Gasteiner Symposium Morbus Bechterew

W. Hartig, E.Mur, A.Falkenbach

35 Veranstaltungen

2 Instruktionen für Autoren

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Instruktionen für Autoren

Manuskripte müssen dem Schriftleiter zugesandt werden und dürfen noch nicht veröffentlicht sein.

Mit der Annahme der Arbeit gehen alle Rechte an den Herausgeber über.

Verantwortlicher Schriftleiter:

Prof. DDr. Kurt Ammer Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für Physikalische Diagnostik, Hanuschkrankenhaus, Heinrich Collinstraße 30, A-1140 Wien,Österreich, Telefon: (1) 914-97-01 Fax: (1) 914-92-64

Publiziert werden:

Editorials Übersichten Originalien Kasuistiken Berichte über interessante Veranstaltungen und Publikationen aus dem Gebiet Physikalische Medizin und Rehabilitation Mitteilungen des Berufsverbandes Österreichischer Fachärzte für Physikalische Medizin und Rehabilitation

Veranstaltungshinweise

Es ist auf eine klare Gliederung der Beiträge vorzugs- weise in der Form: Einleitung, Methode, Ergebnisse, Diskussion, Literatur zu achten. Jeder Arbeit ist eine Kurzfassung in Deutsch (maximal 400 Wörter) und Englisch (maximal 400 Wörter) voranzustellen.

Tabellen und Abbildungen sollen gesondert dem Ma- nuskript beigelegt werden. Legenden werden auf ei- nem Extrablatt beigegeben.

Literaturangaben sind auf einem gesonderten Blatt erbeten und sind in alphabetischer Reihenfolge auf- zulisten. Die Literaturzitate wer- den durchnume- riert; im Text werden nur die entsprechenden Nummern angegeben.

Die Einreichung der Arbeit auf Diskette unter An- gabe des verwendeten Systems ist möglich und er- wünscht. Ein Ausdruck des Textes ist der Diskette beizulegen.

a.) Zeitschriftenzitate

Name der Verfassers, Vorname(n) (abgekürzt), voll- ständiger Titel der Arbeit, abgekürzter Titel der Zeitschrift, Jahr; Band: Seitenzahlen,

z.B:

Schuh A: Ausdauertraining bei gleichzeitiger Käl- teadaptation: Auswirkungen auf den Mus- kelstoff- wechsel. Phys Rehab Kur Med 1991; 1: 22- 28 b.) Buchzitate

Name des Verfassers, Vorname(n) (abgekürzt), voll- ständiger Titel der Arbeit, Herausgeber, Titel des Buches, Verlag, Jahr. Ort, Seitenzahlen,

z.B.

Ziskin MC, Michlovitz SL:Therapeutic Ultrasound.

In: Michlovitz SL (ed): Thermal Agents in Rehabili- tation. FA.Davis, 1986, Philadelphia, p.141-176, Von Text und Abbildungen werden den Auto ren An- drucke zur Korrektur zugesandt.

Jeder Autor erhält 20 Sonderdrucke seiner Arbeit kostenlos.

DieÖsterreichische Zeitschrift für Physikalische Medizin und Rehabilitationerscheint 2 mal jähr- lich.

Ein Jahresabonnement kostet 20 Euro.-, ein Ein- zelheft 12 Euro..

Für Mitglieder des Berufsverbandes Österreichi- scher Fachärzte für Physikalische Medizin und Reha- bilitation ist die Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag inklu- diert.

Uhlen Verlag Moßbachergasse 29 A-1140 Wien ÖZPMR, Österr Z.Phys Med Rehabil ISSN-1026-079X

ÖZPMR, Österr. Z. Phys. Med. Rehabil 12(1) 2002

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Schlaganfallrehabilitation - Teil 2

Alacamlioglu Y, Amann- Griober H, Prager C.

Institut für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Donauspital. Wien

Einleitung

Störungen der Motorik gehören neben neuropsy- chologischen Defiziten zu den wichtigsten Folgezu- ständen eines zerebralen Insults. Sie stellen für den Patienten eine wesentliche Belastung dar, da sie ihn in seinen Alltagsaktivitäten behindern, seine Teil- nahme am sozialen Leben erschweren oder unmög- lich machen und damit seine Lebensqualität beein- trächtigen.

Rehabilitation nach Schlaganfall muss daher auf eine Verbesserung der motorischen Funktionen ab- zielen, wobei besondere Aufmerksamkeit der Ver- besserung von Aktivitäten (Lagewechsel, Gehen, Aktivitäten des täglichen Lebens-ADL,....) gelten sollte.

In den letzten Jahren hat jedoch ein Umdenken be- züglich der Methoden, mit denen dies geschehen soll, stattgefunden. Neue Therapiekonzepte basie- ren auf Erkenntnissen des Zusammenspiels der

Symptome der Läsion des ersten motorischen Neurons - Upper Motor Neuron Syndrom, UMNS - sowie der Plastizität des ZNS.

Während die traditionellen, „neurophysiologischen"

Therapiekonzepte ihren Schwerpunkt vor allem auf die BehandlungeinesSymptom des UMNS setzen, nämlich auf die Reduktion der Spastik, und von ei- ner daraus resultierenden Verbesserung der Motorik ausgehen, zeigen rezente Untersuchungsergebnisse, dass das Zusammenwirken von Tonuserhöhung, Schwäche und Willkürbewegungen differenzierter gesehen werden muß. Die einfache Formel, dass Verminderung der Spastik zu vermehrter aktiver Be- wegungsfähigkeit führt, trifft nicht zu, sondern es ist nötig, dass Funktionen ausreichend geübt werden.

Neue Erkenntnisse über die Plastizität des ZNS fin- den zunehmend Eingang in rehabilitative Ansätze.

Die Tatsache, dass der Wiedererwerb motorischer Fähigkeiten motorisches Lernen bedeutet, bedingt die Berücksichtigung lerntheoretischer Grundsätze im Rahmen der Behandlungskonzepte.

Dieser Artikel gibt einen Überblick über das UMNS, die Plastizität des Gehirns und die daraus resultie- rende Therapiekonzepte.

„Upper Motor Neuron Syndrom “

- Läsion des ersten motorischen Neurons Pathophysiologische Grundlage der motorischen Störungen nach einem Insultgeschehen sind Schädi- gungen des ersten motorischen Neurons. Die da- raus resultierende komplexe Symptomatik wurde von Jackson [1] in Plus- und Minussymptome ge- gliedert (Tabelle 1), die in unterschiedlichem Aus- maß nach- oder nebeneinander auftreten. In der Frühphase des Insults überwiegt meist die Minus- symptomatik, während sich die Plus-Symptome erst im weiteren Verlauf entwickeln.

Es ist inzwischen anerkannt, dass wesentliche funk- tionelle Defizite durch die Minussymptomatik ver- ZUSAMMENFASSUNG

Die neurophysiologischen Grundlagen der Funk- tionswiederherstellung nach Insult werden darge- stellt. Insbesondere die Nutzung der Plastizität des Gehirns war die wesentlichste Voraussetzung für die Entwicklung moderner Therapiekonzepte der moto- rischen Rehabilitation. Diese Therapieverfahren ha- ben Wirksamkeit nachgewiesen. Allerdings sind wei- tere Studien notwendig, um Detailfragen wie die Differential-Indikation bzw. den optimalen Zeit- punkt der Behandlung zu klären.

SUMMARY

The neurophysiologic fundamentals of functional recovery after stroke are presented. Based on the plas- ticity of the brain, modern therapeutic approaches for motor rehabilitation have been developed. These new concepts have already proven effectiveness. Ho- wever, additional studies are needed to answer more details such as differential indications and the opti- mal time frame for treatment.

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ursacht werden. Entsprechend ihrer Bedeutung für die Rehabilitation wollen wir daher auf diese und ihre Interaktion mit dem Symptom Tonuserhöhung (Spastik) eingehen.

Mit der Definition von Lance (1980) wird Spastik klar von den anderen Symptomen des UMNS als auch von anderen Formen der Tonuserhöhung (Ri- gidität, Muskelhypertonus) abgegrenzt:

„Spastik ist eine motorische Störung, die charakteri- siert ist durch eine geschwindigkeitsabhängige Stei- gerung tonischer Dehnungsreflexe und gesteigerter Sehnenreflexe als Folge der Übererregbarkeit des Dehnungsreflexes als einer Komponente der Läsion des oberen motorischen Neurons“.

Verschiedene Hypothesen wie Überwiegen von er- regenden deszendierenden Bahnen, Sprouting, ver- mehrter zentraler Antrieb, verminderte Hemmung werden als zugrundeliegend diskutiert, letztlich ist die Ursache jedoch nicht vollends geklärt [2].

Etwas Licht in die sehr verwirrende Diskusssion über Spastik konnte durch Dietz [3] gebracht wer- den. Er fand Hinweise, dass es beim spastischen Pa- tienten auch zu Veränderungen der passiv - me- chanischen Eigenschaften in der Muskulatur selbst kommt.

Eine sehr wesentliche Arbeit von O´Dwyer et al. [4]

konnte bei Insultpatienten mittels Messung der Spastik durch dehnungsevozierte EMG- Aktivität und Messung des Hypertonus (Widerstand auf pas- sive Dehnung ) zeigen, dass Spastik (im Sinne von Lance) seltener vorkommt als angenommen wird, aber fast alle untersuchten Patienten Muskelverkür- zungen aufwiesen.

Als Ursache des Muskelhypertonus (muscle stiff- ness) nach Insult werden strukturelle Veränderun- gen in der Muskulatur, Kollageneinlagerung, Ver- änderung der Viskosität (Thixotropie) betrachtet, die durch die Parese und die dadurch bedingter In- aktivität sowie durch die Spastik selbst entstehen.

Weiters werden auch histochemische Veränderun- gen (Änderungen im Verhältnis Typ- 1 zu Typ-2 Fa- sern) diskutiert.

Für die Funktionswiederherstellung ist also meist weniger eine Reduktion der Spastik - die für die Funktion sogar Bedeutung haben kann - als viel mehr die Schaffung von “muskuloskelettalen Vor- aussetzung” unerlässlich [5, 6]. Maßnahmen zur Wiederherstellung von adäquaten Muskellängen wie Muskeldehnungen, Lagerungen, thermische Anwendungen... hin bis zu operativen Verlängerun- gen stehen dabei im Mittelpunkt.

In den letzten Jahren gibt es zunehmend Studiener- gebnisse, die auf die Bedeutung der Minussymto- matik (Parese, Kontraktions- Dekontraktionsver- langsamung,Ermüdbarkeit) für die Motorik hinwei- sen.

Sunderland [7] konnte durch Verlaufsmessungen der Faustschlusskraft feststellen, dass Kraft ein gu- ter Prädiktor für Verbesserung der Alltagsfunktio- nen beim Insultpatienten ist.

Nadeau et al. [8] fanden, dass die Kraft der Hüft- beuger und der Plantarflexoren mit der Gehge- schwindigkeit korreliert. Canning [9] fand eine re- duzierte Maximalkraft und verzögerte Kraftent- wicklung der Ellbogenbeuger und - strecker auf der Hemiseite.

Daraus resultiert die Fragestellung, ob eine Verbes- serung der Muskelkraft durch gezieltes Training dem Patienten im Alltag weiterhilft.

Rezente Arbeiten [10,11,12] konnten zeigen, dass beim Wiedererwerb von Alltagsaktivitäten Krafttrai- ning sehr erfolgreich eingesetzt wurde und mit Verbesserung von Alltagsfunktionen einhergeht.

Teixeira et al [10] fand nach einem 10-wöchigen Krafttrainingsprogramm signifikante Verbesserun- gen der Kraft der unteren Extremitäten, von Aktivi- täten wie Gehen und Treppensteigen sowie der Le- bensqualität. Während dieses Trainings kam es zu keiner Zunahme der Spastizität. Miller [13] fand in einer anderen Arbeit, dass Krafttraining sogar eine Reduktion der Spastizität bewirkte.

ÖZPMR, Österr. Z. Phys. Med .Rehabil 12 (1) 2002 Tabelle 1

Plus- Symptome

·Vermehrter Widerstand bei einer passiven Bewegung- Tonuserhöhung

·Gesteigerte Muskeleigenreflexe

·Kloni

·Pyramidenbahnzeichen Minus-Symptome

·Parese

·Ungeschicklichkeit

·Koordinationstörung

·Kontraktions- Dekontraktionsverlangsamung

·Ermüdbarkei

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Plastizität des Gehirns

-

Grundlagen der motorischen Funktionswiederherstellung nach Insult Die Organisation des menschlichen Gehirns ist dy- namisch. Im Rahmen von Lernprozessen kommt es ständig zu Veränderungen der synaptischen Aktivi- tät und kortikaler Repräsentationen[14]. Auch nach strukturellen Läsionen kann das ZNS mit Umorga- nisationen reagieren. Diese als Plastizität bezeichne- te Eigenschaft steht im Gegensatz zu der lange vertretenen Vorstellung, dass Nervenbahnen und kortikale Areale unveränderbar festgelegt seien und bildet eine Grundlage neuer rehabilitativer Konzep- te.

Plastizität ist auf verschiedenen Ebenen möglich:

· Molekulare Ebene

· Zelluläre Ebene (Sprouting - Ausprossung von benachbarten überlebenden Nervenzellen, De- maskierung stiller Synapsen, Veränderung der Rezeptorempfindlichkeit, ....)

· Netzwerkebene

(inter- und intraareale Plastizität)

Die neuronale Organisation der Motorik stützt sich auf ein Netzwerk bilateraler, parallel arbeitender kor- tikaler und auch subkortikaler Strukturen, die einan- der bei Schädigung ersetzen können. Durch den ipsilateralen, nicht betroffenen motorischen Kortex ist ebenfalls eine Kompensation möglich.

Mit modernen Untersuchungsmethoden (funtionelle Kernspintomographie, PET, EEG/MEG, Magnetsti- mulation) wurde es möglich, sowohl ursprüngliche als auch durch eine Hirnläsion modifizierte Reprä- sentationen zu untersuchen. Es wurde bestätigt, dass mehrere motorischen Zentren existieren, die sich gegen- seitig überlappen: Primärmotorischer Kortex (Area 4), Prämotorischer Kortex (Area 6), Supplementär moto- rischen Area- SMA. Jedes einzelne dieser Zentren weist eine funktionelle „Homunculus“ - Repräsenta- tion auf, die gebrauchsabhängig ist und durch Trai- ning verändert werden kann [15,16].

Nudo RJ [17] konnte in seinen Arbeiten mit Affen zeigen, dass es nach einem Fingertraining zur Auswei- tung der Repräsentationszone der Fingerflexoren und -extensoren auf Kosten der Handgelenksmuskulatur und nach einem Pro-/Supinationstraining zur Aus- weitung der Repräsentationszonen der Pro- und Supi- natoren und Reduktion der Fingerpräsentation kam.

In weiteren Versuchen konnte er zeigen, dass nach Set- zen von infarktähnlichen Läsionen bei Affen mit

Therapie die Repräsentationszonen der Fingermus- kulatur erhalten blieb, während sie bei Affen ohne Training zugrunde gingen.

Daraus kann man schliessen, dass die Plastizität durch therapeutische Interventionen gefördert werden kann.

Außerdem wird einer entsprechenden Rehabilitations- umgebung - „enriched environment“ - mit ausrei- chend Möglichkeiten für soziale Interaktionen, kör- perliche Aktivität und Selbsttraining eine günstige Wirkung zugeschrieben.

Auch Medikamente wirken sich auf die Plastizität aus, wobei die möglicherweise positiv wirksamen noch im Versuchsstadium sind. Im klinischen Alltag sollte je- doch auch die potentiell negative Wirkung einiger bei Insultpatienten öfters verwendete Medikamente wie z.B. Benzodiazepine, Neuroleptica und Antikonvulsi- va bedacht werden.

Neue Therapiekonzepte

Als Basis der Entwicklung von neuen Behandlungsan- sätzen gilt, dass das ZNS ein plastisches System ist und auch nach einer Läsion die Möglichkeit hat, Be- wegungsabläufe zu aktivieren und an die jeweiligen Bedingungen anzupassen.

Basis ist dabei einerseits die lebenslang bestehenden Fähigkeit des Gehirns zu lernen . Diese Kapazität setzt sich aus Regenerations- und Reorganisationvorgän- gen des ZNS (Plastizität) und dem Prozess des moto- rischen Lernens zusammen. Die andere Möglich- keiten der Funktionsverbesserung besteht darin, kom- pensatorisch die erhaltenen Funktionen einzusetzen.

Lerntheoretische Überlegungen legen nahe, dass klare Zielvorgaben das Lernen von Bewegungen erleich- tern. Auch in der Therapiesituation müssen Ziele und Sinn einer Übung erkennbar sein. Besonders wichtig sind auch Feedback und Motivation der Pa- tienten.

Bis vor wenigen Jahren gab es wenig Studien, die sich mit Vergleich der Wirksamkeit von physiotherapeuti- schen Konzepten beim Insultpatienten auseinander setzten. Doch in den letzten zwei Jahren zeichnet sich ab, dass “aufgabenspezifische Üben” wirksamer als andere Methoden ist.

Kwakkel et al [18] konnte in einer randomisiert kon- trollierten Studie mit 101 Insultpatienten die Effekti- vität eines 20 Wochen dauerndern, aufgabenspezifi- schen Trainings zeigen. Patienten, die ein Gehtrai- ning absolvierten, konnten ihr Gehen verbessern.

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Durch manuelle Übungen wurde bei einer weiteren Gruppe die manuelle Geschicklichkeit besser.

Ähnliches fanden Dean und Shepherd [19] bei Pa- tienten, die vor mehr als 1Jahr einen Insult erlitten hatten: Patienten, die manuelle Tätigkeiten übten, bo- ten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe eine bessere Handfunktion.

Weitere wissenschaftliche Arbeiten [20] konnten die Wirksamkeit von aufgabenspezifischem Üben bestäti- gen. Langhammer et al [21] verglich das Bobath-Kon- zept mit einer Methode, welche die Grundsätze der Aufgabenspezifität und des motorischen Lernen be- rücksichtigte - hier “Motor Relearning” genannt. Da- bei konnte die Überlegenheit dieses neuen Konzeptes im Erwerb von selbständigen motorischen Fähigkei- ten gegenüber dem “Bobathkonzept” gezeigt werden.

Bütefisch [22] konnte mit einer Untersuchung bele- gen, dass sich durch repetetives Üben Greifbewegun- gen verbesserten. Die zugrundeliegende Annahme war, dass durch Wiederholung der Bewegungsablauf und damit das neuronale Programm für diese Bewe- gung optimiert wird.

Diese Überlegungen haben zur Entwicklung von un- terschiedlichen Therapieformen geführt, die die Prin- zipien der Repetition, Aufgabenspezifität und Ziel- orientiertheit auf unterschiedliche Weise berücksich- tigen.

Lokomotionstherapie

Laufbandtraining mit partieller Gewichtsentlastung ermöglicht dem nicht gehfähigen Patienten das Ge- hen zu einem frühest möglichen Zeitpunkt repetetiv und rhythmisch zu üben, und es entspricht einem dy- namischen und aufgabenspezifischen Training. Noch unzureichende Gleichgewichtsreaktionen werden durch eine Gurtsicherung ausgeglichen. Zahlreiche Studien konnten die Wirksamkeit des Laufbandtrainings mit und ohne Gewichtsentlastung im Vergleich zur tradi- tionellen Physiotherapie bezüglich Verbesserung des Gehens und Gleichgewichts beweisen [23, 24, 25,26,].

Visitin und Barbeau [27] zeigten in einer Arbeit bei 100 Insultpatienten in der subakuten Phase, dass eine 6 wöchige Laufbandtherapie mit Gewichtsentlastung von 40 % (4x pro Woche 20 min) eine signifikante Verbesserung des Gleichgewichts, der Motorik und der Gehgeschwindigkeit sowie der Gehstrecke im Ver- gleich zu einer Kontrollgruppe mit Laufbandtherapie ohne Gewichtsentlastung bewirkte.

Pohl [28] zeigte bei Insultpatienten, dass nach einem vierwöchigen Laufbandtraining mit Geschwindigkeits- steigerung im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Geschwindigkeitssteigerung eine Verbesserung des Ge- hens und der Gehgeschwindigkeit erreicht werden konnte.

Zwei weitere Arbeiten fanden eine Verbesserung der aeroben Ausdauer nach Laufbandtraining. [29, 30].

Elektrostimulation

Derzeit wird Elektrostimulation beim Insultpatien- ten mit folgenden Ziele eingesetzt:

Muskelkräftigung mit daraus resultierender Verbesse- rung der Willkürmotorik und Alltagsaktivitäten, Re- duktion von Schmerzen und Spastizität, Verbesse- rung der Lebensqualität. Häufig wird sie mit Biofeed- back (EMG) kombiniert.

Glanz et al.[31] zeigten in der Metaanalyse der Stu- dien 1978-1992, dass durch die Elektrostimulation eine statistisch signifikante Kraftzunahme in OE und UE bei Insultpatienten erzielt werden konnte.

Pandyan [32] konnte in einer nicht kontrollierten Studie bei Insult Patienten mit Kontrakturen im Handgelenk eine Verbesserung des Bewegungsum- fang während der Therapie feststellen.

Powell et al. [33]fanden in einer randomisiert, kon- trollierten Studie eine Zunahme der isometrischen Handgelenksextensorenkraft und Handfunktion nach 8 Wochen Elektrostimulation, wobei die Kraftzunah- me bei der Follow-Up-Untersuchung nach 24 Wo- chen noch beobachtet wurde, die Funktionsverbesse- rung jedoch nicht.

In einem Cochrane Review zur Behandlung und Prä- vention von Schulterschmerzen (Studien bis 1999) konnte Price [34] in Bezug auf Studiendesign und Elektrostimulationtechniken sehr unterschiedliche Arbeiten finden. Positive Evidenz fand sich für die Verbesserung des Bewegungsausmaßes (passive Au- ßenrotation) und für die Verminderung der glenohu- meralen Subluxation. Evidenz fehlt für die Verbesse- rung der Motorik, Spastizität sowie des Schmerzes, obwohl in den einzelnen Arbeiten die positive Wir- kung dieser Parameter gezeigt werden konnte. Eine negative Wirkung der Elektrostimulation wurde nicht festgestellt.

Zwei rezente Studien von Wang [35, 36,], konnten die positive Wirkung der Elektrostimulation auf Schul- ÖZPMR, Österr. Z. Phys. Med .Rehabil 11 (2001)

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tersubluxation, Bewegungsumfang und motorische Funktionen bei Patienten in der frühen Phase des In- sults zeigen.

Positive Wirkung auf Verbesserung der Greiffunktion und Alltagsfunktionen wurde durch “funktionelle Elektrostimulation” der Hand auf einem Weltkon- gress für Neurorehabilitatin berichtet [41].

Auf Grund der bisher vorliegenden Studien kann kei- ne eindeutige Empfehlung bezüglich Stimulationspa- rameter, Applikationsart und Zeitpunkt des Therapie- beginns nach Insult sowie Gesamttherapiedauer gege- ben werden, da bisher keine vergleichenden Studien vorliegen.

Constraint- Induced Therapy (Forced Use) Dieses Therapieverfahren, das Taub zum ersten Mal vorstellte, beruht auf der Annahme, dass Schlaganfall- patienten aufgrund eines erlernten “Non- Use” ihren Arm im Alltag weniger häufig einsetzen und deshalb eine schlechtere motorische Leistung aufweisen, als ihnen aufgrund der strukturellen neuronalen Schädi- gung möglich wäre.

Verschiedene wissenschaftliche Experimente, [37, 38, 39, 40] haben gezeigt, dass durch eine “ Constraint- Induced Therapy” oder “Taub´sches Training” so- wohl eine Verbesserung der Armfunktion als auch in den Aktivitäten des täglichen Lebens erreicht werden konnte. Dabei wird in einer oft nur 14- tägigen Be- handlungsphase versucht, durch Immobilisation des gesunden Arms mittels einer Schlinge, ein motori- sches Training des paretischen Arms herbeizuführen und dadurch diesen “erworbenen Nichtgebrauch”

dauerhaft umzukehren.

Andere neue Therapieansätze, die sich ebenfalls auf das Prinzip der Plastizitätsförderung durch Training stützen, sind das „Robot- Enhanced Training“und das“Virtual Reality Training“[41].

Beim„Robot- Enhanced Training“übt der Patient an computerunterstützten mechanischen Geräten, die auch zur Diagnostik und Verlaufskontrolle be- nützt werden können und gleichzeitig neue Einblicke in die motorische Funktionswiederherstellung geben.

Die wesentlichen Elemente sind dabei das repetitive Üben und die Verstärkung durch Feedback. Das „Vir- tual Reality Training“ist eine Computersimulation von verschiedenen Alltagssituationen. Der Patient er- hält auf diese Weise den Eindruck er befinde sich und agiere in einer dreidimensionalen Umgebung, in der seine Aktionen durch Feedbackmechanismen beglei-

tet werden. Der Transfer des hier Geübten in die reale Welt konnte bestätigt werden.

Diskussion

Durch die neuen Erkenntnisse über die Plastizität des ZNS sowie lerntheoretische Überlegungen eröffneten sich vielfältige Möglichkeiten für rehabilitative Inter- ventionen beim Insultpatienten. Es liegen zahlreiche Arbeiten über ihre Wirksamkeit vor. Zur genaueren Indikationsstellung, zur Bestimmung des optimalen Zeitpunktes des Einsatzes und zum Vergleich der ver- schiedenen Therapien untereinander sind jedoch wei- tere Untersuchungen notwendig. Eine Evaluation des Outcomes bei der Arbeit mit diesen neuen Methoden ist deswegen unerlässlich.

Literatur

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Korrespondenzadresse für die Autoren OA.Dr.Yesim Alacamlioglu Institut für Physikalische Medizin und Rehabilitation im Donauspital, Langobardenstr 122 1220 Wien Email:Yesim.Alacamlioglu@SMZ.magwien.gv.at ÖZPMR, Österr. Z. Phys. Med .Rehabil 11 (2001)

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Konservatives Management

des Bandscheibenvorfalls – State of the Art °

Barbara Arbes-Sertl *, K. Ammer+

+

°Nach einem Vortrag gehalten anlässlich des 3.Symposiums der Österreichischen Gesellschaft für Wirbelsäulen - Chirurgie am 26.1.02 im Naturhistorischen Museum Institut für Physikalische Medizin Neulinggasse , 1030 Wien Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für Physikalische Diagnostik (Leiter: Prim Prof. Dr. O. Rathkolb), 1140 Wien

Einleitung

Bevor über den State of the Art des konservativen Managements beim Bandscheibenvorfall berichtet wird, sollen einige vielleicht provokante Feststellun- gen getroffen werden.

• Schmerzen im Bereich der WS sind nicht zwangs- läufig durch einen Bandscheibenvorfall verur- sacht. Pointierter Weise könnte man auch sagen, chronischer Rückenschmerz ist eine Krankheit

ohne eindeutig zuordenbaren körperlichen Scha- den.

• Rückenschmerzen sind so alt wie die Menschheit, man könnte behaupten, dass sie „natürlicher Be- standteil des Lebens“ sind. Im Mittelalter wurden Rückenschmerzen als Strafe durch „böse Geis- ter“ angesehen und der Heilige Laurentius wurde als Fürbitter gegen diese Plage angerufen [1].

• Erst in den frühen 30er Jahren wurde der „Ischias- Schmerz“ spinalen Strukturen zugeordnet, wobei

„unglücklicherweise“ der Terminus „ruptured disc“

eingeführt [2] und damit eine Verletzungsgenese angenommen wurde. Pathologisch-anatomisch kann man jedoch nicht entscheiden, ob ein Alte- rungsprozess oder ein „Trauma“ Ursache eines Diskusprolaps sind.

• Auch beim Gesunden, der frei von Rücken- und Ischiasschmerzen ist, stellen Diskushernien einen häufigen Befund in der Magnetresonanztomo- graphie dar. Die Angaben liegen im Lumbalbe- reich zwischen 23% [3] und 80 % [4]. Obwohl keine klinischen Symptome vorhanden waren, wurde bei 20% der Untersuchten sogar eine Kom- pression eines Spinalnerven beschrieben [4].

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass der Nachweis von Diskushernien bei asymptomatischen Personen nicht selten ist. Entscheidend ist daher das Assessment, ob der Diskusprolaps auch mit aktuel- len klinischen Symptomen korreliert. In weiterer Folge stellt sich die Frage, ob es ein spezielles kon- servatives Management für den syptomatischen Band- scheibenvorfall gibt.

Diagnostische Abklärung

(Entscheidungsbaum – Algorithmus)

• Anamnese – inklusive psychosozialer Anamnese bzw. Risikofaktoren für Chronizität

frühere Schmerzattacken

ausstrahlende Bein- bzw. Armschmerzen ZUSAMMENFASSUNG

Es wird betont, dass der Bandscheibenvorfall ledig- lich einer von vielen Gründen für akute und chroni- sche Rückenschmerzen ist. Eine exakte Anamnese und eine detailierte physikalische Krankenuntersu- chung sind die wesentlichsten Voraussetzungen einer erfolgreichen konservativen Therapie. Nach Dar- stellung der Prinzipien der “Evidence Based Medici- ne” wird die Evidenzlage des konservativen Mange- ments von Rückenschmerzen berichtet. Obwohl traditionelle physikalische Maßnahmen ihre Wirk- samkeit noch nicht mit einer ausreichenden Evidenz gestützt haben,kann daraus noch nicht auf eine Un- wirksamkeit dieser Therapie geschlossen werden, wie sie etwa im Fall der Bettruhe eindeutig nachgewiesen ist. Ein verstärkter Forschungseinsatz ist notwendig, um den Wert sog. “passiver” Therapien zu bestimmen.

SUMMARY

It is stated, that disc herniation is only one of many reasons for acute and chronic back pain. An exact history and a detailed physical examination are im- portant preconditions for a sucessfull conservative treatment. After a short introduction in the princi- pals of evidence based medicine, the evidence of con- servative mangement of backpain is reported. Al - though traditional physical therapy lacks sufficient evidence of effectiveness, ineffectiveness can not be concluded from published studies, such as ineffecti- veness is strongly supported in the case of bed rest.

Rigorous research is needed to evaluate socalled

“passive” treatment modalities.

(11)

Schwäche der Rumpfmuskulatur

reduzierte Ausdauer (Fitness)

exzessiver Raucher

Stress und Depression

unangemessenes Krankheitsverhalten

• psychosoziale Faktoren:

Unzufriedenheit am Arbeitsplatz

Verlust des Arbeitsplatzes in den letzten 12 Monaten

Probleme mit Alkohol, Partner, Finanzen

Klinische Untersuchung

• Bewegungseinschränkungen

• Muskelfunktionen:

Muskelabschwächungen und Muskelverkürzungen

• segmentale Diagnostik

Je nach klinischem Befund (diagnostische Triage) differenzieren wir zwischen:

Schwerwiegender spinaler Erkrankung Ausschluss von „red flags“

Alter < 20 Jahre oder > 55 Jahre:

Karzinom, Infektion, Osteoporose, Vertebrostenose

systemische Steroidmedikation

rezentes Trauma

HIV – Infektion

Drogenabusus

Gewichtsverlust

schlechter Allgemeinzustand

in diesen Fällen ist eine sofortige weitere Diagnostik vor Behandlungsbeginn indiziert !

Radikulopathie Klinische Zeichen:

ausstrahlende Schmerzen bis Fuß und Zehen bzw.

Hand und Finger

segmentale Hypästhesie oder Parästhesie

Bein- bzw. Armschmerzen stärker als Kreuz- bzw.

Nackenschmerzen

meist positiver Lasegue

sensible und motorische Ausfälle

Unterbrechung des Reflexbogens (abgeschwächte oder fehlende Sehnenreflexe)

Bei motorischen Ausfällen ist eine baldige MRT-Un- tersuchung zu empfehlen; mit der konservativen Therapie sollte sofort begonnen werden.

Unspezifischer Nacken- und Kreuzschmerz (Ausschlussdiagnose):

Ursachen: lokales und pseudoradikuläres Schmerz- syndrom unterschiedlicher Kausalität z.B. Funktions-

störungen wie Blockierung, Hypermobilität, In- sta- bilität oder muskuläre Überlastungen

eventuell Zusammenhänge mit degenerativen und posttraumatischen Veränderungen

häufig zwischen 20. und 55. Lebensjahr vorkom- mend

allgemeines Krankheitsgefühl fehlt

In diesen Fällen empfiehlt sich erst nach 4 Wochen konservativer Therapieresistenz ein LWS- Röntgen, ev. auch Laboruntersuchungen; konservative Thera- pie sollte sofort begonnen werden.

In allen 3 Fällen müssen die psychosozialen Fakto- ren bei Therapieresistenz berücksichtigt werden!

Ganz allgemein kann gesagt werden, dass der Dis- kusprolaps nur eine von vielen Ursachen für den Rü- ckenschmerz ist, d.h. die Pathomorphologie ist eigent- lich irrelevant für das konservative Management!

(Cherkin [5] „Das sog. Low-Back-Pain-Syndrom“

ist eine „black box“. ) Es ist weder durch eine patho- morphologische Diagnose, noch durch eine spezifi- sche Behandlung zu beeinflussen – daran halten sich auch alle guidelines !

Nachemson [6, 7]:„Having been engaged in re- search in this field for nearly 25 years and having been clinically engaged in back problems for the same period of time .... I can only state, that the true cause of LBP is unknown.“

Aus dem bisher Gesagten ist klar, dass Back-Pain- Disabilities z.T. iatrogen sind und wir für unser kon- servatives oder operatives Management dringend ei- nen Paradigmen-Wechsel brauchen, weg vom rein pathomorphologischen Modell hin zu einem mehr biopsychosozialen Modell von Krankheit und Schmerz [8].

Die Internationale Klassifikation von Erkrankungen (ICD, zur Zeit in der Fassung 10.0) betrachtet pa- thologische Erscheinungen als ob sie keine Bezie- hung zu den einzelnen Menschen hätten, bei denen sie auftreten; d.h. diese Klassifikation folgt einem rein dualen Krankheitsmodell mit nur 2 Möglichkei- ten des Krankheitsausgang, nämlich Heilung oder Tod! Die ICF [9] (International Classification of Functioning. Disability and Health) hingegen ist eine Klassifikation die mögliche Folgen von Krank- heit in folgenden Bereichen berücksichtigt:

• 1) Funktionen und Strukturen des menschlichen Körpers

• 2.) Tätigkeiten (Aktivitäten) aller Art einer Per- son und

ÖZPMR, Österr. Z. Phys. Med. Rehabil 12(1) 2002

(12)

• 3.) Teilhabe (Partizipation) an allen Lebensberei- chen (z.B. Erwerbsleben) vor dem Hintergrund ihrer

• 4.) Sozialen und physikalischen Umwelt (Kon- text)

Die Berücksichtigung dieser Konsequenzen von Krankheit im Zusammenhang mit den Umweltbe- dingungen muss Grundlage unserer Behandlungs- strategien sein.

Nachgewiesene Wirksamkeit von Therapien Welche Evidenz der Wirksamkeit konservativer Be- handlungsmaßnahmen gibt es in der Literatur ? Es scheint für die Darstellung der Ergebnisse sinnvol zu sein, die Rücken- und Nackenschmerzen nach der Dauer zu klassifizieren (Tabelle 1).

„New Evidence gives new hope“

Das Buch von Nachemson & Jonsson stellt ausführ- lich die Evidenzlage von Therapiemaßnahmen beim Rücken- und Nackenschmerz dar [4].

Überprüft wurden unter anderem :

• Welche Interventionen sind beim akuten Kreuz- schmerz mit oder ohne Bandscheibenvorfall bzw.

Wurzelirritation am effektivsten?

• Sind diese Behandlungen effektiver als Placebo, keine Behandlung oder andere konservative Maß- nahmen (z.B. Medikamente)?

• Sind diese Interventionen effektiv bezüglich rele- vanter Outcome-Measurements betreffend allge- meine Verbesserung, funktioneller Status, return to work, Schmerzintensität und Schmerzverhal- ten?

• Sind diese Interventionen im Kurz- und/oder im Langzeitverlauf effektiv?

Die dabei verwendete Graduierung der Evidenz, die sich aus den Ergebnissen randomisierter kon- trollierter Studien (RCT) ableitet, ist in Tabelle 2 dargestellt.

Bei akutem Kreuzschmerz findet sich ein Wirksam- keitsnachweis auf der Evidenzstufe A für:

• Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind in der Schmerztherapie des einfachen akuten Kreuz- schmerzes wirksam

• Die verschiedenen NSAR sind gleich effektiv

• Muskelrelaxantien reduzieren akute Kreuzschmer- zen effektiv

• Die verschiedenen Muskelrelaxantien sind gleich effektiv

• Bettruhe istnichteffektiv

• Fortsetzung der normalen täglichen Aktivitäten bringt eine raschere Erholung, seltenere Chroni- fizierung und kürzere Krankenstandszeiten

• Spezielle Rückengymnastik ist bei akutem Kreuz- schmerz nicht effektiv!

Daraus resultieren folgende Empfehlungen für die Behandlung des akuten Kreuzschmerzes, die in Übereinstimmung mit britischen und holländischen Guidelines stehen:

Bettruhenicht empfehlenswert, wenn nötig ma- ximal zwei Tage

Tägliche Aktivitätenfortsetzen und sobald wie möglich wieder an den Arbeitsplatz zurückkeh- ren! Patienten aufklären, dass er keine schwer- wiegende Erkrankung hat und dass die Prognose im Normalfall gut ist!

Medikamentöse Schmerzbehandlung

primär Paracetamol (Mexalen) – wegen geringer gastrointestinaler Nebenwirkungen

dann NSAR (Ibuprofen oder Diclofenac)

dann schwache Opioide (Tramal, Codidol) Tabelle 1

Einteilung von Rücken- und Nackenschmerzen [7}

akuter Nacken- bzw. Kreuzschmerz:

0-3 Wochen

subakuter Nacken- bzw. Kreuzschmerz:

4-12 Wochen

chronischer Nacken- bzw. Kreuzschmerz:

>12 Wochen

rezidiviernde Probleme: wiederkehrende Schmerzen mit schmerzfreien Intervallen, Pa- tient sucht erst nach ca. 1 Monat neuerlicher Schmerzen ärztliche Hilfe auf und ist bis dahin voll in den Arbeitsprozess integriert.

Tabelle 2

Stufen der Evidenz [7]

Strong Evidence (Evidenzstufe A)

konstante Ergebnisse in zahlreichen hochquali- fizierten RCTs

Moderate Evidence (Evidenzstufe B)

Konstante Ergebnisse in einem hochqualifizier- ten RCT und einem oder mehreren niedrig qua- lifizierten RCTs oder konstante Ergebnisse in zahlreichen niedrig qualifizierten RCTs

Limited bzw. Contradictory Evidence (Evidenzstufe C)

Wechselnde Ergebnisse in zahlreichen RCTs

No Evidence (Evidenzstufe D) Keine RCTs

(13)

Muskelrelaxantien, Benzodiazepine oder Narkotika sind nicht zu empfehlen, da häufig Nebenwirkungen auftreten und die Gefahr einer Abhängigkeit besteht.

Manuelle Therapieist in den ersten 6 Wochen empfehlenswert, wenn eine zusätzliche Schmerz- reduktion erforderlich ist bzw. wenn der Patient nicht imstande ist, die normalen täglichen Aktivi- täten aufzunehmen.

Empfehlungen für die Behandlung des subakuten Kreuzschmerz

• Patienten anweisen, trotz Schmerzen die körper- liche Aktivität sowohl im Alltag als auch am Ar- beitsplatz allmählich zu steigern, wobei fixe Zeit- räume einzuhalten sind.

• Patienten, die nicht innerhalb von 6 Wochen zu den normalen Alltagsaktivitäten bzw. an den Ar- beitsplatz zurückkehren, sollten einer Reaktivie- rungsbehandlung bzw. einer Rehabilitation zu- geführt werden. Die Behandlung besteht in der Verbesserung der täglichen Funktionen.

• Wenn notwendig, Analgetika-Gabe für eine ge- wisse Zeit, um die Patienten zu befähigen, Aktivi- täten allmählich zu steigern. Wichtig sind exakte Einnahmevorschriften unabhängig von Schmer- zen.

Behandlung chronischer Kreuzschmerzen Allgemein gibt es für die meisten Interventionen beim chronischen Kreuzschmerz keinerlei Evidenz auf der Stufe A.

Bezüglich Analgetika, Muskelrelaxantien, Traktio- nen und Orthesen konnte nur eine einzige RCTge- funden werden; alle RCTs über EMG-Biofeedback, Verhaltenstherapie und Akupunktur weisen nur eine niedrige methodischer Qualität vor !

Es findet sich ein Wirksamkeitsnachweis auf der Evidenzstufe Afür manuelle Therapie, intensive Bewegungstherapie, multidisziplinäre Schmerztrai- ningsprogramme und Kurbehandlung, wobei diese Effekte jedoch nur kurzeitig anhalten.Nur Mode- rate Evidenz(B)wurde für die Effektivität von Ver- haltenstherapie gefunden. Rückenschulen in berufs- spezifischen Situationen zeigen eine Wirksamkeit auif derEvidenzstufe C.

Internationalen Richtlinien entsprechend ist das Hauptziel der Behandlung chronischer Kreuzschmer- zen die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß bzw.die Aufnahme der normalen täglichen Aktivitä- ten. Zusätzliche therapeutische Möglichkeiten zur symptomatischen Schmerzerleichterung können diesen Prozeß fazilitieren; die verfügbare Evidenz

scheint NSAR für effektiv einzustufen, nicht aber physikalische Modalitäten wie TENS, Biofeedback, Akupunktur und Orthesen.

Empfehlungen für die Behandlung chronischer Kreuzschmerzen

(United Kingdom Report of the Clinical Standards Advisory Group Comittee on Back Pain und Dutch General Practice Guideline on Low Back Pain [10, 11, 12, 13])

Information: Um einer Aktivitätsstörung (früher Disability bzw. Behinderung) vorzubeugen bzw.

sie zu verhindern, sowohl körperlich als auch mental, müssen die Lebensqualität bzw. die tägli- chen Funktionen des Patienten verbessert wer- den. Eine Abhängigkeit von medizinischer Be- handlung sollte vermieden werden. Unser Be- streben sollte in Richtung Bewältigung (coping) der Symptome gemeinsam mit einer suffizienter Schmerzkontrolle gehen.

• EineLangzeitmedikationsollte vermieden wer- den. Falls Analgetika verordnet werden, dann sind exakte Einnahmevorschriften (keine Selbst- medikation) notwendig. Die Analgetikamedika- tion dient dazu, eine stufenweise Aktivierung des Patienten zu unterstützen.

Manuelle Therapiewird zur Unterstützung der Schmerzbehandlung empfohlen, wobei keiner speziellen Technik der Vorrang gegeben werden kann.

Bewegungstherapiewird zur Verbesserung der Alltagsfunktionen eingesetzt, wobei es keine Evi- denz für eine spezielle Form der Übungsbehand- lung gibt. Die Intensität des Übungsprogrammes soll graduell gesteigert werden unter exakter Ein- haltung von Terminen und Zeiträumen unabhän- gig von Schmerzen !

• Patienten mit schweren, lang dauernden Schmer- zen und Aktivitätsstörungen sollten einemmulti- disziplinären Behandlungsprogramm zuge- führt werden. Das Ziel dieser Intervention ist die funktionellen Wiederherstellung, sowie ein Ver- haltens- und Schmerzmanagement.

Konservatives Management

akuter und subakuter Nackenschmerzen

Moderate Evidenz (B) gibt es in der Literatur für die Tatsache, dass das Beibehalten bzw. die rasche Rückkehr zu den normalen Alltagsaktivitäten Schmer- zen reduziert und die Folgen akuter Nackenschmer- zen vermindert. Analgetika und/oder Schanzkra- watten sollen nur für eine begrenzte Zeit eingesetzt werden, um den Patienten möglichst rasch dazu zu befähigen, seine normalen körperlichen Aktivitäten aufzunehmen. Der Wert der Schanzkrawatte ist um- ÖZPMR, Österr. Z. Phys. Med. Rehabil 12(1) 2002

(14)

stritten, eine kürzlich publizierte Metaanalyse [16]

klassifiziert diese Orthesen sogar als schädlich.

Moderate Evidenz (B) gibt es für Mobilisations- techniken, wenn sie mit anderen Behandlungsmo- dalitäten kombiniert werden – ROM und Schmerz- reduktion werden rascher erreicht. Dieselbe Evi- denzstufe (B] gibt es dafür, dass aktive Bewegungs- übungen effektiver sind als passive Behandlungen wie Massagen, Wärme, Traktion oder Stretching.

Limited Evidence (C) gibt es für Patientenschu- lung undkeine Evidenz(D) gibt es für die Effekti- vität von Akupunktur bei akuten oder subakuten Nackenschmerzen

Der Mangel an Strong bzw. Moderate Evidence und die guten Erfahrungen mit alt bewährten, empirisch begründeten Behandlungsmethoden, sollten uns dazu veranlassen, diese endlich zu überprüfen!

Konservatives Management des chronischen Nackenschmerz

Prinzipiell gibt es keine Empfehlung für irgendeine Behandlungsart beim chronischen Nackenschmerz!

Es konnte nur eine geringe Anzahl heterogener Stu- dien mit geringen Fallzahlen gefunden werden; sie betrafen Schleudertrauma, radikuläre Schmerzen, Muskelverspannungen, Osteoarthrosen, Spondylo- sen, Wurzelkompression, myofasziale Schmerzen und undefinierte unspezifische Schmerzen. Innerhalb dieser diagnostischen Kategorien von Nacken- schmerzen war die Effektivität der Behandlungen so unterschiedlich, dass eine Untergruppenanalyse nicht möglich war. Ein weiteres Problem sind die ge- ringen Fallzahlen und die fehelnde Evidenz für ir- gendeine Behandlungsart.

Es besteht dringender Bedarf an hochqualifizierten Studien mit großen Fallzahlen, um eine Kosten- effektivität zu evaluieren, da chronische Nacken- schmer zen mittlerweile ein großes sozioökonomi- sches Problem darstellen.

Zuletzt sollen noch die Ergebnisse von Postacchini aus Modena in Italien zitiert werden [17], der die Ergebnisse der chirurgischen und der konservativen Behandlung bei Patienten mit lumbalen Bandschei- benvorfall verglichen hatte :

• Das konservative Management von Diskusher- nien zeigt bei der Mehrzahl der Patienten inner- halb weniger Monate ab Behandlungsbeginn zu-

friedenstellende Ergebnisse, vor allem bei gerin- ger Nervenwurzelkompression.

• Operative Behandlung wirkt bei der Reduktion von Symptomen signifikant schneller, allerdings sind die Ergebnisse bei Patienten mit massiver Nervenwurzelirritation, keinen oder nur gerin- gen Rückenschmerzen und einer nur kurz beste- henden Symptomatik wesentlich besser.

• Die chirurgischen Langzeitergebnisse sind aber bezüglich rezidivierender radikulärer und speziell Kreuzschmerzen schlecht. Bei den meisten Pa- tienten korreliert zwar die Verschlechterung nicht unbedingt mit der Operation, weil Schmerz- ver- stärkung im Laufe der Zeit auch bei konservativ behandelten Patienten auftreten.

• Mikrodiskektomie scheint postoperativ in den ersten Wochen oder Monaten etwas bessere Er- gebnisse zu haben als sog. Standardoperationen, ist aber auch nicht erfolgreich.

• Eine chirurgische Intervention sollte daher frü- hestens nach 2 Monate lang erfolglos durchge- führter konservativer Therapie vorgenommen werden.

Abschließend soll bemerkt werden, dass die wissen- schaftlich nachgewiesenen Behandlungseffekte der Evidence Based Medicine und die Guidelines der verschiedenen Staaten und Gesellschaften nicht dazu führen dürfen, alt bewährte, empirisch begründete Behandlungsmethoden zu vergessen oder nicht mehr anzuwenden! Dazu zählt beim konservativen Ma- nagement natürlich die Thermotherapie, die Elek- trotherapie, den Ultraschall und last but not least die Massage. Die Zukunft wird dafür vielleicht doch noch eine ausreichend hochqualifizierte, mit hohen Fallzahlen belegte Evidenz bringen.

Es darf auch nicht vergessen werden, dass es auch für die chirurgischen Interventionen des Diskuspro- laps wenig Evidenz (Stufe B-D) gibt ! Eine operative Therapie ist aber relativ teuer und hat deutliche Aus- wirkungen auf das Leben der Patienten !

Literatur

1. Ammer K: Diagnose und konservative Therapie häufiger Lumbalsyndrome. Kali Chemie Pharma, Wien, 1984 2. Wiltse LL. The History of Spinal Disorders. In: Frymoyer JW, Editor in Chief, The Adult Spine:Principles and Practi- ce, Raven Press, New York, 1991, 3-41

3. Stadnik TW, Lee RR, Coen HL, Neirynck EC, Buisseret TS, Osteaux MJ. Annular tears and disk herniation: preva- lence and contrast enhancement on MR images in the absen- ce of low back pain or sciatica. Radiology 1998, 206(1):

49-55

4. Boos N, Rieder R, Schade V, Spratt KF, Semmer N, Aebi M 1995 Volvo Award in clinical sciences. The diagnostic ac- curacy of magnetic resonance imaging, work perception,

(15)

and psychosocial factors in identifying symptomatic disc her- niations. Spine 1995:20:2613-2625

5. Cherkin DC. Primary Care Research on Low Back Pain.

Spine 1998, 23(18): 1997-2002

6. Nachemson A, Jonsson E (eds): Neck and Back Pain. The Scientific Evidence of Cause, Diagnosis and Treatment.

Lippincott, Williams & Wilkins 2000

7. Nachemson AL, Jonsson E: Back Pain-a Scientific Enig- ma in the New Millennnium. Phys Med Rehab Kuror 2001;

11(1): 2-8

8. Wadell G. A new clinical model for the treatment of low back pain. Spine 1987, 12: 632-644

9. Stucki G, Cieza A, Ewert T. Die Perspektive der Rehabili- tationsmedizin zur ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit). Phys Med Rehab Kuror 2001; 11(6): 231-232

10. Konsensus Statement BÖPMR: Management des aku- ten Kreuzschmerzes. Update Nr 11/ Mai 2000

11. Koes BW, van Tulder MW, Ostelo R, Burton AK, Wadell G. Clinical Guidelines for the Management of Low Back Pain in Primary Care – An International Comparison. Spine 2001; 26(22): 2504-2514

12 VanTulder M, Koes B: Low back pain and sciatica. Clini- cal Evidence 2001;6: 0–19

13. The Royal College of General Practitioners: National Low Back Pain Clinical Guidelines,1996.

14. Borkan JM, Koes B, Reis S, Cherkin DC. A Report From the Second International Forum for Primary Care Research on Low Back Pain – Reexamining Priorities. Spine 1998; 23 (18): 1992-1996

15. Saal JS, Saal JA, Yurth EF. Nonoperative Management of Herniated Cervical Intervertebral Disc With Radiculo- pathy. Spine 1996; 21: 1877- 1883

16. Scholten-Peeters GG, Bekkering GE, Verhagen AP, van Der Windt DA, Lanser K, Hendriks EJ, Oostendorp RA.

Clinical practice guideline for the physiotherapy of patients with whiplash-associated disorders. Spine 2002; 27(4): 412-22 17. Postacchini F Results of Surgery Compared With Con- servative Management for Lumbar Disc Herniations. Spine 1996; 21: 1383 – 1387

Korrespondenzadresse für die Autoren Prim.Dr.Barbara Arbes-Sertl Institut für Physikalische Medizin Neulinggasse

1030 Wien Email:physiko-med@chello.at ÖZPMR, Österr. Z. Phys. Med. Rehabil 12(1) 2002

(16)

Facharzt Rehabilitation und Physikalische Medizin

Leitbild der Konsensuskonferenz Physikalische Medizin und Rehabilitation Deutschland, Österreich und Schweiz, Valens 25.-26.1.2002

Ammer K, Berliner M, Bochdansky Th, Knüsel O, Prager Ch, Schmidt- Dumbacher M, Schneider W, Smolenski U

In einer vorerst letzten Gesprächsrunde hat die Konsensuskonferenz Physikalische Medizin und Rehabilitation Deutschland, Österreich und Schweiz im Jänner 2002 die Ergebnisse der vorangegange- nen Tagungen mit einem Leitbild des Facharztes Rehabilitation und Physikalische Medizinergänzt.

Außerdem wurden die letzten Entwicklungen des ICF kommentiert, da diese Klassifikation der Funk- tionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit un- trennbar mit dem Selbstverständnis desFacharztes Rehabilitation und Physikalische Medizinverbun- den ist. Die Bezeichnung des Facharztes spiegelt auch die Gewichtung der Teilbereiche Rehabilitation und Physikalische Medizin wieder. Dieser Gewichtung wurde nach langer Diskussion von allen Teilnehmern im Konsensus zugestimmt. Das Gleiche gilt für das nachfolgend formulierte Berufsbild.

Leitbild

Die Rehabilitationsmedizin ist neben der präventi- ven, kurativen und der palliativen Medizin ein ei- genständiges medizinisches Fachgebiet. Die WHO definiert im Technical Report 668/1981 die Rehabi- litation:

„Rehabilitation ist der koordinierte Einsatz me- dizinischer, sozialer, beruflicher, pädagogischer und technischer Maßnahmen sowie eine Ein- flussnahme auf das physische und soziale Um- feld zur Funktionsverbesserung zum Erreichen einer grösstmöglichen Eigenaktivität zur weitest- gehend unabhängigen Partizipation in allen Le- bensbereichen damit der Betroffene in seiner Lebensgestaltung so frei wie möglich wird.“

Rehabilitationsmedizin behandelt die biopsychoso- ziale Problematik des Patienten, wogegen die kura- tive Medizin sich schwergewichtig mit der Behand-

lung des Körperschadens (Struktur- und Funktions- störung = Impairment) beschäftigt. Die Rehabilita- tionsmedizin und die kurative Medizin befassen sich mit unterschiedlichen Patientenbedürfnissen.

Diesen Inhalten tragen die sehr unterschiedlichen Klassifikationsmodelle der WHO Rechnung: Kura- tive Medizin = ICD (InternationalClassification of Diseases, 6.Rev. 1948), rehabilitative Medizin = ICF (International Classification of Functioning , Disability and Health,2001).

Dies begründet die Eigenständigkeit des Fachgebie- tes Rehabilitation.

Der Facharzt für Rehabilitation und Physikalische Medizin erstellt einen für jeden Patienten individu- ell zugeschnittenen Rehabilitationsplan, wobei die Patientenbedürfnisse durch die 4 ICF-Ebenen defi- niert sind. In Absprache mit dem Patienten legt er Prioritäten fest und leitet den zielgerechten, koordi- nierten Einsatz des multiprofessionellen Teams un- ter Berücksichtigung der Kriterien Wissenschaft- lichkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit.

Der rechtzeitige Einsatz der Rehabilitation ist von grosser prognostischer Bedeutung. Der Facharzt be- dient sich dabei der Methoden der Physikalischen Medizin und der weit gefächerten rehabilitativen Diagnostik und Intervention.

Der Facharzt RPM deckt grundsätzlich die Anforde- rungen der medizinischen Rehabilitation ab. Bei ei- nem Bedarf an hochspezialisierter Rehabilitations- medizin arbeitet er mit anderen Fachärzten zusam- men. Es ist aber auch möglich, daß der Facharzt RPM über eine zusätzliche Qualifikation in einem anderen Fachgebiet verfügt.

Schmerz stellt einen wesentlichen, die Rehabilitati- on behindernden Faktor dar. Der Facharzt RPM hat

(17)

die notwendigen ganzheitlichen Kenntnisse, solche Zustände kompetent zu diagnostizieren und zu be- handeln.

Der Facharzt für RPM hat auf Grund seiner Ausbil- dung ganz besondere Kenntnisse und Fertigkeiten im gesamten Gebiet der Physikalischen Medizin.

Diese setzt er im Bereich der kurativen Medizin ein (Abbildung 1).

Dank der fundierten Kenntnisse der Ergonomie und des Versichertenrechts kann der Facharzt RPM Rehabilitationspatienten, aber auch Arbeitgeber und Institutionen in diesen Bereichen schulen und ÖZPMR, Österr. Z. Phys. Med .Rehabil 12 (1) 2002

Persönliche Faktoren Umweltfaktoren

Körperfunktionen Aktivitäten Partizipation und -strukturen

Kurativ

Primär-Präventiv

Rehabilitativ

Sekundär/Tertiär-Präventiv

ICD ICF

Abbildung 1

Gegenüberstellung von ICD und ICF mit Bezug auf die Dimensionen des ICF

Quantifizierung der ICF Komponenten

Körperfunktion/

-struktur Aktivität / Partizipation

Erster Kennwert

Zweiter Kennwert

Ausmaß oder Größe des Problems

Lokalisation Assistenz und Hilfsmittel Differenziert nach Capacity und Performance

(Fähigkeit und Leistung)

Abbildung 2

(18)

beraten. Der Facharzt RPM ist aufgrund seiner Qualifikation im Bereich ICF (International Classi- fication of Functioning , Disability and Health) als Gutachter kompetent.

Letztfassung des ICF

Die Letztfassung des ICF bietet auch die Möglich- keit, die Komponenten von Gesundheitszuständen in den Dimensionen Körper, Aktivität und Partizi- pation quantitativ zu erfassen (Abbildung 2). In der Dimension Körper beschreibt der erste Kennwert

Ausmaß oder Größe des Problems, während der zweite Kennwert die Lokalisation der Körperstruk- tur bzw. Körperfunktion angibt. Im Bereich Aktivi- tät/Partizipation wird im ersten Kennwert nach Fähig- keit (Capacity) und Leistung (Performance) diffe- renziert und der zweite Kennwert beschreibt den Bedarf an Assistenz und Hilfsmittel. Damit wandelt sich der ICF von der Klassifikation zu einem mögli- chen Outcome- Measure, vorausgesetzt die notwen- digen Testkriterien eines Ergebniskriteriums wer- den nachgewiesen.

(19)

ÖZPMR, Österr. Z. Phys. Med. Rehabil 12(1) 2002

AMBULANTE REHABILITATION in Wien

Hohenstein K*, Ammer K°, Engelbert B

+

, Alacamlioglu Y*, Amann-Griober H*, Korger A*, Thalhammer E,* Weiss-Grein M*, Prager Ch*, Hohenstein M $ , Arbes-Sertl B.+

1+Institut für Physikalische Medizin Neulinggasse (Ärztlicher Leiter: Frau Prim. Dr. Barbara Arbes-Sertl),Wien

*2Institut für Physikalische Medizin und Rehabilitation im Donauspital (Vorstand: Prim.Dr. Christine Prager), Wien

°3Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für Physikalische Diagnostik (Leiter: Prim. Prof. Dr. O. Rathkolb), Wien ,Gesundheitzentrum Physiko Andreasgasse (Leiter: Prim. Prof. Dr. O. Rathkolb), Wien

$Institut für Informatik und Datenbanken Universität Wien

Einleitung

Das Projekt „Ambulante Rehabilitation“ wurde in der letzten Ausgabe der ÖZPMR von Arbes-Sertl, Prager und Ammer [1] eingehend vorgestellt. Das Projektdesign ist im Detail ebendort nachzulesen.

Die erste Phase des Projektes ist im Donauspital derzeit abgeschlossen, die bisher ausgewerteten Da- ten werden im Folgenden präsentiert und diskutiert.

Projektdesign

Vorgaben waren täglich durchgeführte physikalische Therapie im Mindestausmaß von 2 Stunden täglich durch 4(6) Wochen. Die Behandlung musste allen betroffenen ICF-Ebenen entsprechen, ein rein

Schadens zentrierter Rehabilitationsplan war nicht gestattet. Wöchentlich ärztliche Kontrollen und Dokumentation der diagnostischen und therapeuti- schen Maßnahmen wurden durchgeführt. Klar defi- nierte Ziele beschrieben quantitativ die gewünsch- ten Rehabilitationsergebnisse.

Für die Dokumentation der Veränderungen standen auf derKörperebenefolgende Instrumente zur Ver- fügung:

Schmerz: Visuelle Analogskala (VAS): 0-100mm Gelenkbeweglichkeit (ROM): Neutral-Null-Methode Muskelkraft: 6-teilige Kraftgradskala nach Lovett Gehgeschwindigkeit (10 m)

Zusammenfassung

Es wird über die Zwischenergebnisse des Multicenter- Pilotprojektes „Ambulante Rehabilitation“im Donau- spital berichtet.

Projektziel ist die Überprüfung der Durchführbarkeit, Wirksamkeit und Akzeptanz einer ambulanten , wohn- ortnahen Rehabilitation.

In das Projekt sind erwerbstätige Patienten mit körper- licher Einschränkung eingeschlossen, welche zusätz- lich Defizite der Ebene Aktivität/Partizipation auf- weisen. Projektschwerpunkte sind Assessment, engma- schige ärztliche Kontrollen und Dokumentation sowie intensive Therapie gemäß den ICF-Ebenen in einem Zeitraum von 4 bis 6 Wochen. Klare quantitative Vor- gaben definieren das gewünschte Rehabilitationsziel.

Die bisher ausgewerteten Ergebnisse von 24 Patienten zeigen Verbesserungen im Bereichen Aktivität :Verbes- serung des HAQ-Summenscores um durchschnittlich 8,9 Punkte (95% Konfidenzintervall±2.7), eine Schmerz- reduktion um durchschnittlich 39 mm (95% Konfi- denzintervall±9) sowie eine Verbesserung der Gehzeit um 4 sec./10m (95% Konfidenzintervall±1.6).

Die vorliegenden Daten stärken somit die Hypothese, dass wirksame Rehabilitation ambulant durchgeführt werden kann.

Summary

Preliminary results from the Donauspital within the multicenter pilot-project “out-patient rehabilitati- on” are reported.

Aim of the project was the evaluation of feasebility, effctiveness and acceptebilty of rehabilitation in an out-door setting.

Working patients with impairments and restrictions in activity and participation were included in the study. The project focused on the assessment and in- tensive physical therapy for 4 to 6 weeks which was tightly scheduled monitored and documented by a physician. Clear goals defined the aimed rehabilita- tion result.

Preliminary results from 24 patients showed impro- vements in activity- mean reduction of the HAQ- Sum-Score by 8.9 points (95% confidence interval ± 2,7), mean pain reduction of 39 mm ( 95% CI ± 9) on the visual analoque scale and improvement of wal- king time by 4 sec/10m (95% CI ± 1.6).

The data support the thesis, that rehabilitation can be effectively achieved in an out-patient setting.

(20)

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A U S T R I A

Referenzen

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