DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
D
as Schlagwort vom„Krankenhausbetten- berg" geistert wieder ein- mal durch die Gazetten. Die Krankenkassen machten bereits vor Jahren eine Rechnung auf, nach der es einen globalen Überhang an fehlbelegten und entbehrlichen Krankenhäusern in der Größenordnung von bis zu 100 000 Betten gebe Ministe- rialdirektor Karl Jung, im Bun- desarbeitsministerium auch für Fragen der Krankenhausfinan- zierung zuständiger Abteilungs- leiter, ging das Thema schon dif- ferenzierter an. Beim jüngsten (13.) Krankenhaus-Symposion in Düsseldorf sprach er von 40 000, 60 000, maximal 80 000 abbaufähigen Betten. Die „Lob- by" der Krankenhäuser bestrei- tet dies lebhaft, vor allem wenn die zum Teil marode Bausub- stanz der 3070 Krankenhäuser mitberücksichtigt wird. Was steckt hinter diesen Zahlen?
Was ist Realität, was bloße Spe- kulation?
Der jüngste Erfahrungsbe- richt des Bundesarbeitsministe- riums gibt dafür einige Auf-
Krankenhäuser
Spekulationen um „Bettenberg"
schlüsse: Die „Bettendichte" - das ist die Anzahl der Kranken- hausbetten auf 10 000 Einwoh- ner - liegt zur Zeit im Bundesge- biet bei etwa 115 Betten, ein im internationalen Vergleich relativ hoher Standard. Am höchsten ist sie in Berlin mit 177, am nied- rigsten in Niedersachsen mit 94 Betten. Allgemein gültige Aus- sagen, bei welcher Versorgungs- situation ein Land optimal aus- gestattet ist, sind nicht möglich.
Zumindest ist dies nicht zulässig, wenn man die Aussage auf Grund eines einzigen magischen Parameters, nämlich der Zahl der vorgehaltenen Betten (ob kalt oder warm), trifft.
Mit Recht hat der Erfah- rungsbericht des Arbeitsministe- riums auf die Gesamtbetrach- tung des Bedarfs an stationären
Betten hingewiesen - von der Vorsorge und der Akutbehand- lung bis hin zur Rehabilitation und Pflege einschließlich der weithin fehlenden krankenhaus- entlastenden Einrichtungen. So- lange isoliert auf die Meßlatte Bett geschielt wird und das vor- gehaltene Bett Maß und Mitte auch bei der Finanzierung ist, bleibt eine Bettenplanung, die nur den stationären Bereich sieht, Stückwerk.
Zudem: Von den rund 610 000 Planbetten sind nur 550 000 up to date und funk- tionsgerecht, bei den übrigen ist die Substanz erneuerungsbe- dürftig oder totalveraltet. In 700 Kliniken mit 275 000 Betten gibt es einen akuten Sanierungsbe- darf. Dies sind 40 Prozent der Bettenkapazität. Ein Abbau des Bettenberges wird nur dann zu erzielen sein, wenn auch der auf mehr als 10 Milliarden DM auf- gelaufene Investitionsstau, der ursächlich für die Überalterung ist, abgebaut wird. Hier sind die Länder und die Kassen gefor- dert; der Bund muß hier ener- gisch gegensteuern. HC
Februar
wenigen Tagen, am 27.
Februar 1989, starb der Mediziner und Verhal- tensforscher Konrad Lorenz 85jährig in Altenberg/Nieder- österreich. Zu kurz seien 80 oder 90 Menschen-Jahre, so behaup- tete Lorenz selbst einmal, denn die Kapazität des Gehirns sei größer, als daß man sie in dieser Zeitspanne voll nutzen könne.
So schien der Wissenschaftler der Gefahr eines nicht voll aus- geschöpften Lebens ständig ent- gegenwirken zu wollen, die Ga- be des exakten Beobachtens nie außer acht lassend.
Auf der Basis seines Medi- zinstudiums, ergänzt durch das Studium der Zoologie, der Palä- ontologie und der Humanpsy- chologie, widmete er sich schon früh der Beobachtung instinkti- ven Verhaltens, der Onto- und Phylogenese des angeborenen Verhaltens bei Tieren und be- sonders dem Phänomen der Prä-
Verhaltensforschung
Konrad Lorenz t
gung. Zusammen mit Nikolaas Tinbergen und Karl von Frisch erhielt er 1973 den Nobelpreis für Medizin in Anbetracht der Tragweite ethologischer Ergeb- nisse auch für die Psychiatrie und die Psychosomatik.
Durch Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen be- gann Konrad Lorenz die „Spra- che" der Tiere zu erlernen und sich in ihre Sozialverbände ein- zugliedern. Davon zeugen seine farbigen, anschaulichen Schilde- rungen, mit denen er auch Laien ansprach, was nicht nur ihm, sondern auch seinen wissen- schaftlichen Überlegungen gro- ße Popularität eintrug.
Aufsehen erregten seine Er- kenntnisse über instinktgesteu- ertes Verhalten (das er auch auf den Menschen übertrug) sowie das moral-analoge Verhalten ge- selliger Tiere. Erkenntnisse, die in Fachkreisen allerdings nicht widerspruchslos hingenommen wurden. Zu stark schien vor al- lem den Behavioristen die Gleichsetzung des Menschen mit dem Tier und die Theorie vom angeborenen Verhalten, bei dem der Aspekt der Lernfähig- keit des Menschen zu wenig be- rücksichtigt schien.
Doch appellierte Lorenz ge- rade an „den Menschen als Kul- turwesen von Natur aus", als er sich in den 70er Jahren aktiv für den Umweltschutz einsetzte - in der Hoffnung, der vernunftbe- gabte und lernfähige Mensch werde eine ökologische Kata- strophe abwenden können, die unsere Wohlstandsgesellschaft heraufbeschwöre. UF
Dt. Ärztebl. 86, Heft 10, 9. März 1989 (1) A-593