EDIZIN
Dipl.-Phys. S. Schründer Dr. med. Dr. rer. nat.
N. Müller-Stolzenburg
Laser-Medizin-Zentrum gGmbH Krahmerstraße 6-10 12207 Berlin
3 Soziale Indikationen ergänzungsbedürftig Der von Seiler und Genth verfaß- te Beitrag zum gegenwärtigen Stand der chirurgischen Myopiekorrektur bietet eine hervorragende konzen- trierte und vollständige Übersicht zum gegenwärtigen Stand dieser Ope- rationstechnik. Einige Bemerkungen zur sozialen Indikation sollten aber so nicht stehen bleiben. Die Autoren bieten als einleuchtendes Beispiel den Fluglotsen, „der mit den Jahren die obere Grenze der Kurzsichtigkeit von
—3,0 Dioptrien überschritten hat, die vom Gesetz vorgegeben ist."
Die Praxis, die übrigens auch für Flugzeugführer gilt, sieht anders aus:
Wenn dieser Personenkreis im Laufe der Berufsausübung und schließlich mit langjähriger Praxis bei den regel- mäßigen Tauglichkeitsuntersuchun- gen wegen eines grenzwertigen oder unzulässig hohen Korrekturbedarfs auffällt, führt die dann vorgeschriebe- ne Einzelfallprüfung fast immer zu dem Ergebnis: Problem durch profes- sionelle Erfahrung kompensiert, eng- maschigere Überwachung des Sehor- gans erforderlich. Werden Lotsen oder Piloten wegen krankhafter Ver- änderungen am Auge untauglich, stellt sich die Frage nach einer Opera- tion an der Hornhaut nie. Viel eher liegen Veränderungen der Linse, des Glaskörpers, der Netzhaut oder ein Glaukom vor.
Anders ist es bei Erstbewerbern, die bereits vor Beginn der Berufsaus- bildung die Mindestvoraussetzungen nicht erfüllen. Nur dieser Personen- kreis neigt dazu, das gewünschte Be- rufsziel auch dann nicht aufzugeben, wenn die Gefahr besteht, sich durch Laserkeratom-ileusis oder photore- fraktive Keratektomie beachtliche Nachteile einzuhandeln.
Angesichts der in diesem hervor- ragenden Beitrag lückenlos geschil- derten Problematik solcher Eingriffe haben die 180 Mitgliedsstaaten des in- ternationalen Vertrages über die Zi-
DISKUSSION
villuftfahrt Einigung darüber erzielt, kerato-chirurgische Eingriffe bis heu- te für Berufe, welche der Luftver- kehrssicherheit dienen, nicht zu ak- zeptieren. Sie werden als Maßnahme experimentellen Charakters beschrie- ben und für sicherheitsrelevante Be- rufe im Luftverkehr abgelehnt. Der Beitrag von Seiler und Genth wird es uns ermöglichen, Probanden in dieser Frage künftig noch besser zu beraten.
Dr. Wurster
Referatsleiter — Flugmedizin im Luftfahrt-Bundesamt
Postfach 30 54 38020 Braunschweig
Schlußwort Zu 1:
Herr Dr. med. Gerd Höfling bemängelt die Indikation für einen re- fraktiv-chirurgischen Eingriff bei Anisometropien von mehr als 3 dpt bei gleichzeitiger Unverträglichkeit von Kontaktlinsen. In der Tat kön- nen, wie von Bürki schon lange vor Schober dargelegt, Anisometropien bis zu 6 dpt rein theoretisch mit Glä- sern ausgeglichen werden. Jedoch zeigt die klinische Praxis, daß bei Ani- sometropien über 3 dpt die Fusion der beiden unterschiedlich großen Bilder in der Regel nicht gelingt, was sich übrigens auch in der Verschreibungs- praxis niedergeschlagen hat, da den Kassen eine Anisometropie von mehr als 2 dpt schon genügt, um eine medi- zinische Indikation für Kontaktlinsen zu akzeptieren.
Richtig ist, daß in den letzten De- kaden viele neue Materialien für Bril- len entwickelt wurden und daher in der Tat leichte und reizfreie Brillen entstanden. Trotzdem kommen nicht beherrschbare Druckekzeme auch bei diesen leichten Brillen vor, bei- spielsweise bei Neurodermitispatien- ten. Patienten, die eine Brille nicht tragen wollen, als Psychopathen dar- zustellen, kann nur als Zeichen ärztli- cher Überheblichkeit angesehen wer- den. Es steht in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung weder dem Arzt noch einem anderen Mitbürger zu, sein Schönheitsideal (mit Brille) auf seinen Mitbürger zu übertragen und, wenn dieser nicht akzeptiert, ihn als Psychopathen auszuweisen. Viel
eher möchte ich meinen Patienten nach einer ausführlichen und scho- nungslosen Aufklärung über die Risi- ken und Vorzüge einer Operation die Entscheidung selbst überlassen, ob sie diese Risiken in Kauf nehmen.
Zu 2:
Wir danken Herrn Dr. Dr. Nor- bert Müller-Stolzenburg für den Hin- weis auf die mögliche mutagene Wir- kung der bei der Excimerlaserbe- handlungen entstehenden Sekundär- strahlungen, die übrigens von uns be- reits 1988 entdeckt und als solche cha- rakterisiert wurden. Mittlerweile lie- gen neue quantitative Ergebnisse vor.
So konnten Lubaschowski und Mitar- beiter zeigen, daß die bei einer PRK entstehende Sekundärstrahlung die Mutagenitätsschwelle fast um einen Faktor 2 unterschreitet. Dafür spricht auch die klinische Erfahrung, daß bei mehreren 100 000 behandelten Pati- enten bisher nicht ein einziges Neo- plasma berichtet wurde.
Zu 3:
Zu Recht weist Herr Dr. Wurster vom Luftfahrtbundesamt darauf hin, daß die Problematik der refraktiven Chirurgie für Personen im Bereich der Luftfahrt nicht geklärt ist. Insbe- sondere bei jungen Erstbewerbern, die kurzsichtig sind, fällt es schwer, ei- ne erschöpfende Beratung durchzu- führen, da eine endgültige Stellung- nahme bezüglich der PRK von offizi- eller Seite nicht vorliegt. In einzelnen Ländern wird die photorefraktive Ke- ratektomie als mit der Luftfahrt ver- einbar gesehen (in Australien ist die PRK für Bewerber aller drei Waffen- gattungen zugelassen und auch in Schweden ist die PRK in der zivilen Luftfahrt akzeptiert). Zur Zeit findet in San Diego eine prospektive Studie statt, die untersucht, ob die photore- fraktive Keratektomie mit dem Dienst als Marineflieger vereinbar ist.
Ich möchte an dieser Stelle das Luft- fahrtbundesamt ermutigen, ebensol- che prospektiven Studien aufzulegen, um zu einer fundierten Einschätzung der Problematik zu gelangen.
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Theo Seiler Direktor der Universitäts Augenklinik Universitäts-Klinikum
Carl Gustav Carus
der Technischen Universität Dresden Fetscherstraße 74 01307 Dresden Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 17, 28. April 1995 (61) A-1255