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Archiv "Wirkungsweise und Toxikologie von Pyrethroiden mit besonderer Berücksichtigung des berufsbedingten Expositionsrisikos: 2 Risikobewertung bedarf Ergänzungen" (07.04.1995)

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MEDIZIN

DISKUSSION

Wirkungsweise und Toxikologie von Pyrethroiden mit besonderer

Berücksichtigung des berufsbedingten Expositionsrisikos

1 Therapie einfach

Als Arzt im Entwicklungsdienst in Tansania machte ich unangenehme Bekanntschaft mit synthetischen Py- rethroiden. Trotz sachgerechter An- wendung und Dosierung, insbesonde- re zur Imprägnation von Moskitonet- zen zur Malariabekämpfung, stellten sich folgende Symptome ein: Störung des Kurzzeitgedächtnisses, der Wort- findung, der Feinmotorik, sowie un- klare Fieberschübe und Schmerzen in den Finger- und Zehengelenken.

Durch geeignete Behandlungsmetho- den aus dem Bereich der Naturheil- verfahren sind die Symptome weitge- hend verschwunden.

In den letzten drei Monaten sah ich in meiner Allgemein- und Natur- heilpraxis über 50 Patienten mit Er- krankungen, die sich chronischer In- toxikation (häufig in Verbindung mit chemischer Sensibilität) mit syntheti- schen Pyrethroiden eindeutig zuord- nen ließen.

Folgende Behandung hat sich be- währt:

1. Hepar Sulfuris C 1000 etwa 200 Globuli (bei Kindern entspre- chend weniger). Man soll nicht über

2 Risikobewertung bedarf Ergänzungen

Die neurotoxischen Pyrethroide wurden bereits vor sieben Jahren von der amerikanischen Umweltbehörde E.P.A. in die Liste der „Inerts of signi- ficant toxicological concern" aufge- nommen (22). Warum sie in Deutsch- land noch immer als „mindergiftig"

oder ausschließlich „reizend" einge- stuft werden, bleibt unverständlich, denn sie unterliegen somit nach der Gefahrstoffverordnung kaum Be-

Zu dem Beitrag von Dr. med.

Gabriele Perger und Prof. Dr. med.

Dieter Szadkowski in Heft 15/1994

die hohe Menge erschrecken, denn bei Pestiziden gelten andere Gesetz- mäßigkeiten als zu Zeiten Hahne- manns. Im Zweifelsfall kinesiologisch austesten.

2. Bei erheblicher Belastung: Py- ridoxa1-5-Phosphat = Vitamin B 6, 1 bis 2 x 100 mg für 50 bis 100 Tage, dazu viel trinken (Mineralwasser, gute Säfte).

3. Falls das noch nicht zum Er- folg führt, gibt es weitere Konzepte, die ich auf Anfrage gerne mitteile.

Dr. med. Elmar Ulrich Arzt für Allgemeinmedizin Naturheilverfahren Hauptstraße 36

69181 Leimen-Gauangelloch

schränkungen. Berücksichtigt man neuere Studien (5, 11, 12, 13), die große Fallzahlen berufsbedingter Py- rethroidintoxikationen zusammen- fassen, so sollte man den Protest des Arbeitsmediziners erwarten.

Pyrethroide sind Blocker des of- fenen Natriumkanals der Nervenzelle (2, 3, 4, 7, 21, 23, 24). Vergiftungssym- ptomatik und Toxikokinetik sind vom jeweiligen Pyrethroid und dessen che- misch-physikalischen Eigenschaften abhängig. Von der Modellsubstanz Deltamethrin werden beispielsweise

nach oraler Aufnahme zwei Drittel der applizierten Menge innerhalb von wenigen Tagen ausgeschieden (3, 7, 21, 22). Gegenüber dieser relativ ra- schen Elimination bei oraler Applika- tion, konnten bei dermaler Applikati- on nach drei Tagen aber nur 0,1 Pro- zent (!) der applizierten Dosis in Fae- ces und Urin wiedergefunden werden (6). Es ist bisher völlig unklar, wo der Rest dieser Pyrethroide im Organis- mus verbleibt. Organverteilung, Ak- kumulation, Metabolisierung und Eli- mination müssen also sehr differen- ziert und substanzspezifisch betrach- tet werden. Darüber hinaus ist eine hohe Variabilität der Empfindlichkeit gegenüber Pyrethroiden je nach Spe- zies, Applikationsart, Disposition, Alter festzustellen. Neben der Haupt- giftwirkung der Pyrethroide wird eine Anzahl biologischer „Paraeffekte"

beschrieben, die bisher nicht in ihren gesundheitsschädigenden Eigenschaf- ten abgeschätzt werden können (19).

Die von der WHO hervorgeho- bene Tatsache der geringen Auf- wandmengen der Pyrethroide ist ein toxikologisches Warnsignal und nicht ein Beleg ihrer Ungefährlichkeit. Die Aufwandmengen der Pyrethroide sind nur deshalb so gering, weil sie um ein vielfaches wirksamer sind als In- sektizide anderer chemischer Grup- pen. Die Gefahr einer Intoxikation ist somit größer, da kleinere Stoffmen- gen ausreichen.

Wie die Autoren betonen, ist das Tragen von Schutzausrüstungen beim Pyrethroideinsatz von entscheiden- der Bedeutung, um dem Risiko schwerster Vergiftungen zu entgehen (1). Pyrethroide sind also hochwirksa- me Toxine, die auch auf Nahrungs- pflanzen aufgebracht werden. 1990 wurden in Deutschland 113 Tonnen Wirksubstanz eingesetzt (50 bis 200 Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 14, 7. April 1995 (65) A-1033

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MEDIZIN

Millionen Liter Spritzbrühe) (16). Et- wa die gleiche Menge wird exportiert, wobei die mangelhafte Anwendungs- praxis im Ausland nicht unerwähnt bleiben darf. Ebenso muß auf die generelle Unmöglichkeit individuel- ler Schutzmaßnahmen für die Men- schen in den Entwicklungsländern aufmerksam gemacht werden. Dabei verfügen die Pyrethroide über eine beachtliche Umweltstabilität; sie können an und in der Pflanze über Monate persistieren (22) — also auch wieder re-importiert werden! In Fett- geweben von Fischen und Algen er- folgt eine Bioakkumulation bis zum Faktor 10 000 (14, 15). Die Behaup- tung, daß eine Bioakkumulation der Pyrethroide nicht nachzuweisen ist, ist somit objektiv unrichtig (3, 14, 15, 22). Wieviel Pyrethroide gelangen al- so über Lebensmittel zum Menschen zurück? Die Höchstmengenverord- nungen des Lebensmittel- und Be- darfsgegenständegesetzes (20) lassen dabei für „normale" Lebensmittel Pyrethroidrückstände zu, die ein Vielhundertfaches über den aktuell diskutierten Grenzwerten für Baby- kost liegen. 1991 konnte in Tierversu- chen gezeigt werden (8, 9), daß eine postnatale Pyrethroidexposition zu einer Störung der Gehirnentwicklung führt. Diese Störungen werden aber erst in sehr viel späteren Entwick- lungsstadien diagnostizierbar. Es muß deshalb die Frage gestellt wer- den, ob neurologische Auffälligkei- ten auch beim Menschen (Kind) auf eine Aufnahme neurotoxischer Pesti- zide in der frühen Kindheit zurückge- führt werden können.

Der Verweis auf Daten des ehe- maligen Bundesgesundheitsamtes (BGA) basierend auf der Mittei- lungspflicht nach dem Chemikalien- gesetzes (ChemG) muß relativiert werden. Denn: Welcher Kollege kann eine Pyrethroidvergiftung zweifels- frei diagnostizieren? Weder Ausbil- dungsstand, noch diagnostische Ver- fahren erlauben es derzeit, die Dia- gnose „Pyrethroidintoxikation" — zum Beispiel bei einer unklaren Poly- neuropathie — zu stellen. Der Gewe- benachweis der Pyrethroide ist bisher nur in wenigen Labors möglich. Und:

Kennen die Kollegen die Mitteilungs- pflicht nach § 16 ChemG gegenüber dem BGA und kommen ihr nach?

DISKUSSION

Die Datenlage des BGA zum Stand der Pyrethroidintoxikation dürfte al- so eher irreführend sein (10). Der kli- nische Alltag zeigt überdies, wie schwer es auch bei begründetem Ver- dacht ist, eine klinische Symptomatik kausal mit einer Pyrethroidintoxikati- on in Verbindung zu bringen.

Die Bemerkung der Autoren, daß der Ersatz von Pyrethroiden durch Carbamate oder Organophos- phate keine sinnvolle Alternative dar- stellt, ist prinzipiell zutreffend, führt aber zur falschen Schlußfolgerung. Es kann nämlich medizinisch nur um die Frage gehen, ob neurotoxische Insek- tizide überhaupt in Land- und Forst- wirtschaft, Wohnräumen, Arbeitsum- welt, Nahrungsmittel oder Textilien eingesetzt werden sollten. In beinahe allen Bereichen stehen ja gesund- heits- und umweltverträglichere Mög- lichkeiten zur Verfügung.

In neuerer Zeit häufen sich die Hinweise auf toxikologisch relevante

3 „Sachgemäße"

Anwendung

„Im Vordergrund akuter Pyre- throidwirkungen stehen — Effekte sei- tens des peripheren und zentralen Nervensystems, die — voll reversibel sind." Die Autoren erwähnen nicht:

O die Zahl der Eigenbeobach- tungen, aus denen diese Schlußfolge- rung gezogen wurde,

O nach welcher Zeit die Sympto- me „voll" abgeklungen sind und

mit welchen Untersuchungs- methoden Residualsymptome ausge- schlossen wurden. Ich beziehe mich im folgenden auf eigene Beobachtun- gen an fast 500 Fällen von Verdacht auf Pyrethroid-Intoxikation.

Nach einmaliger, wenige Stunden dauernder, starker Exposition durch Versprühen, oder Verstreichen pyre- throidhaltiger Mittel im Innenraum betrug die Dauer der stationären Be- handlung bis zu drei Monaten (dies entspricht den Angaben von He et al., auf welche Perger et al. verweisen).

Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit be- trug im Mittel etwa fünf Monate. Zu den bleibenden Residuen zählen bei- spielsweise die Folgen der in 64 Pro- zent unserer Fälle aufgetretenen sen- somotorischen Polyneuropathie. Daß

Pyrethroidwirkungen. Ein vorschnel- les Postulieren von „Unbedenklich- keit" kann daher zu nicht korrigierba- ren Fehlern führen. Frühere Diskus- sionen um mögliche Gesundheitsge- fährdungen durch Organochlorinsek- tizide (zum Beispiel DDT), die dann viel zu spät anwendungs- beziehungs- weise produktionsverboten wurden, sollten für Ärzte eine ernste Warnung sein.

Literatur bei den Verfassern Priv.-Doz. Dr. med. habil.

Volker Mersch-Sundermann Umwelthygieniker der Universität Heidelberg am Klinikum Mannheim Lehrbeauftragter für Ökotoxikologie

und Ernährungsökologie der Universität Gießen Postfach 10 00 23 68135 Mannheim

eine PNP ohne Residuen abklingen soll, widerspricht jeder medizinischen Erfahrung. Nach einmaliger Expositi- on sank die Konzentration der im Urin ausgeschiedenen Pyrethroid- Metabolite — deren Toxizität nicht vernachlässigt werden darf — erst nach acht Tagen unter die Nachweisgrenze (0,5 14/1; Dr. Hoppe, Bremen). War der Rückstand nach Sprüheinsätzen durch Schädlingsbekämpfer (47 Pro- zent der Fälle), Selbstanwendung (15 Prozent), oder Auslegung eulanbe- handelter Teppiche (13 Prozent) höher als 100 mg Pyrethroid pro kg Hausstaub, so wurden Metabolite permanent ausgeschieden — offen- sichtlich ist der Nachweis im Haus- staub ein Indikator für das Risiko, daß Pyrethroide auch aufgenommen wer- den. Perger et al. schreiben: „Das chronische-neurotoxische Potential ist — als gering einzuschätzen", relati- vieren dies aber: „Inwieweit diese Aussage auch für den nachfolgenden Aufenthalt in fachgerecht mit Pyre- throiden behandelten Innenräumen zutreffend ist, wurde bisher nicht un- tersucht —" (wir haben die ersten Er- gebnisse von Beobachtungen an 73 von 400 Fällen publiziert in: „Kind und Umwelt", Frankfurt 1993; mög- lich, daß die Autoren diese Literatur- A-1034 (66) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 14, 7. April 1995

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