DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
FÜR SIE GELESEN
Steroidhormone:
Relativ unempfindlich gegenüber Temperatur und Lagerung
Es gibt kaum eine wissenschaft- liche Arbeit über Steroide, in der nicht auf die besondere Sorgfalt der Probengewinnung und -lage- rung hingewiesen würde. Stero- ide gelten gegenüber äußeren Einflüssen als so empfindlich, daß auch Anleitungen für die Zusen- dung von Probanden an zentrale Laboratorien in der Regel relativ aufwendige Vorschriften enthal- ten. Die „präanalytische Sorgfalt zur Elimination von Störfaktoren"
bei der Analyse von Steroiden scheint auch erforderlich zu sein, da diese von Erythrozyten gebun- den und metabolisiert werden, da alle Blutbestandteile (Erythrozy- ten, Lymphozyten, Granulozyten) intrazelluläre Bindungsproteine aufweisen und da eine Vielzahl von Bakterien bekannt sind, die Steroide metabolisieren. Darüber hinaus werden die wichtigsten Steroide von Plasmaproteinen ge- bunden, die durch Proteasen ge- spalten werden können, so daß Bindungsuntersuchungen bei nicht korrekt behandelten Proben kaum möglich schienen. Die not- wendige Sorgfalt bei der Gewin- nung der Proben kann in der Re- gel bei wissenschaftlichen Stu- dien eingehalten werden, scheint jedoch bei vielen Routineuntersu- chungen nicht immer gewährlei- stet und stellt in einem Labor, das auch eingesandte Proben analy- siert, eher die Ausnahme dar. Es wurde deshalb anhand von Stero- iden, die routinemäßig in einem Labor analysiert werden, unter- sucht, ob Lagerung bei Raum- oder Kühlschranktemperatur, mehrfaches Einfrieren und Auf- tauen oder die Lagerung der Pro- be als Vollblut auf die Analysener- gebnisse einen Einfluß ausüben.
Folgende Steroide wurden unter- sucht: Cortisol, Aldosteron, 17-Hy- droxyprogesteron, Testosteron, Androstendion, Dehydroepiandro-
steronsulfat (DHAS), Östron und Östradiol sowie SHBG (Sexualhor- mone bindendes Globulin) und die Bindung von Cortisol und Testoste- ron an Plasmaproteine.
Wie aus der Arbeit hervorgeht, be- einflußt zehnmaliges Einfrieren (auf —28° C) und Auftauen (bei Raumtemperatur) die Analysener- gebnisse der Steroide und ihre Plasmabindung nicht, so daß Mehrfach- oder Kontrollanalysen aus einer Plasmaprobe zu ver- schiedenen Zeiten möglich sind.
Da Proben häufig mit der Post ge- schickt werden (teilweise in Eis gepackt, teilweise bei Außentem- peratur) wurde der Effekt der Temperatur auf die Stabilität von Steroiden über einen Zeitraum von 4 Tagen untersucht. Durch diese Lagerung trat ein Abfall in der Konzentration praktisch aller Steroide ein, der bei 4° C jedoch nur 5,4 Prozent (0,7 bis maximal 11,4 Prozent) und bei 22°C 7,6 Prozent (3,5 bis 12,2 Prozent) be- trug. Diese Abweichung lag in al- len Fällen noch im 2SD-Bereich der Methode zur Messung der ein- zelnen Steroide und dürfte für wissenschaftliche Fragestellun- gen nicht mehr, für Routineanaly- sen jedoch noch tolerabel sein.
Da gelegentlich Proben als Voll- blut gesendet bzw. in der Klinik nachts oder am Wochenende nicht mehr abzentrifugiert wer- den, wurde auch der Einfluß der Lagerung als Vollblut über 4 Tage bestimmt. Die Untersuchungen zeigen, daß die Lagerung als Voll- blut nur einen gering größeren Einfluß auf die Analysenergebnis- se ausübt als die von Plasma. Die Abweichung betrug 6,2 Prozent (1,0 bis 14,6 Prozent) bei Kühl- schranktemperatur und 7,1 Pro- zent (2,1 bis 10,6 Prozent) bei Raumtemperatur. Alle Steroide fielen ab mit Ausnahme von Corti- sol, das bei 4tägiger Lagerung of- fensichtlich durch Freigabe des Hormons aus den Erythrozyten ei- ne Zunahme von etwa 7 Prozent aufwies. Wie die Untersuchungen mit DHAS ausweisen, verhält sich dieses Steroidkonjugat bezüglich
seiner Stabilität so wie die ande- ren Steroide. Von besonderem In- teresse waren die Untersuchun- gen über die Stabilität von Plas- ma-Bindungsproteinen, die als besonders störanfällig gelten. Je- doch war der Anteil an freiem Cor- tisol und freiem Testosteron in den Untersuchungen durch die Vorbehandlung kaum verändert und zeigte sogar teilweise gerin- gere Abweichungen als die Stero- ide. Allein bei Lagerung als Voll- blut findet sich für das freie Corti- sol und das freie Testosteron eine erhebliche, nicht mehr tolerable Abnahme der Bindung. Auch wa- ren die größten Abweichungen bei Messung von SHBG nach La- gerung als Vollblut zu finden. Auf- grund dieser Untersuchungen kann eine gewisse Rangfolge der Empfindlichkeit von Steroiden aufgestellt werden. Danach sind die „empfindlichsten Steroide":
Aldosteron, dann Androstendion, Östron, Östradiol, während 17-Hydroxyprogesteron, DHAS, Testosteron und dann Cortisol weniger stark durch obige Maß- nahmen beeinflußt worden. Der größte Störfaktor war Lagerung bei Raumtemperatur als Plasma oder Vollblut, während mehrmali- ges Einfrieren und Auftauen prak- tisch keinen Effekt auf die Analy- senergebnisse aufwiesen.
Aus diesen Untersuchungen folgt, daß, entgegen der bisherigen Meinung, Steroide und ihre Bin- dung an Plasma-Proteine sowohl im Plasma als auch im Blut gegen- über den üblichen äußeren Ein- flüssen bemerkenswert stabil sind und auch aus weniger sorgfältig behandelten Proben (Postver- sand) in der Regel ausreichend zuverlässig analysiert werden können. Dies bedeutet für die kli- nische Praxis eine erhebliche Er- leichterung sowohl in der Proben- behandlung als auch für die Inter- pretation der Analysenergebnisse von weniger sorgfältig behandel- ten Proben. key
Kley, H. K., Rick, W.: Einfluß von Lagerung und Temperatur auf die Analyse von Steroiden in Plasma und Blut. J. Clin. Chem. Clin. Biochem.
22 (1984) 371-378
3068 (60) Heft 42 vom 17. Oktober 1984 81. Jahrgang Ausgabe A