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ie „Ansbacher Erklä- rung", in der der CSU- Parteiausschuß Leitlinien zum Schutz der ungeborenen Kinder aufgestellt hat, hat der Diskussion um den § 218 StGB neuen Auftrieb gegeben. Abge- ordnete der FDP und der SPD kritisierten die Erklärung. Die CDU-Ministerinnen Hannelore Rönsch (Familie und Senioren) sowie Angela Merke! (Frauen und Jugend) äußerten zwar ihre"grundsätzliche
Übereinstim- mung", doch in einigen Punkten sei „Klärungsbedarf" vorhan- den. Kein Wunder: Nur wenige Punkte sind so eindeutig formu- liert wie die Liste der staatlichen Leistungen für Familien und Al- leinerziehende und die Ausfüh- rungen zur Verantwortung des Arztes.Die CSU spricht sich in ih- rer „Ansbacher Erklärung" klar gegen eine Fristenlösung aus.
Statt dessen solle eine Neurege- lung des § 218 zukünftig zwei In- dikationen umfassen: eine medi- zinische und eine schwere Notla-
Schwangerschaftsabbruch
Klärungsbedarf
genindikation. Der Beratung kommt nach Auffassung der CSU erhebliche Bedeutung zu, weswegen sie obligatorisch sein sollte. Mit der Beschränkung auf zwei Indikationen soll „klarge- stellt werden, daß für die Schwangere bei beiden Indika- tionen eine ähnlich schwere Konfliktlage vorausgesetzt wer- den muß".
Nicht jeder wird hier her- auslesen können, daß die beste- henden Indikationsregelungen nicht verschärft werden sollen, wie Ursula Männle erklärte. Die CSU-Politikerin leitete die Kom- mission, die die Erklärung erar- beitete. Eindeutig herauszulesen ist jedoch, daß die CSU in ihrer
„Ansbacher Erklärung" eine weitreichende Verantwortung der Ärzte und Ärztinnen fest- schreibt.
Verlangt wird für die Bera- tung von der Schwangeren, daß sie „ihre Notlage umfassend dar- legt und Richtigkeit und Voll- ständigkeit ihrer Darlegung schriftlich versichert". Der Arzt wiederum soll seine „Erkennt- nis" ebenfalls hinreichend (schriftlich) dokumentieren.
Zweck: „Die Entscheidung des Arztes muß jedenfalls daraufhin überprüfbar sein, ob die Voraus- setzungen einer Indikation of- fenkundig nicht vorgelegen ha- ben, die Bewertung des Arztes also nicht vertretbar war." Wel- che Position der Koalitionspart- ner CDU zur „Ansbacher Erklä- rung" genau einnehmen wird, ist noch nicht ganz klar. Hinwegge- setzt haben sich die bayrischen Politiker auf jeden Fall über die Position, die die Mehrheit der Ärzte auf dem Deutschen Ärzte- tag vertrat: Daß man die volle Verantwortung nicht in die Hand des Arztes legen könne, weil die seelische Not einer Frau nicht objektiv festgestellt wer- den kann. th
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er Krach war zu erwar- ten: In Österreich dürfen offenbar Ärzte, die das Ärztekammer-Diplom „Arzt für Psychotherapie" haben, keine Psychotherapie im Sinne des neuen Psychotherapiegesetzes betreiben — sie werden nicht in die Psychotherapeutenliste auf- genommen, die nach Gesetz auf- gestellt werden soll. Der für die- se Liste zuständige Psychothe- rapie-Beirat, dem Vertreter der Gewerkschaften, Sozialversiche- rungen, Psychotherapeuten und auch Ärzte angehören, steht so- gar auf dem Standpunkt, daß die Bezeichnung „Arzt für Psycho- therapie" mit dem Titel„Psychotherapeut" verwechselt werden könne und daher illegal sei.
Das kürzlich in Kraft getre- tene Gesetz sieht vor, daß der genannte Beirat Personen in die Liste aufnehmen und damit zur selbständigen psychotherapeu- tischen Tätigkeit zulassen kann,
Psychotherapie
Ärzte
ausgeschlossen?
die bestimmte Ausbildungen nachweisen können. Dabei wer- den auch Ausbildungen aner- kannt, die bei irgendwelchen einschlägigen Vereinigungen ab- geleistet worden sind. Tatsäch- lich sind — so berichtet einer der Ärztevertreter in dem Gremium, der Vizepräsident der oberöster- reichischen Ärztekammer und Psychiater Dr. Felix Fischer — bisher viele Personen in die Li- ste eingetragen worden, die nicht einmal aus der klinischen Psychologie kommen: Erzie- hungsberater, Bewährungshel- fer, Sozialarbeiter, Theologen werden so zu „nebenberuflichen Psychotherapeuten". Fischer
vermutet im übrigen, daß der ebenfalls im Beirat vertretene Dachverband der Psychothera- peuten die Ausbildung bei sich monopolisieren will, nicht zu- letzt, weil er damit viel Geld ver- dienen kann.
Apropos Geld: Der Krank- heitsbegriff des österreichischen Krankenversicherungsgesetzes soll ausgeweitet werden, damit diese Hobby-Psychotherapeuten genügend „Patienten" finden, die sie behandeln können. Und die Krankenkassen wollen 500 bis 800 Millionen Schillinge (70 bis 115 Millionen DM) zusätz- lich aufbringen, finanziert durch eine Erhöhung der Beiträge.
Hat da nicht in diesem unse- ren Lande ein Verband einmal behauptet, es wäre sogar viel bil- liger, wenn man die Psychologen zur Kassenpraxis zuließe?
Wahrscheinlich werden Österreichs Ärzte sich beim Verfassungsgericht zur Wehr setzen. bt
Dt. Ärztebl. 88, Heft 30, 25. Juli 1991 (1) A-2521