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Archiv "Museumsquartier in Wien: Die Moderne im Barock" (26.10.2001)

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ist überall. Am Flughafen, am Hauptbahnhof, in den U-Bahnhöfen, selbst vor dem Zentralfriedhof in Wien leuchten die weißen Schriftzeichen auf ei-

nem rotem Punkt dem Besucher entge- gen. Als ob es dort nicht schon genug Unterhaltung gäbe.

Aber der Wiener braucht eben nicht nur „eine scheene Leich“ (Nestroy), sondern auch Kunst und Musik. Lange sah es danach aus, als

ob das MuseumsQuartier (wie es sich offiziell schreibt; MQ ist das Logo) in den jahrzehn- telangen Rankünen und Intri- gen der Wiener Stadtpolitik begraben werden sollte, aber dann entsprang plötzlich nach nur 36-monatiger Bauzeit die

umstrittene Karteileiche wie Phönix aus der Asche und ver- setzte selbst die verwöhnten Wiener in einen Freuden- rausch. Allein 300 000 ström- ten bis Ende Juni auf das rie- sige Areal der ehe- maligen Hofstallun- gen, obwohl mit der Inbetriebnahme der neuen Kunst- halle nur die erste von drei „Eröff- nungsetappen“ statt- gefunden hat. „20 Jahre Streit und drei Jahre Bauzeit, das macht uns kei- ner nach“, scherzt Doris Trinker vom Wiener Tourismusverband. Wer mit dem Fiaker die Hofburg passiert, fährt zwischen viel Barock hindurch.

Er kommt am Kunsthistori- schen und

am Naturhistorischen Muse- um vorbei bis vor die 400 m lange, aber eher unauffällige Außenfassade des neuen Mu- seumsareals, das mit einer Fläche von 60 000 Quadrat- metern zu den zehn größten auf der Welt zählt. Die vom Barockbaumeister Fischer von Erlach zu Beginn des 18.

Jahrhunderts erbauten kai- serlichen Hofstallungen wur- den in den Originalfarben re- stauriert und bilden den äußeren Rahmen des Kom- plexes. „47/13 ergab die Farb- probe, also ein geschmacki- ges Apricot mit einem leich- tem Nusseinschlag, so haben wir es dann gemacht“, erklärt stolz der Farbverantwortli- che vom Bundesdenk-

malamt. Von den Neu-

bauten selbst sieht man aller- dings erst etwas, wenn man den Hof hinter der histori- schen Front betritt.

Weltgrößte

Egon-Schiele-Sammlung Zu heftig war der Widerstand gegen die Pläne der Architek- ten Laurids und Manfred Ort- ner, einen 67 m hohen Lese- turm als klares Zeichen für die Moderne ins Zentrum zu set- zen. So mussten die Architek- ten nicht nur den Turm strei- chen, sondern auch den hell- weißen Kubusbau für die milliardenschwere Sammlung Leopold und den schwarzen Würfel für die Samm- lung Ludwig zur Hälfte in die Er- de versenken, damit die Mo- derne den Ba- rock nicht

Museumsquartier in Wien

Die Moderne im Barock

Bericht aus dem größten Kulturzentrum Europas

Feuilleton

Hinter den Fassaden des Barocks war- tet Wien mit drei Museumsneubauten auf.

Foto: Roland Motz

„20 Jahre Streit und drei Jahre Bauzeit, das macht uns keiner nach.“

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 43½½26. Oktober 2001 AA2821

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A2822 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 43½½26. Oktober 2001

erschlägt. Seit September sind im Leopoldmuseum auf fünf Ebenen und einer Ausstel- lungsfläche von 5 400 Qua- dratmetern Meisterwerke von Klimt und Kokoschka, vor allem aber die weltgrößte Egon-Schiele-Sammlung zu sehen. Ganz anders das dunk- le „Mumok“, das Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien. Dort befinden sich die Künstlerwohnungen beziehungsweise Wohnate- liers des neu geschaffenen Quartiers 21.

Der anthrazitfarbene „Mo- nolith“ aus deutscher Ba- saltlava, zu dessen hoch ge- legenem Foyer eine zehn Me- ter breite Freitreppe führt, macht mit seinen schmalen Sehschlitzen und der ge- krümmten Dachfläche von außen einen strengen, abwei- senden Eindruck. Hier ist, ebenfalls seit September, die größte österreichische Samm- lung moderner und zeitgenös- sischer Kunst auf einer Fläche von 4 800 Quadratmetern zu sehen – unter Kunstlicht.

„Zeitgenössische Vitaminspritze“

„Wir wollen einen Image- wandel durch das MQ errei- chen“, sagt Doris Trinker im trendigen zwischen „Mu- mok“ und der Kunsthalle ge- legenen Café Halle. „Wien ist nicht nur die Stadt des Ba- rocks und des Theaters. Wien soll auch als Stadt moderner Kunst positioniert werden.“

Infolgedessen gibt es für das MuseumsQuartier auch kei- nen Museumsführer, sondern einen Eventguide. Aber noch hält es sich mit den Events in Grenzen. Sie finden bisher in der neuen Kunsthalle statt, die zusammen mit den gleich- zeitig bespielbaren Konzert-

hallen E und G die ehemali- ge, mit roten Klinkersteinen restaurierte Winterreithalle ausfüllen. Die Kunsthalle ver- steht sich als Werkstatt, als La- bor und als „Verhandlungs- ort“ für die junge, zeitgenössi- sche Kunst und verzichtet da- her auf eine auffällige domi- nierende Architektur. „Wir wollen die Inhalte unterstüt- zen“, meint Gerald Matt, der Chef der neuen Kunsthalle, zu dem funktionalen, zurückhal- tenden Bau ganz im

Dienst der aktuellen Kunst.

In der neuen Kunsthalle stinkt es ganz eindeutig. „Clo- aka“ heißt der be- staunte maschinelle Verdauungsapparat aus sechs gläsernen

Bioreaktoren, die mit Schläu- chen verbunden sind. Zwei- mal am Tag wird das Kunst- werk des Belgiers Wim Del- voye, das offensichtlich an Descartes’ Bild vom Mensch als Maschine erinnern will, mit Essensresten aus dem Re- staurant gefüttert.

„Attraktiv irritieren“ will Gerald Matt und dabei den Besuchern eine „zeitgenös- sische Vitaminspritze“ ver- passen. Neben beunruhigen- den Bildern und fleischlichen Wachsobjekten des 1988 an Aids gestorbenen Paul Thek

bestimmten deshalb mit Schreckensbotschaften be- schriftete, überdimensionale Totenköpfe aus Pappmaché die Ausstellung, mit der die Kunsthalle Wien als erste Einrichtung des neuen Mu- seumsquartiers in Vollbetrieb ging. Allerdings erschien das Motto „Eine barocke Party“

etwas aufgesetzt, auch wenn der Pressereferent des Mu- seums, Thomas Soraperra, meint, der Barock sei nicht nur an den historischen Fas- saden gegenwärtig, sondern auch die ausgestellten „künst- lerischen Positionen“ seien schließlich eine Art Spuren- suche nach „barocken Ideen in unserer Zeit“.

Das moderne Café Halle, in das man als Clou die ehe- malige Kaiserloge zur Win- terreithalle integriert hat, ist

vom jugendlichen Wiener Pu- blikum bereits voll angenom- men. Es fällt schwer, um die Mittagszeit einen freien Tisch zu ergattern, obwohl das über zwei Ebenen verteilte Cafére- staurant mit dem Edelstahl- design auch über eine große Terrasse im Freien verfügt.

Von der Terrasse, die einen Teil der Freitreppe zum „Mu- muk“ einnimmt, hat man ei- nen guten Überblick über das Gesamtareal. Zwei Milliar- den Schilling, knapp 300 Mil- lionen DM und damit genau im Kostenplan liegend, wur-

den in den größten Kultur- neubau in der Geschichte Österreichs gesteckt. Ent- standen ist nicht nur ein Mu- seumsQuartier, sondern ein neuer Stadtteil, der sich mit- ten im Zentrum der Stadt zwischen den ersten und den siebten Bezirk geschoben hat und die barocke Kulturmeile Hofburg und das Kneipen- viertel Spittelberg einander näher bringt. Wie pulsierend das Leben in dem durchgän- gig geöffneten neuen Kultur- areal sein kann und ob die an- visierte jährliche Besucher- zahl von mehr als einer Milli- on erreicht werden kann, wird sich noch zeigen, wenn die Restaurants, Cafés, Bars, Museumsshops und Buchlä- den zwischen den Grünoasen der verschiedenen Innenhöfe ihre Rolläden hochziehen. Im September und Oktober öff- neten nicht nur das Leopold Museum und „Mumuk“ ihre Pforten, sondern auch Tanz- quartier, Architekturzentrum, das „Zoom“ Kindermuseum und weitere Institutionen.

Vieles spricht dafür, dass die „Revitalisierung“ des lange lieblos als Messegelän- de genutzten und dann ver- nachlässigten, brachliegen- den Trakts gelingen wird.

Das letzte Urteil sprechen die vielen Besucher Wiens und nicht zuletzt die Wiener selbst. „Es wird“, so ver- spricht Doris Trinker, „ab Herbst ein MQ-Allround- Ticket geben.“ Wie viel es ko- sten wird und wie die Einnah- men zwischen den Museen verteilt werden, darüber wird hinter den Kulissen noch hef- tig gestritten, wie das in Wien halt seit Jahrhunderten so üb- lich ist. Roland Motz

Informationen:MuseumsQuartier Wien, Museumsplatz 1, A-1070 Wien.

Telefon: 08 20/600 600. Das MQ-Besucherzentrum in der Ovalhalle

am Haupteingang ist täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Besuch des durchgängig geöffneten Areals ist von zehn Zugängen aus möglich und unentgeltlich.

Ab Herbst wird es ein Gemeinschaftsticket für alle Museen geben.

Unter www.mqw.at finden sich umfangreiche Informationen zur Architektur, zu den verschiedenen Institutionen sowie ein täglich aktualisierter

Veranstaltungskalender mit zahlreichen Links. Internet: www.kunsthallewien.at, www.mumok.at, www.leopoldmuseum.org, www.kindermuseum.at

„Wien ist nicht nur die Stadt des Barocks und des Theaters. Wien soll auch als Stadt moderner Kunst

positioniert werden.“

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