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ls 1993 im Magazin Focus die Serie „Die 500 besten Ärzte Deutschlands“ erschien, löste sie eine wochenlange Debatte aus. Das juristische Nachspiel endete vor dem Bundesgerichtshof – mit einem Sieg für die Bayerische Landesärztekammer.Die Klage gegen eine zweite derarti- ge Veröffentlichung 1997 wurde aller- dings abgewiesen. Gegen das dritte Produkt, die „Ärzteliste 2000“, wurden die Gerichte erst gar nicht mehr bemüht. „Früher haben wir uns vor Gericht getroffen, heute in einem Ver- anstaltungssaal – eine tolle Verbesse- rung“, bemerkte Ulrike Bartholomäus ironisch. Die Focus-Redakteurin dis- kutierte während des diesjährigen Hauptstadtkongresses (Textkasten)mit anderen Fachleuten über „Patienten- information und Grenzen der
Werbung“. Dabei machte sie kein Hehl daraus, dass sie die bisherigen Angebote der Ärzteschaft sowie deren abwä- gende Haltung für überholt hält.
Bartholomäus verwies auf eine Befragung von 2 500 Bür- gern im Auftrag von Focus im vergangenen Herbst. 67 Pro- zent von ihnen hätten gern mehr Informationen über ihren Arzt, seine Kenntnisse und Erfahrungen. 71 Prozent befür- worteten eine Aufhebung des Werbeverbots. Es sei doch unbefriedigend, meinte die Focus-Redakteurin, dass man- che Kapitalanleger mehr In- formationen über ein neues Medikament besäßen als der Patient, der es einnehme – weil
börsennotierte Pharmafirmen ausführ- lich Rechenschaft über ihre Produkte ablegen müssten. Als unmöglich be- zeichnete sie auch eine Abmahnung, die
„Focus“ erhalten hatte, weil im Rahmen einer Ärzte-Serie Mediziner in Kitteln abgebildet waren. Leser erwarteten, dass Experten in ihrem Arbeitsumfeld abgebildet würden.
Ein Arzt, dem eine schwierige Ope- ration oder Entscheidung bevorstehe, wisse, welche Insider-Informationen er abfragen könne. Patienten stünden solche Möglichkeiten aber nicht zur Verfügung, kritisierte Bartholomäus.
Selbst wenn eine Klinik gewisse Da- ten veröffentliche, sei die Arbeit der Oberärzte beispielsweise häufig eine
„black box“: Wer sich worauf speziali- siert habe, wer vielleicht für schwierige
Gespräche besonders geeignet sei, blei- be meist offen.
Unwidersprochen blieb ihre Kritik nicht. Die Oberärzte seiner Klinik in- formierten auf einer Homepage über ihre Schwerpunkte, berichtete Prof. Dr.
med. Axel Ekkernkamp, Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstel- lungschirurgie in Berlin-Marzahn. Er gab darüber hinaus zu bedenken, dass es in der Medizin lange brauche, bis man Qualität messen könne. Bartho- lomäus räumte ein, dass es nur wenige Experten gebe, die wüssten, wie man Ärzte oder Kliniken vergleichen könne.
Qualität sei aber messbar, darauf be- harrte sie: „Ich sage nicht, dass es ein- fach ist.“
Dr. med. Ursula Auerswald, Präsi- dentin der Ärztekammer Bremen, ver- wies darauf, dass einige strenge Vor- gaben in der Berufsordnung in den letz- ten Jahren gelockert worden seien, so- dass den Ärzten mehr Information als früher möglich sei. „Man kann immer mehr machen“, räumte sie ein. Die Ärz- teschaft habe aber auch begründete Befürchtungen, zum Beispiel, dass bei Selbstdarstellungen im Internet fal- sche Facharztqualifaktionen aufgeführt würden. Rechtsanwalt Horst-Dieter Schirmer, Justiziar der gemeinsamen Rechtsabteilung von Bundesärztekam- mer und Kassenärztlicher Bundesverei- nigung, bezeichnete den Wissensdrang vieler Patienten als verständ- lich. Die Wirkung mancher Selbstdarstellung sei aber
„problematisch“. Häufig sei zudem ungeklärt, wer Behaup- tungen auf ihre Richtigkeit hin überprüfe.
Auerswald meinte darüber hinaus, dass oft weniger die Un- zufriedenheit mit einer fachli- chen Leistung als mit „Mensch- lichem“ eine große Rolle spiele.
Vergleiche seien dann proble- matisch, weil Patient A einen Arzt völlig anders empfinde als Patient B. Bartholomäus wies darauf hin, dass Focus nicht etwa Hausärzte miteinander verglichen habe. Die Listen seien eine Übersicht über hoch- spezialisierte Ärzte – und dabei gehe es sehr stark um Können und Expertise. Sabine Rieser P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 28–29½½½½16. Juli 2001 AA1861
Grenzen der Werbung
„Detaillierte Information hilft den Patienten“
Welches Maß an qualitativer Information über Ärzte ist sinnvoll? Darüber diskutierten Fachleute während des Haupt- stadtkongresses, unter anderem eine Focus-Redakteurin.
Hauptstadtkongress:
guter Dialog
Prof. Dr. med. Axel Ekkernkamp, wis- senschaftlicher Leiter des Fortbil- dungsangebots „Deutsches Ärzte- forum“ beim jüngsten Hauptstadt- kongress Medizin und Gesundheit (Mitte Mai), ist zufrieden: „Insgesamt nahmen knapp 5 000 Personen teil, davon 1 200 Angehörige der Kran- kenpflegeberufe.“ Besonders gut besucht waren die Eröffnungsveran- staltung, die Diskussion mit EU-Kom- missar David Byrne und der Ostdeut- sche Kassenärztetag (DÄ, Heft 21/
2001). Eine Fortbildung zu „Piercing“ fand großes Interesse. „Es ist gelungen, dieses Thema aus einer gewissen Schmuddelecke herauszuholen“, sagte Ekkernkamp. Viele Kongressteilnehmer besuchten die Veranstaltung „Herzinfarkt – Entlassung nach drei Tagen“. Ekkernkamp bedauerte allerdings, dass nur wenig As- sistenzärzte und -ärztinnen unter den Besuchern waren. Außerdem wurde eine Öffnung des Kongresses für die Berliner Bevölkerung so
gut wie nicht registriert. ✮
Prof. Dr. med. Axel Ek- kernkamp Foto: Bernhard Eifrig