einzuleiten, trat Schmidt auf die Bremse.
Bei der Bürgerversicherung stünde man – wie beim Kopfpauschalensystem der CDU – noch ganz am Anfang der De- batte. Weil sich unter dem Begriff der Bürgerversicherung vieles subsumieren lasse, wolle man sich für den Diskus- sionsprozess Zeit lassen.
Dies dürfte der Union gelegen kom- men. Denn nach wie vor sind sich CDU und CSU uneins, wie man sich gegen die Bürgerversicherung positionieren soll.
Als „schwierig“ bezeichnete Seehofer den Plan der Schwesterpartei, im Rah- men des Kopfpauschalensystems den Ausgleich für sozial Schwache über den Bundeshaushalt vorzunehmen. Hierfür stehe kein Geld zur Verfügung. Außer- dem werde die Gesundheitspolitik so zum „jährlichen Spielball des Finanzmi- nisters“. Die Folge wäre eine „schlei- chende Verstaatlichung“ der Versor- gung. Eine Sorge, die auch Bundesärz- tekammer-Präsident Prof. Dr. med. Dr.
h. c. Jörg-Dietrich Hoppe teilt. Er legte sich auf keines der diskutierten Model- le fest, appellierte aber an die Politik,
den Patienten wieder in den Mittel- punkt ihrer Überlegungen zu stellen.
Hoppe: „Bisher hatten wir vor allem Kostendämpfungspolitik. Richtige Ge- sundheitspolitik soll ja noch kommen.“
Warten auf die
„eigentlichen“ Aufgaben
Auch der Gemeinsame Bundesaus- schuss (GBA) musste nach den Worten seines neuen Vorsitzenden Dr. jur. Rai- ner Hess auf seine „eigentlichen“ Auf- gaben warten. Zunächst habe man nur die Schulaufgaben für die Politik erle- digt. Nunmehr wolle man beginnen, un- ter Berücksichtigung von Innovationen die Qualität und Wirtschaftlichkeit im deutschen Gesundheitswesen zu ver- bessern. So will der GBA in den näch- sten Wochen eine Entscheidungsbasis veröffentlichen, auf deren Grundlage er künftig den Zusatznutzen von Verfah- ren und Arzneimitteln im Verhältnis zu den Kosten bewertet. Dabei sollen nichttherapierelevante Arzneimittel und
Scheininnovationen keine Berücksich- titgung finden, sagte Hess. Unterstützt wird der GBA bei seiner Aufgabe von dem neu zu gründenden Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Ge- sundheitswesen. Es soll unabhängig vom GBA den aktuellen medizinischen Wissensstand darstellen und den Nut- zen von Verfahren und Arzneimitteln isoliert von den Kosten bewerten (dazu auch „Institut für Qualität und Wirt- schaftlichkeit: Horrorszenario oder ,zahnlose Tiger‘?“ in diesem Heft). Dass der GBA, der immer auch die Kosten im Auge behalten muss, vonseiten der Industrie argwöhnisch beäugt wird, liegt in der Natur der Sache. Wurde dem
„alten“ Bundesausschuss bislang doch häufiger vorgeworfen,ein „Hemmschuh“
für den medizinischen Fortschritt zu sein und einer zeitnahen Einführung von Innovationen im Wege zu stehen.
Zuverlässig zu beurteilen, ob es sich bei einem neuen Medikament um eine echte, eine relative oder nur eine Pseu- doinnovation handelt, ist jedoch kein leichtes Unterfangen. Die Verwendung von Stereoisomeren, von aktiven Sub- stanzen bekannter Medikamente oder von Analoga ohne primär unterschied- liche Wirkung sind altbekannte Tricks der Pharmaindustrie. „Häufig wird der Wirkungsnachweis von Arzneimitteln auch nur aufgrund von Surrogat-Varia- blen erbracht“, sagte Prof. Dr. med.
Bernd Mühlbauer, Bremen. Die Häu- figkeit von unerwarteten Nebenwir- kungen könne somit nicht beurteilt werden. „Optimal wäre es, Nachzulas- sungs-(Phase-IV-)Studien zu fordern“, meint der Pharmakologe.
Unverständnis zeigte Mühlbauer für den „Freibrief“, den einige Substanzen bei der Bewertung durch die Politik er- hielten. So hatte Anfang des Jahres das Bundesgesundheitsministerium die Aufnahme von Homöopathika und An- throposophika in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen durch- gedrückt, obwohl deren Wirksamkeit nicht evidenzbasiert ist. Eine Tatsache, über die sich auch Rainer Hess verär- gert zeigte. „Künftig sind wir nicht be- reit, uns politischen Ansichten zu beu- gen“, sagte der GBA-Vorsitzende. „Sonst verspielen wir das Vertrauen der Bevöl- kerung.“ Samir Rabbata, Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann P O L I T I K
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A1706 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2411. Juni 2004
Hauptstadtkongress 2004 – Eine Bilanz
Am Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit vom 2. bis 4. Juni nahmen in diesem Jahr 5 600 Fachleute aus Medizin, Management, Pflege, Politik und Wirtschaft teil. Zum siebten Mal warteten die Veranstalter der drei zusammengeführten Fachkongresse für Klinikmanagement, Medizin und Pflege neben den gesundheitspolitischen Angeboten drei Tage lang mit einem vielfältigen Fortbildungsangebot auf.
Fünf Monate nach dem In-Kraft-Treten des GKV-Modernisierungsgesetzes zog der Kongress vor allem eine erste gesundheitspolitische Bilanz. Aber auch internationale Themen wurden berücksichtigt. So berichtete beispielsweise Finnlands Gesundheitsministerin Liisa Hyssälä über das finnische Gesundheitssystem und diskutierte gemeinsam mit Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt über „Europäische Gesundheitssysteme zwischen Solidarität und Eigenverantwor- tung“. Beim Forum der Europäischen Kommission ging es um aktuelle Trends in der EU-Gesund- heitspolitik und um Fragen zum europäischen Gesundheitsmarkt sowie Herausforderungen und Möglichkeiten im Bereich Gesundheit im erweiteren Europa.
Der Kongress Krankenhaus, Klinik, Rehabilitation 2004 widmete sich unter der Leitung von Prof. Dr. Heinz Lohmann, Vorstandssprecher des Gesundheitsunternehmens LBK Hamburg, dem Thema „Gesundheitswirtschaft im Interesse der Patienten“. Dabei diskutierten Klinikmanager erste Erfahrungen mit den neuen Krankenhaus-Fallpauschalen sowie Wand- lungsprozesse an den Universitätskliniken.
Höhepunkte des Deutschen Ärzteforums 2004unter der Leitung von Prof. Dr. med. Axel Ekkernkamp, Ärztlicher Direktor des Unfallkrankenhauses Berlin, waren Veranstaltungen zu Strategien für das Krankenhaus der Zukunft, zur Chirurgie sowie zu Dekompensierter Herzinsuf- fizienz und zu Atemwegserkrankungen. Gleichzeitig wurden Erfolgsbeispiele für eine gelungene medizinische Prävention im Alltag vorgestellt.
Geleitet von Marie-Luise Müller, Präsidentin des Deutschen Pflegerates, richtete sich der Deutsche Pflegekongress 2004an Pflegende aller Versorgungsbereiche. Im Mittelpunkt stand unter anderem neues Praxiswissen zum DMP-Modul „Chronische Wunde“ sowie das aus Kanada stammende Personal-Bemessungsinstrument „PLAISIR“ in der Altenpflege. ER