P O L I T I K
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A738 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 12½½½½23. März 2001
rald Ringstorff die Veränderung. Dem neuen Justizminister Erwin Sellering (SPD) ist durch eine Novellierung im Psychischkrankengesetz (PsychKG) die Aufsicht über die äußere und innere Si- cherheit in den forensischen Kliniken übertragen worden. Für den Bereich Therapie bleibt weiterhin das Sozial- ministerium zuständig. Im März wurde in Gehlsdorf bei Rostock die dritte forensische Klinik in Mecklenburg- Vorpommern eröffnet. In dem 27 Mil- lionen DM teuren Bau können 80 Pa- tienten behandelt werden. Protesten aus der Bevölkerung gegen den Bau setzt Sellering entgegen, dass ein zwei- facher Sicherheitsring um die Klinik gezogen werde.
Viel zu wenig Plätze
In den forensischen Kliniken in Nord- rhein-Westfalen (NRW) ist die Zahl der Entweichungen kontinuierlich gesun- ken (von 668 im Jahr 1990 auf 296 im Jahr 1998). Doch die durch den Fall Schmökel hervorgerufenen Ängste „ha- ben uns wieder zurückgeworfen in un- seren Bemühungen um die neuen Fo- rensik-Standorte“, klagt Angelika Ma- ria Wahrheit, Pressesprecherin Birgit Fischers, NRW-Ministerin für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit. Fünf neue Standorte (Textkasten) mit 470 Therapieplätzen sollen der drückenden Enge in der Forensik abhelfen. In den sieben Fachkliniken sind zwar nur 1 147 Plätze vorhanden, doch 1 610 Patienten sind dort untergebracht. Neben den neuen Standorten hat in dem von Mini- sterin Fischer im November vorgeleg- ten Konzept für den Maßregelvollzug
„Sicherheit höchste Priorität“:
❃Speziell geschulte Sicherheitsfach- kräfte sollen die Sicherheitskontrollen und -vorkehrungen in den Kliniken ver- bessern.
❃ Der Maßregelvollzugsbeauftragte soll ein Kommunikationsnetz mit Ge- richten und Vollstreckungsbehörden aufbauen.
❃Im Westfälischen Zentrum für Fo- rensische Psychiatrie Lippstadt-Eickel- born wurde ein Fortbildungszentrum für Gutachter eingerichtet.
❃Um die Qualität von Gutachten zu steigern, haben die Ärztekammern die Führung der Gutachterlisten übernom- men.
Darüber hinaus sieht das Konzept vor, am Institut für forensische Psych- iatrie von Prof. Leygraf in Essen 54 Plätze zur Diagnostik und Begutach- tung psychisch kranker Straftäter ein- zurichten.
Sechs regionale Bürgerinitiativen haben sich in Nordrhein-Westfalen zu- sammengeschlossen, um gegen die neu- en Standorte zu protestieren. Schon einmal, im September 1996 im west- fälischen Herten, wurde der Bau ei- ner forensischen Klinik durch massive Bürgerproteste verhindert. Um den Bau einer Klinik auch gegen den Willen der Kommunen durchzusetzen, änder- te die Landesregierung Mitte 1999 das Maßregelvollzugsgesetz. Anstelle der Landschaftsverbände ist jetzt das Land zuständig. Die Landesbehörde im Ge- sundheitsministerium wird geleitet von dem Maßregelvollzugsbeauftragten Uwe Dönisch-Seidel, Dipl.-Psych.
Wann die erste der neuen Einrich- tungen im bevölkerungsreichsten Bun- desland gestartet werden kann, ist un- klar. „Im günstigsten Fall in zwei bis drei Jahren“, heißt es aus dem Mi- nisterium. Unerwartete Unterstützung für die Durchsetzung der Standorte erhielt die Landesregierung von der CDU. Im Gegenzug verlangt die Op- position im Landtag, dass im Maßre- gelvollzugsgesetz statt des Therapiean- spruchs des Täters die Sicherheit der Bürger an erster Stelle genannt wird.
Birgit Fischer kontert, in ihrem Kon- zept habe der Schutz der Bürger bereits absoluten Vorrang. Ausreichende Be- handlungsplätze seien zudem Grund- voraussetzung für die Sicherheit der
Bürger. Petra Bühring
Neue Standorte für forensische Kliniken/
Abteilungen in NRW
❃Köln/Porz-Westhoven: neue Klinik mit 126 Plätzen
❃Dortmund-Aplerbeck: neue Abteilung mit 54 Plätzen auf dem Gelände des Westfälischen Zentrums für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
❃Herne: neue Klinik mit 90 Plätzen
❃Duisburg: neue Klinik mit 90 Plätzen
❃Münster/Amelsbüren: neue Abteilung mit zunächst 36 und später 54 Plätzen Textkasten
Zu dem im Heft 10/2001 erschienenen gleichnamigen Artikel von Klaus Koch stellen zwei der im Artikel genannten Wissenschaftler richtig:
D
ie Behauptung, die Autoren einer Arbeit im New England Journal of Medicine (NEJM) hatten Datenlücken nach „Erfahrung gefüllt“ und nachträg- lich Daten aus den Akten der Hausärz- te herbeigeholt, ist falsch. Richtig ist, dass bereits bei der Durchführung (1993 bis 1994) der im NEJM publizier- ten Studie Laborwerte entlassener Pati- enten von Hausärzten mit erhoben wur- den und diese dann in der Publikationmit eingegangen sind. Zum Zeitpunkt der Re-Analyse der Studie im Jahr 2000 konnten die Unterlagen in Freiburg nicht mehr vollständig analysiert wer- den. Allein aus diesem Grund haben sich die Verfasser bei den Hausärzten erkundigt und diese gebeten, den da- maligen Sachverhalt zu verifizieren.
Der Vorwurf eines gravierenden Ver- stoßes gründet somit auf einem falschen Sachverhalt. Der wahre Sachverhalt wurde bei der Anhörung vor der Frei- burger Kommission am 27. November 2000 ausführlich erörtert.
Zur Erklärung des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Hämatolo- gie und Onkologie (DGHO) sei ange- merkt, dass bei der kurzen Anhörung vor dem Ältestenrat der DGHO am 7. Dezember 2000 diesem unsere de- taillierte Stellungnahme für die Deut- sche Forschungsgemeinschaft zum Ge- samtkomplex nicht bekannt war und der Vorstand der DGHO bei dieser An- hörung selbst nicht anwesend war.
Prof. Dr. Lothar Kanz, Doz. Dr. Wolfram Brugger Medizinische Klinik, Universität Tübingen
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel bezieht sich auf ei- nen Kommissionsbericht, der als Presseinformation der Universität Freiburg in voller Länge nachzulesen ist unter:
www.uni-freiburg.de/presse/eser.html Medizinreport