DEUTSCHES ARZTEBLATT
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offentlich vergessen die Unionsparteien nicht, daß sie zum Regieren wiedergewählt wurden. Was sol- len die unsinnigen Streitereien?Unionsmannen, die sich allzu si- cher fühlten, sogar von der ab- soluten Mehrheit träumten, sind unsanft geweckt worden. Die Realität ist nämlich, daß für die Mehrheit der Wähler die Koali- tion zur Wahl stand; und die wurde gewählt, ja ausdrücklich bestätigt. Denn die entscheiden- den Prozentpunkte, die der FDP durch das Stimmensplitting zukamen, stammen nun einmal von den Wählern der Mitte, die diese Kombination aus Union und FDP wollen.
Die satte Mehrheit der Ko- alition reicht wirklich fürs Re- gieren. Wenn man nur will. Und wenn die Koalition sich wieder daran macht, dann steht sie vor den selben Problemen wie vor dem 25. Januar. Zu den gewich-
Regierungsprogramm
Alte Probleme
tigsten gehören zwei sozialpoli- tische: Reformen der Renten- versicherung und der Kranken- versicherung.
In Bonn gab es in dieser Hinsicht bisher eine stillschwei- gende Aufgabenverteilung: Der CDU (und auch der CSU) kam die Sozialpolitik zu, die FDP hielt sich zurück zugunsten der Wirtschaftspolitik. Diese Ver- teilung dürfte zwar im wesent- lichen bleiben. Es könnte je- doch zu Akzentverschiebungen kommen, nachdem die FDP vor der Wahl prononciert zur So- zialpolitik Position bezogen hat.
Das Wahlergebnis mag sie darin bestärken, daß auch sozialpoli- tisch etwas von ihr erwartet wird. Vergleicht man die Wahl-
aussagen der Koalitionsparteien (unseren Lesern sei Heft 4 zur vergleichenden Lektüre emp- fohlen), dann wird es über die Rentenpolitik noch den wenig- sten Streit geben. Denn alle Ko- alitionsparteien wollen im Prin- zip beim Generationenvertrag bleiben und die Renten weiter- hin versicherungsrechtlich absi- chern. Zu leichten Differenzen könnte es wegen der Versor- gungswerke der Freien Berufe
kommen. Für deren Bestand ha- ben sich zwar alle Koalitionspar- teien ausgesprochen; die CDU ließ aber offen, ob bei einer Neuordnung der allgemeinen Rentenversicherung nicht auch die Versorgungswerke in gewis- ser, einstweilen nicht näher be- stimmter Weise, anzupassen wä- ren.
Weit auseinander stehen die Koalitionsparteien in Sachen Krankenversicherung. Während CDU und CSU die gesetzliche Krankenversicherung im we- sentlichen unangetastet lassen und nur vorsichtige Korrekturen anbringen möchten, setzt sich die FDP für Wahltarife und mit- telfristig sogar für ein neues Sy- stem, das der Kostenerstattung, ein. Im Grunde ist diese Alter- native — Beharren oder neues System — nicht miteinander in Einklang zu bringen. Es mag Kompromisse geben; sie sind zur Zeit nicht in Sicht. Am wahrscheinlichsten wird es sein, daß die Koalition den kleinsten gemeinsamen Nenner sucht.
Das würde bedeuten, daß aus der Strukturreform der gesetzli- chen Krankenversicherung nichts wird. Andererseits wird sich die Bundesregierung unter Handlungszwang fühlen. Schon die alte Regierung (die ja auch die neue sein wird) hatte immer wieder bekräftigt, ihr oberstes Ziel sei die Beitragssatzstabili- tät. Und somit eröffnen sich für das Gesundheitswesen unange- nehme Aussichten: Ein weiteres Kostendämpfungsgesetz unter neuem Namen („Strukturre- form") nach altem Muster („Deckel drauf") ist nicht aus- geschlossen. NJ
Neue gesetzliche Musterregelung in Kraft
Am 1. Februar 1987 ist eine neue gesetzliche Regelung zur Musterabgabe in Kraft getreten. Danach dürfen pharma- zeutische Unternehmer Muster eines Fertigarzneimittels Ärz- ten, Zahnärzten und Tierärzten nur noch aufgrund einer je- weiligen schriftlichen Anforderung zur Verfügung stellen. Die Abgabe von Mustern ist jedoch beschränkt auf die kleinste Packungsgröße und auf zwei Fertigarzneimittel pro Arzt und Jahr. Klarstellend ist darauf hinzuweisen, daß zwei Muster von jeder Darreichungsform und jeder Stärke eines Fertigarz- neimittels abgegeben werden dürfen.
Das Muster hat damit künftig eine andere Funktion. Es dient nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 47 Abs. 4 AMG) künftig nur noch der „Information des Arztes über den Ge- genstand des Arzneimittels". Das Muster ist also mehr oder weniger künftig nur noch ein Anschauungsmuster und nicht mehr zur Erprobung gedacht.
Der Gesetzgeber hat damit einen Schlußstrich unter die jahrelange Diskussion über Möglichkeiten einer Beschrän- kung der Musterabgabe gezogen. Wir bitten daher, daran mit- zuwirken, daß durch diese weitere gesetzliche Beschränkung die Musterabgabe in vernünftige Bahnen gelenkt werden kann und damit weiteren Diskussionen über die Musterabga- be der Boden entzogen wird.
Bundesärztekammer: Dr. Karsten Vilmar,
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V.:
Erik von Davidson,
Kassenärztliche Bundesvereinigung:
Prof. Dr. Siegfried Häußler.
Dt. Ärztebl. 84, Heft 6, 4. Februar 1987 (1) A-233