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Archiv "Gesetzliche Rentenversicherung: Böses Erwachen der „Freiwilligen“" (19.08.1983)

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DEUTSCHES

• ZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Gesetzliche Rentenversicherung

Böses Erwachen der „Freiwilligen"

Wer sich freiwillig in der Renten- versicherung abgesichert hat, muß um seinen Versicherungs- schutz fürchten. Um den näch- sten Rentenanpassungstermin zum 1. Juli 1984 zu retten, hat Bundesarbeitsminister Dr. Nor- bert Blüm vorgeschlagen, die Leistungsvoraussetzungen für Berufs- und Erwerbsunfähig- keitsrenten zu verschärfen. Das Vorhaben trifft auch Freiberufler und besonders deren Ehefrauen, die glaubten, sich durch die frei- willige Rentenversicherung zu- sätzlich absichern zu können.

Von 1984 an soll nur noch der Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung eine Invalidenrente erhalten, der in den letz- ten fünf Jahren vor dem Versicherungsfall für wenigstens drei Jahre Beiträge für eine versicherungspflichtige Tätigkeit entrich- tet hat. Die Bundesregierung hat diesen Vorschlag des Bundesar- beitsministers in das Haushaltsbegleitgesetz übernommen. Bun- desrat und Bundestag werden darüber bis zum Jahresende ent- scheiden.

Die Konsequenzen dieses Vorschlags sind nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Sie sind jedoch weitreichend. Bundesarbeits- minister Dr. Norbert Blüm ist nämlich dabei, der freiwilligen Versicherung die Grundlage zu entziehen. Die neue Vorschrift bedeutet, daß künftig mit freiwilligen Beiträgen kein Versiche- rungsschutz mehr gegen das Risiko der Erwerbsminderung vor Erreichen der Altersgrenze aufgebaut werden kann. Bei einem begrenzten Personenkreis wird ein zentraler Bereich der Lebens- vorsorge getroffen. Erwerbsminderung und Erwerbsunfähigkeit gehören zu den großen Lebensrisiken, die nur kollektiv abgesi- chert werden können.

Blüms Vorschlag trifft vor allem Hausfrauen und solche junge Menschen, die sich eine selbständige Existenz aufbauen wollen und die noch keine 60 Beiträge entrichtet haben. Jene freiwillig Versicherten, die bereits mehr als 60 Beiträge nachweisen kön- nen und erwerbstätig sind, können ihren Invaliditätsschutz ret- ten, wenn sie regelmäßig hohe Beiträge entrichten. Verlangt werden 36 Mittelbeiträge in den fünf Jahren vor dem Versiche- rungsfall.

Das bedeutet also, daß jährlich wenigstens acht Mittelbeiträge bezahlt werden müssen. Der Mittelbeitrag, der jährlich der Ein- kommensentwicklung angepaßt wird und der auch bei Beitrags- satzerhöhungen steigt, beträgt 1984 annähernd 500 Mark. Zur Sicherung des Invaliditätsschutzes müßten 1984 also achtmal 500 Mark gleich 4000 Mark bezahlt werden, die im Regelfall aus versteuertem Einkommen aufzubringen sein werden. Dies gilt für Freiberufler, Selbständige, Beamte und Angestellte, die sich 1968

Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 33 vom 19. August 1983 15

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Die ormation:

Bericht und Meinung Rentenversicherung

von der Versicherungspflicht be- freien ließen und die ihre Renten- versicherung freiwillig weiterge- führt haben.

Kein "Vertrauensschutz"

für Hausfrauen

Dies gilt aber nicht für die Haus- frauen, die Ende des Jahres ihren Invaliditätsschutz verlieren, den sie sich mit Pflichtbeiträgen und/

oder mit freiwilligen Beiträgen aufgebaut haben. Für die Haus- frauen sollen weder die Verfas- sungsgrundsätze des Vertrauens- schutzes noch irgendwelche den Eingriff mildernde Übergangsre- gelungen gelten. Allein die Mütter mit Kindern werden etwas besser behandelt; sie sollen den Invalidi- tätsschutz fünf Jahre lang be- halten.

Blüm begründet diese weitrei- chenden Eingriffe in wohlerwor- bene Anwartschaften bei einem begrenzten Personenkreis mit dem Hinweis, daß die Funktion der Rente, ausfallendes Erwerbsein- kommen zu ersetzen, gestärkt werden müsse. Die Rentenversi- cherung könne nicht mehr als Volksversicherung weitergeführt werden, die bei jedermann alle Ri- siken abdecke. Entweder müsse die Rentenversicherung auf ihren Kernbereich, die Arbeitnehmer, begrenzt werden, oder die Beiträ- ge müßten massiv angehoben werden, oder das Rentenniveau sei fühlbar zu senken.

Diese Logik überzeugt nicht, denn freiwillige Beiträge vermitteln kei- ne höheren Anwartschaften, son- dern eher niedrigere. Mit freiwilli- gen Beiträgen sind heute schon durchweg keine Ersatz- und Aus- fallzeiten zu sichern; freiwillige Beiträge begründen auch keinen Anspruch auf Rente nach Mindest- einkommen. Wenn jetzt aber mit freiwilligen Beiträgen prinzipiell kein Invaliditätsschutz mehr auf- gebaut werden kann, so bedeutet dies - in der Mehrzahl der Fälle auch rückwirkend - eine Abwer- tung der freiwilligen Beiträge ge-

genüber den Pflichtbeiträgen.

Gleich hohe Beiträge führen zu unterschiedlichen Ansprüchen auf Versicherungsleistungen. Die frei- willig Versicherten werden end- gültig zu Versicherten zweiter Klasse degradiert, die nicht auf den Schutz ihrer Anwartschaften zählen können.

Nun ist zuzugeben, daß die Invali- denversicherung im Rahmen der Rentenversicherung der Reform bedarf. So ist es problematisch, zwischen berufs- und erwerbsun- fähig zu unterscheiden, zumal da- mit unterschiedlich hohe Renten verbunden sind.

..,.. Entscheidend aber ist, daß die Zahl der Erwerbsunfähigkeitsren- ten in den letzten Jahren rasant gestiegen ist, während die um ein Drittel niedrigere Berufsunfähig- keitsrente ihre Funktion verloren hat. Immer mehr Versicherte ver- suchen, über die Rente wegen Er- werbsunfähigkeit früher ihre Ren- tenansprüche zu verwirklichen.

Auch beantragen viele Hausfrau- en, die die Voraussetzungen für den Bezug der Altersrente (15 Bei- tragsjahre) nicht erfüllen können oder wollen, Renten wegen Er- werbsunfähigkeit. Vom Renten- neuzugang des letzten Jahres ent- fallen bereits mehr als 50 Prozent auf Renten wegen Erwerbsunfä- higkeit. Die Mehrzahl der Versi- cherten, denen eine Erwerbsunfä- higkeitsrente zugesprochen wur- de, hat in den letzten drei Jahren keinen Beitrag gezahlt. Zweifellos wird die Rentenversicherung da- durch unzumutbar belastet.

Überzogene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts

Dies hat aber nur wenig mit der freiwilligen Versicherung zu tun, sondern mehr mit der Rechtspre- chung des Bundessozialgerichts, das die Rentenversicherung ver- pflichtet, einem Versicherten des- sen Erwerbsfähigkeit gemindert ist, immer dann eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren, wenn kein zurnutbarer Teilzeit-Ar-

beilsplatz angeboten werden kann. Das ist heute die Regel. Die- se Rechtsprechung macht also die Rente nicht nur vom Grad der Er- werbsminderung sondern auch von der Lage am Teilzeit-Arbeits- markt abhängig.

Das hat zum Beispiel auch dazu geführt, daß einer Hausfrau mit ei- ner relativ geringfügigen Erwerbs- minderung, der kein Teilzeitar- beitsplatz zugewiesen werden kann, eine Rente wegen Erwerbs- unfähigkeit gewährt wird, obwohl diese Frau jahrelang nicht er- werbstätig war und vielleicht gar nicht arbeiten möchte. Das Gesetz sieht dagegen lediglich vor, daß eine Rente wegen Berufsunfähig- keit gezahlt wird, wenn der Versi- cherte bei einer Regelarbeitszeit von acht Stunden wegen der Er- werbsminderung weniger als vier Stunden täglich arbeiten kann. Als erwerbsunfähig gilt nach dem Ge- setz ein Versicherter, der regelmä- ßig nicht einmal zwei Stunden ar- beiten kann.

Erworbene Ansprüche

sollen einfach beseitigt werden Niemand wird bestreiten, daß es nötig ist, die Übertreibungen der Rechtsprechung zu beseitigen.

Aber genau das tut Blüm nicht.

Für die Masse der Versicherten, die Pflichtversicherten, ändert sich nach den Vorschlägen Blüms nämlich überhaupt nichts. Die An- wartschaften der freiwillig Versi- cherten werden nicht, was ver- ständlich wäre, auf das vom Ge- setzgeber vorgesehene Maß zu- rückgeschnitten; sie werden kur- zerhand gestrichen. Um Einspa- rungen zu erzielen, werden die mit Beiträgen erworbenen Rentenan- sprüche einer Minderheit einfach beseitigt, während die Masse der Versicherten weiterhin über den gesetzlich verbrieften Rahmen hinaus begünstigt wird. Das hat nichts mit vertrauensbildender Po- litik zu tun. Das muß zu einer wei- teren Verunsicherung aller Versi- cherten, insbesondere der freiwil- lig Versicherten, führen. [>

16 Heft 33 vom 19. Auaust 1983 80. Jahraana DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausaabe A

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Die Information:

Bericht und Meinung Rentenversicherung

Folgen noch

weitere Einschränkungen?

Die Bundesregierung verstößt ge- gen den verfassungsrechtlich ge- botenen Vertrauensschutz und greift entschädigungslos in An- wartschaften ein, die mit Beiträ- gen erworben sind und damit Eigentumscharakter haben, was nach der bisherigen Rechtspre- chung des Bundesverfassungsge- richts als grundgesetzwidrig anzu- sehen ist.

Den freiwillig Versicherten kann nicht mehr geraten werden, Bei- träge an die Rentenversicherung zu entrichten. So ließe es sich ei- nes Tages mit der Begründung Blüms, daß Renten ausfallendes Arbeitsentgelt ersetzen sollten, auch rechtfertigen, bei den Haus- frauen nicht nur die Ansprüche auf Invaliditätsrente, sondern auch auf Altersrente ganz zu strei- chen.

Wer den freiwillig Versicherten heute zumutet, zur Sicherung des Invaliditätsschutzes acht Mittel- beiträge zu entrichten, der kann morgen schon 12 Höchstbeiträge verlangen und diese Bedingung dann auch noch für die Gewäh- rung der Altersrente setzen.

Blüm hat in seiner Not, die Ren- tenversicherung finanzierbar zu halten, offensichtlich die weitrei- chenden Konsequenzen seiner Vorschläge und möglicherweise auch die Gefahr verkannt, daß sich die Finanzlage der Rentenversi- cherung wegen der zu erwarten- den Beitragsausfälle noch weiter verschlechtert.

Die bayerische Staatsregierung hat dies offensichtlich erkannt. Sie drängt über den Bundesrat Bun- desregierung und Bundestag, nach einer Lösung zu suchen, bei der erworbene Anwartschaften ge- schützt werden oder durch ange- messene Beitragsleistungen gesi- chert werden können. Der Gesetz- geber muß seiner Verantwortung gerecht werden.

Walter Kannengießer

Bundesgesundheits- ministerium:

Kein Risiko

bei Hepatitis-B-Impfung

Der Unfallverhütungsausschuß der

„Berufsgenossenschaft für Ge- sundheitsdienst und Wohlfahrts- pflege" hat im Frühjahr dieses Jahres ein Merkblatt zur aktiven Immunisierung gegen Hepatitis B erarbeitet, das im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT (Heft 20 vom 20. Mai 1983) der ärztlichen Öffentlichkeit bekanntgemacht wurde. Wegen der insbesondere in der allgemei- nen Presse, aber auch in Teilen der „Fachpresse" in der letzten Zeit veröffentlichten Spekulatio- nen über eine mögliche Gefähr- dung durch einen erworbenen Im- mundefekt (AIDS) im Zusammen- hang mit der aktiven Schutzimp- fung gegen Hepatitis B ist der Bundesminister für Jugend, Fami- lie und Gesundheit gebeten wor- den, eine Stellungnahme zu der öffentlich geführten Diskussion abzugeben.

Prof. Dr. Franke hat sich für dieses Ministerium wie folgt geäußert:

„Der Wissenschaftliche Beirat für Sera und Impfstoffe des BMJFG hat am 10. Juni 1983 auf einer au- ßerordentlichen Sitzung im Paul- Ehrlich-Institut festgestellt, daß keine Zweifel an der Unschädlich- keit der in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen HB- Vakzinen bestehen.

Im In- und Ausland sind bei einer Zahl von bisher etwa 850 000 Imp- fungen weltweit keine Tatsachen bekannt geworden, die auf einen ursächlichen Zusammenhang der Hepatitis-B-Impfung mit AIDS- Erkrankungen zu schließen er- lauben.

Darüber hinaus stellt der Beirat fest, daß die zugelassenen Impf- stoffe nach dem wissenschaftli- chen Erkenntnisstand unbedenk- lich sind und ihr Nutzen ein ledig- lich hypothetisches Risiko ent- scheidend übertrifft."

NACHRICHTEN

Aufgrund dieser Aussage emp- fiehlt die „Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohl- fahrtspflege" den in ihrem Bereich gefährdeten Beschäftigten (s. das genannte Merkblatt) nunmehr dringend, von der Möglichkeit der für sie freiwilligen aktiven Schutz- impfung gegen Hepatitis B Ge- brauch zu machen.

Eine WHO-Expertengruppe für Vi- rus-Hepatitis hat nach Beratungen (vom 25. bis zum 28. Juli 1983 in Genf) festgestellt, daß die bisher offiziell zugelassenen Hepatitis-B- Impfstoffe

> zu einem hohen Prozentsatz ei- ne Hepatitis B verhindern,

> keine wesentlichen Nebenreak- tionen auslösen und

> kein Anhalt dafür besteht, daß sie andere Krankheiten einschließ- lich AIDS übertragen.

Die Fortführung und Ausdehnung des Hepatitis-B-Impfprogrammes in allen Teilen der Welt wurde von der Expertengruppe deshalb nachdrücklichst empfohlen. hpb

Versorgungswerke — Blüm beruhigt

Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm hat dem Präsidenten der Bundesärztekammer versichert,

„daß die ärztlichen Versorgungs- werke in die Überlegungen zur Rentenreform nicht einbezogen werden". Vilmar hatte Blüm um eine entsprechende Klarstellung gebeten, nachdem aus Blüms Re- de vor der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesver- einigung am 9. Mai 1983 in Kassel der Eindruck entstehen konnte, als sei beabsichtigt, auch die Ver- sorgungswerke in „Reformüberle- gungen", ähnlich wie sie unter frü- heren Bundesregierungen schon gehegt wurden, einzubeziehen.

(Dazu auch die Meldung „Blüm:

Keine Gefahr für Versorgungswer- ke" in Heft 27/29 1983.) EB Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 33 vom 19. August 1983 17

Referenzen

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