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Archiv "Gewerbliche Sterbehilfe: Intensive Diskussion" (31.10.2008)

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A2306 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 44⏐⏐31. Oktober 2008

P O L I T I K

D

er Hamburger Exsenator Ro- ger Kusch hatte Ende Juni dieses Jahres auf seiner Internetseite die Öffentlichkeit darüber informiert, dass er erstmals den Suizid einer 79- Jährigen assistiert habe. Inzwischen bietet Kusch diese „Dienstleistung“

auf einer eigenen Homepage an.

„Gerade auch Ärztinnen und Ärzte müssen vermitteln, dass eine Ge- sellschaft, in der der Freitod eine all- tägliche Option unter mehreren ,Problemlösungen‘ wird, keine hu- mane mehr ist“, schrieb der Chefre- dakteur des Deutschen Ärzteblattes, Heinz Stüwe, in Heft 28–29/2008 in einem Kommentar („Seite eins“) zu dieser und anderen Formen gewerb-

licher Sterbehilfe. „Die Mitwirkung bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos. Ärzte stehen Sterbenden bis zum Tod bei, sie ha- ben aber nicht die Aufgabe, den Tod herbeizuführen oder das Sterben zu beschleunigen.“ Stüwe zitierte den Präsidenten der Bundesärztekam- mer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, der es „zynisch und ab- stoßend“ fand, dass Kusch eine alte Frau missbraucht habe, um sich in Szene zu setzen.

Dr. med. Karla Preuß, Ravens- burg, hält diese „rigide Haltung von Herrn Hoppe für hinlänglich be- kannt und seine Bemerkung zu Ro-

ger Kusch für eine bösartige Unter- stellung“. Markus Wedemeyer, Bre- merhaven, meint, „es wäre natürlich einfach, die Verantwortung für die wichtige Frage des letzten Auswegs Tod abzulehnen und zu postulieren, dass (gute?) Ärzte so etwas nicht tun, es ,zynisch‘ und ,abstoßend‘

nennen, was passiert ist. Aber das Leben stellt Fragen, zu denen es kei- ne einfache Antwort gibt und zu de- nen die ,richtige‘ Antwort eine kon- troverse und schmerzhafte ist. Inso- fern sollten wir uns nicht angewi- dert abwenden oder mit einem Nein eine notwendige Diskussion abbre- chen. Der Tod ist kein ungelöstes medizinisches Problem. Er ist das

Ende von etwas, was für nicht weni- ge unter uns unerträglich geworden ist – aus Krankheit, aus Angst, aus Einsamkeit“, schrieb Markus Wede- meyer, Bremerhaven.

Dr. med. Christa Schade, Wies- baden, empfindet es als „pure Heu- chelei“, wenn sich das Deutsche Ärz- teblatt zum Hüter einer menschli- cheren Gesellschaft beruft. „Als ich einem Palliativmediziner gegenüber erwähnte, dass ich keine Lust hätte, im Alter in die Mühle der Pflegeein- richtungen zu geraten, meinte er, ich könne ja vom Hochhaus springen.

Die Frau, der Herr Kusch in den Tod geholfen hat, hatte keine ,Angst‘,

ins Pflegeheim zu kommen, sie hat- te keine Lust, für den Rest ihres Lebens auf Eigenständigkeit zu verzichten.“

Demgegenüber die zustimmen- den Leserzuschriften: Dr. med.

Frank Jehn, Meppen, vertritt die Auffassung, dass „wir Ärzte uns nicht von einer ethisch-moralisch ins Wanken geratenen Gesellschaft dazu instrumentalisieren lassen dür- fen, aktiv zu töten. Es gibt heute schon für uns ausreichend humane und rechtlich abgesicherte Möglich- keiten, um unseren Patienten zu hel- fen, deren Leiden zu tragen: indirek- te und passive Sterbehilfe, terminale Sedierung und auch mit Einschrän- kungen der assistierte Suizid“.

Das Sterben nicht um jeden Preis verlängern

Prof. Dr. med. Volkmar Schneider, Berlin, geht ebenfalls davon aus, dass die Mehrzahl der deutschen Ärzte die Auffassung von Stüwe teilt. Ärzte sollten aber auch nicht das Sterben um jeden Preis verlän- gern. „Manch einer hat gerade davor große Angst – dass man ihn nämlich nicht in Ruhe und Würde sterben lässt.“ Verständnis für die Ableh- nung jeglicher Form der ärztlichen Beteiligung bei Sterbehilfe äußerte Johann Friedrich Spittler, Bochum.

Er empfiehlt aber, „offen über die Konsequenzen der Tabuisierung zu reflektieren. Die Umstände einer or- ganisierten Suizidbeihilfe bewir- ken unausweichlich eine vorausge- hende gründlichere Überlegung des Suizidwilligen, bevor er sich an die Organisation wendet, sich offen- bart, medizinische Unterlagen be- reitstellt und sich einem Gespräch mit einem Arzt in der Schweiz oder (im Fall psychischer Problematik) einem Psychiater in Deutschland öffnet. Außerdem: Die Zahlen aus der Schweiz sind bekannt: 70 Pro- zent der Menschen, die aus der Schweiz die Zustimmung zu einer Suizidassistenz erhalten haben, melden sich nicht wieder. Die Si- cherheit eines ,Notausgangs‘ genügt ihnen. Darin sehe ich einen Beweis der suizidprophylaktischen Aus- wirkungen eines organisierten Vor-

gehens.“ I

Gisela Klinkhammer

GEWERBLICHE STERBEHILFE

Intensive Diskussion

In zahlreichen Zuschriften nahmen Leser Stellung zum

„Seite eins“-Beitrag in Heft 28–29/2008, der sich gegen Suizidbeihilfe durch Sterbehilfeorganisationen wandte.

Zwei Menschen unterstützte der ehe- malige Hamburger Justizsenator Roger Kusch bereits beim Suizid. Er bietet diese

„Dienstleistung“ auf

seiner Homepage an. Foto:dpa

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