A 2582 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 51–52|
21. Dezember 2009 der Hilfsorganisationen und ein oderzwei Lastwagen. Die Leiden der Pa- tienten müssen enorm sein, wenn sie sich manchmal über mehrere Tage ins Hospital schleppen; und das mit Krankheitsbildern, die für Europäer nahezu unbekannt geworden sind.
In einer schwierigen Zeit hatte MSF das Krankenhaus übernommen, seine Funktionstüchtigkeit wieder- hergestellt und Schritt für Schritt in
die Hände der lokalen Behörden zu- rückgegeben. Inzwischen sind nur noch wenige Schlüsselpositionen mit ausländischen Helfern besetzt.
Unser Ärzte-ohne-Grenzen-Team ist eine bunte, internationale Gruppe.
Natalie (Krankenschwester), Isabelle (Projektleiterin) und David (Logisti- ker) kommen aus Frankreich, Mauro (Verwaltung) stammt aus Italien, Be- ky (Pharmazeutin) aus Ghana, Paul (Arzt) aus dem Kongo, Charly (Arzt) von der Elfenbeinküste, Edgar (Chir- urg) aus Luxemburg und ich aus
Schwaben. Die „Verkehrssprache“
ist französisch. Meines hatte in den letzen Jahren doch etwas gelitten.
Trotzdem komme ich zurecht, schaf- fe es sogar, einfache kleine Fortbil- dungen am Nachmittag oder Wo- chenende abzuhalten. Der Zusam- menhalt in der Equipe ist großartig, die Einsatzbereitschaft beispielhaft.
Oft arbeiten wir bis in den Abend, auch am Wochenende. In der freien Zeit pflegen wir Kontakte zu be- freundeten Hilfsorganisationen am Ort, besuchen die Schule und die Kirche, um mit Unterstützung des Rektors oder des Pfarrers freiwillige Blutspender für unsere chronisch klamme Blutbank zu gewinnen.
Wieder ruft es über Funk. Im Krankenhaus braucht man uns drin- gend zum Kaiserschnitt. In wenigen Minuten holpert der Toyota-Gelän- dewagen zum Krankenhaus. Natür- lich geht hier alles etwas langsamer, was nicht verwundern darf, wenn man bedenkt, dass es kein öffentli- ches Telefonnetz, weder Strom-, Wasser- noch Abwassernetz gibt. Die nächste asphaltierte Straße liegt Hun- derte von Kilometern entfernt. Es dauert, bis alle Mitglieder des OP- Teams den Weg in der Dunkelheit aus ihren Hütten ins Hospital gefun- den haben. Alles geht diesmal gut, was leider nicht immer der Fall ist.
Manchmal ist ein Kind bereits tot, wenn wir endlich eintreffen, manch- mal gelingt die Reanimation des
Neugeborenen. Es ist kaum vorstell- bar, wie schnell sich die Neugebore- nen dann auch von so einem Ereignis erholen. Auch die Mütter überleben trotz massiver Blutverluste (mit Hb- Werten von 3,0 g/l im Schock), die bei uns den Einsatz von Blutkonser- ven und Intensivtherapie notwendig machen würden. Sie überleben nicht nur, sondern sie sind unbeschwert glücklich, lachen am nächsten Mor- gen und stillen ihren wiederbelebten Säugling, als hätte es keinen nächtli- chen Überlebenskampf gegeben.
Morgen früh werde ich wieder laufen gehen. Gegen fünf Uhr stehe ich auf, schlüpfe in die Laufschuhe, solange die anderen noch schlafen, warte die erste Morgendämmerung ab, schnappe mir das Handfunkgerät und renne kilometerweit die Piste entlang, weiter als es eigentlich er- laubt ist. In den Dörfern kommen die Kinder angerannt, laufen neben mir her, rufen „Moschu, Moschu“, was
„ein Weißer, ein Weißer“ heißt und aus Kindermund fast gleich klingt wie „beau jour, beau jour“. Da sehe ich sie wieder, die leuchtenden Au- gen Afrikas, diesmal hoffnungsvoll und unbeschwert. Diese jungen Men- schen sollen eine bessere Zukunft ha- ben, dafür sind wir hier. ■ Dr. med. Jörg F. Kustermann
Das Spendenkonto von Ärzte ohne Grenzen: Bank für Sozialwirtschaft, BLZ: 370 205 00, Konto-Nr.: 97 0 97
Haben Vertragsärzte im Rahmen eines Kollektiv- verzichts ihre Zulassung zurückgegeben, so ist eine Wiederzulassung vor Ablauf der Sechsjah- resfrist nicht möglich. Das hat das Bundessozial- gericht (BSG) entschieden.
Die mit § 95 b Absatz 2 SGB V verfolgten Ziele, Vertragsärzte von einer kollektiven Rück- gabe ihrer Zulassung abzuhalten sowie im Falle eines Kollektivverzichts möglichst schnell eine ausreichende ärztliche Versorgung wie- derherzustellen, dienen dazu, eine funktionie- rende und finanzierbare gesetzliche Kranken- versicherung aufrechtzuerhalten. Dabei geht es um die Sicherung eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes.
Im entschiedenen Fall hatte eine Fachzahn- ärztin für Kieferorthopädie mit Wirkung zum 30. Juni 2004 auf ihre im Dezember 1994 er- teilte Zulassung verzichtet. Ihr Wiederzulas- sungsantrag vom 13. August 2004 wurde ab- gelehnt. Entsprechende Klagen gegen die Ent- scheidung waren erfolglos.
Auch nach Auffassung des BSG hat die Zahnärztin keinen Anspruch auf Wiederzu- lassung. Ihrem Antrag steht entgegen, dass eine erneute Zulassung frühestens sechs Jahre nach Abgabe der Verzichtserklärung erteilt werden kann. Einen Beurteilungs- spielraum haben die Zulassungsgremien hier nicht.
Da die Zahnärztin zusammen mit anderen Kollegen in einem abgestimmten Verfahren auf ihre Zulassung verzichtet hatte, kam § 72 a Ab- satz 1 SGB V (Übergang des Sicherstellungs- auftrags auf die Krankenkassen) zum Tragen.
Diese Regelung ist verfassungsgemäß. Damit treffen die Klägerin auch die gesetzlich vorge- sehenen Rechtsfolgen. Sie kann sich nicht auf etwaige Rechtswidrigkeiten des Feststellungs- bescheids durch die Landesbehörde berufen, weil dieser Bescheid Bindungswirkung hat.
Weil der Feststellung der Aufsichtsbehörde Drittbindungswirkung zukommt, sind andere Be- hörden beziehungsweise Gerichte daran gebun- den, und zwar ohne Rücksicht auf ihren Inhalt.
(Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Juni 2009, Az.: B 6 KA 16/08 R) RAin Barbara Berner
Kollektiver Zulassungsverzicht: Sechsjahresfrist ist einzuhalten
RECHTSREPORT
Die Kinderstation – nur selten haben Schwerstkranke ein eigenes Bett.