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Wasser und Strom – Waffen im Syrien-Konflikt

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Wasser und Strom

– Waffen im Syrien-Konflikt

Von Waltina Scheumann, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

vom 30.06.2014

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Wasser und Strom – Waffen im Syrien-Konflikt

Bonn, 30. Juni 2014. „Die Türkei trocknet den Euphrat aus. Statt den Rebellen gegen das Assad-Regime zu helfen, tötet sie diese durch Austrocknung.“ – so das religiöse US-Journal The Trumpet über die sinkenden Wasserstände im Lake Assad, dem Wasserreservoir, das Aleppo und Umgebung mit Wasser und Strom versorgt.

Ist die Türkei mal wieder der Bösewicht?

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Türkei die Wasserkarte ausspielt. Sie hat dies in den 80er Jah- ren getan, in der Hoffnung, dass Syrien die Aktivitäten der kurdischen PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) unter- bindet. Das türkisch-syrische Protokoll von 1987 ga- rantierte einen Wasserabfluss von durchschnittlich 500 Kubikmetern pro Sekunde für die Unteranrainer Syrien und Irak. Dennoch blieb das türkische Südostanatoli- sche Entwicklungsprojekt mit seinen 22 Staudämmen, 18 großen Wasserkraftwerken und den geplanten 1,8 Millionen Hektar bewässerter Fläche der Stein des Anstoßes. Die Türkei gebärde sich als regionaler Was- serhegemon, der über genügend Mittel verfüge, um die Flüsse zu kontrollieren, so der Vorwurf. Die Türkei reklamierte dagegen ihr Recht auf Entwicklung, schuf Fakten, in dem sie einen Staudamm nach dem anderen baute, und hielt sich im Übrigen an das 1987er Proto- koll. Das Sicherheitsabkommen von Ceyhan (1998) machte dann den Weg frei für ein Freihandelsabkom- men (2004), das unerwartet positive Auswirkungen auf den jahrzehntelangen Wasserstreit hatte: An der türkisch-syrischen Grenze sollte ein gemeinsamer Staudamm am Orontes errichtet werden. Dies war spektakulär: Bis dato hatte Syrien seine territorialen Ansprüche auf die türkische Provinz Hatay (das histo- rische Alexandretta) und den Orontes als einem natio- nalen Fluss aufrechterhalten und die politischen Gren- zen nicht anerkannt. Und Assad tat nun genau das. Der Grundstein wurde im Februar 2011 gelegt, kurz bevor die Proteste in Syrien ihren Anfang nahmen.

Mit den 2009-10 gegründeten High-Level Strategic Co- operation Councils (HSCC) signalisierten Erdogan, Ba- schar al-Assad und Nuri al-Maliki, dass sie auch im Was- serstreit Lösungen wollten. Auf dem ersten Treffen des türkisch-syrischen HSCC im Dezember 2009 unter- zeichneten die Minister 50 Protokolle, davon vier zu Wasserfragen. Eine Kommission sollte praktikable Vor- schläge ausarbeiten, wie man bei der Nutzung der Flüs- se verfahren wolle. Der Orontes-Staudamm wurde be- siegelt– die Kosten wollte man sich teilen.

2009-10 hätte die entscheidende Wende in den Was- serbeziehungen einleiten können. Allerdings war diese an die politischen Führungen von Syrien und dem Irak gebunden, deren rasanten Machtzerfall wir nun beob- achten.

Wasser- und Stromversorgung als Mittel der Erpressung

Wie unabhängige Quellen berichten, setzen inzwischen alle Kombattanten in Syrien Wasser und Strom als Mit- tel der Erpressung ein. Bereits im September 2012 hät- ten Regierungstruppen die Wasser- und Elektrizitäts- netze der Millionenstadt Aleppo zerstört, um die da- mals noch gemäßigten Oppositionellen unter Druck zu setzen. Aber längst sind es nicht mehr nur Assads Trup- pen. Die zersplitterten und sich gegenseitig bekämp- fenden Oppositionsgruppen (die Freie Syrische Armee, die Organisation Islamischer Staat im Irak und Syrien (ISIS) und die Nusrah-Front) setzen auf die Kontrolle der Euphrat-Staudämme, an denen die Wasser-und Stromversorgung von Aleppo und der Provinz Raqqa hängt. Zwei, wenn nicht gar drei, sind inzwischen in den Händen der Rebellen. Deren Betreiber ist nicht mehr ein syrisches Ministerium, sondern ISIS. Täglich würden beträchtliche Wassermengen aus dem Assad- Reservoir abgelassen, um die Wasserausleitung nach Aleppo trockenzulegen. Pumpstationen sind in der Hand der Rebellen, und Pumpen wurden ‚demontiert‘–

leider mit Erfolg: Aleppo war im Mai dieses Jahres meh- rere Tage ohne Wasser und Strom und nutzte, laut Ra- dio Vatikan, Brunnen in Moscheen und Kirchen, obwohl das Wasser zum Trinken ungeeignet ist. Und im Irak? Mitte der letzten Woche drangen ISIS Kämpfer in Richtung Haditha-Damm vor, dem zweitgrößten des Irak. Und es steht zu befürchten, dass sie wie bei der Er- oberung des Falluja-Damms die Schleusen öffnen wer- den – eine Möglichkeit, auf die die Regierungstruppen sich vorbereiten, in dem sie das selbst in Erwägung zie- hen.

Ungewisse Zukunft, auch in der Wasserfrage Wie wahrscheinlich ist es angesichts dieser Berichte, dass nur die Türkei die Wasserkarte ausspielt? Die Ant- wort auf diese Frage bleibt offen. Der Regierung Erdo- gan wurde vorgeworfen, sie habe ISIS zumindest still- schweigend geduldet. Mittlerweile gefährdet der Vor- marsch der ISIS im Irak auch die Interessen der Türkei.

Für den Fall, dass der Bundesstaat Irak nicht überlebe, sicherte Celik, der Sprecher der türkischen Regierungs- partei, den nordirakischen Kurden das Recht auf Selbst- bestimmung zu – ein bis vor Kurzem undenkbares An- sinnen.

Die veränderte geo-politische Situation stellt die Was- serfrage neu, da diejenigen, mit denen die Türkei 2009-10 Vereinbarungen getroffen haben, machtlos geworden sind. Mit wem und wie die Wasserfrage ver- handelt werden wird, wird sich zeigen. Die Kontrolle des Wassers ist und bleibt ein wichtiger Faktor im regi- onalen Machtpoker.

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 30.06.2014

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