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Archiv "Himmlers Heiler: Fingierter Lebenslauf" (02.03.2012)

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A 436 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 9

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2. März 2012

HIMMLERS HEILER

Fingierter Lebenslauf

Felix Kersten (1898–1960) legte nach 1945 gefälschte Dokumente

über angebliche Rettungstaten in der NS-Zeit vor. Er hatte 1919 als

Freikorps- Leutnant einen Mord begangen und musste untertauchen.

D

er Name Felix Kersten wird den meisten heute nicht mehr bekannt sein. Als Masseur und Hei- ler hatte er in den 1920er Jahren in Berlin eine gut gehende Praxis. Zu seinen prominenten Patienten gehör- te der ehemalige Herzog von Meck- lenburg. Auf dessen Empfehlung kam er an den niederländischen Königshof und wurde dort zum ständigen gesundheitlichen Betreuer und Berater der königlichen Fami- lie. Auf Vermittlung eines promi- nenten Patienten traf er 1939 auf den Reichsführer SS Heinrich Himmler, der an chronischen Magenkrämpfen litt. Kersten hatte Erfolg mit seiner Therapie; Himmler wollte ihn nicht mehr missen.

Kersten wurde nicht nur Himm- lers ständiger Therapeut und „Leib- arzt“, sondern auch sein Vertrauter.

Aus dieser Position heraus habe er – so behauptete Kersten nach dem Krieg – 1941 verhindert, dass Mil- lionen Niederländer nach Ostpolen

deportiert wurden. 1950 erhielt er dafür die höchste Auszeichnung der Niederlande, den Oranien-Nassau- Orden. Später wurde offenbar, dass die als Beleg für seine Rettungsak- tion vorgelegten Dokumente Fäl- schungen waren, ebenso wie ein kompromittierendes Schreiben des

Grafen Bernadotte an Himmler, mit dem sich Kersten die schwedische Staatsbürgerschaft erschlich. Zehn- tausende Juden will er zudem kurz vor Kriegsende gerettet haben – das bescheinigte ihm der Jüdische Welt - kongress 1945.

In den Lebenserinnerungen sei- nes Vaters stieß Dr. med. Werner Neuß, ehemals Chirurg an den Kreiskliniken Biberach, auf einen Hinweis zu Kersten, der für ihn den Anstoß zu einer mehrjährigen Re- cherche gab. Sein Vater schreibt dort über seinen Jugendfreund Felix Huberti: Dieser wurde „später eine ebenso merkwürdige wie dubiose, genauer: zwielichtige Existenz. Er ist, so vermute ich, nach der Flucht aus Deutschland – er ist der Mör- der des hallischen Kommunisten Kurt Meseberg – seinem Wunsch gemäß Arzt geworden. Und ich ver- mute weiter in der Person des Leib- arztes von Heinrich Himmler eben Felix Kersten“.

Neuß begann auf dieser Grundla- ge mit seinen biografischen Recher- chen zu Felix Kersten. Diese bestä- tigten die Darlegungen seines Va- ters. Ein Felix Huberti war 1919 Leutnant eines Freikorps; im März 1919 erschoss er den Vorsitzenden des hallischen Soldatenrates, Karl Meseberg, und musste schleunigst verschwinden. Er wurde nach Est- land geschickt, wo noch ein deut- sches Expeditionskorps kämpfte.

Hier übernahm er die Identität eines getöteten jungen Baltendeutschen namens Edvard Alexander Felix Kersten. Vermutlich genoss Kersten nach seiner Rückkehr nach Deutsch- land die Protektion rechtsradikaler Netzwerke. Spätere Förderer, von denen einer ihn bei Himmler ein- führte, gehörten dem „Freundeskreis Reichsführer SS“ an.

Neuß findet überzeugende Bele- ge für diese Geschehnisse. Er be- schränkt sich aber nicht darauf, die wahre Identität des Felix Kersten zu enttarnen, sondern belegt zudem, wie kunstvoll sich dieser nach Ende des Tausendjährigen Reiches seine Biografie zurechtgebastelt hat, um sich der Justiz der Siegermächte zu entziehen und unverdiente Aner- kennung zu erlangen.

Thomas Gerst Werner Neuß:

Menschenfreund und Mörder.

Himmlers Leibarzt Felix Kersten. Die Lösung eines Rätsels.

Projekte-Verlag Cornelius, Halle 2010, gebunden, 150 Seiten, 14,50 Euro

Vertrauter Um- gang mit Heinrich Himmler (rechts), der die heilenden Hände von Felix Kersten (Mitte) nicht mehr missen wollte.

Foto: Süddeutsche Zeitung Photo – Scherl

K U L T U R

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