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Archiv "Erfahrungsberichte — einmal anders" (24.07.1980)

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Aufsätze • Notizen

Gerstenmaier: Gewissensentscheidung im Parlament

Kandidat und Abgeordnete bewegt, hat also aus mehreren Gründen ei- nen legitimen Anspruch auf seine Loyalität. Niemand ist gezwungen, eine Kandidatur oder ein Mandat an- zunehmen. Wer es tut, erklärt, daß er aus freien Stücken sich zu der Ge- samtlinie und Orientierung seiner Partei bekennt und daß er willens ist, dieser Linie nach dem Maße seiner Kraft und Einsicht zu folgen. Das ist keine heteronome, das ist eine auto- nome Entscheidung.

Finden sich Gründe oder treten Um- stände ein, die nicht vorhersehbar oder der Einsicht des Mandatsträ- gers zuvor verschlossen waren — nun gut, dann mag für den Gewis- senhaften, den das Grundgesetz meint, der Ernstfall eintreten. Wenn es zur Trennung kommt: für die lau- fende Legislaturperiode bleibt sein Mandat gesichert (siehe Gruhl). Da- nach aber ist seinem parlamentari- schen, vielleicht seinem politischen Wirken überhaupt ein Ende gesetzt, wenn er nicht von selbst schon zu- vor auf sein Mandat verzichtet. Es sei denn, er fände in neuen Loyali- tätsverhältnissen, in anderen Ver- trauensbeziehungen eine neue par- lamentarische Tätigkeit. Gustav Hei- nemann ist nicht das einzige Bei- spiel dafür.

Fazit

Unsere repräsentative Demokratie ist also in hohem Maße auf das Ver- trauen gestellt. Ihre Parteien sind und bleiben angewiesen auf das Vertrauen der Wähler, die sich für sie und ihre Programmatik entschei- den. Und die Parteien bleiben ange- wiesen auf die Loyalität ihrer Man- datsträger. Das ist nicht risikolos. Je knapper die Mehrheiten im Parla- ment sind, desto mehr sind die Frak- tionen auf Zusammenhalt angewie- sen, wenn etwas zustande kommen soll. Dieser Zusammenhalt darf aber nicht durch Befehl oder Weisung er- zwungen werden. Seiner Notwen- digkeit wird nur die freie, autonome Entscheidung des Abgeordneten ge- recht.

Der Freiheitsraum, aus dem sie kommt, muß geschützt bleiben. Die-

ser Schutz soll sich jedoch nicht er- strecken auf das Risiko, das in der Gewissensentscheidung vor allem dann liegt, wenn der Mandatsträger in schwerer Entscheidung die Soli- darität mit seiner Fraktion verläßt.

Dieses Risiko trägt er allein.

Anschrift des Verfassers:

Prof. D. Dr.

Eugen Gerstenmaier Rheinhöhenweg 90 5486 Oberwinter (Die Bundesärztekammer veranstal- tete im März ein Symposion zu dem Thema „Freiheit im Beruf", zu dem Politiker, Wissenschaftler, Publizi- sten und Vertreter der Freien Berufe beitrugen. Eugen Gerstenmaier, vie- le Jahre Präsident des Deutschen Bundestages, sprach aus der Sicht des Politikers. Der vorstehende Arti- kel stützt sich auf diesen Vortrag.)

SPRÜCHE

Omnipotenter Staat

„Die Finanzierung des Ge- sundheitswesens hat wieder stärker eine Angelegenheit des Staates zu werden. Der Staat muß zu Umverteilungs- maßnahmen im Staatshaus- halt zugunsten der Sozial- versicherten gezwungen werden. Das aber setzt vor- aus: Einstellung der Subven- tionen für die Privatwirt- schaft ... Darüber hinaus sind die am Patienten verdie- nenden Industriezweige ei- ner verschärften öffentli- chen Kontrolle zu unterzie- hen . . . Und schließlich ist es an der Zeit, die Pfründe von Großverdienern unter den Ärzten nicht mehr länger zu tolerieren ... "

Prof. Dr. med. Hans-Ulrich Deppe, Leiter der Abteilung Medizinische Soziologie im Klinikum der Universität Frankfurt, beim „Gesund- heitstag '80" am 15. Mai in Berlin

FORUM

Erfahrungs- berichte —

einmal anders

Daß mancher Chirurg nicht nur im Umgang mit dem Skal- pell geschickt ist, sondern darüber auch sehr realistisch und zum Teil recht humorvoll zu berichten weiß, zeigen die nachfolgenden Gedichte.

Auch der Patient macht sich — wie das dritte Werk zeigt — sei- nen Reim darauf.

Einlaufnummer 1356

Thomas verspürte Schmerzen im Bauch, Erbrechen kam hinzu, Übelkeit auch.

Dem Kind wurde angst und bange, die Mutter zögerte nicht lange und kam zum Krankenhaus bereits mit fertiger Diagnose hausärztlicher-

seits.

Ein Druck auf den Bauch ließ die Schmerzen vermehren, Mac Burnay kam wieder einmal zu großen Ehren, und Schmerzen beim Druckpunkt vom Lanz sicherten schließlich die Diagnose ganz.

Rovsing und Blumberg blieben ne- gativ, das änderte aber nicht viel prae- operativ.

Für den Anästhesisten war es frohe Kunde, daß es internistisch gab keine krank- haften Befunde.

Die Appendix entfernten wir in ge- wisser Weise typisch, die Situation war auch nicht beson- ders kritisch.

Der Wurm war zwar ein wenig bläu- lich, insgesamt aber fast noch jungfräu- lich;

so berichtet zu unserem Kummer der Pathologe unter 1356/79 — der

Einlaufnummer. >

1858 Heft 30 vom 24. Juli 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Aufsätze • Notizen

Erfahrungsberichte — einmal anders

Mit viel Phantasie und noch mehr Akribie diagnostizierte er eine „Lymphati- sche Hyperplasie".

Postoperativ war das Kind bald wie- der heiter, wie immer täglich Verbandswechsel, nirgends Eiter.

Kaum hatten wir die Fäden gezogen, wäre er uns gerne nach Hause „ent- flogen".

Doch erst heute — jetzt will's er nicht fassen, wird er in Ihre Weiterbehandlung entlassen.

Dr. med. F. J. Kretz Am Greinsberg 25 8703 Ochsenfurt

Aufklärung um Mitternacht

Zum Hospital um Mitternacht ward eilends Ali's Frau gebracht.

Der Arzt erkennt den Fall sofort:

„Dies hier ist ein Tubarabort!"

Drauf Ali's Frau beginnt zu klagen:

„Nix operieren, — Mann erst fragen."

Man sucht und fragt: „Wo ist der Mann?"

— nach einer Stunde kommt er an.

Der Arzt beginnt, ihn aufzuklären, doch türmen sich die Sprachbar-

rieren.

Die Zeit verrinnt; es muß gelingen, zum Kern der Sache vorzudringen.

Vereinfachung ist das Gebot!

„Herr steh mir bei in dieser Not!"

Es sagt der Arzt: „Ich Operation —, sonst Frau kaputt, mein lieber

Sohn.' Der Türke nickt: „Du Operation — sonst Frau kaputt." Er weiß es

schon.

„Nix Operation — dann Frau kaputt, Du Operation — dann Frau ist gut."

Erleichtert reicht er seine Hand dem Doktor, den er jetzt verstand.

Mit wenig Worten läßt Vertrauen von Mensch zum Menschen Brük-

ken bauen.

Dr. Erwin Theiss

Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Herz-

Jesu-Krankenhaus 5253 Lindlar

Erlebnisse im Krankenhaus

Wenn einer, der von Leid geplagt, sich in das Haus der Kranken wagt, so deshalb, weil er ganz ent-

schieden, mit seinem Zustand nicht zufrieden!

Hier nun Patient, hinein ins Bett,

— nicht, daß er was dagegen hätt — räkelt er sich und fühlt sich gleich, wie der Hecht im Karpfenteich.

Doch lange ist dies Glück hinieden, dem Patienten nicht beschieden.

Erst beichtet er die Anamnese, ganz ohne sie wär' alles Käse!

Dann naht der Schwestern eine her;

„aufgestanden, bitte sehr, hin zum Röntgen, EKG"

beides tut — Gott Lob — nicht weh!

Die erste Nacht wird, wie gewohnt, durch lautes Schnarchen flott ver-

tont.

Ist sie perdü, kaum Zeit zu niesen, muß schon Urin ins Töpfchen

fließen Weil aufschlußreich der Saft des Blutes.

wird er entnommen, jeder tut es, ob Arzt, ob Schwester, beide

schnieke, verstehen sich auf das Gepieke!

Im Keller dann, ganz tief da unten, wo die Isotopen funken,

wird erst Venöses eingespritzt und hofft nachher in jedem Ritz, Pathologisches zu finden eine Krankheit zu begründen.

Ist untersucht Herz, Lunge, Niere, der Gelenke Gallertschmiere, Bauchspeicheldrüse, Leber, Darm, kommt das Ergebnis, der Alarm!

Und da die Ärzte allgemein, sich nur besprechen auf Latein, dem armen Laien kaum verständlich hört der die Diagnose endlich:

„ein Flatus ist es, oder so, mit seinem Sitz in Zerebro!"

Doch hier stiehlt der Patient die Schau, den Ausspruch kennt er schon genau!

Nun weiß er freudig, daß er nicht, so schnell verliert sein Gleichge-

wicht;

denn nichts zerschmettert ihn am Boden, die Luft im Kopf, die hält ihn oben!

Anna Specht Malapertstraße 8 6000 Frankfurt 1

Die Blinddarmoperation

Einen Blinddarm auszurotten, ist zur Abwehr oft geboten, weil er voller Hinterlist und auch zu gefährlich ist.

Langes Warten schadet viel und führt sicher nicht zum Ziel;

deshalb laß' es möglichst sein, sonst fällst du erheblich rein.

In den Adern Scophedal ist's dem Armen ganz egal, daß er in den OP kommt, was ihm ausgezeichnet frommt.

Dadurch braucht man wenig Äther, das ist günstig auch für später;

unter Scophedales Hut schläft er ruhig, tief und gut.

Mit Rasieren und fest Schrubben muß man erst den Bauch ent-

schuppen.

Hernach ritz' den Bauchschnitt an, daß man richtig Joden kann.

Mach' den Hautschnitt quer und klein, daß die Narbe zart und fein!

Quer durchschneid die Flechsen- wand vor dem Rectus bis zum Rand!

Drück' den Rectus weit zurück, faß' am Rand ein Bauchfellstück, leg' die Gegenklemme an, daß der Helfer halten kann!

Wenn ein kurzer Scherenschlag dann den Bauch eröffnet hat, führ' die Zeigefinger ein, reiß' das Loch noch weiter ein!

An der Farbe und dem Band wird das Coecum gleich erkannt. >

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 30 vom 24. Juli 1980 1859

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Aufsätze - Notizen

Erfahrungsberichte — einmal anders

Bring' es vor den Bauch heraus, alles and're bleibt zu Haus!

Durch den Ring der Wurm muß schlüpfen, dann vergeht ihm das Weghüpfen.

Ist er völlig isoliert,

so daß weiter nichts passiert, unterbind' und trag' ihn ab und versenk den Stumpf ins Grab!

Dazu ist die Ringnaht gut, aber sei auf deiner Hut, daß der Abstand richtig ist, sonst ist mit Verstecken Mist!

Überwendlich zwiegedeckt

wird durch Knoten noch bezweckt, daß die Deckung sich verstärk', das gibt ein gesichert Werk.

Überwendlich vor und z'rück drückt die Stümpfe weit zurück, Bauchfellsack wird dicht ver-

schlossen und die Stümpfe weggeschlossen.

Dreimal Nähen, dreimal Knoten, abzuschneiden ist verboten, damit wird es stets vollbracht und ein Meisterstück gemacht.

Ohne jegliches Bedenken

kannst du jetzt den Darm versenken.

Da man nun beschließen kann, leg' die Bauchfellklemmen an so wie Säcke zugebunden

durch die Ringnaht wird gefunden für den Bauchfellsack der Schluß.

Das ist wahrlich ein Genuß.

Überwendlich vor und z'rück, aus der Bauchflechs' wird ein

Stück, zweimal Nähen, zweimal Knoten, abzuschneiden ist verboten, und der Bauch ist zugemacht, ein vorzüglich Werk vollbracht.

Zweimal Raffen, dreimal Legen, schließt den Hautschnitt fest und

eben.

Das hab ich mit ausgedacht und erfolgreich oft gemacht.

Dr. Benedikt Kimle Rathausstraße 42 6806 Viernheim

Der Verdacht

Oh, wer hätte das gedacht,

die Diagnose lautet wieder nur: Ver- dacht!

Herr Rütt kam endlich zu der Klinik, von Schmerz verzehrt ist seine

Mimik.

Das Laufen macht nur Schmerz, kein Spaß, geplant war schnell ein Femoralis- Bypass.

Bei der OP schon in Gedanken geriet sein armes Herz ins Wanken.

Über Herzschmerzen hat er bald ge- klagt;

Der Internist meint: zwar kein In- farkt.

Doch eine Narbe frisch im Septum wird verdächtigt, noch nicht einmal zum Angiogramm sei man ermächtigt.

Die Chirurgen wollen keine Fehde, von Operation ist keine Rede.

Die Enzyme schnell sind kontrolliert, die „Intensiv" gleich informiert.

Aufstehen darf der Patient nun nicht, Weizenkleie prophylaktisch zu schlucken ist seine Pflicht.

Gegeben wird die übliche Medika- tion, schon findet sich der Patient auf der Intensivstation.

Kaum setzt er sich dort auf seinem Bett in die Höh', empfindet er Schwindel und gerät in Dyspnoe.

Schnell ist er durch und durch ganz bläulich.

alle sind entsetzt — sein Ende war greulich.

Geholt wird nun der Pathologe, unter den Ärzten zu glätten die

Woge.

und er bemüht sich mit großer Ge- duld.

zu diagnostizieren: wer hatte Schuld?

Von frischer Narbe war freilich keine Spur gestorben der Patient an einer Lungenembolie — nur.

So bremst der Internisten Verdächti- gung des Chirurgen heilsamer Schwung.

Dr. med. F. J. Kretz Am Greinberg 25 8703 Ochsenfurt

BRIEFE AN DIE REDAKTION

FACHKUNDE

Zu der Meldung „Ein Studiengang ,Ge- sundheit' für Fachlehrer vorgeschlagen"

(Heft 8/1980):

Nichts

für „normale Lehrer"

Der Meldung zufolge ist in Nieder- sachsen geplant, den Fachkundeun- terricht in der Berufsschule für Arzt- helferinnen in Zukunft nicht mehr von Ärzten, sondern von Vollzeit- pädagogen erteilen zu lassen. Natür- lich fällt dies unter das Stichwort

„Verbesserung".

Da ich seit zwölf Jahren selber Arzt- helferinnen in meiner Praxis ausbil- de und seit drei Jahren Fachkun- deunterricht in einer Berufsschule erteile, halte ich mich bei dieser Fra- ge für einigermaßen kompetent.

Deshalb meine ich, daß unsere Kör- perschaften schnellstens und mas- siv gegen derartige Bestimmungen Einspruch erheben sollten, insbe- sondere um zu vermeiden, daß diese Pläne in anderen Bundesländern Freunde finden.

Ich halte es für undenkbar, daß ein normaler Lehrer an berufsbildenden Schulen im Rahmen seines Stu- diums ausreichende Kenntnisse in Anatomie, Physiologie, Pathologie und Labor erhalten kann, um unse- ren Arzthelferinnen das nötige theo- retische Wissen zu vermitteln.

Ich habe vollstes Verständnis, wenn ein Kultusminister Überlegungen anstellt, wie er arbeitslose Lehrer beschäftigen kann. Aber doch bitte nicht auf Kosten' der Auszubilden- den! Die Folge wird mit Sicherheit eine schlechtere schulische Ausbil- dung sein, die durch den Lehrherrn (Ausbilder) nur mühsam, wenn über- haupt, ausgeglichen werden kann.

Ob Herr Minister Remmers eigent- lich alle anderen Fachkundelehrer der übrigen Berufsfelder (Hand- werksberufe) auch durch hauptamt- liche Pädagogen ersetzen will?

Dr. med. Ingo Döker Fasanenstraße 142 8025 Unterhaching

1862 Heft 30 vom 24. Juli 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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