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Archiv "STREITFRAGE: Warum am Wochenende nur wenige entlassen werden" (09.10.1975)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Kostenfrage in der Psychotherapie

sonders aktuell waren die Aussa- gen zur Selbstbeteiligung der Ver- sicherten.

„Die Selbstbeteiligung an Be- handlungskosten ist mit Sicher- heit kein Heilmittel gegen alle Krankheiten der Krankenversiche- rung. Als bloße Zusatzquelle zur Kostendeckung ist sie in der Tat fragwürdig, läßt sie sich doch mit dem Versicherungsprinzip nur un- ter besonderen Umständen verein- baren. Solche Umstände sind be- sonders bei Kieferorthopädie, Sa- natoriumskur und Psychotherapie gegeben. Auf der Couch des Psy- chotherapeuten ist der Mensch eben in einer anderen Bewußt- seinslage als auf dem Operations- tisch des Chirurgen. Wird er in der Chirurgie zum bewußtlosen Objekt der Therapie, tritt er dem Psycho- therapeuten als selbstbewußtes Subjekt und Partner gegenüber.

Ohne sein persönliches Engage- ment, ohne seinen Willen, sich selbst zu ändern, d. h. aber ohne seine Selbstbeteiligung, ist Psy- chotherapie von vornherein zum Scheitern verurteilt. Das Geld, das die Kasse für ‚kostenlose Psycho- therapie' auswirft, ist zum Teil zum Fenster hinausgeworfen."

Denn Psychotherapie fällt dem Pa- tienten — wie Lehming betonte — nicht wie einem Kind ohne eigenes Zutun in den Schoß. Er müsse sich daran beteiligen, auch mit einem fi- nanziellen Anteil. Darum werde ein sozial vertretbarer Eigenanteil an den Kosten der Psychotherapie ur- sprünglich von allen Psychothera- peuten gefordert. Diese Selbstbe- teiligung des Versicherten an den Heilkosten ließe sich allerdings mit dem Naturalleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vereinbaren. Darum habe es so lange gedauert, bis die große Psychotherapie kassenüblich wur- de. Darum seien die Psychothera- pierichtlinien der gesetzlichen Krankenversicherung so schwer verständlich. Bei „chronifizierten neurotischen Zustandsbildern", bei

„Neurosen mit mangelndem Lei- densdruck" und anderen Krankhei- ten schlössen sie eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung

vorsorglich aus. Der Gang zum Arzt sei eben keine ausreichende Eigenleistung des Versicherten.

Vielleicht seien die Studenten in der Psychotherapie gerade wegen der fehlenden Selbstbeteiligung so auffällig überrepräsentiert, daß man schon von Privilegien gespro- chen habe. Vielleicht sei es gerade die Selbstbeteiligung der Privatpa- tienten, die zu sechsmal besseren Behandlungsergebnissen führe.

Studentischer Protest

Mit einer derart umkehrenden Ant- wort auf die Frage nach dem Klas- senprivileg in der Psychotherapie hatten die Psychologiestudenten nicht gerechnet. Sie protestierten mit Händen und Füßen, ohne die- sen Protest artikulieren zu können, so lautstark, daß Tagungsleiter Seifert eingreifen und an die Rede- freiheit in der Akademie erinnern mußte. Zum Schluß kündigte Leh- ming an, daß die Psychotherapie- richtlinien in der gesetzlichen Krankenversicherung im Herbst dieses Jahres geändert würden.

Ursache für diese Änderung sei ein Urteil des Landessozialgerichtes Niedersachsen vom 27. Oktober 1970, wonach auch „chronifizierte neurotische Störungen" Krankhei- ten im Sinne der RVO seien. Ab- grenzungsschwierigkeiten zwi- schen krankhaften Störungen und besonderen Spielarten seelischen Wesens im Bereich des Gesunden führten aber auch in der Privatpra- xis immer wieder zu Meinungsver- schiedenheiten zwischen Medizi- nern und Psychologen, Therapeu- ten und Gutachtern, Psychothera- peuten der einen und Psychothera- peuten der anderen Schule. Gar nicht so selten seien es gegensätz- liche psychotherapeutische Rich- tungen, die zu unliebsamen Aus- einandersetzungen führten. Sie könnten nicht der Krankenversi- cherung angelastet werden. Diese wiederum könne nicht alle Risiken des Lebens abdecken. Die Beiträ- ge zur privaten Krankenversiche- rung beschränkten sich jedenfalls auf das Risiko der Erkrankung und des Unfalles. EB

BRIEFE AN DIE REDAKTION

ZWANGSERNÄHRUNG

Ein guter Rat vom alten Hofrat:

Erst warten, dann retten!

Beim Lesen Ihrer Artikel über die Zwangsernährung von Häftlingen, fällt mir die Ansicht des Hofrats von Haberer ein, die er uns in Köln Anfang der dreißiger Jahre in ei- nem Chirurgenkolleg darlegte.

„Wenn Sie trotz aller Bemühungen einen Selbstmordkandidaten von seiner Absicht nicht abbringen können, so haben Sie auch nicht das Recht, ihn mit Gewalt daran zu hindern. Aber Sie können hinter ei- nem Vorhang lauern und warten, bis der Unglückliche bewußtlos ist.

Dann müssen Sie alles zu seiner Rettung tun, denn Sie können nicht wissen, ob er nicht in letzter Se- kunde seine Tat bereut hat."

Dr. med. Marguerite Schulze-Remy Ärztin für Allgemeinmedizin 3413 Moringen

Bleichestraße 10

STREITFRAGE

Zu der Meldung „Am Wochenende we- niger gesund" in Heft 30/1975. In dieser Meldung wurde über eine Statistik der AOK Berlin berichtet, nach der am Wo- chenanfang und vor allem am Wochen- ende wenig aus Krankenhäusern ent- lassen wird.

Warum am Wochenende nur wenige

entlassen werden

Diese Statistik strotzt aus ärztli- cher Sicht von Sachunkenntnis oder von Böswilligkeit, eine Stel- lungnahme der Redaktion aus Sicht der Ärzteschaft habe ich des- halb vermißt. Gehäufte Entlassun- gen am Wochenende würden die Pflegekosten im Krankenhausbe- reich in die Höhe drücken. Das da- durch frei werdende Bett müßte für den nächsten Patienten hergerich- tet werden, wobei am Wochenende übertarifliche Zuschläge zu zahlen wären. Jedes Krankenhaus strebt danach, seinen Wochenenddienst mit möglichst wenig Kräften auf- rechtzuerhalten, zumal die Stellen- 2860 Heft 41 vom 9. Oktober 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Briefe an die Redaktion

besetzung am Wochenende immer

LIQUIDATIONSPRAXIS

problematischer wird. Um für die

Notfallaufnahmen am Wochenende Betten zur Verfügung zu haben, werden im allgemeinen auch die Patienten bereits am Freitag oder Samstag entlassen, die eventuell erst am Sonntag zur routinemäßi-

gen Entlassung anstehen würden. ... Was in betreffenden Artikeln angeführt wird, hat gewiß seine Die Spitze am Dienstag erklärt sich Richtigkeit, der Hauptgrund ist durch notwendige Kontrolluntersu- aber wohl das Mißverhältnis zwi- chungen am Montag, deren Ergeb- schen ärztlicher Leistung und Ho- nis abgewartet werden muß. Aus norarforderung. Während der dem Entlassungsgipfel am Freitag Durchschnittspatient dieses Miß- kann unmöglich geschlossen wer- verhältnis kaum real beurteilen den, daß die Verweildauer verlän- kann, kann ich mir als ehemals tä- gert wird. Es hätte einen Beitrag tiger Arzt schon Gedanken ma- der AOK Berlin zur Kostensenkung chen, die die Zukunft recht dunkel im Gesundheitswesen bedeutet, erscheinen lassen. Die Masse der wenn sie auf die sicher kostspieli- Patienten, die selbst zahlen müs- ge Erstellung dieser überflüssigen sen, werden über die Höhe und Be- Statistik verzichtet hätte. rechtigung der Honorare eher

überkompensiert durch mitbehan- Dr. med. Klaus Reichel delnde Kollegen aufgeklärt. Ich 8562 Hersbruck empfinde es zum Beispiel als Über- Hindenburgplatz 11 forderung, wenn man von mir für eine nur digitale Prostatavorsorge- untersuchung, die weder einen

SPANNUNGEN

physischen noch einen geistigen Aufwand erfordert, 180 DM ver- langt. Wenn ein Zettel beigelegt wird, der besagt, daß man nicht mehr bezahlen sollte, als die Kran- kenkasse erstattet, handelt es sich um ein dünnes Mäntelchen der Verschämtheit, da sowohl die Pri- vatkrankenkasse wie die staatliche Beihilfe, auf die ich als Emeritus Anspruch habe, lediglich Prozente des verlangten Honorars erstattet.

Ein anderer — ich hätte beinahe geschrieben „Trick", aber da sei Gott vor — besteht darin, daß die Sekretärin, wenn man unter einem Vorwand anruft, erklärt, daß weder sie noch irgend jemand der Praxis von der Honorarforderung etwas wüßten, da das Unterlagenmaterial pauschal einer Verrechnungsstelle übergeben wird, bei der natürlich etwas „schief"laufen könnte. An der Vorsorgeuntersuchung meiner Frau haben sich drei Herren betei- ligt, deren Honorarsumme 267 DM Dr. med. F. Frühwein ausmachte. Wenn schon Ärzte von

Arzt Kollegen solche, der Leistung kei-

(evtl. früher Krankenhausfacharzt) neswegs entsprechende Honorare 8 München 2 verlangen, was mögen Fernstehen- Brienner Straße 1 de zahlen? Das ergibt doch ... ein

Eldorado für die Systemveränderer, die Sie erwähnt haben. Auch meine Generation hat an Privatarbeiten verdient, aber sie hat nicht gejobbt.

Vielleicht sollte die Bundesärzte- kammer auch über manches zur Zeit nachdenken, wenn ihr scheele Blicke der Bevölkerung auffallen.

Prof. (em.) Dr. med.

Fritz Brosch 2 Hamburg 13 Klosterallee 51

IDEOLOGEN

Zu Äußerungen im „Spiegel", von Läpple und ähnlichem, unter Bezugnah- me auf Heft 29/1975, Seite 2124/5 „In- terpretation", von Dr. med. Klaus Fran- ke:

Hoffen auf tiefere Einsicht

Die verhältnismäßig duldsamen Ausführungen von Dr. Franke erfor- dern meines Erachtens eine kleine

„Anspitzung". Nicht nur der Neid auf materiellen Besitz und Ansehen ist es offenbar, der die Angriffe vom Schlage „Spiegel" und „Läpp- le" erzeugt, sondern auch der Wunsch, diejenige Gruppe zu tref- fen, deren naturwissenschaftlich geschulte Denkweise sie gegen Ideologien weniger anfällig macht.

Die Ideologen sind es ja, die nicht die Wahrheit suchen, sondern ihre weltanschaulichen Vorstellungen verwirklichen wollen, mögen diese auch den praktischen und theoreti- schen Grundlagen unserer Lebens- verhältnisse und Bedürfnisse wi- dersprechen. Diskussionen mit Ideologen sind häufig schwer und noch häufiger zwecklos, eben aus dem oben genannten Grunde des Recht-behalten-Wollens. Da auch junge oder auch weniger junge Ideologen eines Tages in die Hand des Arztes fallen, ist damit zu rech- nen, daß eine tiefere Einsicht in die Verhältnisse auch bei diesen Ver- blendeten sich eines Tages erge- ben kann. Und das wollen wir ja dann hoffen.

Dr. med. Otto von Mauch 2067 Reinfeld

Herrenhusen 39 Gedanken nach Lektüre der Empfeh-

lungen der Bundesärztekammer zur Li- quidation bei Krankenhauspatienten (Heft 27/1975).

Überforderung

Zu dem Kommentar „Fait accompli"

(Heft 31/1975), der das Verhalten der Krankenhausgesellschaft zu „Modell- versuchen" mit der vor- und nachstatio- nären Betreuung untersuchte:

Noch ein „Fait accompli"

Bei der Lektüre dieses Artikels, der ein weiteres Mal beweist, zu was man alles Ärzte mißbrauchen kann, fällt mir auf, daß bei der Wiederga- be der Ausführungen Eichhorns dieser von einem „Krankenhaus- facharzt spricht. Sollte es sich da- bei um einen Setzfehler oder um ein weiteres „fad accompli" han- deln, zu dem ich dann nicht ver- säumen möchte, Herrn Eichhorn zu beglückwünschen. Der diesbezügli- chen Änderung der Facharztord- nung mit Spannung entgegense- hend,

DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT Heft 41 vom 9. Oktober 1975

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Referenzen

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