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Archiv "Frankfurter Buchmesse: Im Zeichen des Esels" (05.10.2007)

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A2744 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 40⏐⏐5. Oktober 2007

M

it dem Zitat von Manuel Vázquez Montalbán „Süd- lichste aller Hauptstädte des Nor- dens, nördlichste aller Hauptstädte des Südens“ werden wir in Barcelo- na begrüßt. Katalonien sei ein Mit- telmeerland im Norden der Iberi- schen Halbinsel und grenze an Spa- nien, klärt uns die Leiterin von Cata- lunya Tourismus auf. Als Gegenmo- tiv zum spanischen Stier bewirbt Katalonien die Frankfurter Buch- messe mit dem burro catala`. Überall hängen die Plakate mit dem ka- talanischen Esel. Während der Füh- rung durch den zum Weltkulturerbe erklärten Palau de la Música fällt in zehn Minuten 30-mal das Wort katalan. Der Minister des neu ge- schaffenen Superministeriums für Wirtschaft, Innovation und Univer- sität fordert die Katalanen auf, für transatlantische Flüge statt Madrid die Flughäfen von Paris oder Frank- furt zu benutzen, „um sich auch in der Luft von Spanien zu befreien“.

Universitätsprofessoren möchten

Englisch als erste „Fremdsprache“

einführen.

Wie wohltuend, den aufgeklärten Quim Monzó in der abgedunkelten Dry Martini Bar auf dem eleganten Passeig de Gracia zu treffen. „Na- tionale Identität in der Literatur ist überholt in der europäischen Kultur des 21. Jahrhunderts“, sagt der Au- tor zu den Teilnehmern der lite- rarischen Pressereise. Er war als Jugendlicher begeistert von der lateinamerikanischen Literatur, die katalanische habe er erst viel später entdeckt. Nicht weil sie unter Fran- co unterdrückt wurde, sondern weil ihn einfach etwas anderes interes- siert habe. Barcelona sei zwar seine Stadt, aber seine Geschichten könn- ten überall spielen. „Keine Ahnung, ich bin kein Nationalist“, lautet

Monzós Antwort auf die Frage, war- um er auf Katalanisch schreibe. Er übersetze sich selbst ins Spanische, aber das sei die Hölle, weil es in jedem Buch Irrtümer gebe und der Übersetzer dem Autor am ehesten auf die Schliche käme.

Der Autor Carlos Ruiz Zafón hin- gegen bezeichnet das heutige Barce- lona zwar als einen „Touristenzir- kus“, aber mit dem Roman „Der Schatten des Windes“ ist ihm die großartigste Hommage über die ka- talanische Metropole seit der „Stadt der Wunder“ von Eduardo Mendoza gelungen. Doch die erfolgreichsten und bekanntesten katalanischen Schriftsteller haben einen großen Makel. Sie schreiben auf Spanisch.

Infolgedessen befinden sie sich auch nicht unter den mehr als hundert Au- toren, die das Ramon-Llull-Institut nach Frankfurt bringen wird. Der Ausschluss der spanisch schreiben- den Autoren hat im Vorfeld der dies- jährigen Buchmesse in ganz Spanien zu donquichotesken Kontroversen

über die Frage geführt, was unter ka- talanischer Kultur zu verstehen sei.

Die autonome Region kann auf ei- ne jahrhundertelange Drucktradition zurückblicken. Die 260 in Kataloni- en ansässigen Verlage dominieren den Büchermarkt in der gesamten spanischsprachigen Welt. Mit mehr als 30 000 spanischen Titeln bringen sie die Hälfte der nationalen Buch- produktion hervor und erwirtschaf- ten damit einen Umsatz von 1,5 Mil- liarden Euro. Mit großzügiger Unter- stützung und politischem Druck wird die Buchproduktion auf Katalanisch gefördert. So lässt die Regionalregie- rung von jedem Titel 250 Exemplare ankaufen, stattet die Bibliotheken mit erheblichen Mitteln aus und fi- nanziert vollständig die Übersetzung katalanischsprachiger Bücher. Trotz- dem liegt die Durchschnittsauflage der 8 000 jährlich erscheinenden Ti- tel unter 3 000. Der Buchhandel auf Katalanisch lebt vor allem vom Schulbuchgeschäft.

„Wir Katalanen glauben, dass man immer mit den Füßen fest auf dem Boden stehen muss, wenn man hoch in die Luft springen will“, schrieb Joan Miró. Die Verwurze- lung der katalanischen Nationalisten in ihrer Sprache lässt allerdings keine großen Sprünge zu, sondern hat zu einer tragikkomischen Leichenstarre geführt. Seit feststeht, dass Quim Monzó als Repräsentant von Katalo- nien mit seiner Rede die Buchmesse eröffnen wird, befindet auch er sich ganz auf Parteilinie und begrüßt den

„freiwilligen Verzicht“ der spanisch schreibenden Autoren mit dem Argu- ment: „Wenn ein Kulturraum sich präsentiert, sollten auch nur Schrift- steller dabei sein, die in der Sprache dieser Region schreiben.“

Mit dem katalanischen Esel als Leitmotiv für die Buchmesse hat sich das Ramon-Llull-Institut kei- nen großen Gefallen getan. Viele Plakate mit dem als dumm und stur verschrienen Tier sind mittlerweile mit zustimmenden Kommentaren beschmiert; eben dass die Katalanen Esel seien. Auf Spanisch natürlich.

So offenbart der Buchmessengast

„Katalanische Kultur“ vor allem dies:

eine verkorkste Beziehung, die der psychoanalytischen Hilfe bedarf. I Roland Motz

FRANKFURTER BUCHMESSE

Im Zeichen des Esels

Die katalanische Literatur bildet das Schwerpunktthema der diesjährigen Buchmesse. Die Verwurzelung der Nationalisten in ihrer Sprache lässt allerdings keine großen Sprünge zu.

Das von Miquel Barceló gestaltete Plakat zeigt nicht nicht den katalani- schen Esel, sondern präsentiert die ka- talanische Kultur – den diesjährigen Ehrengast der Frank- furter Buchmesse – als „Singular i Uni- versal“.

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