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uch wer bisher nicht dar- an gedacht hat, ausge- rechnet in die nordfran- zösische Stadt Lille zu reisen, wird spätestens seit diesem Jahr eines Besseren belehrt werden. Und dass nicht nur, weil in Lille zurzeit Peter Paul Rubens gefeiert wird, sondern auch wegen zahlreicher ande- rer Sehenswürdigkeiten und Events.Glanzvoller Höhepunkt der kulturellen Aktivitäten ist al- lerdings die Rubens-Ausstel- lung. Im Palais des Beaux-Arts, dem zweitgrößten Museum Frankreichs, werden mehr als 160 Werke des flämischen Ma- lers präsentiert. Für die Retro- spektive wurden Gemälde,Skiz- zen, Zeichnungen und Tapisse- rien aus aller Welt entliehen.
Ziel der Ausstellung ist es, die Vielfalt des wohl bedeutend- sten Barockkünstlers des 17.
Jahrhunderts zu veranschauli- chen, der vielen vor allem wegen seiner großformatigen Darstellungen üppiger, unbe- kleideter Frauen bekannt ist.
Liebhaber dieser „Rubens- Frauen“ kommen durchaus auf ihre Kosten. Doch Rubens war gleichzeitig auch ein hervor- ragender Maler von Porträts, Landschaften und religiöser Kunst, was in dieser Ausstel- lung eindrücklich vor Augen geführt wird.
Vor allem die sakralen Gemälde lassen den Betrach- ter nicht unberührt. Dazu gehören beispielsweise die monumentalen „Kreuzabnah- men“, die nicht nur durch die Leuchtkraft der Farben, son- dern auch durch die mensch- liche Anteilnahme beein- drucken. Zu den in der Ausstel- lung gezeigten Meisterwerken gehören aber auch mythologi- sche Bilder wie „Krieg und Frieden (Minerva schützt Pax vor dem Krieg)“.
Man sollte es sich nicht neh- men lassen, einen Abstecher in die nahe gelegene, ebenfalls sehenswerte Stadt Arras zu unternehmen. Dort lassen sich die Kunstkenntnisse vervoll- ständigen. In der im Museum für Schöne Künste gezeigten Ausstellung „Rubens gegen Poussin“ werden anhand zahl- reicher Bilder verschiedener Künstler die beiden Malstile gegenübergestellt.
Weitere Ausstellungen sind geplant. So wird von Septem- ber bis Januar 2005 im Muse- um für Moderne Kunst in Lille eine Exposition mit dem Titel
„Mexique/Europe, Allers-Re- tours 1910–1960“ zu sehen sein, deren Ziel es nach Anga- ben des Regionalen Fremden- verkehrsamts ist, „die Vielfalt
mexikanischer Kunst in der er- sten Hälfte des 20. Jahrhun- derts sowie die zahlreichen wechselseitigen Einflüsse von mexikanischer, europäischer und amerikanischer Kunst aufzuzeigen“. Einer der be- liebtesten Kulturzentren ist das Tri Postale, das ehemalige
Postverteilzentrum. Dort fin- den ungewöhnliche Ausstel- lungen und Aktionen statt.
Nachts verwandelt sich das Tri Postale in einen angesagten Club, in dem sich die Jugend Lilles trifft.
Lille lockt die Besucher auch mit zahlreichen weiteren Kulturevents. Rund 70 Millio- nen Euro wurden investiert, um die einstige Industriestadt in eine moderne Metropole zu verwandeln. So ist schon der abendliche Spaziergang vom Bahnhof zur Oper ein Erleb- nis. Der Besucher fühlt sich nämlich (fast) nach Schanghai versetzt. Denn die Stadt wur- de mit originalen Telefonzel- len, Leuchtreklamen, chinesi- schen Fitnessgeräten und ex- zentrischen Lichterbäumchen bestückt. Zu den so genannten Metamorphosen gehören bei- spielsweise das „Monsterkabi-
nett“, bei dem mechanisch be- triebene Monster durch die Straßen von Lille spazieren, oder der „hängende Wald“, ei- ne in zwölf Metern Höhe an- gebrachte Installation aus an Metallkonstruktionen aufge- hängten Bäumen.
Besonders stolz ist man in Lille und Umgebung auf die
„Maisons Folie“, die im Früh- jahr ihre Tore öffneten. Die zwölf „verrückten Häuser“
sind herausragende Gebäude an ungewöhnlichen Orten, wie zum Beispiel Fabriken, Gehöfte, Herrenhäuser und Hospize. In diesen leer ste- henden Gebäuden haben sich Künstler niedergelassen, die
durch ihre Projekte, aber auch durch gemeinsame Feiern den Kontakt zur Bevölkerung su- chen. Gisela Klinkhammer V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1830. April 2004 AA1269
Rubens-Ausstellung
Kunsterlebnisse in Lille
Die Kulturhauptstadt Europas 2004 lockt die Besucher mit einem attraktiven Programm.
Informationen:Die Anreise mit dem Zug (ab Köln fährt der Thalys, ab Brüssel der Hochgeschwindig- keitszug Eurostar) ist bequem und gleichzeitig eine interessante Ein- stimmung. Reservierungen: 01 80/
52 18 238. Informationen zu Lille als Kulturhauptstadt Europas und zur Rubens-Ausstellung, die noch bis 14. Juni zu sehen ist: www.
lille2004.com.
Informationen zu weiteren Akti- vitäten in der Region Nordfrank- reich: www.nordfrankreich-touris mus.com. Weitere Auskünfte: Fran- zösisches Fremdenverkehrsamt, Westendstraße 47, 60325 Frank- furt, Telefon: 01 90/57 00 25. In- ternet: www.franceguide.com.
Mit zahlreichen „Events“ will Lille weitere Besucher anlocken. Oben:
Eins der zwölf „verrückten Häuser“
– Maison Wazemmes. Unten: La Rambla de Shanghai, die Metamor-
phose der Rue Faidherbe
Peter Paul Rubens (1577–1640): Venus, Cupidus, Bacchus und Ceres
Fotos:Katalog
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