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eltweit sind rund 20 Millionen Menschen von einer Herzinsuf- fizienz der NYHA-Klassen III und IV betroffen. Spenderorgane sind äußerst knapp: Nur 4 000 bis 5 000 der Patienten, die im Endstadium der Er- krankung stehen, kann ein Spenderherz transplantiert werden. Geht man davon aus, dass in Deutschland jährlich circa 200 000 Patienten an einer terminalen Herzinsuffizienz sterben, von denen2 500 Betroffene durch eine Herztrans- plantation oder die Implantation eines mechanischen Kreislaufunterstützungs- systems zu retten wären, so wird der Stel- lenwert der Kunstherzsysteme deutlich.
Mit dem Incor I stellte das Deutsche Herzzentrum Berlin jetzt in Kooperati- on mit der Berlin Heart AG für diese Pa- tientengruppe ein neuartiges linksven-
trikuläres Assist-System vor. Die axiale Kreislaufunterstützungspumpe wurde im Berliner Herzzentrum bereits drei Patienten erfolgreich implantiert.
Im Gegensatz zu einem amerikani- schen System läuft der Rotor, der das Blut kontinuierlich durch den Organis- mus pumpt, nicht auf mechanischen La- gern, sondern „schwebt“ in einem ma- gnetischen Kraftfeld. So entsteht keine Reibung, keine Wärmeentwicklung und kein Verschleiß. Daraus resultiert ge- genüber vergleichbaren Systemen ein um 75 Prozent geringerer Energiebe- darf, sodass der Patient mit einer Akku- Ladung circa zehn bis zwölf Stunden unabhängig vom Stromnetz ist und eine weitaus größere Mobilität erlangt. Die Axialpumpe, die kleiner und leichter als herkömmliche Systeme ist, wiegt 200 g und hat einen Durchmesser von 30 mm.
Incor I ist sowohl als Bridging-System bis zur Transplantation geeignet als auch zur Entlastung des natürlichen Herzens bis zur Erholung und zum Dauereinsatz in Form der Alternative zur von vornher- ein nicht geplanten Transplantation. Das System besitzt eine Sensorik, um die Pumpe je nach Anstrengungsgrad herz- synchron arbeiten zu lassen und je nach Sauerstoffbedarf mehr oder weniger Blut umzuwälzen. Noch sind die Steuer- einheit und Batterien in einer kleinen Ta- sche außerhalb des Körpers unterge- bracht, doch an einem vollimplantierba- ren System wird bereits gearbeitet, bei dem mittels einer Spule per Induktion die Energiezufuhr erfolgen soll. Da der Incor-Träger wegen des kontinuierlichen Blutflusses pulslos ist und dies von Pati- ent und Arzt als unnatürlich empfunden wird, will man die Pumpe so verändern, dass sie eine gewisse Art von Pulsschlag erzeugt. Der Marktpreis wird vermutlich 50 000 Euro betragen. Ingrid Franke P O L I T I K
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A3156 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4722. November 2002
Herzchirurgie
Kunstherz verleiht bis zu zwölf Stunden Mobilität
Ein neuartiges axiales Kreislaufunterstützungssystem nutzt ein magnetisches Kraftfeld anstelle einer Pumpe.
Mit der externen linksventrikulären Unter- stützungspumpe Incor I sind die herzinsuffizi- enten Patienten beweglich; sie führen ledig- lich eine Walkman-große Steuereinheit und Batterien mit sich, mit denen man bis zu zwölf Stunden von anderen Energiequellen unab- hängig ist. Foto: Berlin Heart AG